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7. Kapitel / Eine Weltstadt wird gesucht

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m 17. März 1915 ist das Wetter besser geworden, der Funkspruch wiederholt: „Angriff auf London.“ Als ich zur Halle komme, um den Befehl „Klar Schiff“ zu geben, finde ich meine Leute schon in voller Arbeit. Meine Offiziere melden sich bei mir, der Oberingenieur lässt die Motoren probeweise laufen, die Rudergänger überzeugen sich, dass die Züge zu den Seiten- und Höhensteuern, Gasventilen und Wassersäcken in Ordnung sind, der Segelmacher hilft mit dem Malerpinsel dem kriegsgrauen Anstrich der Außenhülle nach. Wasserstoffgas saust durch die Anschlussleitung, die Benzintanks werden ausgefüllt, die Bomben, noch ohne Zünder, in die Abwurfvorrichtung eingehängt. Sobald mir das Fahrzeug als klar gemeldet ist, nehme ich meinen Platz in der Führergondel ein, während der Wachoffizier noch draußen bleibt, um das Ausbringen zu leiten. Die Sandsäcke, die das Schiff schwer machen, werden abgehängt; es hebt sich von den Holzböcken, auf denen die Gondelpuffer auflagen, die Landungsmannschaft hat die gespreizten Haltetaue gefasst, auf das Kommando „Luftschiff marsch!“ ziehen sie es an diesen „Seilspinnen“ aus der Halle. Als letzter schwingt sich der Wachoffizier an Bord, während der Mann, der ihn oder vielmehr sein Lebendgewicht vertreten hat, aussteigt. Das Schiff steht gegen den Wind und ist nach Ablassen von Wasserballast ausgewogen. Hochgeworfen, steigt es mit donnernden Motoren in weiter Kurve auf Prallhöhe und nimmt dann über Ostende Kurs zur Nordsee.

Die Luft ist ruhig und klar, vergebens halten wir nach einer Wolke Ausschau, um in ihrem Schutz die englische Küstensperre zu durchstoßen. Sterne funkeln und widerspiegeln sich im Meer. Unter uns auf der schimmernden See kreuzen feindliche Patrouillenboote, vorsichtshalber lasse ich an Bord alle Lichter löschen. Das Luftschiff versinkt in gespenstische Unwirklichkeit. Aus dem Dunkel der Führergondel leuchtet nur noch das Armaturenbrett des Maschinentelegrafen, durch den ich die Motoren auf langsame Fahrt beordere. Die beiden Rudergänger gleichen Schemen der Unterwelt, die an das Rad geschmiedet sind. Der Funker in seinem engbrüstigen Verschlag hat die Hörer über die Ohren geklemmt und lauscht dem Durcheinander von Zeichen und Stimmen, die in der Unendlichkeit des Weltraumes geistern. Unter unserem Kiel schleppt der Antennendraht sein Endgewicht nach, es folgt dem Luftschiff wie eben ausgeschlüpfte winzige Brut dem großen Mutterfisch. Die Kälte dringt durch die offenen Zellonfenster und den Fußboden in die Gondel; trotz doppelter Unterwäsche, Lederzeug und Kopfhaube frieren wir. Die Thermosflasche geht rundum, der heiße Kaffee tut uns wohl.

Um die Zeit des Wartens auszunutzen, begebe ich mich mit Oberstleutnant von Gemmingen auf Inspektion; Wachoffizier und Navigationsoffizier bleiben mit dem Obersteuermann in der Führergondel. Wir steigen die glatte Aluminiumleiter hinauf, die in den Laufgang des Luftschiffes führt. Der Gegenwind fegt eifrig zwischen Gondel und Schiffskörper hindurch, er presst mich an die Leitertritte, meine Hände in den dicken Pelzhandschuhen klammern sich unwillkürlich fest. Ist es doch vorgekommen, dass ein Mann, vom Schwindel befallen, auf der Leiter ausglitt und aus 2500 Metern Höhe in die Nordsee stürzte.

