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5. Kapitel / Wir machen uns die Bomben selber

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otsdam ist mir immer als ein Ort der Ruhe und Ordnung erschienen, und ich fand es kaum verändert, als wir jetzt mit der „Sachsen“ dort landeten. Während ich auf der Terrasse vor dem „Hotel Königsberg“ frühstückte, näherten sich zwei Offiziere meinem Tisch. Der größere der beiden war Oberstleutnant Freiherr Max von Gemmingen, Neffe und Mitarbeiter des Grafen Zeppelin und nunmehr als Generalstabsoffizier auf die „Sachsen“ abkommandiert. Gemmingen war über das wehrpflichtige Alter schon hinaus, hatte sich aber freiwillig gemeldet und ausdrücklich gebeten, der „Sachsen“ zugeteilt zu werden. Ich meinerseits war glücklich, gerade ihn zu bekommen und nicht irgendeinen beliebigen Generalstäbler, der von Luftschiffdingen nichts verstand und infolgedessen wenig nützen, aber viel Schaden konnte. Gemmingen war Fachmann und zugleich ein Edelmann in des Wortes schönster Bedeutung: aufrecht, tüchtig, furchtlos und frei. Jedermann an Bord gewann ihn lieb, und wir beide wurden die besten Freunde, obwohl die Teilung der Befehlsgewalt das dienstliche Verhältnis nicht gerade leichter machte. Gemeinsam ertrugen wir das wechselvolle Geschick des Krieges, bis der Freiherr im Frühjahr 1917 nach dem Tode des Grafen Zeppelin den Vorsitz im Vorstand der Zeppelin-Gesellschaft übernahm. Er starb im Frühjahr 1924 über großzügigen Plänen für einen transatlantischen Luftpostverkehr.

Der zweite Offizier, der mit Gemmingen kam, war ein Leutnant Ackermann. Von Haus aus ein reicher junger Sportsmann, war er wenige Monate vorher aus Begeisterung für die Sache Zeppelin-Pilot geworden und wurde mir jetzt als Bombenoffizier zugewiesen. Er ist, kurz nachdem er von meinem Schiff auf LZ 37, Kommandant von der Hagen, versetzt worden war, gefallen, und ich erfuhr die näheren Umstände seines Todes von seinem Obersteuermann, der durch eine sonderbare Laune des Schicksals als einziger die Katastrophe überlebte.

„Wir waren“, berichtete mir der Steuermann, „außer den Offizieren zehn Mann a Bord. Unser Schiff war spät in der Nacht von Brüssel aufgestiegen, hatte über der Nordsee einen Bogen auf Calais zu beschrieben und einen Knotenpunkt zwischen den englischen Linien mit Bomben belegt. Das feindliche Abwehrfeuer verfehlte uns in der Dunkelheit, und als es hell wurde, schlugen wir nochmals einen Haken, um der Feuerzone zu entgehen. Dadurch wurden wir ziemlich aufgehalten und hatten mit starken Gegenwinden zu kämpfen, so dass wir den deutschen Luftschiffhafen Gontrode bei Gent erst am Tag erreichten. Wir atmeten auf, weil wir uns nun außer Gefahr wähnten.

