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Chantal will aufhören

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Es ist mittlerweile eine Woche seit dem letzten Treffen mit Chantal vergangen. Ich sitze vor der Glotze und schaue mir irgend so einen blöden Krimi an, als es an der Tür klingelt. Wer könnte das denn nun schon wieder sein? Vielleicht mein Kumpel Ralf, mit dem ich ab und zu mal Billardspielen gehe? Aber jetzt noch? Es ist schließlich schon fast zweiundzwanzig Uhr.

Ich gehe zur Tür und frage durch die Wechselsprechanlage: "Ja bitte. Wer ist dort?"

Ich höre: "Chantal. Hier ist die Chantal. Machst du bitte auf."

Chantal? Welche Chantal? Ich kenne keine Chantal. Oder ist es vielleicht 'die' Chantal. Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich öffne also die Tür und bin gespannt, wer jetzt durch das Treppenhaus heraufkommt. Tatsächlich, es ist 'die' Chantal.

"Was machst du denn hier? Und vor allem. Woher hast du meine Adresse?"

"Darf ich reinkommen? Ich erkläre dir dann alles", sagt sie flehend.

Sie kommt mir irgendwie verändert vor. Gar nicht mehr so wild und zügellos, wie ich sie sonst kenne. Sie trägt ein 'gesittetes' langes Kleid und nur ganz wenig Make-up.

"Ja, klar, komm erst einmal herein. Möchtest du was trinken?"

"Gerne, hast du Selters oder Cola da?"

Ich nicke bestätigend und gehe kurz in die Küche, um die Getränke zu holen. Chantal hat sich inzwischen ins Wohnzimmer gesetzt und schaut sich in meinem Zimmer um.

"So habe ich mir deine Bude vorgestellt", sagt sie als sie mich mit den Getränken erblickt.

Ich gebe ihr eine Selters und setze mich ihr gegenüber in einem Sessel.

"Erst einmal muss ich mich bei dir entschuldigen, dass ich einfach so bei dir aufkreuze. Ich habe letztes Mal, als du bei mir warst, nach deinem Ausweis gesehen und dadurch deine Adresse erfahren. Mir ist klar, dass das nicht richtig war. Aber ich weiß langsam keinen anderen Ausweg mehr als dich um Hilfe zu bitten."

Ich werde hellhörig. Was will sie denn jetzt von mir. Ich schaue sie erwartungsvoll an und sie erzählt weiter.

"Ich halte es langsam nicht mehr aus. Ewig diese fetten und ekligen Rammler. Die vögeln dich kurz durch, kommen schon nach einigen Sekunden und fragen dann auch noch ob es für mich schön gewesen sei. Zu guter Letzt wollen sie mich auch noch küssen. Ich drehe bald durch. Mir bleiben aber nicht viele Möglichkeiten um Geld zu verdienen. Ich habe keinen Schulabschluss, natürlich auch keine Ausbildung und meine Referenzen … Na ja, das kannst du dir ja vielleicht denken. Ich will aber unbedingt weg aus dem Milieu. Sonst bring ich mich irgendwann noch um."

Chantal schießen die Tränen in die Augen und sie fängt jämmerlich an zu heulen. Schluchzend versucht sie weiter zu erzählen was ihr aber sehr schwer fällt.

"Ich weiß nicht, an wen ich mich wenden soll. Meine Freunde haben sich alle von mir abgewandt. Meine Familie will auch nichts mehr von mir wissen. Alleine schaffe ich den Ausstieg aber nicht. Du bist der einzige, dem ich vertrauen kann. Bitte hilf mir."

Jetzt kann sie vor lauter Heulen nicht mehr weiter reden. Ich gehe zu ihr rüber und nehme sie in den Arm, um sie ein wenig zu trösten.

"Du kannst heute bei mir übernachten, wenn du möchtest. Ich habe in meinem Arbeitszimmer noch eine Schlafcouch. Die ist sehr bequem. Schlaf dich erst einmal richtig aus. Morgen überlegen wir dann was wir machen können."

"Das ist lieb von dir", sagt Chantal und gibt mir einen gehauchten Wangenkuss. Ich sage ihr noch, dass sie im Wohnzimmer warten soll während ich die Couch vorbereite. Ihr Bett ist alsbald aufgeschlagen und ich frage sie, ob sie noch irgendetwas benötige. Sie verneint und ich erkläre ihr noch wo sich Getränke, Toilette usw. befinden. Dann wünsche ich ihr eine gute Nacht. Ich gehe ebenfalls schlafen.