Auch der Laufgang, der sich durch das ganze Schiff hinzieht, ist keine Promenade. Jedoch, wir richten uns in der Finsternis kaum noch nach den selbstleuchtenden Plättchen, die ihn markieren, sondern nach Gewohnheit und Gefühl; wir balancieren auf dem fußbreiten Weg zwischen Verspannungen und Tanks so rasch und sicher, als ob mir bei Tag auf breiter Straße zwischen Häusern spazierten. Ich habe Pelzstiefel an, wie wir alle; und diese dickgefütterte Fußbekleidung ist nicht nur Kälteschutz. Der genagelte Soldatenstiefel könnte das Metall des Schiffsgerüstes beschädigen, deshalb sind grundsätzlich Schuhe mit Gummi- oder Strohsohlen vorgeschrieben.

Bei den Gaszellen, die den Laufgang wie Riesenpilze einer urzeitlichen Landschaft überschatten, höre ich Geräusch; im Aufblenden meiner Taschenlampe gewahre ich den Segelmacher, der mit affenartiger Gewandtheit aufwärts turnt. In seinem knopflosen Overall (damit er nirgends hängenbleibt) stemmt er sich zwischen zwei Ballonetten wie ein Bergsteiger im Felsenkamin hoch und sucht mit seinem Messinstrument die Zellenhaut nach einer undichten Stelle ab. Pinsel und Zellontopf stehen unter ihm, um sofort zur Hand zu sein, wenn ein Schussloch in der Hülle provisorisch zu verkleben ist. Die Tätigkeit des Segelmachers ist verantwortungsvoll und schon durch sich selbst nicht ungefährlich; ehe er es merkt, kann er unter Umständen durch ausströmendes Gas betäubt sein. Deshalb hat sein Gehilfe oder sonst ein Kamerad während seiner Arbeit auf ihn aufzupassen.

Ich habe auf Streiffahrt keinen überflüssigen Mann an Bord, Ablösung in kurzen Wachen wie beim Friedensdienst gibt es da nicht. Folglich sind die Hängematten in den Mannschaftskojen, die zwischen den Versteifungen ausgespart sind, jetzt auch leer; nur auf dem verschwiegenen Thronsessel im Hintergrund erleichtert sich ein Mann von seinen inneren Gefühlen. Er springt erschrocken auf, als er mich erkennt, ich winke lachend ab. Der Unteroffizier, der an Bord den Koch macht, meldet sich aus dem Dunkel; ich gebe Auftrag, der Mannschaft aus dem Aluminiumtopf in der Kochkiste einen Teller Suppe zu verabreichen; sie kann etwas Heißes brauchen, solange uns der Feind nicht heiß macht. Viel Proviant führen wir ohnehin nicht mit, das ist auch überflüssig, denn entweder kommen wir binnen zwanzig Stunden zurück oder überhaupt nicht. Unser Mundvorrat beschränkt sich auf Brot, Butter, Schinken, Speck, ein paar Eier, etwas Konserven, einige Tafeln Schokolade, zum Trinken Tee und Kaffee; einen Schluck Kognak leisten wir uns höchstens einmal an Land nach vollbrachtem Auftrag als erste Hilfe, um die erstarrten Glieder aufzutauen.

Mittschiffs erweitert sich die schmale Schlucht des Laufgangs; senkrecht unter mir blinkt das Meer wie Blei, ein Fehltritt in diesem Augenblick ist besser zu vermeiden. In dem schwachen Schimmer, der durch die Luke heraufdringt, sehe ich die Bomben wie aufgereihte Birnen an der Abwurfvorrichtung hängen; neben Sprengbomben von 58 bis 300 Kilogramm Gewicht auch Phosphorbomben, die in den beworfenen Zielen Brände hervorrufen sollen. Die tückischen Abwurfgeschosse sind noch nicht entsichert, trotzdem liegt mein Bombenoffizier auf dem Bauch und späht voll Ungeduld durch die offene Klappe. Er ist eine Seele von Mensch und könnte im Frieden keiner Fliege etwas antun, aber jetzt brennt er darauf, seine mörderische Ladung auszuschütten. Wir sind im Kampf, und Kampf kennt nur Härte gegen den Feind, der uns mit gleicher Münze heimzahlt.