Ich stehe an meinem Höhensteuerrad, als der Schütze auf der oberen Plattform durch das Sprachrohr meldet: „Flugzeug sechshundert Meter achteraus über dem Schiff!“ Wir sind uns alle klar darüber, was das zu bedeuten hat: der feindliche Flieger ist bereits in der besten Stellung zum Angriff, denn wir können ihn von der Führergondel aus nicht abwehren. Ohne erst das Kommando dazu abzuwarten, sendet der Schütze auf dem Luftschiffrücken dem angreifenden Flieger ganze Garben seines Maschinengewehres entgegen. Aber schon spüre ich einen Stoß. Das Schiff zittert, mein Rad geht leer um. Es findet keinen Widerstand mehr, ein Zeichen, dass unsere Steuerorgane wirkungslos geworden sind. Die Führergondel taumelt wie betrunken hin und her, ich rutsche aus, und während ich wieder Fuß zu fassen suche, muss die ganze Besatzung entweder über Bord gesprungen oder herausgeschleudert worden sein, jedenfalls sehe ich keinen von ihr wieder. Der ganze riesige Schiffsrumpf über mir brennt und ist im Nu eine brüllende, zischende Hölle. Instinktiv werfe ich mich flach auf den Gondelboden und kralle mich am Rand fest, verzweifelt bemüht, der unbarmherzigen Wut zu entgehen, die mich von oben her röstet. Ich wundere mich, wie lange man braucht, um anderthalbtausend Meter tief zu fallen. Ich weiß: das ist das Ende, aber ich sehne es förmlich herbei, um die Qual des langsamen Feuertodes nicht mehr zu fühlen.

Endlich schlägt die Gondel auf, mir wird schwarz vor den Augen, erst hier im Krankenhaus kam ich wieder zur Besinnung.“

Ich konnte dem Mann die fehlende Ergänzung geben: Die Führergondel hatte sich von dem brennenden Luftschiff gelöst und war auf das Dach eines Nonnenklosters gefallen. Sie ging wie eine Granate glatt hindurch und blieb auf dem Dachboden liegen. Der Steuermann wurde durch den Aufprall aus der Gondel geschleudert und landete flach in einem Bett, das wenige Minuten vorher von einer Nonne verlassen worden war. Das rettete ihm das Leben.

Die „Sachsen“ war inzwischen nach Köln übersiedelt, um dort den verunglückten Z VI zu ersetzen. Dass gleich drei Luftschiffe auf einmal verlorengegangen waren, hatte offenbar das Vertrauen der Obersten Heeresleitung in die Zeppeline erschüttert, denn sie vergaß uns ganz. Wochenlang warteten wir auf Befehle, die nicht kamen. Da setzten sich Gemmingen und ich ins Auto und fuhren nach Koblenz zum Hauptquartier. Klipp und klar sagte er den Herren, dass sie schlecht beraten waren, Vorkriegstypen von so geringem Steigvermögen bei helllichtem Tag über den Feind zu schicken. Der Generalstab war verständig genug, das einzusehen, und gab meinem Kameraden Vollmacht, in Zukunft mit mir zusammen selber die nötigen und möglichen Maßnahmen zu treffen. Gerade das war es, was wir wollten. General von Beseler bereitete damals die Belagerung der Festung Antwerpen vor, in die sich die Belgier zurückgezogen hatten. Schon hatten die Deutschen ihnen alle Rückzugswege abgeschnitten, mit Ausnahme einer Bahnlinie, die westlich der großen, stark befestigten Hafenstadt längs der holländischen Grenze verlief. Wir schlugen vor, eine Station dieser Bahnlinie einige Meilen außerhalb der Festung durch so viel Sprengmittel, wie die „Sachsen“ nur irgend tragen konnte, zu zerstören. Dadurch würde der Feind lange genug aufgehalten werden, um es dem Angreifer zu ermöglichen, den Ring um Antwerpen zu schließen.

Leider hatte General von Beseler mehr Zutrauen zu seiner Kavallerie als zu unserem Luftschiff. Er hatte bereits Reiterei mit der Zerstörung der Bahn beauftragt und ließ uns sagen, er wünsche nicht, dass wir seinen Leuten ins Gehege kämen. Das Ergebnis war, dass die ausgesandte Kavallerie an dem umstrittenen Knotenpunkt auf Truppen der Entente stieß und weder schnell noch stark genug war, sie aufzuhalten. Die belgischen Heeresteile wurden auf dieser Bahn aus Antwerpen herausgezogen und spielten später in der Marneschlacht eine wichtige, vielleicht entscheidende Rolle.

