Читать книгу Auf Luftpatrouille und Weltfahrt - Ernst A. Lehmann - Страница 6

3. Kapitel / Wir jubilieren — aber wo und wie!

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ie Funksendung von Land erfolgt jetzt Schlag auf Schlag; Pina gibt Herrn Sieverts vertrauliche Berichte unverzüglich an mich weiter.

Recife, 26. November 11.35 Uhr

Schiffsleitung Grafzeppelin Nr 228

Für Euch streng vertraulich stop Soeben erhaltene Informationen vom Truppenkommando sind dergestalt dass Kämpfe in Gegend Zeppplatz anzudauern scheinen Punkt Truppenkommando hofft jedoch bis heute Abend bis Areas vorzudringen und Positionen im Laufe des morgigen Tages zu festigen Punkt Stadtinneres ruhig doch starke Absperrungen und völlig ohne jedes Verkehrsmittel Punkt Erachten notwendig Verschiebung Landung auf Mittwochnachmittag besser noch wäre Landung Donnerstagmorgen Auffüllung tagsüber und Start Donnerstagabend um Nachtaufenthalt zu vermeiden Punkt Bitte diesbezügliche technische Möglichkeiten zu studieren Punkt Gemäß Informationen Herrmann sind 22 000 Kubikmeter Wasserstoffgas fertig Versuche jetzt mit Herrmann zum Platz zu gelangen Punkt Ihr seid gestern gegen 14 Uhr gesichtet worden bitte haltet Euch nur außer Sicht Punkt Falls eilige Mitteilungen bitte sofortige Durchgabe Hoffe bis 10 Uhr 30 wieder auf Pinastation zu sein

Sievert

Aeronauta Recife

Nr 10 für Sievert In Anbetracht scheinbar bevorstehenden Wetterumschlages sollte Landung und Nachfüllung nicht länger als unbedingt notwendig hinausgeschoben werden deshalb bitte rückfraget Truppenkommando ob nicht doch Mittwochnachmittag ausreichende Sicherheit erreichbar

Lehmann

Recife, 13.50 Uhr. Eingegangen an Bord 15.30 Uhr

Schiffsleitung Graf Zeppelin Nr 233

Für Euch streng vertraulich stop Rückkomme soeben vom Landeplatz bestätige Empfang Eures Radios 10 Punkt Gemäß Aussagen Giquia befindlicher Truppenteile ist Regierungsaktion von Stadt aus bis Tigipio vorgedrungen Revolutionäre teilweise gefangen doch Großteil im Rückzug auf Socorro Komma Socorro wohin Regierungstruppen anscheinend umklammernd vorrücken wird wohl Hauptaktionsplatz werden Punkt Landeplatz und Anlagen anscheinend völlig unbeschädigt Herrmann gegenwärtig mit genauer Untersuchung beschäftigt definitiver Bericht nachmittags Komma Kraft und Lichtstrom sowie Telefon unterbrochen Punkt Anbetracht Eures Radios werde sofort nötige Vorbereitungen treffen Punkt Sicherheit für Landung sollte bis Mittwochnachmittag erreichbar sein doch bedeutet natürlich jeder Zeitgewinn für gründliche Säuberung Platzumgebung weiteren Sicherheitsfaktor Punkt Da außerdem momentan nicht zu übersehen ob Stromzuführung bis Mittwochnachmittag wieder geordnet würde evtl. Beleuchtung fehlen was weiterer Grund möglichsten Vermeidens Nachtaufenthaltes Punkt Deshalb bitte Möglichkeit Aufenthalt nur Donnerstag ungeachtet unserer energischsten Vorkehrungen zu Mittwochlandung im Auge behalten Punkt Hoffe bis 15 Uhr erneut Vorkehrungen Truppenkommandos berichten zu können empfehle Verständigung Rio Gesamtbrasillage

