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Der Mensch und die Erde: Das Beispiel des Waldes

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Klima und Luft waren von den Menschen gar nicht zu beeinflussen, und nur mit weitgehend unzureichenden Notwehrmaßnahmen konnten sie der Naturgewalt des Wassers widerstehen. Das Feuer hatten sie seit Jahrtausenden gleichermaßen zu fürchten und zu nutzen gelernt. Gegen das Element Erde jedoch konnte der Mensch seinen Willen zur Geltung bringen. Wir beschränken uns hier auf die Geschichte des Waldes; denn im Gegensatz zum universalhistorischen Thema des Ackerbaus zeigt dessen Geschichte die spezifischen Bedingungen des mittelalterlichen Europa in der Auseinandersetzung mit der Natur.

Nicht Papsttum oder Königtum wird wählen, wer einen Fixpunkt sucht, um die tausend Jahre europäischer Geschichte zu überblicken, die nach alter vereinfachender Vereinbarung „Mittelalter“ genannt werden, sondern die Geschichte des Waldes;1 denn dessen Geschichte zeigt, daß es unmöglich ist, vom Menschen des Mittelalters zu sprechen, ihm sogar ein eigenes Weltbild zu unterstellen,2 den Geist des Mittelalters, was immer das sein mag, zu beschwören usw. Wir lassen uns auf diese Versuche deswegen nicht ein, weil ein „Weltbild“ nicht über die Literatur oder über die zeitgenössische Wissenschaft, sondern allein über die Arbeit und die Arbeitsbedingungen zu erschließen ist. Und hier zeigt sich schon im ersten, notwendigerweise oberflächlichen Überblick: Nur durch härteste Arbeit konnte das Landschaftsbild so tiefgreifend verändert werden, daß aus der Wildnis des Frühmittelalters jener erst im Hochmittelalter wahrnehmbare Nutzwald entstand, um dessen Bestand schon im 14. und 15. Jahrhundert viele Städte Sorge tragen mußten.3

Eine zumindest grobe Periodisierung4 läßt sich über die Geschichte des Waldes erreichen: Bis in das 11. Jahrhundert hinein bleibt das Waldkleid der Erde weitgehend sich selbst überlassen, bevor es dann – mit Höhepunkten im 12. Jahrhundert – auf die Bedürfnisse des Menschen hin zerschnitten und vor allem im 14. und 15. Jahrhundert aufgetragen wird. Also Hinnahme des Verhältnisses von Land und Unland im frühen Mittelalter, extensive Rodung im Hochmittelalter, intensive Nutzung im Spätmittelalter. Eine solche Einteilung läßt zugleich erkennen, wie künstlich der Begriff „Mittelalter“ ist; denn schon seine Ränder zerfließen. Die Waldgeschichte läßt eine epochale Trennung von Mittelalter und früher Neuzeit im Grunde nicht zu; und wann könnte ein frühes Mittelalter überhaupt beginnen, wenn sich die den Menschen umgebende Natur in den Jahrhunderten zuvor auch nicht annähernd in dem Maße verändert hatte wie seit dem hohen Mittelalter?

Alltag im Mittelalter

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