Aber wir sollten doch noch in die Belagerung von Antwerpen eingreifen. Anfang September 1914 schien es dem Generalstab an der Zeit, einen Zeppelin auf Nachtfahrt gegen die Festung auszuschicken.

Wir waren, während wir in Köln auf diesen Befehl warteten, nicht müßig gewesen. Tag für Tag stiegen wir auf, um Offizier und Mann in seinen besonderen Pflichtenkreis einzuführen. Der Offizier, der die Bomben abzuwerfen hatte, machte sich mit den Instrumenten vertraut und lernte es, die Abtrift der Bomben durch den Wind mit in Rechnung zu ziehen. Der Steuermann stellte sich auf die genaueste Zusammenarbeit mit dem Bombenoffizier ein. Unser Tageslauf begann morgens um drei Uhr. Um vier Uhr stiegen wir auf und kreuzten vier Stunden lang über dem Feld, aus dem wir verschiedene Ziele ausgelegt hatten. Wenn unser Vorrat an Übungsbomben erschöpft war, mussten wir landen, um die abgeworfenen wieder aufzusammeln.

Wir hatten anfangs nur Artilleriegeschosse und noch dazu sehr wenig. Damit die Granate mit dem Kopf voran aufschlug, banden mir eine Pferdedecke an ihr Ende. Zwar hörten wir, dass irgendwo bei Berlin neue, kugelförmige Bomben im Entstehen seien, aber da es durchaus nicht sicher war, ob wir sie noch vor dem Angriff auf Antwerpen oder überhaupt jemals erhalten würden, so beauftragten wir mit Genehmigung der Obersten Heeresleitung eine große Munitionsfabrik bei Köln mit der Herstellung von Bomben nach unseren eigenen Ideen. Diese Bomben probierten wir über einem Artillerieschießplatz aus und waren damit so zufrieden, dass wir sie auch später noch bevorzugten, als die „amtlichen“ Abwurfgeschosse bereits eingetroffen waren. Die vom Ärar gelieferten Bomben waren viel dickwandiger und dadurch schwerer als unsere, ohne deshalb wirksamer zu sein; also blieben wir bei unseren, sehr zum Ärger einer hohen Obrigkeit. Zu dieser Zeit machten wir auch schon Versuche mit verschiedenen Arten von Brandbomben, die einige Firmen nach unseren Angaben hergestellt hatten. Um unsere Luftschiffhallen und andere wichtige Gebäude vor Fliegerbomben zu schützen, versuchten wir es mit einem großen Stahlnetz, das die Abwurfgeschosse auffangen und zur Explosion bringen sollte. Die Bombe, die wir aus 600 oder 800 Metern Höhe abwarfen, verfehlte denn auch nicht das Stahlnetz, aber dafür erwies sich das Netz selber als verfehlt. Die Bombe schlug nämlich glatt hindurch und explodierte, ganz gleich, wie der Zünder auch eingestellt war, erst unten auf dem Grund. Mitten in diesen Versuchen erreicht uns der Befehl zum Angriff auf Antwerpen. Nachts 23 Uhr, es ist warm und mondhell, steigen wir in Köln auf und folgen der Bahnlinie nach Aachen, die hell erleuchtet ist. Dann bringe ich die „Sachsen“ in größere Höhe.