Sievert

Amtliche und Pressemeldungen, die wir auffangen, ergänzen das Bild der Lage. Danach kann die Revolution in den Nordstaaten als niedergeworfen gelten. Die Regierungstruppen sind jetzt stark genug, um mit Hilfe der Nationalmiliz und der Freiwilligen aus dem Hinterland die Säuberung der Bundeshauptstädte zu vollenden. Artillerie fährt gegen die Kasernen der Meuterer auf und macht sie sturmreif. Fluggeschwader des Heeres und der Marine lösen über den Barrikaden Bomben aus und jagen den Flüchtenden Geschossgarben nach. Ein paar Rädelsführer, die aus Natal mit dem Dampfer „Santos“ zu entkommen suchen, finden das Meer durch die Kriegsschiffe gesperrt und kehren entmutigt zurück. Die Kasernen in Olinda und Socorro sind geräumt, Fliegerbomben brechen bei Jobotao den letzten Widerstand. Die Rebellen strecken überall die Waffen oder fliehen in das unwegsame Landesinnere.

Auch unsere Landungsstation in Recife ist frei und meldet sich.

Recife, 14.50 Uhr

Denne Nr 236

Wir versuchen durch Meldegänger Wetterbericht von Olinda zu erhalten

Station Recife

Recife, 16.20 Uhr

Denne Nr 237

Versuchet Verbindung mit Olinda vielleicht dort Wettermeldung Küste zu erhalten

Station Recife

Recife, 17.20 Uhr

Schiffsleitung Grafzeppelin Nr 238

Socorro hat sich ergeben somit Lage gesichert Punkt Fahre jetzt zum Landeplatz und gebe anschließend Bericht Herrmann über Befund Gasfabrik veranlasse Maßnahmen Säuberungsaktion Platzumgebung Vorbereitung Landung Mittwochnachmittag

Sievert

Denne, 17.25 Uhr

Syncondor Rio

Nr 14 Nach Mitteilung Recife Landung voraussichtlich Mittwochnachmittag stop Erwarten Südpost planmäßig Freitag früh 6 Uhr Riozeit in Recife stop Erbitten von Euch möglichst ausführliche Information über Gesamtlage

Lehmann

Denne, 17.25 Uhr

Aeronauta Recife

Nr 15 Bestätige Euer 233 stop Wir sind bei gutem Wetter durchaus in der Lage bis Donnerstag früh zu warten müssen aber auch den sehr leicht möglichen Fall eines Wetterumschlages mit im Auge behalten und deshalb unter allen Umständen Landemöglichkeit Mittwochnachmittag sicherstellen Entscheidung braucht erst Mittwochmittag getroffen zu werden

Lehmann

Denne, 18.34 Uhr

Zeppelinreeder Friedrichshafen und Berlin

Nr 63/64 Lage Pernambuco noch nicht restlos geklärt deshalb Landung wahrscheinlich erst Mittwoch stop Haben heute vom Hasüddampfer Espana 110 Kilo Frischproviant übernommen

Grz

Secretario seguranza Recife

1Aggradecemos penhorademente providencias a aviso possibilidade amarracao temos providenciado todo programma aterissagem quarttafeira tarde ponto agradecem axia absequito providencias segurance dirigivel contra actos prejuiciaes

Grafzeppelin

Recife, 19.18 Uhr

Schiffsleitung Grafzeppelin Nr 240

Ergebnis Herrmanns Untersuchung Platzanlage keinerlei Beschädigungen alles in bester Ordnung Beleuchtung durch Dieselbetrieb sichergestellt Punkt Gemäß Mitteilung Pernambuco Tramway Stromzuführungsnetz und Telefon voraussichtlich in heutigen Abendstunden wiederhergestellt Punkt Arbeiten mit allen Kräften für Landung Mittwochnachmittag halten selbige auf Grund entschiedener Lage für wahrscheinlich genügend gesichert Punkt Bestätige Empfang Eures Radios 15 mit definitivem Entscheid über Landung Mittwochnachmittag einverstanden

Sievert

Recife, 19 Uhr Nr. 341/26 urgente

Comte Denne via ppo

2Secretario seguranza publica informa essa aeronave pode descer Giquia onde situacao jo normalisada pt obquio acusar sandacoes a Braga director regional correos e telegrafos

Graf Zeppelin“, 19.45 Uhr

A Braga director regional correos e telegrafos

Recife

3Acuso recebido vosso nr 341/26 pt Immensamente gratio vossa exa communicacao normalisacacao situacao pt Pedimos transmittir secretario seguranza publica sera procurado pelo nosso representante acerca descida aeronave amanha pela manha pt Saudacoes

