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ОглавлениеMarsmenschen gibt’s natürlich nicht …
Northon (Ill.) Im Verlauf des II. Internationalen Astronomischen Symposiums sprach gestern der bekannte Astrobiologe Dr. S. F. Areson zum Problem der Lebensmöglichkeiten auf den Planeten unseres Sonnensystems. Das seit Beginn dieser Woche in Northon stattfindende Symposium, über das wir schon in unserer Mittwoch-Ausgabe berichteten, fand mit diesem Beitrag einen seiner Höhepunkte.
In Weiterführung seiner in zahlreichen Publikationen dargelegten Theorien zeigte Dr. Areson überzeugend die Unmöglichkeit hochentwickelten extraterrestrischen Lebens innerhalb unseres Sonnensystems. Damit dürfte die in letzter Zeit wieder aufgekommene »Extraterrestrier-Hypothese« (siehe unseren Artikel »Wieder fliegende Untertassen?« in Nummer 4/11 des Vorjahres) endgültig widerlegt sein. Einen ausführlichen Bericht finden Sie in unserer nächsten Ausgabe.
Illinois Review, 29. 2. 1985, S. 2
Obwohl es nun schon lange her ist, erinnere ich mich noch an jede Einzelheit. Kein Wunder, war dieser Vortrag doch das Ergebnis und die Vollendung umfangreicher Vorbereitungen und Spezialstudien. Ein Mißlingen hätte die Arbeit von Jahrzehnten in Frage gestellt.
Diese Gefahr war um so größer, als kurz zuvor die »Außerirdischen« wieder mal ins Gespräch gekommen waren. Und das nur, weil sich eine Gruppe von Wissenschaftlern fand, die – in völlig unwissenschaftlicher Weise – aus dem zufälligen Zusammentreffen einiger ungeklärter Vorfälle den unhaltbaren Schluß zogen, ein Raumschiff (!) von außerirdischen Wesen (!) könne die Erde besucht haben! Der leuchtende Punkt, der in der Nacht zum 14. August über dem Nordatlantik gesichtet worden war, soll dieses Raumschiff gewesen sein – nur, weil der Punkt später nicht mehr aufzufinden war – »das Raumschiff ist wieder abgeflogen«! Die Radiowellen, die ein paar Stationen empfangen haben, wurden als »Signale dieses Raumschiffs« ausgelegt, und der »Flugkörper«, den tags zuvor einige völlig inkompetente Leute über verschiedenen Siedlungen des Staates Nevada gesehen haben wollen, war natürlich eine »Landungsrakete«. Ja, es gab sogar Fachleute, die diese Hirngespinste für möglich hielten. Und erst die Zeitungen! »Wieder UFOs über den Vereinigten Staaten«, »Droht uns eine Invasion vom Jupiter?«, »Botschaft vom Andromedanebel«, »Marsianer verkünden das Nahen des Jüngsten Gerichts!«, »Handel mit Mars – Ende der Stagflation?« – um nur einige Schlagzeilen verschiedener amerikanischer Journale zu zitieren. Doch nicht nur in den USA, überall kam plötzlich ein starkes Interesse an den Problemen des Lebens im All auf, als habe es nur eines Anstoßes bedurft.[1]
Die soliden, nüchternen Wissenschaftler hatten viel Mühe, die Phantasten unter den Fachleuten und die Laien davon zu überzeugen, daß das alles Hirngespinste waren. Sie widerlegten jeden einzelnen Punkt dieser »Hypothese«:
Erstens war die »Landungsrakete« ein gewöhnlicher großer Meteorit,
zweitens waren die Angaben der Leute, die den Körper gesehen haben wollten, keinesfalls exakt und fundiert, und es kann sich also auch um eine optische Täuschung gehandelt haben, zumal in ganz Nevada keine Überreste des Körpers zu finden waren,
drittens gingen die »Signale« offenbar von einem anderen Objekt aus, zum Beispiel von einem Flugzeug, und wurden durch Störungen verzerrt,
viertens war das »Raumschiff« selbst höchstwahrscheinlich einer der unzähligen künstlichen Satelliten, und
fünftens ist das Zusammentreffen dieser Ereignisse dem Zufall zuzuschreiben.
Doch selbst nach dieser Beweisführung blieb das Thema im Gespräch, und es war im Interesse der Wissenschaft nötig, dem Gerede von den Extraterrestriern endgültig ein Ende zu bereiten. Dieses edle Ziel stellte ich mir, als ich meinen Vortrag über die Lebensmöglichkeiten auf den Planeten vorbereitete. Und ich kann ohne Übertreibung sagen, daß ich diese Aufgabe glänzend gelöst habe – jedenfalls ist es meinen Gegnern trotz hartnäckigen Bemühungen nicht gelungen, meine Beweisführung zu widerlegen.
Zu Beginn sagte ich einige Worte über die Unwahrscheinlichkeit des Lebens im Kosmos, ohne jedoch die Möglichkeit von Leben (vielleicht sogar vernunftbegabtem) ganz auszuschließen, wenn wir dabei andere, unerreichbar weit entfernte Sonnensysteme im Auge haben. In unserem Sonnensystem jedoch gibt es nur auf der Erde vernunftbegabtes Leben und sonst nirgendwo. Jedes höherentwickelte Leben ist auf den anderen Planeten völlig ausgeschlossen.
Dies zu beweisen gelang mir mittels der eigens dafür entwickelten physiko-chemo-astrobiologischen Wahrscheinlichkeitsrechnung, die ich theoretisch begründete und dann an einem Beispiel demonstrierte.