Wir haben 900 Kilo Bomben, eine schwere Ladung für das Schiff, das damit auf 2000 Meter Meereshöhe steigen soll. Die Maschinengewehre haben wir daheim gelassen, dagegen ist die Mannschaft mit automatischen Gewehren und Pistolen ausgerüstet. Hinter Lüttich durchstoßen wir eine Wolkenbank und steigen über sie hinaus. Vibrierend im donnernden Rhythmus der Motoren und Singen der Propeller schwebt unser Himmelskahn über einem silbernen Wolkensee, es kostet mich Mühe, mich von dem zauberhaften Anblick loszureißen. Vor Antwerpen werden die Wolken dünner und verflüchtigen sich schließlich ganz. Um nicht eine zu bequeme Zielscheibe für die Artillerie der Festung abzugeben, müssen wir warten, bis der Mond untergegangen ist. Das soll kurz vor Anbruch der Morgendämmerung sein, und so verbleiben uns für den Angriff nur einige wenige Minuten. Als wir eine Stunde lang zwischen Antwerpen und der holländischen Grenze gekreuzt haben, ist der Augenblick gekommen. Es ist ungewöhnlich warm, nur mit Mühe halten wir das Fahrzeug auf 1700 Meter. Die Schräglage, zu der wir dadurch gezwungen sind, ist so arg, dass wir in der Führergondel nach hinten rutschen. Um die Festung zu erreichen, treiben wir mit Vollgas vorwärts; der verstärkte Motorenlärm warnt die Verteidiger. Alsbald zerteilen die weißen Strahlen der Scheinwerfer die pechschwarze Nacht, sie streifen uns wiederholt, ohne uns dauernd zu fassen. Die Artillerie schießt blind darauf los, die ersten Granaten platzen kilometerweit von uns. Direkt unter uns funkeln unzählige kleine Feuerpunkte wie Glühwürmchen, das Feuer kommt von der Infanterie, die zwischen dem ersten und zweiten Festungsgürtel liegt. Wir bringen sie durch ein paar zehnpfündige Bomben zum Schweigen.

Mittlerweile aber steigert sich das Artilleriefeuer und kommt bedrohlich näher. Ein Scheinwerfer, viel stärker als die ersten, hat uns entdeckt und hält uns in seinem Lichtkegel fest. Einige Granaten sausen so dicht vorbei, dass wir den Luftdruck spüren. Schweigend und in völliger Finsternis — denn alles Licht an Bord ist während des Angriffes gelöscht — harrt meine Mannschaft auf ihren Posten. Gemmingen sucht durch sein Fernglas die Ziele heraus, ich leite die Steuerung und gebe die Befehle zum Abwurf. In den beiden Maschinengondeln stehen Leute mit kleinen Bomben bereit, um sie mit der Hand abzuwerfen.

Zuerst machen wir uns über den verhassten Scheinwerfer her. Mit Handgranaten und Flintenkugeln bedacht, ist er im nächsten Augenblick erloschen. Mein guter alter Obersteuermann Laux ergreift zu allem Überfluss noch eine zwanzigpfündige Handbombe, schwingt sie hoch über seinen Kopf und wirft sie mit grimmiger Energie über den Rand der Führergondel nach unten, als ob er ihr damit eine persönliche Note in Gestalt einer um ein Prozent höheren Aufschlagsgeschwindigkeit geben wolle. Dann kommen die Außenforts an die Reihe, die Abwurfvorrichtung löst die großen Brandbomben aus, die im Aufschlag feurige Fontänen verspritzen. Auf dem Wege zum Zentrum, wo wir den Hauptbahnhof heimsuchen wollen, bombardieren wir die Innenforts, zwei hochauflodernde Feuer bezeichnen den Erfolg. Ich sehe auf die Uhr: wir halten uns bereits 20 Minuten im Weichbild der Stadt auf, und es ist höchste Zeit, Antwerpen wieder zu verlassen, denn im Osten dämmert schon ein heller Schein.

Um die abgeworfenen Bomben leichter, tritt die „Sachsen“ den Rückweg an. Eine starke Nebelschicht und dicke Wolken verschmelzen im Tal der Scheide miteinander und entziehen uns den Ausblick auf die Erde so plötzlich, als habe ein Zaubertuch sie zugedeckt. Tief unter uns liegen die milchigen Wolken. Im Westen funkeln noch die Sterne, während im Osten die Sonne aufgeht, ein goldenes Feuerrad, von dem breite Farbenbänder ausstrahlen, einige violett und purpurn, andere herrlich schillernd in Orange, Rosa und Grün. Wir erreichen Köln um 11 Uhr vormittags, nachdem wir genau zwölf Stunden unterwegs gewesen sind.

