Читать книгу Mag Fornton - Francyne M. Foster - Страница 5
ОглавлениеKapitel 2
Ich wachte mit müden Füßen und Waden auf. Ein Blick auf mein Smartphone sagte mir, dass es definitiv noch zu früh war zum Aufstehen, aber ich wollte noch eine Runde laufen gehen und ich würde noch einige Sachen für Lulus Einzug in mein Büro vorbereiten müssen. Von Lyn hatte ich als Antwort bekommen: „Okay, aber falls der neue CEO (Knightley) was dagegen hat, musst du das wohl mit ihm ‚klären‘. Zwinkerndes Smiley.“ Ich seufzte genervt, Lyn schien ja sehr überzeugt davon zu sein, dass sie den Vogel an Land ziehen würde. Es war erst kurz nach fünf, aber ich antwortete ihr dennoch mit einem Ja, ist gut. Was sollte ich auch sonst darauf antworten? Ich erledigte das Gröbste im Badezimmer und zog mir dann meine Laufsachen über. Zusammen mit Lulu verließ ich das Haus, es war noch dunkel und die Dämmerung würde noch eine Weile brauchen. Morgens mochte ich die Stadt am liebsten. London döste noch vor sich hin, denn tief und fest schlafen konnte die Stadt fast nie. Selbst mitten in der Nacht war noch mehr los als um diese frühe Tageszeit. Ich steckte meine Kopfhörer in die Ohren, schaltete meine Playlist am Smartphone an und lief los. Auf Lulu musste ich wenig achten, sie war es schon immer gewohnt, ohne Leine zu laufen, und war stets in meiner Nähe. Mit dem Joggen hatte ich etwa vor einem halben Jahr angefangen, es war für mich ein guter Ausgleich zu meinen meist trüben Gedanken und ich konnte auf diese Art am einfachsten Stress abbauen. Mir ging es weniger um das Abnehmen oder meine körperliche Fitness, klar waren das positive Nebeneffekte, aber ich genoss die innere Ruhe. Mein Geist war nur auf meinen Körper fokussiert und blendete alles andere aus. Unter der Woche hatte ich mir eigentlich angewöhnt, bis zum Hyde Park zu laufen und dort noch eine zusätzliche Runde zu drehen, weil es mir am Wochenende dort immer viel zu voll war mit anderen verrückten Läufern. Aber so wie sich meine Füße gerade bei jedem Schritt auf dem Boden anfühlten, würde ich auf die Extrarunde heute verzichten müssen. Ich rannte nie mehr als zehn Kilometer, ich wollte keine Rekorde brechen, und ich verspürte auch nicht den Drang, jemals einen Marathon laufen zu müssen, um mir irgendwas zu beweisen. Ich lief quer durch Notting Hill ohne feste Route, das machte ich gern, da mir in London immer irgendwas Neues auffiel, was vorher im Verborgenen gelegen hatte. Mal war es eine riesige Palme in einem Vorgarten, bei der ich mich fragte, wie sie in dem britisch launischen Klima überhaupt überleben konnte, oder letzte Woche hatte ich eine Seitengasse entdeckt, die so schmal war, dass man selbst mit dem Fahrrad Probleme haben würde. Die Kontraste in dieser Stadt waren einfach atemberaubend. Ich kam schwer außer Atem vor meiner Haustür an, Lulus Zunge hing ebenfalls bald auf dem Boden, zum Ende hin hatten wir noch einmal ordentlich das Tempo angezogen und insgesamt war ich vielleicht vier oder fünf Kilometer gelaufen. In meiner Küche füllte ich meine Trinkflasche mit Wasser und schmiss vorsichtshalber eine Magnesiumtablette mehr dazu. Mein Magen knurrte rebellisch, genervt von mir selbst flitzte ich noch in Sportsachen zum nächsten Tesco-Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Ich deckte mich mit dem Nötigsten ein und wieder zu Hause bestand mein Frühstück aus schwarzem Kaffee und einem Instantporridge. Das würde für einige Stunden ausreichen. Mein Telefon klingelte, als ich gerade aus der Dusche kam. Ich sah auf das Display und sah Lyns Namen. „Hey Mag! Ich wollte wissen, ob ich dich später mitnehmen soll ins Büro. Wenn du Lulu mitbringst, wirst du ja bestimmt noch ein paar Sachen für sie dabeihaben, oder?