Während Gemmingen mit dem Bombenoffizier die Zusammenarbeit zwischen ihm und der Führergondel bespricht, setze ich die Inspektion fort und steige in die hintere Maschinengondel ab, die wie ein kleiner Himmelstrabant unter dem Luftschiff schwebt. Die Gondel ist eingekapselt und von den beiden 210pferdigen Maybach-Motoren so ausgefüllt, dass die zwei Maschinisten sich kaum umdrehen können. Der Maschinenlärm übertönt jedes Menschenwort, der Obermaschinist hebt deshalb nur die Hand, das besagt, dass bei ihm „alles klar“ ist. Die Luft in der Nussschale ist gesättigt mit Benzindämpfen und Auspuffgasen, ich meine zu ersticken und lasse den Abzug öffnen, da zieht es von draußen polarkalt herein. Es gehören eine steinerne Gesundheit und eiserne Nerven dazu, um stundenlang in diesem brüllenden Teufelskessel auszuharren, in dem glühende Hitze und schneidende Kälte aufeinanderprallen, und doch ist das noch nichts gegen die Anforderungen an den Maschinisten, wenn im Kampf mit dem Feind oder den Elementen das Leben der ganzen Besatzung davon abhängt, dass er einen Schaden an Motor und Propeller noch in der Luft behebt.

Wie sich das in der engen Schicksalsgemeinschaft des Luftschiffes von selbst versteht, kenne ich jeden meiner Leute nicht nur im Dienst. Der Kommandant an Bord ist nicht bloß Vorgesetzter, er ist auch Kamerad, Freund und Berater, ist Vater, Arzt und Seelsorger in einem. So weiß auch ich in den Familienverhältnissen meiner Mannschaft Bescheid, weiß, dass der eine Frau und Kinder daheim hat, ein anderer jung verheiratet, ein dritter der einzige Sohn und Ernährer betagter Eltern ist. Beziehungen des Herzens binden jeden von ihnen an das Leben, das ihnen den Abschied schwer macht; keiner mag sterben, alle wollen sie nach dem Krieg zurück, aber diese Sehnsucht nach Hause macht sie nicht mutlos oder ängstlich gegenüber der Gefahr, sondern verzehnfacht ihre Kraft und Entschlossenheit, den übermächtigen Feind abzuwehren, der das Vaterland bedroht.

Stolz darauf, Männer solcher Denkungsart in das Zentrum des Gegners führen zu dürfen, durchwandere ich das lustige Gebilde, das uns Waffe und Wohnung ist. Rückwärts hinter mir verliert sich der Dom des Hecks mit seinen Führungs- und Steuerflossen in dem Dunkel, aus dem sich die säulenhohen Träger zierlich wie Filigran abheben. Ich komme an dem Steigschacht vorbei, der einer Fischreuse ähnelt und zwischen zwei Gaszellen 15 Meter hoch auf den Luftschiffrücken führt. Dort oben, auf der Plattform neben seinem Maschinengewehr, im sturmstarken Gegenwind der Schiffsgeschwindigkeit, hält der Schütze Auslug und meldet durch das Sprachrohr, sobald er einen feindlichen Flieger sichtet. Schießen darf der Posten erst, wenn er den Befehl dazu erhält. Denn da bei steigendem Schiff Füllgas nach oben austritt, so besteht Gefahr, dass die Geschossgarbe des Maschinengewehres das Gemisch von Gas und Luft entflammt. Deshalb darf auf der Plattform nur geschossen werden, wenn das Schiff nicht Gas abbläst.

Es ist 23 Uhr, als ich zur Führergondel zurückkehre. Z XII hat lange genug gekreuzt, ich lasse nun direkten Kurs auf England nehmen. Aus der Kimm taucht seine Steilküste auf, gegen die Brandung gischtet. Wir haben auf einmal ein merkwürdiges Gefühl im Leib, die Nerven spannen sich in einer fast freudigen Erwartung. Wird es uns gelingen, unbemerkt oder wenigstens unbeschädigt die Kette der Küstenbatterien zu durchbrechen? Sonderbar, man sieht nichts vom Hinterland, so abgedunkelt kann es doch nicht sein! Das Rätsel löst sich, als wir näher kommen, denn plötzlich stecken wir im dicksten Fog. Die Insel schützt sich selber vor den fliegenden Eindringlingen, wie sie sich in früheren Jahrhunderten auf gleiche Weise vor den Einfällen feindlicher Seefahrer geschützt hat.

