Читать книгу Mag Fornton - Francyne M. Foster - Страница 10
ОглавлениеKapitel 7
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich auf der Treppe saß und einfach ins Nichts gestarrt hatte, irgendwann spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und sah in Micks blaue Augen. Er zog mich in seine Arme und ich lehnte mich seitlich gegen seine Brust. Sein Herz schlug schnell, ich schlang meine Arme um seinen Bauch und hörte einfach nur seinem Herzschlag zu, der sich langsam wieder beruhigte. Keiner von uns sagte etwas und ich war ihm unendlich dankbar, dass er einfach nur bei mir war. „Was machst du hier, Löckchen?“ Ich spürte einen Kuss auf meinen Haaren und er entlockte mir ein kleines Lächeln. „Ich bin mit Mitchell aneinandergeraten. Er, er erinnert mich an jemanden.“ Er seufzte. „Jemanden, den du vergessen willst?“ Ich nickte und presste meine Lippen aufeinander, bevor der nächste Tränenfluss ausbrechen konnte. „Du bist seit einer Stunde hier. Yvy hatte mich angerufen und gefragt, ob ich weiß, wo du bist, da du eigentlich nur kurz zum Lord wolltest. Sie hat sich Sorgen gemacht.“ Ich nickte und löste mich von ihm. „Shit, ich habe dein Hemd mit meiner Wimperntusche eingesaut.“ Ich versuchte noch irgendwie die Flecken wegzuwischen, aber Mick legte seine Hand auf meine. „Mag, ist schon okay, ich habe im Büro noch Ersatzhemden. Bist du so weit wieder in Ordnung?“ Ich nickte und zwang mich zu einem Lächeln. „Ich wimmle dich nur ungern ab, Löckchen, aber ich muss in fünf Minuten bei Knightley im Büro sein. Kann ich dich allein lassen?“ Wir standen zusammen auf und Mick sagte mir, dass ich zwischen der 16. und 17. Etage gehockt hatte, sodass wir nun beide die Stufen nach unten gingen. Ich blieb vor meiner Etagentür stehen und Mick versuchte noch den Rest von meiner verlaufenen Wimperntusche in meinem Gesicht wegzuwischen. Ich konnte nicht anders, als ihn dabei anzustarren, dieser Mann war wie Dynamit. Ich stellte mich leicht auf die Zehenspitzen: „Danke Mick!“, und küsste ihn vermutlich eine Sekunde zu lang auf die Wange. Im gleichen Atemzug spürte ich seine Lippen auf meinem Hals. „Jederzeit, Löckchen.“ Und dann küsste er mich dort. Und allein dieser Kuss ließ einen Tornado durch meinen Körper wüten und ich sah, wie er grinsend die Treppen nach oben lief. Sagen konnte ich nichts mehr, ich stand einfach nur reglos da und brauchte einige Minuten, bis das Blut wieder durch meinen Kopf floss. Nachdem ich mich auf der Toilette so weit wiederhergerichtet hatte, wartete Yvy bereits vor meinem Büro. „Hey, wo warst du denn nur so lange? Hat Mick dich gefunden?“ Oh ja, das hatte er. „Was? Ja, hat er. Ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung mit Mitchell. War irgendwas? Ach so, kannst du Lulus Leine hochbringen zu Ron? Frag besser nicht.“ Sie sah mich mit verquerem Gesichtsausdruck an. „Äh, Lulu ist vor zehn Minuten angelaufen gekommen. Will ich wissen, warum Ron ihre Leine brauchte? Und was war mit Mitchell?“ Ich nahm sie mit in mein Büro und streichelte zunächst Lulu, die schon halb am Einschlafen war. Ich erzählte ihr, was passiert war. „Merkwürdig, sind Amerikaner vielleicht generell so komisch? Keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat. Wollen wir nicht am Samstag shoppen gehen und dann vielleicht noch irgendwo was trinken abends?