Holländische Zeitungen, die zu uns gelangten, ließen sich aus Antwerpen berichten, dass unser Zeppelin mit Nordostwind über die Stadt gekommen sei, um das Arsenal bei Beschen, den Militärschlachthof bei Schietschotel, die Kaserne am Borsbeekschen Tor und die Bahnanlagen zu bombardieren. Durch den ersten Alarmschuss geweckt, bemerkten die Bewohner in der Morgendämmerung des Himmels ein schwaches Licht. Unmittelbar darauf erschütterte am Borsbeekschen Tor eine furchtbare Detonation die umliegenden Häuser, die mit splitternden Fensterscheiben wie bei einem Erdbeben schwankten. Die erschreckten Leute liefen im Nachthemd auf die Straße, stolperten über zerrissene Telegrafendrähte und wurden von einem Hagel aus Schutt und Steinen empfangen. In zehn Häuser der Steenbroug-Straße wurden wie mit der Spitzhacke Löcher geschlagen. Die erste Bombe verfehlte die Fabrik von Wood, der sie zugedacht war, und machte in der Wiese daneben ein Loch von einem Meter Tiefe und drei Metern Durchmesser. Aber schon die nächste Bombe verwandelte eine Diamantschleiferei im erdgeschössigen Hinterhaus samt Einrichtung in Schutt. Die dritte Bombe durchschlug das Wohnhaus des Fabrikbesitzers van Geel bis auf den zweiten Stock. Die siebenköpfige Familie Defray, die das oberste Stockwerk bewohnte, hatte sich in aller Hast die nötigsten Kleider übergeworfen und flüchtete die Treppe hinunter zum Keller, als das Obergeschoss wie abrasiert davonflog und in den Hof niederprasselte. Glassplitter und Steine verwundeten die Flüchtenden, deren sich sogleich Ärzte aus der Nachbarschaft annahmen. Im nächsten Haus waren die Bewohner ebenfalls durch den Krach und Feuerschein der Bombe, die in die Wiese fiel, alarmiert worden. Sie flohen nach dem Keller, als eine weitere Bombe das Dachgeschoss auch ihres Hauses zerschmetterte. Das Ehepaar van Mülken wurde durch die herumfliegenden Trümmer leicht verletzt; seinen beiden kleinen Kindern, die es an sich gedrückt hielt, geschah Gott sei Dank nichts. Nebenan wurde die Herberge „Gewichtenkuis“ durch einen Bombeneinschlag halbiert. Diese ganze Serie Bomben fiel in einem Umkreis von einem Kilometer um die drahtlose Station, der der Überfall nach Ansicht der Berichterstatter galt.

Kurz vor unserem Angriff auf Antwerpen hatte der Luftschiffbau Zeppelin ein neues Armeeluftschiff herausgebracht, das in Hauptmann Horn einen der besten Luftschiffführer des Weltkrieges erhielt und in Düsseldorf stationiert wurde. Horns Z IX und meine „Sachsen“ unternahmen gemeinsam manche Erkundungsfahrt nach Antwerpen und Ostende. Wir dürften insgesamt 5000 Kilo Bomben auf diese beiden Festungen abgeworfen haben, und wenn wir ihnen auch keinen ausschlaggebenden Schaden zugefügt haben, so gewannen wir dem Luftschiff damit doch das Vertrauen der höchsten Befehlsstellen zurück. Über die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit aber war sich der Generalstab auch jetzt noch nicht im Klaren, sonst wären Aufträge unterblieben wie der an Z IX: „Bombenangriffe find auf Antwerpen, Zeebrügge, Dünkirchen und Calais zu machen. Rückweg über Lille. Auch dort Bombenangriff.“ Das war ein bisschen viel verlangt, denn selbst unter den günstigsten Bedingungen konnte das Luftschiff bei dem hochsommerlichen Wetter nicht mehr als zusammen zehn Bomben für alle fünf Städte mitnehmen. Außerdem hatte der Feind inzwischen die Fliegerwaffe so weit ausgebaut, dass seine Jagdflugzeuge und schweren Bombenmaschinen anfingen, uns sehr unangenehm zu werden. Fortan hatten wir mit ihnen zu rechnen, ob wir nun in der Luft waren oder daheim in der Halle.

