Читать книгу Ticky begegnet Tieren - Eva Markert - Страница 6
Eine Maus in Gefahr
ОглавлениеAdala zu beruhigen, war weitaus schwieriger.
„Ich warte schon seit Stunden auf dich“, schimpfte sie, als Ticky an seinem Platz erschien. „Am liebsten würde ich auf der Stelle ohne dich davonsegeln.“
Seit Stunden – das war sicherlich übertrieben. Aber Ticky hielt es für besser, den Mund zu halten. „Liebe Adala“, sagte er stattdessen, „ich verspreche dir: Es kommt nie wieder vor!“
„Na gut“, brummte die Wolke. „Steig ein. Wenn wir heute noch reisen wollen, müssen wir uns beeilen.“
Ticky zündete schnell eine Kerze an und sprang in das mächtige Wolkenschiff hinein. „Wohin fahren wir?“
„Das wirst du gleich sehen.“
Ticky schaute aus einem Bullauge hinaus. Adala segelte auf einen hohen Berg zu. Vor einer steilen Felswand mit einem Vorsprung hielt sie an.
„Auf einem Berg war ich doch schon“, sagte Ticky ein wenig enttäuscht.
„Na und?“ Die Wolke schnaubte. „Bildest du dir etwa ein, dass du einen Ort richtig kennst, wenn du nur einmal dort gewesen bist?“
Ticky dachte das nicht. Trotzdem war er nicht begeistert. So gut hatte es ihm damals im Gebirge nicht gefallen.
Adala wurde ungeduldig. „Nun aber raus mit dir!“
Vorsichtig kletterte Ticky aus der Bodenluke. Adala sank ins Tal hinunter. Ticky war allein.
Oder nicht? Er hörte Geräusche, ganz in der Nähe. Er musste an das Vogelungeheuer denken, das ihm bei seiner ersten Reise auf einem Berg begegnet war. Ein Uhu, wie Plutolo und Saturno ihm später erklärten.
„Hallo?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Ist da zufällig ein Vogelungeheuer?“
„Wir sind hier, wir sind hier!“
„Wer ist wo?“
„Wir! Hier!“
Ticky wandte sich zur Seite und erschrak. Zwei orangerote Kreise leuchteten in der Dunkelheit. Gleichzeitig hörte er ein Krächzen.
Er knipste sein Licht an. In einer Felsnische hockte ein großer Vogel mit spitzen Federohren. Zwischen seinen Krallenfüßen wuselten niedliche, flauschige Knäuel. „Hu-hunger! Hu-hunger!“, schrien sie.
Neugierig trat Ticky einen Schritt näher.
Der große Vogel begann mit dem Schnabel zu klappern und stellte drohend seine Federn auf. „Bu-hu, wer bist du?“, fragte er.
„Ein Stern. Und du?“
„Eine Mu-hutter.“
„Darf ich deine Kinder mal anfassen?“ Ticky streckte die Hände aus, doch das hätte er besser nicht getan. Von allen Seiten wurde er gezwickt.
„Zu-hu hart!“, beschwerten sich die Uhukinder.
In diesem Augenblick spürte Ticky einen leichten Luftzug und hörte ein lautes „Uhuu!“ Unwillkürlich duckte er sich und zog seine Zipfelzacke ein.
Ein zweiter Vogel setzte sich in die Felsnische.
„Fu-hutter, Fu-hutter“, schrien die Jungen durcheinander.
Der Vogel öffnete seinen kräftigen Schnabel und ließ etwas herausfallen. Die kleinen Uhus rissen ihre Schnäbel auf und ihre Mutter begann, das Futter zu verteilen.
Auf einmal hörte Ticky ein klägliches Stimmchen: „Hilfe! Hilfe!“ Er leuchtete den Boden ab. Ein kleines Tier mit einem langen Schwanz presste sich gegen die Felswand.
Ticky sah, wie die Uhueltern ihre Köpfe wandten und sich vier kreisrunde Augen auf das Tierchen richteten.
„Uhuu! Da bist du!“, krächzte der Uhumann und wollte sich darauf stürzen.
Aber Ticky war schneller. Er packte es und steckte es unter eine Armzacke.
Mit bösen Augen starrte der Uhu ihn an. „Du-huu! Gib die Maus! Bu-huu!“
„Maus, Maus!“, kreischten die Vogeljungen. „Ju-huu!“
Ticky spürte, wie das kleine Tier unter seiner Armzacke zitterte.
Der Uhumann breitete die Flügel aus. „Ich hab sie gefangen. Sie gehört mir!“
„Und ich habe sie gerettet. Deshalb gehört sie jetzt mir!“
„Die Ju-hungen haben Hu-hunger“, schnarrte die Uhumutter. „Gib her, oder wir stoßen dich ru-hunter!“
Ticky ging an den Rand des Felsvorsprungs. Tief unter ihm im Tal lag die Wolke mit dem ausgefransten Rand.
Der Uhu kam drohend auf ihn zu. Er hob einen Krallenfuß.
Ticky trat noch ein Stück weiter vor.
Der Vogel auch. Er stand jetzt so dicht hinter ihm, dass er die Federn spüren konnte.
„Adala!“, schrie Ticky. „Ich komme!“
Er sprang. Das kleine Tier unter seiner Armzacke quiekte auf vor Schreck.
„Keine Angst“, rief Ticky, „Adala fängt uns auf.“
Weich landeten sie in der Wolkenwatte.
„Geschafft!“, sagte Ticky. „Hier bist du sicher.“