Comte Zeppelin


„Graf Zeppelin“ fährt in die Bucht von Rio de Janeiro ein


Wieder daheim! Das Luftschiff wird an den Seilspinnen herabgezogen

Denne, 20.20 Uhr

Aeronauta Recife

Nr 16 Bestätigen Euer 240 stop Secretarrio seguranza publica ließ uns soeben durch Postdirektor Braga mitteilen das Schiff jetzt landen könne bitte setzet Euch mit ihm in Verbindung ob Landung nicht morgen früh 5 Uhr Riozeit bereits unbedenklich möglich

Lehmann

Denne, 23.40 Uhr

Aeronauta Recife

Nr 17 für Sievert Antwort auf unser Nr 16 dringend erwünscht

Grafzeppelin

Recife, 23.45 Uhr

Schiffsleitung Grafzeppelin Nr 243

Ansicht Secretario seguranza publica über Landungsmöglichkeiten mir bekannt Punkt Wo Ihr jedoch laut Euren Mitteilungen unter allen Umständen völlig gefahrlos Landung bis Mittwochnachmittag verschieben könnt meine Ansicht dass morgigen Tag zur weiteren Sicherung ausnützen sollten Folgende Begründung Erstens gründliche Säuberung Wohnviertel in Platzumgebung bisher nicht durchgeführt somit Möglichkeit dortigen Versteckt seins Revolutionärer oder Waffen die eventuell zu Sabotageakten verleiten könnten absolut nicht ausgeschlossen Habe diese Säuberung für morgen beantragt stop Zweitens ist die Gewissheit Bereitschaft genügender Landemannschaft morgen früh absolut nicht gegeben denn Platzumgebung war heute Nachmittag noch stark entvölkert und ich bezweifle stark dass selbst verfügbare Leute bei Dunkelheit anmarschieren Habe zur Sicherheit und Übersicht jedoch auf morgen früh Probealarm Haltemannschaft angesetzt stop Haltemannschaft aus Polizeitruppe gleichfalls abrate da selbige durch bisherige Aktionen ermüdet und bisher Zusagen Kommandos nicht erhältlich stop Für morgen Nachmittag verfügbare Hilfskräfte deutscher Kolonie zur Durchsetzung Haltemannschaft veranlasst somit empfehle nach wie vor ausdrücklich Fernhalten von Recife und Landung Mittwochnachmittag 17 Riozeit stop Bitte Bestätigung oder Gegenorder

Sievert

Denne, 27 November 0.10 Uhr

Aeronauta Recife

Nr 16 Bestätigen Ihr Nr. 243 frühester Landetermin Mittwoch 17 Uhr Riozeit

Grz

Recife, 12.25 Uhr

Schiffsleitung Grafzeppelin Nr 245

Nacht verlies in voller Ruhe Verkehrsmittel Stadt kommen erst heute Morgen allmählich in Betrieb Telefone noch unterbrochen Punkt Bereiten alles für Landung heute Nachmittag 17 Uhr Riozeit vor

Sievert

Via Hamburg, 2.30 Uhr

Erbitten Stichwortbericht über Position letzte Maßnahmen und Besonderheiten

Unterschrift verstümmelt

Denne, 14.00 Uhr

Aeronauta Recife

Nr 19 Wir werden pünktlich 17 Uhr Riozeit zur Landung anfahren

Grafzeppelin

Denne, 14.55 Uhr

Syncondor Rio

Nr 21 In Recife ist völlig normaler Zustand wiederhergestellt Ungefähr 17 Uhr 30 Riozeit landen Wiederaufstieg Freitag früh 9 Uhr gmt zur nächsten planmäßigen Postfahrt nach Afrika stop Erbitten rechtzeitiges Eintreffen Südpost sowie Benachrichtigung Samstagabend falls Postabwurf nicht Natal

Lehmann Grafzeppelin

Denne, 14.50 Uhr

Zeppelinreeder Friedrichshafen und Berlin

Nr 16 In Recife ist völlig normaler Zustand wiederhergestellt werden ungefähr 17.30 Riozeit landen stop Unsere 500. Fahrt wird also gleichzeitig Weltdauerrekord mit fast 119 Stunden stop Wiederaufstieg Freitag früh