“ Ich versuchte mich nebenbei abzutrocknen, wobei das mit einer Hand nicht so einfach war. „Hi, ja, stimmt. Ich hatte mich schon gefragt, wie ich ihr Körbchen am besten transportiere. Wann wärst du dann bei mir?“ Lyn wollte zwischen acht und neun Uhr hier sein, um die Uhrzeit wollte ich eigentlich schon im Büro sein, aber gut. Nachdem ich mich so weit im Bad fertig gemacht hatte, was in der Regel nicht lange dauerte, da ich meistens kein Make-up trug, sondern fast immer nur meine Augen tuschte. Heute würde ich definitiv keinen Rock und keine Pumps tragen. Es war für Anfang April schon relativ warm und ich entschied mich für Keilsandaletten, die zwar ziemlich hoch, dafür aber dennoch bequem waren. Dazu trug ich eine knöchelfreie dunkelgrüne Chino mit einem schlichten weißen Top und einem passenden Blazer. Casual Business würde ich das Ganze nennen. Yvy, die fleißige Biene, hatte mir gestern eine Übersicht erstellt mit allen Mitarbeitern sowie ihren Steckbriefen mit Foto. Ich kochte mir einen weiteren Kaffee und nahm mir die Übersicht noch mal zur Hand und ging alles erneut durch. Ich würde heute mein erstes Meeting abhalten und wollte nicht ganz so ahnungslos vor den Leuten stehen. Zu jedem Mitarbeiter machte ich mir bereits Notizen und schrieb mir Fragen auf, auf die ich noch einmal zurückkommen würde, wenn ich mit jedem im Einzelgespräch saß. Ich wollte gern mit jedem in einem persönlichen Gespräch sprechen und so die Leute kennenlernen, aber auch herausfinden, was von mir erwartet wurde und ob Probleme, Sorgen oder andere Anliegen im Raum standen. Die Zeit hatte ich vollkommen aus den Augen verloren, da klingelte es bereits. Lyn stand freudestrahlend, wie immer, vor der Tür. Menschen, die vor neun Uhr schon gut gelaunt waren, waren mir schon immer suspekt gewesen. „Hey, guten Morgen! Oh Gott, ich war ewig nicht bei dir! Ooohh, da ist Lulu!“ Und wie bei den meisten Menschen, die einen süßen Hund sahen, klang ihre Stimme plötzlich drei Oktaven höher. Lulu genoss aber die Aufmerksamkeit und schmiss sich sofort auf den Boden und drehte sich zum Bauchkraulen auf den Rücken. Sie fand immer ein Opfer! „Gut, ich pack dann mal schnell ihr Zeug zusammen. Ihr seid ja beschäftigt. Streichle sie nicht zu lang, Lyn, sonst kommt sie immer zu dir ins Büro.“ Aber Lyn war vollauf damit beschäftigt, Lulu mit ihrer hohen Stimmlage wiederholend zu sagen, was sie doch für ein hübsches Mädchen sei. Ich verdrehte die Augen und schnappte mir ihr Körbchen, nahm meine Tasche und vorsichtshalber noch Lulus Leine. „Hey, können wir dann? Du kannst damit später weitermachen. Lulu wird dich bestimmt daran erinnern.“ Ich staunte nicht schlecht, als ich den riesigen Landrover vor der Tür stehen sah. „Bereitet ihr euch schon für euer neues Landleben vor oder was willst du mit der riesigen Karre?“ Lyn öffnete den Kofferraum, ich legte das Körbchen rein und Lulu sprang sofort hinterher. „Ach, Jeff hat sich den Wagen gekauft, er fährt doch gerne zum Angeln und so kommt er gut durchs Gelände. Hab das Auto heute wegen des Kofferraums genommen, ich wusste nicht, wie viel du zu schleppen hast.“ Wir setzten uns ins Auto und Lyn fuhr los. „So, erzähl mal, wie ist dein erster Eindruck? Ach so, kommst du am Sonntag mit nach Brighton? Jeff ist auch dabei.“ Ich seufzte innerlich, Jeff, der Langweiler. Aber ich hatte Pa auch eine Weile nicht gesehen, also stimmte ich zu. „Ja, ich komme mit. Und zum ersten Eindruck. Puh, so viel dazu sagen kann ich noch nicht. Yvy hat mir eine Übersicht mit den Steckbriefen der Mitarbeiter erstellt, ich will später mein erstes kurzes Meeting abhalten. Und dann alle aus dem Team in Einzelgesprächen kennenlernen.