“ Ich war definitiv dafür, mal etwas Abwechslung würde mir nicht schaden. Zudem hatte ich auch nicht vorgehabt, dieses Wochenende bei meinem Grandpa zu verbringen, weil er an einem Artikel weiterarbeiten wollte und ich dann nicht wieder allein durch das große Haus geistern wollte. „Klar, gerne. Ich war ewig nicht einkaufen. So, ich checke mal meine neue Flut an E-Mails. Haben die Leute hier Angst voreinander oder warum trauen die sich nicht auch mal jemanden anzurufen?“ Yvy lachte. „Vor Knightley hätte ich auch Angst, und stellenweise vor dir auch, ehrlich gesagt. Zumindest wenn ich ein Kerl wäre.“ Ich zog fragend eine Augenbraue hoch. „Na ja, du bist generell auf Krawall aus und gegenüber Männern bist du ziemlich kühl und distanziert. Wahrscheinlich kommt Mitchel deswegen nicht mir dir zurecht, weil du ihm nicht sofort auf den Schoß gesprungen bist. Es ist ein Wunder, dass du Mick so nah an dich heranlässt. Läuft da was zwischen euch?“ Sie grinste mich an. „Nicht, dass ich wüsste. Ich kenne ihn eben schon viele Jahre, mehr nicht.“ Aber richtig überzeugt sah Yvy nicht aus, als sie schmunzelnd mein Büro wieder verließ. Mich selbst hatte ich am wenigsten überzeugen können. Nachmittags erhielt ich von Ron eine Nachricht, dass ich bitte wieder an den Meetings teilnehmen solle, aber ich war nicht gewillt, dem stattzugeben. Den Rest der Woche hielt ich mich von allen Meetings, die Mitchell leitete, fern. Unsere Nature-Produktreihe war so weit startklar, sodass wir mit der eigentlichen Werbekampagne starten konnten. Angesetzt war ein Werbespot für TV und Internet sowie einige Werbebanner, die auf verschiedenen Websites und sozialen Netzwerken veröffentlich werden sollten. Calvin, Yvy und ich waren somit viel außer Haus und ich hatte somit die perfekte Ausrede für Mitchell parat. Er hatte zähneknirschend das Werbebudget abgesegnet, weil er absolut nichts auszusetzen haben konnte, da wir die Kosten so weit es ging effizient angesetzt hatten. Bronson war schließlich nicht Dior oder Chanel, die sich ellenlange Werbeclips mit High-Class-Prominenten leisten konnten. Wieso das Marketing bei Bronson bisher nicht dem Outsourcing zum Opfer gefallen war, blieb mir ein Rätsel; auf die Dauer so eine riesige Anzahl von Mitarbeitern zu beschäftigten, war vollkommen unwirtschaftlich. Aber nun gut, was wusste ich als kleine Werbefee schon, hm? Lulu war täglich oben bei Knightley, mal nur für eine halbe Stunde oder länger, so wie heute; sie war bereits seit zwei Stunden weg. Es war Freitagmittag und Lulu war eigentlich mit ihrem Spaziergang dran und ich trommelte bereits ungeduldig mit den Fingern auf meinem Schreibtisch. Ich wollte bereits bei Ron oben anrufen, als Lulu abgekämpft angelaufen kam. „Lulu, warst du joggen, oder was? Du bist ja fix und fertig.“ Sie lief zu ihrem Wassernapf, trank das ganze Wasser leer und legte sich dann hechelnd in ihr Körbchen. Was macht der Kerl denn mit meinem Hund? Die Frage nach dem Spaziergang hatte sich dann wohl erübrigt. „Kommst du mit essen, Mag?“ Calvin, Jonathan und Tom standen vor meinem Büro. „Ja. Ja, klar. Ich frag nur schnell Yvy, ob sie nach Lulu schaut.