Lehmann Grafzeppelin

Berlin, 15.10 Uhr

Kommando Grafzeppelin via Hamburg

Im Einverständnis mit Luftfahrtministerium erbitten Stichwortbericht über Position letzte Maßnahmen und Besonderheiten

Funkantwort erbeten

DNB4 Berlin

„Graf Zeppelin“, 15.20 Uhr

DNB Berlin

Vorige Woche Aufstieg Freitagabend Postaustausch Bathurst Sonntag früh stop Erste Nachricht über Recife Revolution an Bord einging Sonntagabend stop Da in Rio Gasfabrik noch unfertig und Reife Sevilla gegen Nordostpassat zu weit beschlossen sofort Brennstoffsparen durch reduzierte Geschwindigkeit wodurch noch eine Woche Luftausdauer möglich stop Darüber hinaus wäre Brennstoffaufnahme vom Boden oder Seeschiff in Betracht gekommen stop Zur Übung und weil Brot etwas knapp war übernahmen wir gestern früh rund 100 Kilo Frischproviant vom Hasüddampfer Espana stop Wir kreuzten Nähe Recife hatten ständige Funkverbindung mit Recife Nachrichten ließen erkennen dass Unruhen und Gefechte hauptsächlich in Nähe Luftschiffplatz jedoch spätestens gegen Ende der Woche erledigt sein würden und so lange hatten wir Zeit besonders da fortdauernd allerbestes Wetter stop Gestern abend ergaben sich die Aufständischen den aus Maceio Bahia Parahyba zugezogenen Regierungstruppen stop Wir werden heute gegen Sonnenuntergang landen Fahrtdauer bis dahin rund 120 Stunden

Lehmann

Noch eine Nacht und ein Tag vergehen, ehe „Graf Zeppelin“ über die große, volkreiche Lagunenstadt dahinfährt und zur vorbestimmten Stunde landet.

Auf dem weiten Sandfeld ist das Landungskreuz wie immer ausgelegt, die deutschen Mitarbeiter und Freunde winken, und die Landungsmannschaft in gelbem Khaki lacht uns aus braunen Augen fröhlich an, während sie nach den Seilknebeln und Haltestangen springt.

Wenige Minuten später ist der Nasenring des Luftriesen am Ankermast festgemacht, und die hintere Motorengondel rollt auf dem Schienenkreis, sooft ein Windstoß das Schiff aus seiner Gegenrichtung abzudrängen sucht.

Es ist nach mitteleuropäischer Zeit, die der brasilianischen vier Stunden voraus ist, 21.25 Uhr, als wir landen. Ohne Anstrengung und Absicht haben wir die bis dahin längste Fahrt eines Luftschiffes, die des französischen Marinekreuzers „Dixmuide“, um eine Stunde übertroffen. „Dixmuide“, nebenbei bemerkt, war ebenfalls ein deutscher Zeppelin und führte im deutschen Kriegsdienst die Bezeichnung L 72, ehe der Waffenstillstandsvertrag dazu zwang, dieses Luftschiff an Frankreich auszuliefern.

Für die Besatzung des „Graf Zeppelin“, die vom ersten bis letzten Mann vorbildlich ihre Pflicht getan hat, ist die stolzeste Genugtuung das Funktelegramm des Reichsministers der Luftfahrt Generaloberst Hermann Göring:

Berlin, 28 November 13.40 Uhr

Syncondor für Denne Recife

Habe mit lebhaftem Interesse Ihre Fahrt verfolgt und beglückwünsche Sie zur glücklichen Landung

Göring

Unverzüglich werden die leeren Benzintanks des Luftschiffes wieder aufgefüllt; die Messe wird frisch verproviantiert, das Gas ergänzt. In den Tropen ist der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht grösser als bei uns, das Luftschiff hat infolgedessen viel Wasserstoffgas abblasen müssen, das jetzt aus der Gasanstalt am Landungsplatz ersetzt wird.