Ich bringe den schwerbeladenen Z XII so hoch, wie es nur irgend geht. Aber in 3000 Metern ist der Nebel noch genau so dick. Wir kreuzen in allen Richtungen, immer in der Hoffnung, die Themse ausfindig zu machen, da über Flussläufen die Wolken gewöhnlich dünner und ungleich sind. Schließlich drücke ich das Schiff bis fast auf den Boden herunter — verlorene Liebesmüh, die größte Stadt der Welt ist einfach nicht zu finden! Das einzige, was wir erreichen, ist rasendes Feuer einer Abwehrbatterie, die wir aber auch nicht sehen können. Wir müssen ihr die Antwort schuldig bleiben.

Um nicht die ganze Nacht in nutzloser Suche zu vertun, wenden wir und steuern nach Calais. Zu unserer Überraschung sind hier die Wetterverhältnisse geradezu ideal, um unsern Spähkorb kriegsmäßig zu erproben. Die Wolken lagern 1200 Meter über Land und See, und die Luft darunter ist klar wie Kristall. Wir können die Lichter von Calais meilenweit ausmachen und bereiten uns zum Angriff vor. Dabei kommt es zu einem freundschaftlichen Streit zwischen Gemmingen und mir, weil jeder von uns beiden in den Spähkorb will. Gemmingen beruft sich darauf, dass er dem Luftschiff als Generalstabsoffizier und Beobachter zugeteilt ist, während ich als Schiffsführer in der Führergondel bleiben müsse. Ich gebe ihm recht.