“ Meine Assistentin hatte sich Essen von zu Hause mitgebracht und blieb gern bei Lulu. Wir aßen bei einem kleinen Thailänder um die Ecke, und obwohl meine drei Begleiter männlich waren, war ich gern in deren Gesellschaft. Es war so herrlich unbefangen, wie sie sich über Fußball oder Nachrichten unterhielten. Sie waren allesamt so witzig in ihren Dialogen, wobei Tom immer aussah, als würde er gleich einschlafen. Als wir zurückliefen, stieß Calvin einen kurzen Pfiff aus. „Ach, sieh mal an, unser CEO verpisst sich mal wieder ins Wochenende.“ Er deutete auf ein Cab, das vor dem Haupteingang von Bronson parkte. Ich sah gerade noch, wie ein Mann eingestiegen war, wobei ich nur erkennen konnte, wie der Fahrgast die Hintertür schloss. Ach so ein Mist. Typisch Mag! Auf dem Weg nach oben in unsere Etage spekulierten die drei wie wild, wieso Knightley jedes Wochenende nach Hause flog. Aber ich hielt mich mit Spekulationen zurück, weil es sowieso nichts brachte, noch war es meine Angelegenheit. Allerdings musste ich den Jungs rechtgeben, wenn sie sagten, dass man das auf Dauer nicht lange durchziehen konnte. Zurück an meinem Schreibtisch wollte ich meine Mails überprüfen, aber als sich der Bildschirm entsperrte, stockte mir buchstäblich der Atem. Ein Skype-Fenster hatte sich geöffnet, ich hatte eine Nachricht bekommen, die lautete: „Danke“ – mehr nicht, wobei mich nicht das so schockierte, sondern vielmehr der Absender. Alexander Knightley. Ich lehnte mich verwirrt zurück und starrte auf die drei Wörter. Dann schlug ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Ich Idiot! Wieso komme ich da erst jetzt drauf? Ich blickte von Nahem auf meinen Bildschirm. Ach verdammt, das Bild ist einfach zu klein. Knightley hatte ein Profilfoto hochgeladen, das klein oben am Fensterrand eingeblendet wurde, aber ich erkannte nicht viel, da er auf dem Foto zu weit von der Kamera weg stand. Nur dunkle Haare und ziemlich breite Schultern sah ich und das war’s. Das ist doch zum Verrücktwerden! Ich schloss für mich aus der Nachricht, dass er damit Lulu meinte. Einerseits beruhigte es mich, dass ich nicht die einzige Bekloppte hier war, andererseits verängstigte es mich, dass wir auf diese Art irgendwie miteinander verbunden schienen. Er war bereits offline, dennoch ließ ich mich dazu hinreißen, ihm mit einem „Jederzeit“ zu antworten. „Wann treffen wir uns morgen, Mag?“ Yvy riss mich aus meinen Gedanken und ich zuckte kurz zusammen. „Keine Ahnung, ich habe weiter nichts geplant, sag mir, wann ich wo sein soll, und dann werde ich da sein.“ „Okay, ich schreib dir später!“ Ich nickte stumm und starrte wieder auf meinen Bildschirm. Nach einer halben Stunde bloßen Nichtstuns entschied ich mich für Feierabend, Termine waren keine mehr angesetzt und mein Kopf war ein vollkommenes Chaos. Ich verabschiedete mich ins Wochenende von allen und saß kurze Zeit später teilnahmslos mit Lulu in der Tube Richtung Notting Hill. Was für eine verrückte Woche! Zu Hause kümmerte ich mich um meinen kleinen Garten, es war bereits Mitte Juni und es war die letzten Tage unsagbar heiß in der Stadt gewesen. Meine Pflanzen ächzten unter dem mangelnden Regen. Ich versuchte mich später im Kochen beziehungsweise ich kippte eine Salatmischung mit ordentlich Käse, Erdbeeren und Dressing in eine Schüssel. Ich war selten so früh zu Hause und kam mir danach irgendwie selbst überflüssig vor. Für den Rest des Abends versuchte ich mir die letzten zwei Teile von Harry Potter erneut anzusehen, ich schaffte zwar den ersten Teil, schlief dann aber bei dem Vorspann von Part zwei auf