„Graf Zeppelin“ hat planmäßig noch eine dritte Postfahrt zwischen Bathurst und Recife zu erledigen und soll im Anschluss daran zu seiner letzten diesjährigen Passagierfahrt nach Rio weiterfahren. Aus der Hauptstadt aber kommt schlimme Kunde. Die opportunistischen Politiker und Militärs haben sich unter dem Schlagwort: „Fort mit den Ausländern und ihren Lakaien!“ zu Werkzeugen kommunistischer Drahtzieher gemacht und beantworten den durch Rundfunk verbreiteten Aufruf des Bundespräsidenten Vargas an die Aufständischen, sich zur Vermeidung weiteren Blutvergießens zu ergeben, mit Revolution in der Hauptstadt selbst. Das 3. Infanterieregiment meutert und wird von Bundestruppen in der Kaserne belagert, in die Feldkanonen Bresche schlagen. Unteroffizierspiloten und Flugschüler greifen ihre Offiziere an, Artillerieschüler tun es ihnen nach und fahren Geschütze gegen die Flugzeughallen auf; Schuppen und Flugmaschinen gehen in Flammen auf. Flieger kreisen über dem Stadtteil Urca, ihre Bomben fallen auf Feind und Freund. Acht Stunden später erinnern nur noch die rauchenden Trümmerhaufen von Kaserne, Fliegerschule und Ausstellungspalast, die Löcher in den Häusern, zerschmetterte Automobile und Blutlachen auf den Straßen an die Schreckensszenen in der Millionenstadt.

Diese Vorgänge spielen sich 2000 Kilometer südlich von uns ab, während 350 Kilometer nördlich die Regierungstruppen noch dabei sind, Natal von den Aufrührern zu säubern. Für mich kommt es darauf an, zu wissen, wie es in Brasilien voraussichtlich aussehen wird, wenn „Graf Zeppelin“ von Afrika zurückkehrt. Mit Herrn Sievert, dem Vielbewährten, begebe ich mich zur Kommandantur.

Unser Auto umgeht moorschwarze Tümpel; scharenweise hocken und hüpfen die Aasgeier an ihrem Rand, scheußliche Wächter des Todes, von dessen Beute sie schmarotzen, und eben dadurch doch die natürliche Sanitätspolizei dieses Tropenlandes.

Nackte Negerkinder tummeln sich im Straßenstaub und lärmen mit den Benzinkanistern, die nach Erfüllung ihrer ursprünglichen Aufgabe als Mülleimer, Milchkanne, Wasserhalter, und was sonst noch im Haushalt nottut, dienen.

Die ebenerdigen Häuschen an der Vorortstraße sind aus Lehm und Bambusstangen kunstlos gefügt; auf ihren Holzveranden treten schwarze Weiber die Nähmaschine, wozu ihnen das Grammophon aus rostigem Trompetentrichter aufspielt.

Allmählich mehren sich die Lastautos und hochbordigen Fords mit dem verschlissenen Sonnenverdeck, die Häuser werden höher und rücken zusammen, und mit einem Mal tut sich weltstädtisches Getriebe auf. Verkehrspolizisten in Weiß mit Tropenhelm dirigieren mit eleganter Geste ihres Stabes das Gewimmel der Autobusse, Eselskarren und Fußgänger; nur die Kraftwagen der Ärzte und Behörden rasen unaufhörlich klingelnd durch.

Zwischen Staatspalästen, Banken und Geschäftsauslagen flanieren Müßiggänger und schöne Frauen, Hausierer breiten ihre Ware — Zuckerzeug, alte Stehkragen und was immer — mitten auf dem Gehweg aus, Papageien plappern wahrsagend auf der Straße; vor dem Lotto steht das Volk Schlange, und in den nach vorne wandlosen Zigarrenläden setzen die Kunden an den sorgsam angeketteten Streichholzschachteln ihre feuchtfrische Brasil in Brand. Es ist nicht anders als sonst in Recife, das Leben geht seinen Alltagsgang, und selbst der automobilisierte Leichenzug, der in flottem Tempo zum Friedhof hastet, hat mit dem Bürgerkrieg nichts zu tun.

Die regierungstreuen Truppen, die in Recife zusammengezogen sind, kommandiert General Rabello.