Ich werde mitten in der Nacht durch lautes Rufen plötzlich wach.

"Nein. Ich will das nicht! Geh runter, Du Schwein!", höre ich es aus dem Arbeitszimmer schreien. Ich springe auf und renne in das Zimmer, in dem Chantal schläft. Ich schalte das Licht ein und sehe wie Chantal sich hin und her wälzt und immer wieder schreit: "Geh raus aus mir. Ich will das nicht. Nein. Nein!"

Sie hat einen heftigen Alptraum. Ich trete an ihr Bett und schüttele sie kräftig, um sie zu wecken.

"Chantal! Chantal! Aufwachen!".

Sie wird wach.

"Habe ich wieder geträumt? Habe ich dich geweckt?"

Na, die letzte Frage hätte sie sich wohl sparen können, sonst würde ich jetzt wohl nicht hier stehen.

"Solche Träume habe ich inzwischen fast in jeder Nacht, und sie werden immer schlimmer."

Ich merke dass sie so schnell wie möglich aus dem Milieu raus muss, sonst ist das ihr Untergang. Meine Vermutung, die ich ja schon seit längerer Zeit hatte, hat sich nun leider bestätigt. Und das auch noch schlimmer als erwartet. Nicht zuletzt war ich einer von denen, der sie in eine solche Lage gebracht hat. Ich könnte mich jetzt dafür ohrfeigen.

Ich bleibe noch eine Weile bei ihr sitzen. Sie schläft nach einiger Zeit wieder ein. Ich schalte das Licht aus und verlasse das Zimmer, um mich hinzulegen. Den Rest der Nacht über bleibt es ruhig. Chantal hatte wohl keine weiteren Alpträume mehr.

Am nächsten Morgen stehe ich auf, um Frühstück zu machen. Chantal ist noch nicht wach. Ich rufe vorher kurz in der Firma an und nehme den Rest der Woche frei. Ich habe ja zum Glück Gleitzeit.

Der Kaffee kocht und die Toasts werden gebacken. Ich decke den Küchentisch und setze mich, um schon mal eine Tasse Kaffee zu trinken. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um Chantal und wie ich ihr am besten helfen kann. Mir fällt ein, dass in meiner Firma noch eine Montagehelferin gesucht wird. Für diese Tätigkeit wird keinerlei Ausbildung benötigt. Also beschließe ich, mal mit meinen Chef zu reden.

Chantal ist nun auch wach geworden und kommt mit einen etwas verschlafenen "Guten Morgen!" in die Küche.

"Frühstücke erst einmal", fordere ich sie auf.

Chantal setzt sich und ich schenke ihr eine Tasse Kaffee ein.

"Entschuldige bitte wegen heute Nacht. Ich möchte dir keine Umstände machen. Es ist besser ich gehe zurück in meine Wohnung."

Ich schaue sie an und sage: "Nein, Chantal. Du bleibst besser bei mir. Wenn du wieder in deiner Bude bist, kommt dein nächster Freier vorbei. So kommst du nie aus der Szene raus. Und Umstände machst du mir schon gar nicht. Ich bin als Freier an deiner Situation auch ein wenig Schuld. Ich werde dir helfen so gut ich kann."

Sie schaut mich fragend an.

Ich sage nur: "Schau nicht so. Auch wenn sich das jetzt hart anhört. Aber willst du irgendwann vorzeitig im Sarg oder nach einem langen und erfüllten Leben enden?"

Sie schluckt und nickt kurz. Ich habe wohl Recht. Jetzt frühstücken wir aber erst einmal in aller Ruhe. Chantal redet die ganze Zeit über kaum ein Wort. Ich kann mir gut vorstellen wie sie sich fühlt. Entweder sie vertraut mir und hofft, dass ich sie nicht übers Ohr haue, was ich bestimmt nicht machen werde. Oder sie versucht es selbst, was aber wahrscheinlich nie gelingen wird.

"Wenn du zu Ende gegessen hast, fahren wir zu deiner Bude, holen deine Sachen, danach siehst du die Wohnung bitte nie wieder. Alles Weitere überlässt du mir, einverstanden?"

Sie überlegt kurz und stimmt dann zu. Jetzt hat sie sich wohl endgültig entschlossen mir zu vertrauen.

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