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Untergrundkirche

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Eines Nachts, nachdem sie wieder einmal über ihrer Bibel eingeschlafen war, hatte sie einen Traum, in dem Gott ihr sagte, sie solle eine andere Gemeinde besuchen. Esther wusste nicht, dass es in Shenyang noch eine Kirche gab. Sie dachte, es gäbe in der ganzen Stadt nur diese eine offiziell zugelassene Kirche. Aber ihr Traum geriet allmählich in Vergessenheit.

Eines Abends besuchte Esther ein Treffen, zu dem vor allem Studenten kamen. Sie trafen sich einmal in der Woche, um die Bibel zu lesen. Einem der Leiter waren Esther und ihre Hingabe an Gott aufgefallen, und er sprach sie an, sobald der Gottesdienst vorbei war.

Er zog sie verstohlen zur Seite und sprach im Flüsterton zu ihr. Dabei sah er sich immer wieder um, als wolle er sicher sein, dass niemand anders mithörte.

„Esther, weißt du, was sie hier in dieser Gemeinde lehren, ist nicht wirklich gut“, sagte er flüsternd. Dann sah er sie erwartungsvoll an. Hatte sie verstanden?

Esther war etwas überrascht. Das war einer der Leiter der Bibelgruppe, wie konnte er seine eigene Gruppe kritisieren? Sie war verwirrt und fühlte sich unwohl.

„Esther, du investierst so viel in dieses Bibelstudium. Ich schätze das, weißt du“, fuhr er fort. „Nächste Woche ist wieder ein Treffen, zu dem ich dich gern einladen würde, das heißt, wenn du gern kommen möchtest. Ich glaube, das würde dir wirklich etwas bringen. Das Treffen hier“ – er unterbrach sich kurz und sah sich um –, „das, nun ja, wird von der Regierung überwacht.“

Esther war irritiert. Waren nicht alle kirchlichen Veranstaltungen von der Regierung überwacht? Jede Versammlung, jedes Treffen in ganz China, egal, worum es ging, wurde von der Regierung überwacht. In China gibt es keine Versammlungsfreiheit.

Bis zu diesem Tag hatte Esther geglaubt, dass alle Christen gleich waren. In ihrer Vorstellung dachten sie alle dasselbe, glaubten dasselbe, hatten überall dieselben Gottesdienste und versammelten sich in der offiziell registrierten Gemeinde, die sie am besten erreichen konnten. Als Esther bewusst wurde, dass sie hier gerade über eine Untergrundgemeinde sprachen, erstarrte sie.

China hatte sich gerade erst so weit geöffnet, dass Christen sich wieder öffentlich treffen durften. Aber anstelle der Treffen in einer von der Regierung anerkannten Gemeinde ging es nun um eine verbotene Gruppierung, eine Hauskirche, eine illegale Versammlung. Wenn die Polizei das mitbekam, würde man sie verhaften, sie würde ihren Job verlieren und ihr Leben wäre ruiniert!

Das war nicht der Weg, sich einen ehrenhaften Ruf aufzubauen! Ihre ganze Kindheit hindurch hatte sie versucht, dem Schimpfwort „Jesus Freak“ zu entkommen. Und das alles nur, weil ihr Großvater so halsstarrig gewesen war! Sie hatte sich nicht nur geweigert, in seine Fußstapfen zu treten, nein, sie hatte seinen ganzen Lebensstil bewusst abgelehnt. Jahrelang hatte man sie unterdrückt, verspottet und unfair behandelt, weil Nachbarn und Freunde meinten, es liege dieser Familie im Blut, Jesus zu folgen. Esther hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht zu beweisen, dass sie alle falschlagen.

Bis jetzt war doch alles so gut gelaufen! Sie hatte sich bis vor Kurzem von allem Christlichen ferngehalten, weil es ihr in der Vergangenheit so viel Schmerz und Kummer bereitet hatte. War sie wirklich bereit, all das wieder auf sich zu nehmen – und diesmal bewusst?

In der folgenden Woche ging sie zum Treffen der Untergrundgemeinde. Bei diesem Treffen wurde ihr klar, dass sie jedem Menschen, der sie je verfolgt hatte, gerade recht gab. Sie lieferte soeben den Beweis dafür, dass sie denselben Weg einschlagen würde wie ihr Großvater – egal, wie sehr sie dagegen ankämpfte. Einerseits wollte sie sich umdrehen und weglaufen. Oder sollte sie die Gruppe sogar bei der Polizei anzeigen? Andererseits: Der stärkste Impuls in ihr wollte, dass sie blieb und Jesus nachfolgte. Und so blieb sie da.

Nach dieser ersten Begegnung mit der Hauskirche ging Esther nie mehr in eine registrierte Gemeinde. Bei dieser Begegnung erkannte sie, wie weise ihr Großvater und ihre neue Großmutter waren. Zum ersten Mal in ihrem Leben ließ Esther die Kontrolle über ihr Leben los und warf sich Gott in die Arme. Sie betete aus tiefstem Herzen. Es kam ihr fremd und vertraut zugleich vor. Gott handelte in Shenyang und Esther erlebte, wie sich das wunderbare Wirken des wahren und lebendigen Gottes in ihrem Leben entfaltete.

Die Schmugglerin des Lichts

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