Er war bei Ausbruch der Revolte auf Dienstreise; sein Stabschef hat gemeinsam mit dem sehr zuverlässigen Polizeichef die Stadt für die Regierung gerettet. Der Polizeichef hält die Revolution für beendet; der Chef des Stabes glaubt Herrn Sievert und mir erst in drei bis vier Tagen die gewünschte Garantie geben zu können. Das kann ich nicht abwarten, sondern starte fahrplanmäßig am Freitag, mit der amerikanischen Post an Bord, nach Bathurst. Die Postflieger haben sich so wenig wie die Luftschiffer durch die Revolution davon abhalten lassen, ihren Dienst zu tun. Pünktlich sind die Piloten des Condor-Syndikats von Chile, Argentinien und Uruguay nach Rio de Janeiro geflogen, haben ihre deutschen Kameraden dort die Postsäcke übernommen und sich, während unter ihnen die Fliegerbomben des Bürgerkrieges platzen, auf den Luftweg nach Pernambuco gemacht. Als „Graf Zeppelin“ die hohe See erreicht, geht als erster Funkspruch von Bord unser Dank an den Reichsminister der Luftfahrt Generaloberst Göring nach Berlin:

Kommandant und Besatzung des Graf Zeppelin zurzeit wieder unterwegs nach Bathurst danken gehorsamst für freundliches Telegramm welches größte Freude auslöste

Lehmann

Denne, 30. November 14.50

Syncondor Rio

Erbitten im Lauf Samstag ausführliche Wetterübersicht Europa Nordatlantik stop Mitteilet Zeppelinreeder Friedrichshafen und Berlin dass wir ausgerüstet sind zur Heimreise jedoch unsere dahingehende Entscheidung erst Samstagabend vor Bathurst treffen werden wenn auf Grund der mit Rio und Recife verabredeten Beurteilung der dann vorliegenden dortigen politischen Lage und deren vermutlicher Entwicklung die Sicherheit des Luftschiffes in Brasilien nicht völlig gewährleistet ist und deshalb Aufgeben des Restprogramms ratsam sein sollte

Lehmann

Von Rio an Denne, 16.46 Uhr

Augenblickliche Verhältnisse geben zu Befürchtungen keinen Anlass

Syncondor

Denne an Rio, 18.10 Uhr

Unsere Frage galt nicht den augenblicklichen Verhältnissen sondern der nach Ansicht der zuständigen Behörden bis einschließlich sechsten Dezember zu erwartenden Entwicklung der Lage besonders auch in Recife und Natal stop Dringantwort bis 20 Riozeit da wir sonst nach Friedrichshafen fahren.

Lehmann

Ich bin entschlossen, bei Ausbleiben der nötigen Garantie für die Sicherheit des Luftschiffes von Bathurst direkt nach Friedrichshafen zurückzukehren.

Die Europapost, mit der uns das Schnellflugzeug der Deutschen Lufthansa von Stuttgart entgegenkommt, müsste dann allerdings bis zum 6. Dezember, wo das Stationsschiff „Schwabenland“ den Dienst wiederaufnimmt, in Bathurst liegenbleiben. Auch würde die letzte Passagierfahrt nach Rio ausfallen, von wo wir am 4. Dezember zwölf Fahrgäste abholen wollen.

Aber beides erachte ich für unwesentlich gegenüber der Gefahr, dass „Graf Zeppelin“ nochmals in blutige Auseinandersetzungen hineingerät oder durch Sabotageakt irgendeines aufgeregten Wirrkopfes bedroht wird.

Die amtlichen und Pressemeldungen, die unser Bordfunk auffängt, lauten jedoch beruhigend, und so kann ich nach erfolgtem Postaustausch in Bathurst in der Frühe des 1. Dezember mitteilen:

Denne, 3.20 Uhr

Dr Eckener und Zeppelinreeder Friedrichshafen

Haben Kurs Recife werden Restprogramm planmäßig durchführen

Lehmann

In der Dunkelheit des 2.Dezember, 22.15 Uhr, werfen wir über der lichterglänzenden befreiten Hafenstadt Natal mit Fallschirm die Post für Amerika ab, und am nächsten Morgen gegen 8 Uhr machen wir zur Gas- und Benzinergänzung in Recife Zwischenlandung.