“ Lyn fluchte leise, der Verkehr war wie immer ein Albtraum. „Gute Idee, Mag! Würde ich genauso machen. Was glaubst du, was ich damals für einen Horrorstart hatte? Es hat lange gedauert, bis sich die alten Herren damals für mich erwärmen konnten. Kennst ja Chester und seine teils steifen Ansichten. Da habe ich natürlich Wände eingerissen.“ Ich musste lachen. „Mrs. Needle war doch genauso! Hatte sie sich eigentlich noch von ihrem alten Telefon trennen können?“ Lyn stimmte beim Lachen mit ein. „Nein! Die dumme Kuh hat bis zum Schluss auf ihr Schnurtelefon bestanden. Als Abschiedsgeschenk hat sie von mir eins mit Wählscheibe bekommen.“ Ich prustete los. „Glaub mir, viel Tränen sind da nicht geflossen. Ich habe die erste Möglichkeit genutzt, sie loszuwerden, und als sie am Herzen oder irgendwo operiert werden musste, habe ich sie in den Ruhestand geschickt. Grandpa ist fast ausgerastet, aber das war mir egal.“ Das konnte ich mir nur allzu gut vorstellen, aber Mrs. Needle hatte wirklich noch antike Vorstellungen, wie eine Marketingabteilung geführt werden sollte. Sie wirkte auf den ersten Blick wie eine Kopie von Miss Marple, aber die Frau hatte wirklich Haare auf den Zähnen und ich hatte mir damals ziemlich oft auf die Zunge beißen müssen, wenn sie wieder eine ihre Tiraden gesungen hatte über die Zukunft des Marketings. „Ganz ehrlich, Mag. So schwer wirst du es nicht haben. Das Team ist jung und deine Leute wollen gefordert, aber auch gefördert werden. Ich weiß, du warst einige Jahre raus, aber du hattest damals schon coole Ideen. Glaub mir, sie werden dich lieben! Du bist tough, direkt, wunderschön, und auch wenn du dich sehr stark verändert hast, trägst du dein kleines gammeliges Herzchen noch am rechten Fleck.“ Gammelig? Das passte tatsächlich ganz gut. Ich sah sie dankend an und wir schwiegen eine Weile. „Erzählst du mir irgendwann, wo du die letzten zwei Jahre eigentlich warst?“ Na, aber ganz bestimmt nicht, so sehr vertraue ich dir dann doch nicht. Ich lächelte gequält, ohne sie anzuschauen. „Lyn, glaub mir, du willst die Geschichte nicht hören. Und freiwillig würde ich sie dir auch niemals erzählen. Also, nein.“ Sie sah mich lange von der Seite an und nickte dann ganz leicht. „Ich verstehe.“ Nein, du verstehst überhaupt nichts. Keine von uns sprach mehr, bis wir in die Tiefgarage des Bürogebäudes hinabfuhren. Ich ließ Lulu aus dem Kofferraum, schnappte mir meine Taschen und Lulus Körbchen. Lulu legte ich vorsichtshalber lieber die Leine um, bevor ich auf jemanden traf, der Angst vor Hunden hatte. Obwohl meine Hündin alles andere als angsteinflößend war und sie sich eigentlich nur für mich interessierte, wollte ich nichts riskieren. Wir stiegen in den Fahrstuhl und ich hoffte, dass er bis zu meinem Stockwerk nicht wieder so brechend voll sein würde wie gestern. Aber der Arbeitstag begann mit einem guten Omen und wir kamen ohne Gequetsche im Aufzug in der 15. Etage an. Der Fahrstuhl hielt, ich tätschelte Lulu noch einmal aufmunternd den Kopf und verabschiedete mich vorerst von Lyn, die noch eine Etage weiter nach oben musste. Barbie und Midge quiekten bereits auf, als sie Lulu sahen, aber ich grüßte sie nur knapp und schritt eilig in Richtung meines Büros. Yvy sah mich schon von Weitem und strahlte mich durch ihre heute viel zu großen Brillengläser an. „Miss Fornton, guten Morgen. Oh, das muss Lulu sein. Sie ist aber eine Hübsche. Oh, geben Sie das doch her.