Bevor wir uns Calais nähern, drosseln wir die Motoren so weit, dass sie möglichst wenig Lärm machen und uns doch noch erlauben, zu manövrieren. Das Schiff taucht in die Wolken, Gemmingen wird im Spähkorb 800 Meter tief herabgelassen. In der Unendlichkeit des Raumes kommt er sich wie ein körperlos schwebender Geist vor. Aber er ist ein gefährlicher Geist, wie die Ereignisse beweisen. Als wir über der Stadt anlangen, hängt der Beobachter bei völlig klarer Sicht 800 Meter über ihr, während umgekehrt seine winzige Gondel von unten aus nicht sichtbar ist. Die Besatzung der Festung hört unser Motorengeräusch, und die ganze leichte Artillerie der Forts feuert in die Richtung, aus der das Geräusch tönt. Aber der Himmel ist groß, und nur ein einziges Mal kommt eine Salve nahe genug, dass wir den Krach der explodierenden Granaten vernehmen. Wenn wir uns aus der Gondel beugen, sehen wir nichts als Dunkelheit und Nebel, aber Gemmingen dirigiert uns durch das Telefon und gibt nach dem Kompass den Kurs an. Wir kreisen 45 Minuten über der Festung und werfen nach seinen Angaben in fünf Angriffen bald größere, bald kleinere Bomben auf den Bahnhof, die Schuppen der Docks, die Munitionslager und andere Gebäude. Gelegentlich bemerken wir auf der Wolkendecke große ovale Flecke; es ist das Licht der Suchscheinwerfer, das durch sie wie durch ein ausgespanntes Laken hindurchleuchtet. Später hörten wir, dass in Calais eine Panik ausgebrochen war, nicht nur infolge des Bombenangriffs, sondern vor allen Dingen auch, weil man das Luftschiff nicht sehen konnte. Es gab ein großes Rätselraten, auf welche Weise es gelungen sei, uns unsichtbar zu machen. Man vermutete ein System von Spiegeln und Farben, obwohl die Wissenschaft das schon als unmöglich nachgewiesen hatte. Auf jeden Fall verhafteten die Behörden ein paar unschuldige Einwohner, die in jener Nacht mit ihren Fahrrädern draußen gewesen waren. Sie wurden verdächtigt, uns mit ihren Laternen signalisiert zu haben. Heimgekehrt von unserem Streifzug, hatte ich den Z XII gerade bis auf 120 Meter heruntergebracht und wog ab, das heißt, ich ließ die Motoren stoppen, um das Schiff frei seinen Auftriebskräften zu überlassen. Unsere Vorwärtsbewegung hatte aufgehört, der Höhensteuermann stellte fest, dass wir langsam sanken, und ich wollte eben die Motoren wieder anspringen lassen, als ich plötzlich große schwarze Kamine gegen den Himmel ragen sah. Das Wetter war umgeschlagen, das Barometer war in weniger als zwölf Stunden um mehr als zehn Millimeter gefallen, und der Höhenmesser hatte hundert Meter zu viel angezeigt. Ehe wir Ballast abwerfen konnten, erreichte das Schiff den Boden. Es fiel auf eine Eisenbahnlinie zwischen ein paar Fabriken am Rande unseres Landungsplatzes. Die vordere Gondel setzte sich auf eine Brücke über die Schienen, auf denen sich das Hinterteil des Schiffes breitmachte. Der Schwanz verfing sich in einer Telegrafenstange, wobei ein Teil der Steuerorgane weggerissen wurde. Ich sprang hinaus, besah mir den Schaden und schickte vor allen Dingen erst einmal Wachen aus, die alle Züge aufhalten sollten. Nachdem wir den Z XII an einigen Telegrafenstangen verankert hatten, warteten wir den Morgen ab und schleppten den lahmen Riesen dann in die Halle zurück, die für die nächsten vierzehn Tage sein Spital war. Ich hatte in dieser Zeit offensichtlich meine Pechsträhne, denn kaum war mein Luftschiff wieder in Ordnung, so erlitt es einen weiteren Unfall. Abermals waren wir zum Angriff auf London gestartet, als wir bei Nacht über der Nordsee in stärksten Regen gerieten. Das Wasser floss in Gießbächen von der Hülle und belastete das Schiff so stark, dass an eine Durchführung unseres Planes nicht mehr zu denken war. Um unsere Bomben nicht wieder heimzuschleppen, nahm ich Kurs auf Dünkirchen und entleerte anderthalb Tonnen Sprengstoff über die Festung, die ihrerseits die Luft mit Schrapnellen pflasterte. Mit einem Mal erzitterte das Schiff, es krachte, und gleich darauf telefonierte die Mannschaft in der hinteren Motorengondel, dass der Steuerbordpropeller verschwunden sei. Ein großes Loch in der Außenhülle und ein kleines in der Unterseite einer Gaszelle verrieten uns, welchen Weg der von einem Sprengstück getroffene Propeller genommen hatte. Wir machten, dass wir heimkamen, einigermaßen beschämt, unser eigentliches Ziel auch diesmal nicht erreicht zu haben. Mehr Glück als wir mit unseren Vorstößen gegen London hatten meine Kameraden mit dem Überfall auf Paris.

Am 20. März 1915 erhielten die Führer der Heeresluftschiffe Z X, LZ 35 und SL 2 den Befehl, die französische Hauptstadt in der kommenden Nacht anzugreifen. Deutsche Scheinwerfer in Douai, Cambrai, Noyon und anderen Plätzen dienten ihnen als Leuchtturm und Lotse, indem sie, kurz aufleuchtend, ihren Geheimnamen blinkten. Der SL 2, von Professor Schütte auf der Lanz-Werft in Holzkonstruktion gebaut, wurde schon auf dem Hinweg über den Schützengräben mehrfach getroffen, warf deshalb seine Bomben über Compiègne ins französische Hauptquartier und kehrte zu seiner Halle zurück. Die beiden Zeppeline setzten den Vorstoß auf die Weltstadt fort.