Damit ist unser Auftrag, die Dornier-Wale der Deutschen Lufthansa im Postdienst zwischen Afrika und Amerika zu vertreten, fahrplanmäßig durchgeführt. Das Luftschiff setzt die Reise nach Rio de Janeiro fort und kehrt mit Post und Passagieren nach Friedrichshafen zurück.

Am 10. Dezember 1935, morgens 6.41 Uhr, landet „Graf Zeppelin“ auf dem schneebedeckten Werftgelände und kommt zur verdienten Winterruhe und gründlichen Überholung in seinen Stall neben der Bauhalle, in der das doppelt so große Schwesterschiff LZ 129 entstand und LZ 130 — um es seemännisch, aber nicht ganz zutreffend auszudrücken — auf Kiel gelegt ist. LZ 127, wie die Werftnummer des „Graf Zeppelin“ lautet, hat 1935, in seinem siebenten Betriebsjahr, auf 82 Fahrten 355 221 Kilometer zurückgelegt und dabei 13 962 Kilogramm Post und Fracht und 5227 Personen, davon 1437 Fahrgäste, befördert. Die Gesamtstrecke, die LZ 127 seit seiner ersten Werkstattfahrt bewältigt hat, beträgt bis Ende 1935 mehr als das Dreißigfache des Erdumfanges, nämlich 1 350 000 Kilometer, das Gesamtgewicht von Post und Fracht dabei 65 000 Kilogramm, die Zahl der beförderten Reisenden 12 000. Noch niemals, seit es Verkehrszeppeline gibt — und das ist seit mehr als 25 Jahren —, ist einem Fahrgast unterwegs ein Leid geschehen. Welches andere Beförderungsmittel kann das gleiche von sich sagen?

In dem großen, schönen, zukunftsreichen Land Brasilien herrschen wieder Ruhe und Ordnung. Kein Briefempfänger in Berlin oder Buenos Aires, Santiago oder Warschau hat auch nur einen Tag länger auf die Post warten müssen; die kulturelle Zusammenarbeit der Nationen im Weltverkehr triumphiert über die Unruhestifter und Störenfriede, die mit Waffengewalt die Menschheit auf ihre Art beglücken.

Dennoch bleibt mir sonderbar zumute. Wir waren sozusagen Zaungäste der Revolution, sind aus einem unter starker Führung befriedeten Vaterland in friedlichem Dienst unversehens in die blutige Tragödie des Bürgerkrieges geraten. Mir ist, wie manchmal im Traum, als habe ich dieses alles schon einmal erlebt. Erinnerungen wachen auf an Jahre, in denen Deutschland gegen eine Welt von Feinden um sein Dasein rang. Die Zeppeline, die ich damals führte, stoppten nicht am Rand der Feuerzone, sondern kämpften mit, und es geschah im Kriegsdienst, als ich die Fahrtdauer eines Luftschiffes zum ersten Mal auf hundert Stunden brachte. Von diesen erlebnisreichen Zeiten, in denen sich Weltgeschichte formte, sollen die folgenden Kapitel erzählen.

1 (Wir danken verbindlichst für Ihre Vorkehrungen und die Mitteilung der Möglichkeit einer Landung Haben vorgesehen die Landungspläne Donnerstagabend Punkt Danken für Vorkehrungen zur Sicherstellung Luftschiffes gegen feindliche Handlungen.

Graf Zeppelin.)

2 (Der Sekretär der öffentlichen Sicherheit teilt mit, dass die Landung des Luftschiffes in Giquia möglich sein wird, da die Lage wieder normal Punkt Erbitte Bestätigung an Post- und Telegrafendirektor Braga.)

3 (Bestätigen Empfang Ihres Nr 341/26 Punkt Äußerst dankbar Eurer Exzellenz für Wiederherstellung normaler Lage Punkt Bitten übermittelt Sekretär der öffentlichen Sicherheit Wird von unserem Vertreter ausgesucht werden Wahrscheinlich Landung Luftschiffes morgen früh Punkt Grüße

Graf Zeppelin.)

4 Abkürzung für Deutsches Nachrichtenbüro.

Auf Luftpatrouille und Weltfahrt

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