“ Sie nahm mir eilig das Körbchen ab und lief damit bereits in mein Büro. Ich stand perplex mitten im Gang und blickte ihr nach. Verrückter wurde es noch, als einige Leute an mir vorbeiliefen und mich mit „Guten Morgen, Miss Fornton“ begrüßten. „Miss Fornton, kommen Sie dann auch, oder fehlt Ihnen irgendwas?“ Yvy stand im Türrahmen des Büros und riss mich aus meiner Starre. „Was bitte? Ach so, ja. Klar. Komm, Lulu! Ich zeige dir dein neues Büro.“ Ich machte sie von der Leine los, sie tapste voran und legte sich automatisch in ihr Körbchen. „Kaffee oder lieber grünen Tee?“ Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und schaltete meinen PC ein. „Äh, Kaffee bitte. Ich kann mir den aber auch selbst holen, Yvy.“ Sie nickte freundlich. „Ihre Zugangsdaten liegen auf Ihrer Tastatur und so weit sollte eigentlich alles laufen.“ Ich blickte sie verblüfft an. Ich hatte es gestern nicht mehr geschafft, mich selbst mit der IT in Verbindung zu setzen. „Oh, danke. Yvy, jetzt setzen Sie sich doch endlich auf den Stuhl. Meine Füße schmerzen noch von gestern, auf Nackenschmerzen kann ich daher verzichten.“ Ich hatte bisher die ganze Zeit zu ihr aufschauen müssen. „Klar, danke. Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass Sie nicht Mrs. Needle sind.“ Ach herrje, toller Vergleich. „Ist das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?“ Ich sah sie mürrisch an. „Ein Kompliment natürlich, wo denken Sie hin? Ich hole Ihnen erst mal fix den Kaffee. Dann können Sie schon mal prüfen, ob die Anmeldung funktioniert. Wie trinken Sie Ihren Kaffee?“ Ich tippte nebenbei meinen Benutzernamen ein. „Schwarz bitte. Danke, Yvy.“ Ich lächelte sie an und sie flog, wie bereits gestern auch, aus dem Büro. Als sie mit einer dampfenden Tasse zurückkam, blickte ich verwundert auf den iMac. „Und hat alles funktioniert, Miss Fornton?“ Ich nahm dankend die Tasse entgegen. „Yvy, ich habe bereits über 50 Mails in meinem Posteingang! Fuck, was ist denn hier los? Oh, sorry.“ Fluchen in derartiger Weise war wohl nicht sehr professionell, aber verdammt, was war das für eine Kommunikationskultur hier? Yvy grinste amüsiert. „Ich sag’s keinem weiter. Was haben Sie für heute geplant?“ Ich blickte flüchtig durch die Mailabsender und ich hatte keine Ahnung, wer die ganzen Leute waren. „Äh, ich wollte eigentlich ein kurzes Meeting abhalten. Nichts Wildes, nur alle grob vor meinem Büro sammeln und quasi einmal Hallo sagen. Wann ist dafür die perfekte Uhrzeit? In einer Stunde? Bis dahin sollte ich mich wohl hier durchgeforstet haben.“ Meine Assistentin stand mit offenem Mund vor mir. „Yvy? Geht’s Ihnen gut?“ Ich sah sie prüfend an. „Jaja, Mrs. Needle hat nur jedes Meeting im Konferenzraum abgehalten, egal wie kurz oder lang es war.“ Aha, stimmt. Mrs. Needle. „Und ihr besteht da jetzt drauf, oder was soll ich daraus ableiten?“ Sie schüttelte eilig den Kopf. „Nein, nein, ich glaube nicht, dass es jemanden stört, wenn wir das nicht mehr so machen. Ich schreib schnell eine Rundmail an alle, dass sich alle vor Ihrem Büro einfinden sollen, sagen wir 11.15 Uhr. Dauer?“ Mein Telefon klingelte und ich deutete in Yvys Richtung eine Zehn mit den Fingern. Shit, mein Telefon klingelt! Muss ich da jetzt rangehen? Ich könnte warten, bis es aufhört, und es einfach ignorieren. Ach, verdammt! Ich nahm den Anruf entgegen. Gott sei Dank, es war Lyn. „Na, hast du dich erschrocken, als dein Telefon geklingelt hat? Hahaha.“ Ich seufzte verärgert. „Dumme Nuss! Lyn, was ist hier los? Ich habe über 50 Mails in meinem Verteiler! Dabei kennt mich doch überhaupt keiner, sprecht ihr hier nicht miteinander, oder was?