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SIEBENTE ABHANDLUNG: ÜBER ELTERN UND KINDER
ОглавлениеDie Freuden der Eltern bleiben verborgen, ebenso wie ihr Kummer und ihre Ängste. Die einen können sie nicht äußern, und die anderen wollen sie nicht äußern. Kinder versüßen die Mühsal, aber sie machen das Unglück noch bitterer; sie vermehren die Sorgen des Lebens, aber sie mildern den Gedanken an den Tod. Die ewige Abfolge der Generationen haben wir mit den Tieren gemeinsam, aber Erinnerung, Verdienst und edle Werke sind nur dem Menschen eigen. Es ist gewisslich zu sehen, dass die edelsten und bedeutendsten Werke von kinderlosen Menschen stammen, die danach strebten, den Abbildern ihres Geistes Ausdruck zu verleihen, wo ihnen jene ihres Körpers versagt blieben. Daher kümmern sich diejenigen am meisten um die Nachwelt, die selbst keine Nachkommen haben. Diejenigen, die ein Haus begründen, sind am nachsichtigsten gegenüber ihren Kindern, denn sie sehen diese nicht nur als den Fortbestand ihrer Art, sondern auch als den ihrer Arbeit an, und somit sind sie sowohl ihre Kinder als auch ihre Geschöpfe.
Die Wertschätzung, welche die Eltern ihren Kindern entgegenbringen, ist oft höchst unterschiedlich und manchmal auch ungerecht, vor allem auf Seiten der Mutter. Wie Salomo sagt: „Ein weiser Sohn macht seinem Vater Freude, ein törichter ist seiner Mutter Kummer.“ Es ist oft zu beobachten, dass dort, wo ein Haus voller Kinder ist, das Älteste und auch das Zweitälteste geachtet und die jüngsten verzogen werden, während diejenigen dazwischen vergessen werden, obwohl sie sich doch oft als die besten erweisen. Die Engstirnigkeit der Eltern in Bezug auf das Taschengeld ihrer Kinder ist ein schädlicher Irrtum, denn dieses Verhalten macht sie niederträchtig, verleitet sie zur Lüge, treibt sie in schlechte Gesellschaft und führt dazu, dass sie noch mehr wollen, wenn sie bereits viel erlangt haben. Daher ist es das Beste, wenn Eltern ihre Autorität zwar gegenüber ihren Kindern, aber nicht gegenüber ihrer Geldbörse ausüben. Sowohl Eltern als auch Schulmeister und Diener haben die dumme Angewohnheit, Wetteifer zwischen Brüdern in deren Kindheit hervorzurufen und zu bestärken, was oftmals zu Zwietracht führt, wenn sie ins Mannesalter gekommen sind, und den Familienfrieden stört. Die Italiener machen kaum einen Unterschied zwischen den eigenen Kindern und den Neffen und Nichten oder anderen nahen Anverwandten; wenn sie zum selben Stamm gehören, dann ist es ihnen gleichgültig, ob sie aus dem eigenen Körper hervorgekrochen sind oder nicht. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, verhält es sich in Charakterdingen oft genauso, denn bisweilen gleicht der Neffe dem Onkel mehr als dem eigenen Vater, je nachdem, wie das Blut geflossen ist. Es sei den Eltern angeraten, rechtzeitig die Berufungen und Laufbahnen festzulegen, die ihre Kinder ihrer Meinung nach ergreifen sollten, denn in jungen Jahren sind sie noch am besten formbar. Überdies sollten sie sich den Neigungen ihrer Kinder nicht allzu sehr anpassen, indem sie glauben, dass diesen auch später das am besten gefallen wird, was sie gegenwärtig am meisten interessiert. Es stimmt, dass, wenn ein Kind eine außergewöhnliche Neigung oder Begabung zeigt, man sich ihm nicht in den Weg stellen sollte, aber im Allgemeinen ist dieses Prinzip das beste: „Optimum elige, suave et facile illud faciet consuetudo [Wähle des besten Beruf; die Gewohnheit wird ihn angenehm und leicht machen].“ Jüngere Brüder können sich zumeist glücklich preisen, was jedoch selten oder gar nie gilt, wenn die älteren enterbt wurden.