dem Sofa ein. Nachts wachte ich schlagartig auf, mein Ex hatte mich wie so oft bis in meine Träume verfolgt und ich suchte automatisch nach Lulu. Aber sie lag mit mir auf dem Sofa an meinen Füßen. Sie fiepte kurz auf, um ihre Sorge auszudrücken. Ich tastete im Dunkeln auf dem Couchtisch nach meinem Smartphone. Als ich es fand, sah ich überrascht auf dem Display, dass es ein Uhr morgens war. Yvy hatte mir eine Nachricht geschickt, aber mich interessierte mehr, wer mir per Skype eine Nachricht schickte. Klar, jeder hatte diese App auf dem eigenen Telefon, aber normalerweise nutzte man privat andere Messenger. Ich zögerte zunächst, die Nachricht sofort zu öffnen, aber ich war dann doch zu neugierig. Als ich dann allerdings Knightleys Name wieder vor mir hatte, verfluchte ich mich selbst. „Therapiehund, hm?“ Na, lange und komplizierte Sätze sind nicht seine Stärke, was? Wollte er darauf jetzt ernsthaft eine Antwort haben? Ich schüttelte den Kopf und ging verwirrt mit Lulu ins Bett.
Am nächsten Morgen kam ich auf die glorreiche Idee, durch den Hyde Park zu laufen. Knightley war schließlich weit weg und es war bereits hell, haha. Allerdings war ich hinterher mehr als kaputt. Es waren so viele Jogger unterwegs, dass ich mehr mit Ausweichen als konstantem Laufen beschäftigt war, sodass ich mehr einen Hürdenlauf hinter mir hatte. Ich war für mittags mit Yvy am Piccadilly Circus verabredet und da es heute wieder nicht nach Regen, sondern strahlendem und warmem Sonnenschein aussah, beschloss ich mich definitiv mit neuen Sommerkleidern und entsprechender Businesskleidung auszustatten. Meine restliche Sommerbekleidung war mir viel groß und den letzten Sommer hatte ich noch in Therapie verbracht und da hatte ich vieles gebraucht, aber keine dünnen Kleidchen. „Seit wann lebst du eigentlich in London, Yvy?“ Wir saßen draußen vor einem Café in der Carnaby Street und tranken Eiskaffee. „Erst seit etwas über zwei Jahren. Mein Dad kam auf die Idee, in London seine Praxis zu eröffnen, und da mich nichts mehr groß hielt in Berlin, bin ich mitgegangen.“ Yvy sah heute wieder niedlich aus mit ihrem schwarzen Sommerkleid, das bedruckt war mit unzähligen gelben Blüten, dazu trug sie weiße Turnschuhe und Ohrringe mit ebensolchen gelben Blumen, die bei jedem Schritt hin- und herpendelten. „Meine Mom hat uns verlassen, als ich zehn oder so war. Seitdem gibt es nur meinen Dad und mich. Aber während er eine Praxis in Mayfair hat, wohne ich lieber im verrückten Camden. Ich liebe zwar meinen Dad über alles, aber spießig ist er schon manchmal.“ Ich schmunzelte. „Irgendwie habe ich hier dennoch bisher nicht den Anschluss gefunden, ich habe zwar einige gute Bekannte in Camden, aber wirkliche Freunde sind das für mich nicht. Da ist Berlin schon anders, Londoner sind meistens so versnobt.“ „Da muss ich dir recht geben. Notting Hill oder Camden ist mir auch allemal lieber als Westminster oder Mayfair. Früher war ich viel mit Freunden unterwegs, aber im Nachgang kann ich sagen, dass da nicht ein einziger wirklicher Freund dabei war. Es war mehr Schein als Sein. Und seitdem gibt es auch nur meinen Grandpa und mich.“ Sie sah mich verlegen an. „Was ist mit deinen Eltern passiert?“ Ich sah sie einige Zeit schweigend an. „Meine Eltern sind gestorben, als ich 14 war. Danach habe ich bei meinen Großeltern auf dem Land gewohnt, bis ich nach Oxford ging. Anschließend habe ich bei Bronson angefangen und lebe seitdem in Notting Hill.