Paris war gewarnt, seine Scheinwerfer spielten in allen Richtungen, und eine Batterie im Süden feuerte heftig auf eine Wolke, die sie im Scheinwerferlicht für eins der Luftschiffe hielt. Aus Gründen, die ihnen selbst am besten bekannt sein werden, ließen die Franzosen ihre Hauptstadt hell erleuchtet, ganz im Gegensatz zu London, das jedes Mal im Dunkeln lag. Meine Kameraden sahen deutlich das Mündungsfeuer der schweren Festungsgeschütze in den Forts; die Granaten fielen großenteils in die Stadt zurück, einige in das Regierungsviertel, wo sie beträchtlichen Schaden anrichteten. Auch die Flak versagte, ihre Geschosse barsten weit unter den deutschen Luftschiffen. Wie mir der Führer des Z X, Hauptmann Horn, erzählte, erreichte er die französische Hauptstadt bei starkem Gegenwind in nur 2400 Metern Höhe und kreuzte eine halbe Stunde über ihr, um seine Bomben richtig und in Ruhe anzubringen. Sogar das Reuterbüro musste den Erfolg der Deutschen zugeben. Es berichtete, dass eine große Munitionsfabrik getroffen worden sei: „Die Hälfte des Werkes, das um diese Zeit arbeitete, ist vernichtet, zertrümmert, in tausend Stücke gesetzt. Der Rest der Fabrik sieht aus, als wenn er in einen ungeheuren Strudel geraten wäre. Ein riesiges Loch im Boden ist mit Balken, Gestänge und Steintrümmern gefüllt.“ Ebenso war ein großes Elektrizitätswerk zerstört.

Auch LZ 35 gelangte bis Paris, bombardierte es und wurde beim Verlassen der Stadt von motorisierten Abwehrgeschützen und Scheinwerfern verfolgt. Der Kommandant Masius schüttelte die Verfolger ab, indem er seinen Kurs über die ausgedehnten Wälder nördlich von Paris nahm. Als das Luftschiff die Front überschritt, wurde es neuerlich beschossen, trotz hundert Löchern in der Hülle kam es gut heim.

Der Z X hatte auf dem Heimweg nicht so viel Glück. „Die Dämmerung brach herein“, erzählte mir Hauptmann Horn, „als wir bei Noyon die Front passierten. Die Franzosen hatten schon auf uns gewartet. Obwohl wir uns so hoch wie möglich hielten, wurde der Z X doch in 3000 Metern Höhe durch zwei vollständige Salven einer Batterie getroffen. Granaten und Schrapnelle barsten, und ihre Sprengstücke durchschlugen zwei oder drei Gaszellen auf einmal. Eine ganze Granate ging durch das Schiff, und zwei Schrapnelle verfehlten die Führergondel nur um Zentimeter.

Mit Vollgas retteten wir uns hinter unsere Linien. Deutsche Flugzeuge gaben uns das Geleit gegen etwa auftauchende feindliche Flieger, die jedoch wohl nicht in den Granatenhagel hinein mochten und deshalb gar nicht erst ausstiegen. Der Fahringenieur, der mit zwei Mann die Runde gemacht hatte, berichtete, dass nicht weniger als fünf Zellen rapid Gas verloren, und der Höhensteuermann ergänzte diese Meldung dahin, dass der Z X mehr als anderthalb Meter in der Sekunde falle. Ich drückte daraufhin den Zepp aus 1200 Meter herunter, damit der stärkere Luftdruck das Traggas mehr nach oben presse, wo die Zellen nicht so sehr durchlöchert waren. Um das Schiff zu erleichtern, warfen wir Maschinengewehre, Benzintanks, Ölbehälter, Werkzeug und Ausrüstungsgegenstände über Bord. Unsere dicken Mäntel und unsere Stiefel folgten. Als alles nicht mehr half, fügten wir uns in das Unvermeidliche und brachten den lecken Kahn auf einem Feld bei St. Quentin zur Notlandung, ohne dass der Besatzung etwas geschah.“

Trotz seines Missgeschicks beneidete ich Hauptmann Horn, denn er hatte seinen Auftrag durchführen können; ich selber kam bei einem dritten Vorstoß gegen England nur bis Harwich, auf das ich meine Sprengladung entleerte. Zwei Tage später stand LZ 38 über London und war so der erste Zeppelin, der die Hauptstadt des britischen Weltreichs bombardierte.

Auf Luftpatrouille und Weltfahrt

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