Aus mir völlig unverständlichen Gründen gilt das besondere Interesse der Menschen seit Jahrhunderten dem Mars; seitdem Schiaparelli die »Marskanäle« zu sehen glaubte, geistern die »Marsmenschen« durch die menschliche Phantasie und sind einfach nicht mehr daraus zu vertreiben. Aber auch seriöse Wissenschaftler waren der Meinung, daß Leben (wenn auch kein vernunftbegabtes) am ehesten noch auf dem Mars entstanden sein könnte. Bis ich sie eines Besseren belehrt habe.
Mit Hilfe meiner Methode habe ich ermittelt, daß die Wahrscheinlichkeit von Leben auf dem Mars verschwindend gering ist, praktisch gleich Null. Der Mars ist eine öde, lebensfeindliche Welt. Seine Oberfläche ist eine trostlose Kraterlandschaft ähnlich der des Mondes, die Temperaturen sind wesentlich niedriger als auf der Erde, die Atmosphäre hat einen viel zu geringen Druck und enthält fast keinen Sauerstoff, auch Wasser fehlt fast gänzlich. Wie sollte unter solchen Bedingungen Leben möglich sein?
Es liegt auf der Hand, daß auf dem Mars Leben ausgeschlossen ist. Und sollte es dort trotzdem irgendwelche Lebewesen geben, dann kann es sich nur um äußerst primitive Formen handeln – Bakterien oder ähnliches. Selbst das wäre schon ein Wunder – von höherentwickeltem Leben kann also keine Rede sein. Und daß es keine Marsmenschen gibt, weiß inzwischen ja sowieso jeder, der auch nur über eine Spur logischen Denkvermögens verfügt.[2]
In diesem Sinne also führte ich den Beweis meiner Behauptungen, und es gelang mir zweifellos, die Fachwelt mit meinen unwiderlegbaren Fakten und unanfechtbaren Schlußfolgerungen zu überzeugen. Ich bin sicher, daß dies auch einen nicht geringen Einfluß hatte bei der Entscheidung, ob in den folgenden Jahren ein bemanntes Raumschiff zum Mars starten sollte – das Projekt ist bekanntlich zurückgestellt worden, und mit den dafür vorgesehenen Mitteln wird das internationale Mondobservatorium gebaut.[3]
Leider konnte ich die begonnene Arbeit nicht fortsetzen. Der Vortrag hatte mich so erschöpft, daß sich mein Gesundheitszustand bald darauf verschlechterte, so daß ich nicht mehr in der Lage war, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Ich war den damit verbundenen Strapazen einfach nicht mehr gewachsen – rein körperlich, versteht sich.[4]
Trotz dem Spezialtraining – auf die Dauer sind die fürchterliche Hitze und der hohe Luftdruck nicht auszuhalten, ganz zu schweigen von den Präparaten, die ich tagtäglich einnehmen mußte, um den vielen Sauerstoff in der Luft wenigstens einigermaßen ertragen zu können. Und erst diese häßliche, schrecklich unbequeme künstliche Haut, die ich ständig zu tragen hatte, um anstelle meiner eigenen schönen, gesunden dunkelblauen Haut eine andere von geradezu widerlicher rosiger Farbe zur Schau zu stellen, und die außerdem noch meine Sehkraft minderte, da sie das dritte Auge auf der Stirn verdeckte – all das zwang mich, die Arbeit abzubrechen. Man schickte einen Ersatzmann für mich,[5] der das begonnene Werk fortsetzte und alles tat, um die Entsendung eines Raumschiffes zum Mars zu verzögern. Denn zweifellos war damals die Zeit noch nicht reif für eine Kontaktaufnahme zwischen den Menschen und uns Marsianern.
[1] Dabei hat sicher auch der Umstand eine Rolle gespielt, daß gerade damals die Entsendung der ersten bemannten interplanetaren Expedition durch die UNESCO erwogen wurde; die Zweckmäßigkeit dieses Unternehmens war in der Fachwelt heiß umstritten.
[2] Nachdem ich das alles dargelegt und so elegant bewiesen hatte, daß meine Schlußfolgerungen als Paradebeispiel astrobiologischen wissenschaftlichen Denkens in alle Lehrbücher der Astronomie, Astrobiologie, Astrobiochemie, Astrobiophysik, Astrochemie, Astrobotanik, Astrozoologie, Astrophysiochemobiologie und Astrogastronomie aufgenommen wurden, mußten selbst die haltlosesten Phantasten einsehen, daß am Mars nichts, aber auch gar nichts Bemerkenswertes ist und daß es kaum einen anderen Planeten gibt, der ebenso langweilig wäre wie der Mars, so daß es die fiktiven Marsmenschen schon deshalb nicht geben kann, weil sie auf so einem eintönigen Planeten längst vor Langeweile gestorben wären!
[3] Um Krater zu fotografieren, Temperaturen zu messen und den Boden zu analysieren, reichen automatische Sonden voll und ganz aus, und mehr hat der Mars eben nicht zu bieten.
[4] Geistig hatte mich der Vortrag kaum angestrengt – ich hätte ebenso mühelos den Beweis führen können, daß nach menschlichem Ermessen auf dem Planeten Erde kein Leben existieren kann. Ich tat es natürlich nicht – wozu auch?
[5] Seine Rakete landete wie üblich in der Wüste von Nevada; nach meiner Beweisführung hätte eine ganze Raumschiffflotte bei New York oder sonstwo landen können – man hätte sie für eine Fata Morgana gehalten.