“ Ich sog an meinem Strohhalm. „Also sind wir wohl beide relativ allein, hm?“ Ich nickte. „Was macht dein Dad, wenn er sich eine Praxis in Mayfair leisten kann?“ Sie rollte mit den Augen. „Er ist Schönheitschirurg, und zwar ein verdammt guter; die ganzen Reichen und einige Prominente lagen bei ihm schon auf dem Tisch. Ab und an arbeitet er aber im St. Batholomew’s. Er ist eigentlich Unfallchirurg und liebt die Arbeit im Krankenhaus, aber das ist ihm alles mit den Arbeitszeiten zu anstrengend geworden. Er hat dich auch an der Hand operiert.“ „Ach ja? Aber mein Arzt hieß doch Dr. Cooper.“ Sie grinste. „Das war nur der Orthopäde, Dr. Dr. Schmidt, also mein Dad, hat dich wieder zusammengeflickt.“ Ich sah sie überrascht an und mir fiel ein, dass bei dem einen Gespräch noch zwei andere Ärzte anwesend waren. „Er hat aber nichts gesagt, da er wusste, dass du meine Chefin bist.“ Ich strich mit meinen Fingern über die Narbe auf meiner linken Hand. „So klein ist die Welt. Komm, lass uns weiter.“ Wir zogen weiter durch die Straßen von London und meine Kreditkarte glühte bereits. Unterwegs entschieden wir uns abends in Little Venice was trinken zu gehen. Yvy war, Gott sei Dank, ebenso wenig diskothekenbegeistert wie ich. „Also, was läuft da zwischen dir und Mick?“ Wir saßen auf der Außenterrasse einer kleinen Cocktailbar mitten in Little Venice. Das kleine Venedig von London mit seinen vielen kleinen Kanalläufen und Hausbooten. Ich war gern in diesem kleinen Paradies, in dem die Uhr langsamer zu ticken schien, auch wenn bereits viele Touristen ebenfalls von dem Geheimtipp in vielen Reiseführern gelesen hatten und es definitiv nicht mehr so leer war wie noch vor fünf Jahren. Aber abends waren dann doch mehr Einheimische hier als die typischen Touristenfamilien. So wie auch heute, die Luft war noch angenehm warm, aber nicht mehr ganz so stickig. Zudem hatten wir uns für diese Gegend nicht extra umziehen müssen. Am Wochenende war ich ganz froh, keine Pumps oder Heels anziehen zu müssen, sodass auch ich heute mit Turnschuhen durch die Innenstadt gelaufen war, was bei dem Shopping-Marathon auch wirklich eine gute Idee gewesen war. Ich fühlte mich wohl in Yvys Nähe, wir waren uns in vielen Dingen ähnlich und ich schätzte sie wirklich sehr. Aber jetzt blitzten ihr meine Augen kurz entgegen. „Da läuft nichts weiter, ich mag ihn, mehr als mir lieb ist, aber ich bin definitiv nicht beziehungsfähig. Aber er ist wahnsinnig sexy.“ Ich nahm einen Schluck von meinem sündhaft leckeren Cocktail, dessen langer und komplizierter Name mir bereits wieder entfallen war. „Soso, was ist mit Knightley? Du scheinst ziemlich verbissen darauf zu sein, ihn endlich kennenzulernen.“ Natürlich hatte ich ihr nichts von den Skype-Nachrichten erzählt, viel zu erzählen gab es schließlich auch nicht. Und nein, ich hatte ihm auch nicht geantwortet. Ich seufzte. „Keine Ahnung, es nervt mich einfach, dass er mir aus irgendeinem Grund aus dem Weg geht. Schließlich wäre das wohl mein Part, nachdem er mir die Hand zertrümmert hat.“ Yvy lachte auf. „Ja, das stimmt wohl. Irgendwie witzig ist das Ganze aber schon. Aber ich erschrecke mich jedes Mal, wenn er plötzlich neben mir steht. Mir ist der Kerl nicht geheuer und diese Augen. Gruselig.