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ZWEITE ABHANDLUNG: ÜBER DEN TOD

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Die Menschen fürchten den Tod, so wie die Kinder den Gang durch die Finsternis fürchten, und wie diese zweite, natürliche Furcht bei den Kindern durch grausige Geschichten verstärkt wird, so ist es auch bei der ersten. Gewiss ist die Betrachtung des Todes als Urteil über die eigenen Sünden und Übergang in eine andere Welt etwas Heiliges und Frommes, aber die Furcht davor, bei der es sich um einen Tribut an die Natur handelt, zeugt von Schwäche. In frommen Betrachtungen findet sich bisweilen eine Mischung aus Einbildung und Aberglaube. In einigen mönchischen Büchern steht über die Kasteiung geschrieben, man solle sich einmal vorstellen, wie schmerzhaft es ist, wenn einem bloß die Fingerkuppe gequetscht oder torquiert wird, und danach solle man sich ausmalen, wie grässlich die Schmerzen des Todes sind, wenn der ganze Körper verwest und zerfällt. Dabei geht doch oftmals der Tod mit geringeren Qualen als bei der Folterung eines Gliedes einher, da die lebenswichtigsten Teile zumeist nicht die schmerzempfindlichsten sind. Deshalb sagte jener, der nur als Philosoph und einfacher Mensch sprach, zu Recht: „Pompa mortis magis terret quam mors ipsa [Der Totenzug erschreckt mehr als der Tod selbst].“ Ächzen und Zuckungen, ein entfärbtes Antlitz, weinende Freunde, schwarze Farben, Beisetzungsfeierlichkeiten und dergleichen zeigen den Tod auf schreckliche Weise. Es ist jedoch bemerkenswert, dass in der Seele des Menschen keine Leidenschaft so schwach ist, dass sie der Angst vor dem Tode nicht gleichkommt oder diese gar übertrifft. Daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, denn der Mensch besitzt so viele Helfer im Kampf gegen ihn. Die Rache triumphiert über den Tod, die Liebe behandelt ihn geringschätzig, der Ruhm strebt nach ihm, der Kummer flieht zu ihm hin, die Furcht vertieft sich ganz in ihn, und wir lesen sogar, dass nach dem Selbstmord des Kaisers Otho das Mitleid mit ihm (das die zarteste aller Neigungen ist) viele Menschen dazu veranlasste, sich aus reiner Zuneigung zu ihrem Herrscher ebenfalls selbst zu entleiben, wodurch sie sich als die treuesten seiner Gefolgsleute erwiesen. Seneca fügt alldem noch Feingefühl und Übersättigung hinzu: „Cogita quam diu eadem feceris; mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest [Bedenke, wie lange du schon dasselbe machst. Sterben will nicht nur der Tapfere oder der Unglückliche, sondern auch der des Lebens Überdrüssige].“ Es gibt Menschen, die weder aus Tapferkeit noch aus Unglück sterben wollen, sondern weil sie müde sind, wieder und wieder dasselbe tun zu müssen. Überdies ist es bemerkenswert, wie wenig das Heranahen des Todes den Charakter zu beeindrucken vermag, denn dieser scheint bis zum letzten Atemzug unverändert zu sein. Augustus Caesar starb mit einem Abschiedsgruß auf den Lippen: „Livia, conjugii nostri memor, vive et vale [Livia, erinnere dich stets unserer Ehre, lebe und lebe wohl].“ Tiberius starb in Heuchelei, denn Tacitus schreibt über ihn: „Iam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio, deserebant [Schon verließen Tiberius die Kräfte des Körpers, nicht aber seine Unaufrichtigkeit].“ Vespasian verstarb auf einem Schemel mit einem Scherz: „Ut puto Deus fio [Ich glaube, ich werde gerade zum Gott].“ Galba verschied mit dem Spruch: „Feri, si ex re sit populi Romani [Schlag zu, wenn es der Sache des Römischen Volkes dient]“, und bot seinen Nacken dar. Septimius Severus sagte bei seinem Abgang: „Adeste si quid mihi restat agendum [Rasch zu mir, falls es noch etwas zu tun gibt].“ Und dergleichen mehr. Sicherlich maßen die Stoiker dem Tod ein zu großes Gewicht bei, und so wirkte er durch ihre ausufernden Vorbereitungen nur noch schrecklicher. Besser ergeht es jenem, „qui finem vitae extremum inter munera ponat naturae [der das Ende des Lebens zu den Geschenken der Natur zählt].“ Es ist so natürlich zu sterben, wie es natürlich ist, geboren zu werden, und für einen Säugling ist das eine vermutlich genauso schmerzlich wie das andere. Derjenige, der bei der Verrichtung einer ernsthaften Tätigkeit stirbt, ist wie jener, der im heftigen Gefecht verwundet wird. Zunächst spürt er die Verletzung kaum, und daher wehrt sein Geist, der noch auf etwas Gutes gerichtet ist, die Qualen des Todes ab. Aber glaubt mir, über alldem schwebt das süßeste Lied, das „Nunc dimittis [Nun lass mich scheiden]“, wenn sich die Erwartungen eines Menschen erfüllt haben und er ein würdiges Ende findet. Es ist auch eine Eigenschaft des Todes, dass er das Tor zum Ruhme öffnet und den Neid auslöscht: „Extinctus amabitur idem [Nach seinem Tod wird er geliebt].“

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