“ Lyn lachte noch lauter. „Mag, ich wusste, dass du die perfekte Besetzung für diesen Posten sein würdest! Ich wollte eigentlich nur wissen, wie es Lulu geht und ob du später mit zum Essen kommst.“ Ich seufzte und stützte meinen Kopf mit der freien Hand. „Lulu schläft. Ja, Mittag geht klar. Ich habe um 11.15 Uhr mein Einstiegsmeeting. Wieso hat Mrs. Needle jedes kleine Meeting im Konferenzraum abgehalten?“ Lyn prustete überlegend ins Telefon. „Keine Ahnung! Die Frau war mir schon immer ein Rätsel. 11.15 Uhr also. Vielleicht schaue ich zufällig mal vorbei. Oh, Knightley hat noch mal angerufen. Er kommt am Dienstag und dann nagele ich ihn fest.“ Ich schmunzelte. „So wie du von ihm redest, könnte man meinen, dass du lieber andere Sachen mit ihm machen würdest.“ „Ohne Scheiß, Mag, der Kerl ist der absolute Wahnsinn. Der Kerl hat ein Paar Augen und eine Anziehungskraft. Puh, da wird mir jetzt schon wieder warm, wenn ich daran denke.“ Ein Paar Augen? Wow, ein ganz Harter also! Würg. „Aha“, war alles, was ich dazu sagen konnte. „Aha? Mag, was ist los mit dir? Du warst doch früher hübschen Kerlen nicht abgeneigt.“ Tja, früher war ich auch noch knuffig. „Du, ich muss Schluss machen. Yvy will irgendwas. Bis später!“ Ich würgte sie ab und legte auf. Ich ging mit dem Telefon raus und zu Yvy an ihren Schreibtisch. Heute war ich allerdings nicht so blind wie gestern und blickte in neugierige Gesichter. „Miss Fornton? Kann ich etwas für Sie tun?“ Ich sah von Weitem auf ein buntes Whiteboard, davor standen drei Mitarbeiter und diskutierten impulsiv. „Hm? Ach so, ja. Yvy, ich weiß, dass das vielleicht nicht zu Ihren Aufgaben gehört, aber könnten Sie mir mein Telefon für eine Weile abnehmen?“ Yvy grinste über beide Wangen. „Klar, kein Problem. Sind Sie dann da, wenn jemand anruft, oder eher weniger?“ Gar nicht mal so dumm, das Mädchen. „Sie haben es ja faustdick hinter den Ohren, Herzchen. Für heute bin ich nicht da. Was ist das da hinten für ein Projekt?“ Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und stand dann auf. „Oh, da hinten diskutieren mal wieder Calvin, Susie und Jonathan. Sie betreuen die Nature-Produktlinie.“ Soso, Bronson wollte noch rechtzeitig auf den Zug der Nachhaltigkeit aufspringen und plante die Vermarktung einer neuen Duschgel-Serie, die vegan, umweltschonend, im Stück und ohne Tierversuche hergestellt wurde. Das Problem war nur, dass bereits der größte Konkurrent ebenfalls das Gleiche plante. Es haperte derzeit also daran, ein Merkmal zu definieren, das Bronson vom Wettbewerb hervorhob. Eigentlich wollte ich mich noch nicht „unter das Volk mischen“, aber das Produkt interessierte mich brennend und mein Marketingherz schlug schneller. „Ich geh mir das mal eben ansehen, ja?“ Lulu sprang schlaftrunken aus ihrem Körbchen und war an meiner Seite, bevor ich den ersten Schritt in die Richtung der Dreiergruppe unternehmen konnte. „Neugierig, Lulu? Na komm, mischen wir den Laden mal etwas auf.“ Ich zwinkerte ihr zu und streichelte sie kurz hinter den Ohren. Zielstrebiger als ich es von mir selbst erwartet hätte, ging ich auf die Gruppe zu. Beim Näherkommen erkannte ich die Gesichter von den Steckbriefen wieder. Alle drei waren wirklich verdammt jung und Susie war mit 21 sogar die Jüngste im ganzen Team. Gott, was fühle ich mich gerade alt! Ich schlich um die Gruppe herum und besah mir in deren Rücken die Übersicht auf dem gläsernen Whiteboard. Laut der gemalten Mindmap lag das Problem derzeit unter anderem bei den Produktionskosten, die für Lyn anscheinend noch zu hoch waren. Alle drei hatten mich noch nicht wahrgenommen und waren völlig vertieft darin, sich gegenseitig ihre Argumente an die Köpfe zu hauen. Eigentlich war die Lösung des Problems mehr als einfach. „Miss Fornton?