“ Sie schüttelte sich kurz. „Wieso? Was ist mit seinen Augen, leuchten sie rot, oder was?“ „Nein, das nicht, aber sie sind so hell, irgendwie hellgrüngelb. Habe ich noch nie gesehen, erinnert mich an irgendein Raubtier, und wie der sich immer anschleichen kann. Er steht plötzlich einfach neben dir, ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen. Wie bei Harry Potter oder so, nur ohne ploppendes Geräusch.“ Ich sah sie argwöhnisch an. „Na ja, irgendwann werde ich ihn auch kennenlernen müssen.“ „Oh, siehst du, ich hatte vollkommen vergessen, dir was zu erzählen. Weißt du noch, deine Einstandsüberraschung?“ „Ja klar. Wieso? Erzähl.“ Sie lächelte irgendwie verlegen. „Knightley war auch da.“ „Was? Ernsthaft? Wieso hast du mir das nicht schon früher erzählt?“ Sie winkte ab. „Ach, ich habe es wirklich irgendwie vergessen. Er war auch nicht lange da, auf jeden Fall hat er deine kleine Ansprache verfolgt.“ Aha. Das ist ja interessant. Hm, erklärt vielleicht, warum er die Rechnung bezahlt hat. „Ach, guck an. Das ist ja interessant. Gott, vielleicht kann er mich nicht ausstehen und geht mir deswegen aus dem Weg.“ Yvy schüttelte den Kopf. „Darüber machst du dir nicht ernsthaft Gedanken, oder? Mag, guckst du auch mal in den Spiegel?“ Hm, Themenwechsel. „Was ist mit Mitchell, hat er noch mal versucht, dich anzubaggern?“ Yvy rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. „Er will unbedingt, dass ich mal mit ihm ausgehe. Aber, ach, ich weiß nicht.“ Ich hob fragend eine Augenbraue. „Normalerweise habe ich es nicht so mit solchen Anzugträgern, und dass du mir von ihm abrätst, macht es nicht besser. Aber irgendwas hat er an sich, was mich interessiert. Er kommt mir nicht vor wie der typische Privatschulgänger mit reichen Eltern und versnobten Hobbys wie Tennis oder Golfen. Ich weiß, dass du da bereits deine Meinung über ihn hast, und er auch über dich. Vermutlich seid ihr da beide nicht gerade fair zueinander.“ Wie bitte? „Yvy, stopp mal einen Moment. Klar ist nicht jeder Schlipsträger so ein Wichser wie mein Ex, aber ehrlich gesagt interessiert es mich einen Scheiß, ob der Kerl mich leiden kann oder nicht. Auch wenn ich ihn automatisch damit in eine Stereotypen-Schublade stecke und er vollkommen anders ist, habe ich nicht das Bedürfnis, ihn kennenzulernen. Und ich verbiete dir auch nicht, mal mit ihm auszugehen, das würde ich nie wagen, ich möchte nur, dass du aufpasst. Das ist alles. Sollte er dir das Herz brechen, egal auf welche Art und Weise, dreh ich ihm sowieso den Hals um.“ Yvy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Dich möchte ich aber auch nicht zur Feindin haben, schon gar nicht, wenn ich ein Mann wäre.“ Beide brachen wir in Gelächter aus. „Na, wenn das mal nicht die zauberhafte Yvy und die Werbefee persönlich sind.“ Nicht doch, ich erkannte die Stimme sofort. „Hey Robin, was machst du denn hier?“ Yvys Augen begannen so merkwürdig zu leuchten. Ich drehte mich zur Seite, aus der Robin Mitchell gerade angelaufen kam. Im Schlepptau hatte er noch zwei andere Kerle, die sich aber zurückhielten. Ich stockte kurz, als ich Robin im Casual Style sah mit schlichtem, schwarzem Shirt und Jeans. Fuck, der Kerl sieht wirklich verboten gut aus. Aber ich war verwirrt durch die unzähligen Tattoos, die er auf den Armen hatte. Einige erinnerten mich an etwas, aber das konnte doch nicht sein, oder? „Ich war ewig nicht in Little Venice und da der Abend noch jung ist, dachten wir uns, dass wir mal eine Runde drehen.