Die Engländer waren die ersten, die einen Zeppelin in der Halle angriffen. Am 27. September 1914 erschien der Flieger Marix über Düsseldorf, um durch Bombenabwurf den Z IX in seiner Halle zu vernichten. Die Überraschung war vollkommen, denn kein Flugzeug war zu jener Zeit imstande, ohne Zwischenlandung von der englischen Front nach Düsseldorf und zurück zu fliegen, es sei denn über das neutrale Holland. Und diesen Weg hatte, wie sich herausstellte, der englische Pilot denn auch gewählt. Die Verletzung der Neutralität war nutzlos, der erste Überfall missling und diente uns zur Warnung. Wir besetzten die Hallendächer mit Maschinengewehren und richteten so viel Abwehrbatterien ein, als in jenen ersten Kriegsmonaten nur aufzutreiben waren.

Indes, der englische Flieger war zäh und kam am 8. Oktober wieder. Er stieß aus großer Höhe im Sturzflug auf die Luftschiffhalle herab und warf eine Bombe. Sie tötete einen Mechaniker, der auf dem Dach stand, durchschlug es und setzte den ZIX in Brand. Das schöne neue Luftschiff ging in Flammen auf, die Maschinengewehrschützen auf den Ecktürmen der Halle blieben unverletzt. Ich fuhr sofort von Köln herüber und fand die Halle fast unversehrt, das Luftschiff dagegen war ein einziger wüster Trümmerhaufen, nur die Motoren konnten noch verwendet werden. Die Bomben, die beiderseits unter dem Luftschiffsrumpf hingen, hatten keine Zünder, und als das Metall der Aufhängevorrichtungen in der Glut des brennenden Wasserstoffgases schmolz, fielen sie harmlos zu Boden.

Der Erfolg des Engländers ermutigte seine Kameraden. Zweimal verletzten Flugzeuge der Entente die Neutralität der Schweiz, um vom Bodensee aus die Zeppelinwerke in Friedrichshafen zu überfallen. Erreicht haben sie nichts damit. Mehr Glück hatte der Feind ein paar Monate später mit zwei Luftangriffen, die er an demselben Tage unternahm: LZ 37 wurde bei Gent in der Luft zerstört, LZ 38 durch eine Fliegerbombe in der Brüsseler Halle vernichtet.

Als Maubeuge gefallen war, besichtigten Oberstleutnant von Gemmingen und ich die französische Luftschiffhalle. Der Feind hatte noch versucht, sie zu sprengen, indes so schlechte Arbeit geleistet, dass wir sie in kurzer Zeit wiederherstellen und einen Zeppelin darin unterbringen konnten. Wir fanden in Maubeuge noch Aufnahmen des französischen Luftschiffes vor, das zuletzt dort stationiert gewesen war. Es gehörte zum unstarren Typ, wie die französischen Lenkballone überhaupt, die auf den Werften Aéronautique Militaire, Nieuport-Astra und Zodiac gebaut wurden. Ihr beschränkter Aktionsradius und ihre geringe Tragfähigkeit machten sie ungeeignet zu größeren Aktionen. Dasselbe gilt von den 162 kleinen Prallluftschiffen der Typen Pony Blimp, Coastal und North Sea, die England im Weltkrieg verwendete und die im Küstenwachdienst zusammen 3 200 000 Kilometer zurückgelegt haben. Eines davon hat ein deutscher Marineflieger abgeschossen, der im Laufe des Krieges vom Bootsmannsmaat der Reserve zum Kapitänleutnant aufrückte und für die Vernichtung von 19 gegnerischen Fliegern und mehreren U-Booten den Pour le mérite erhielt. Anderthalb Jahrzehnte später überführte dieser unser erfolgreichster Seeflieger die Do X, das erste aus der Dornier-Werft des Zeppelinkonzerns hervorgegangene Flugschiff, nach Amerika. Es ist Friedrich Christiansen, heute Generalmajor und Kommandant der Fliegerschulen der jungen deutschen Luftwaffe. Italien verwendete nichtstarre Lenkballone von 4700—12 000 Kubikmetern. Einer davon, „Città di Jesi“, wurde am 5. August 1915 nachts über Pola abgeschossen, die sechsköpfige Besatzung gefangen. Ein anderer hat während der Kämpfe an der Piave das k. u. k. Kommando in Portogruaro mit 18 Bomben belegt.