“ Aha, wen interessiert’s? Yvy und Robin wechselten ein paar Worte und ich war plötzlich unsichtbar. Aber das war auch absolut okay für mich, mir kam nur ab und an die Galle hoch. Tatsächlich waren die Blicke, die die beiden austauschten, eindeutig. Oje, Yvy. Hoffentlich geht das gut. Ich driftete mit meinen Gedanken ab. „Mag? Mag! Wo bist du denn schon wieder mit deinen Gedanken?“ Ich hatte absolut keinen Schimmer, worüber die beiden gerade gesprochen hatten, noch seit wann ich den Faden verloren hatte. „Hm?“ Mein Blick ruhte kurz auf Robins Gesicht und ich erkannte etwas Dunkles in seinen Augen, keine Gefahr oder so was, sondern etwas Melancholisch-Trauriges. Er hat vielleicht doch nicht so viel mit meinem Ex gemeinsam. Robin hatte meinen argwöhnischen Blick bemerkt und sah mich auf eine merkwürdige Weise an. Als wäre ich seinem Geheimnis auf der Spur und er mir deutlich machen wollte, dass ich ja schön den Mund halten sollte. „Ich bin mal kurz auf Klo“, ich stand zügig auf und verschwand nach drinnen. Ich stand vor dem Waschbecken und sah in den Spiegel. Robin verunsicherte mich, vermutlich sah man die gleiche Dunkelheit auch in meinen Augen. Aber wenn er genauso gestört war wie ich, konnte Yvy Fluch oder Segen für ihn sein. Er sollte sie nicht mit in den Abgrund ziehen, nur um vielleicht wieder selbst klarzukommen. Ich würde wohl erneut mit Yvy reden müssen, aber so wie sie ihn ansah, war es bereits zu spät. Sie kämpfte zwar noch dagegen an, aber nach ein paar Dates würde sie vermutlich aufgeben und sich restlos in den Vogel verlieben. Ich setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf und nickte mir selbst zu. Als ich zurück an den Tisch ging, war Robin natürlich noch da und er saß auf meinem Platz. In mir und um mich herum herrschen Harmonie und Seelenfrieden. Sein dämliches Grinsen würde ihm bald noch vergehen. „Werbefee! Jetzt weiß ich endlich, an wen du mich erinnerst, ich hatte mal eine Schwiegermutter, die war genauso ein Drachen wie du.“ Ich blitzte ihn wütend an und beugte mich über den Tisch, ich sah ihm tief in die fast schon türkisfarbenen Augen. „Jetzt pass mal auf, Robin. Mit deiner chauvinistischen Macho-Art wirst du niemals finden, wonach du suchst und dich so unsagbar sehnst. Ich war bereits in der Hölle und es gibt nichts, womit du mich noch schockieren oder ängstigen könntest. Und deine Augen sagen mir, dass du bereits ebenfalls dort warst. Also hör auf, dich wie ein pubertierender Junge zu benehmen, sonst lernst du mal meine zickige Art kennen, und wenn du mich bis dato nicht leiden konntest, wirst du mich spätestens dann hassen!“ Seine Augen blitzten kurz schockiert auf, verzogen sich aber schnell zu schmalen Schlitzen. Er blieb allerdings ruhig. Ich sah zu Yvy, die uns beide entsetzt ansah. „Fahr bitte später mit dem Cab nach Hause, ich möchte nicht, dass du um die Uhrzeit noch so lange mit der Tube fährst, okay? Ich geh dann jetzt los.“ Yvy nickte stumm. „Ich melde mich, wenn ich zu Hause bin. Danke, Mag.“ Ich lächelte ihr kurz zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Dann nahm ich meine unzähligen Einkaufstaschen und machte mich auf den Weg nach Hause, nicht ohne Robin noch einen drohenden Blick zuzuwerfen.