Im vierten Kriegsjahr zeichnete sich ein junger Franzose aus. Auf Patrouille im Englischen Kanal sichtete der in Le Havre stationierte Motorballon VA 5, Kommandant Fähnrich zur See Albessard, ein deutsches Tauchboot, das gerade dabei war, ein Handelsschiff zu kapern. Albessard griff das Boot mit Bomben an, die Deutschen erwiderten mit ihrem Bordgeschütz und jagten dem Liliput der Lüfte neun Kanonenkugeln durch den aufgeblähten Leib. Das Gas entwich, die Ballonhülle wurde schlapp und sank mit der Gondel aufs Meer. Trotzdem fuhr der schneidige Fähnrich fort, das Unterseeboot mit Bomben zu bewerfen. Das Boot lief Gefahr, durch einen Treffer seine Tauchfähigkeit zu verlieren, und hätte in der Folge nicht mehr unter der Sperre durchschlüpfen können. Der deutsche Kommandant ließ also seine Beute fahren, gab Tauchbefehl und entzog sich dadurch den herbeieilenden feindlichen Zerstörern. Diese kamen gerade noch zurecht, um die Luftschiffer aufzunehmen und den VA 5 nach Cherbourg einzubringen. Vierzehn Tage später war der Fähnrich Albessard mit seinem reparierten Luftschiff schon wieder unterwegs.

Es wird von Seiten der Entente behauptet, dass ihre kleinen Küstenluftschiffe wiederholt Unterseeboote durch die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Ölflecke entdeckt und in wenigstens einem Fall die Vernichtung eines deutschen U-Bootes durch einen funkentelegrafisch herbeigerufenen Zerstörer bewirkt hätten. Wir können diese Behauptung von uns aus weder bestätigen noch bestreiten; die Ausbeute der deutschen Starrluftschiffe jedenfalls ist, dank ihrer überlegenen Leistungsfähigkeit, viel größer. Ein halbes Hundert mal geschah es, das unsere Marineluftschiffe feindliche Unterseeboote aufspürten und beschossen, und sechsmal endete der Kampf für den Angegriffenen mit der Katastrophe. Jedes der Luftschiffe L 9, L 10, SL 3, L 54 und L 63 hat ein U-Boot des Gegners vernichtet. L 31, unter Kapitänleutnant Heinrich Mathy, hat einmal sogar gegen eine ganze Flottille englischer Unterseeboote den Kampf aufgenommen; sein Kommandant erzählte darüber:

„Ich steuere eine halbe Seemeile querab von der Doggerbank auf nördlichem Kurs, da sichte ich in großer Entfernung ein Tauchboot. Sofort lenke ich meinen Zepp in eine Wolke, um mich unbemerkt anzuschleichen und festzustellen, ob der da unten Feind oder Freund ist. Als ich noch fünf Seemeilen vor mir habe, verlasse ich vorsichtig meinen Hinterhalt und erblicke nun nicht ein, sondern vier englische Unterseeboote, die augenscheinlich einem deutschen Schiff auflauern. Daraufhin ziehe ich mich nochmals in die Wolken zurück, und als ich wieder herauskomme, stehe ich über den U-Booten. Jetzt erst entdecken diese ihrerseits den Zeppelin. Ihre Geschütze beginnen zu bellen, Granaten und Schrapnelle bersten über uns, ein Treffer schlägt gegen den Boden der Führergondel. Das lasse ich mir nicht gefallen und löse eine Bombe. Sie soll nur dazu dienen, dass wir uns auf das verhältnismäßig kleine Ziel einschießen, und fällt 120 Meter zu kurz. Die zweite Bombe krepiert nur noch 60 Meter von dem Unterseeboot, die dritte kommt auf 30 Meter heran, die vierte schlägt genau vor dem Kommandoturm des Tauchbootes ein. Der Luftdruck der Explosion ist 800 Meter hoch spürbar. Als sich die schwarze Sprengwolke verzogen hat, sehen wir das Heck des U-Bootes steil in die Luft ragen und seine Mannschaft im Wasser treiben. Einige Sekunden später ist nur noch ein Ölfleck auf der Oberfläche. Ich ziehe mich darauf wieder in die Wolken zurück, um über das nächste Unterseeboot zu gelangen. Als L 31 aber herausstößt, ist die ganze Flottille untergetaucht und hat Reißaus genommen. Ich bin nicht traurig darüber, denn ich habe im Augenblick andere und vordringlichere Sorgen: L 31 sinkt mit dem Heck. Zwei Gaszellen lecken stark. Sofort wird aller Wasserballast achtern abgelassen, und meine Leute bringen Benzintanks, Maschinengewehre, Bomben, selbst ihre Kleider und Mäntel nach vorn, um das Heck zu erleichtern. Langsam legt sich das Schiff wieder auf ebenen Kiel. Bei der Untersuchung stellen sich drei Volltreffer heraus, zwei Granaten sind glatt durch eine Gaszelle gegangen, während Sprengstücke eine andere durchsiebt haben. Eine Granate ist durch den Schwanz geflogen. Wenige Fuß höher, und sie hätte uns wohl die Steuerung beschädigt. So aber kamen wir noch glimpflich davon.“ Auch die Leistungen der feindlichen Prallluftschiffe im Heeresdienst auf dem festen Lande lassen sich mit denen der deutschen Armeeluftschiffe nicht vergleichen. Die Kriegstaten der französischen Luftschiffflotte beschränkten sich daraus, dass ein Lenkballon des Typs Clement-Bayard, der 9600 Kubikmeter fassende „Adjudant Vincenot“, Bomben auf unbewehrte Städte im Rheintal warf; sein Schwesterschiff „Alsace“ wurde bei dem Versuch, über Rethel die Front zu durchbrechen, von deutschen Gewehren heruntergeholt und fiel fast heil hinter unsere Linien, ein schlagender Beweis für die praktische Unbrauchbarkeit des Prallballons, der nur an seiner Haut hängt. Der Lenkballon, dessen Fotografien wir in Maubeuge vorfanden, hatte ein noch kläglicheres Ende genommen. Alle Soldaten, ohne Unterschied, haben scheinbar eine Leidenschaft, auf Luftschiffe zu schießen, wobei es sie manchmal wenig kümmert, welches Nationalitätsabzeichen das verlockend große Ziel trägt. Auch deutsche Luftkreuzer haben gelegentlich deutsche Kugeln durch die Hülle pfeifen hören, aber da unsere Starrluftschiffe in eine Reihe Gaszellen unterteilt sind, die den Schotten der Seeschiffe entsprechen, so bedeuten kleine Kugellöcher für sie nichts als ein bisschen Gaseinbuße. Der französische Lenkballon nun geriet, als er Maubeuge verlassen wollte, ebenfalls in das Kreuzfeuer der eigenen Truppen — und mögen die Franzosen besser gezielt oder größere Kaliber benutzt haben, jedenfalls schossen sie ihr eigenes Luftschiff in Fetzen.

Auf Luftpatrouille und Weltfahrt

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