“ Ich drehte mich um und sah in drei verwunderte Gesichter. „Oh, hi, guten Morgen. Ja, ich bin Mag Fornton. Sie haben da anscheinend ein kleines Problem, oder?“ Die Reaktionen waren unterschiedlich, Calvin, der große dunkle Sportler, verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Susie, die quirlige duale Studentin, sah mich amüsiert forschend an, und Jonathan, der Hobbynerd, steckte die Hände in die Hosentaschen. Was für eine Mischung! „Ähm hi, ich bin Susie, das ist Calvin und das ist …“ „Jonathan“, beendete ich für sie den Satz. „Ja, genau. Cool, Sie kennen unsere Namen ja bereits. Also, wir haben folgendes Problem. Uns fehlt das entscheidende Alleinstellungsmerkmal für die neuen Nature-Duschgele. Wir wissen, dass Murrows ebenfalls so eine ähnliche Serie in Planung hat. Aber egal wie wir es wenden, wir kommen nicht darauf.“ Jonathan fasste sich ein Herz. „Außerdem bekommen wir die Verpackungskosten nicht weiter reduziert. Ich bin ja dafür, nur recycelte Pappe zu nehmen, aber andere Hersteller haben das auch schon. Calvin bevorzugt die Variante, ganz auf die Verpackung zu verzichten, aber da kommen wir derzeit auch nicht weiter.“ Ich liebe meinen Job! Jetzt gerade wurde mir erst bewusst, wie sehr ich meine Arbeit vermisst hatte, und nun konnte ich, auf meinem neuen Posten, selbst Entscheidungen treffen und niemand konnte mich mehr so ausbremsen wie die antike Mrs. Needle. „Okay, also. Eigentlich ist es ganz einfach. Papier fällt schon mal raus, sicherlich ist es umweltfreundlicher als Kunststoff, aber wie Jonathan bereits erwähnt hat, gibt es davon schon genug Anbieter. Kunststoff fällt bereits raus, weil es Kunststoff ist, egal ob recycelt oder nicht. Also bleibt nur ohne Verpackung, oder?“ Calvin nickte zustimmend, wenn auch zögerlich. Susie warf ein neues Argument ein. „Ja, aber unverpackt bei Boots im Regal geht ja auch schlecht. Das funktioniert bei Lush vielleicht, aber doch nicht bei unserer Stückzahl.“ Ich schmunzelte. „Da gebe ich Ihnen recht, aber Sie können eine Art Plastikfolie auch aus anderen Materialien gewinnen, wie Maisstärke zum Beispiel. Wenn die Verpackung dann direkt um das Duschgel-Stück gepackt wird, wäre der Überschuss auch nicht so hoch. Müsste man vielleicht einmal durchkalkulieren, hm?“ Calvin grinste mich an. „Kein Problem, kümmere ich mich gern drum.“ „Allerdings muss dort dann auch noch Platz sein für die Produktdetails, Anwendung, Logo etc. Vielleicht kann dabei recyceltes Papier verwendet werden.“ Susie überlegte. „Das wäre dann auch das perfekte Alleinstellungsmerkmal! Vielleicht gibt es auch Materialien, die sich auflösen oder so. Wie bei den Geschirrspültabs. Hammer, Miss Fornton. Wieso sind wir da nicht vorher draufgekommen?“ Sie knuffte beide Männer verärgert in die Seiten. „Hey! Hör auf damit!“ Ich verabschiedete mich vorerst von den dreien. Verwundert sah ich mich jedoch um, wo war eigentlich Lulu die ganze Zeit gewesen? Ich fand sie drei Schreibtische weiter und sie ließ sich gerade den Bauch kraulen von Tom, so war, glaube ich, sein Name. „Lulu, hast du wieder ein neues Opfer gefunden, hm? Sorry, sie ist eine Klette. Vermutlich kommt sie jetzt immer zu Ihnen.“ Tom war Mitte 30, hatte zwei kleine Mädchen und war einer der Controller, die oben keinen Platz mehr hatten. „Ach, das ist kein Problem. Hunde beruhigen mich immer. Hi, ich bin übrigens Tom Willows.“ Ich schüttelte seine ausgestreckte Hand, sie war angenehm warm und sein Händedruck fest. „Ja, geht mir genauso. Hunde sind mir meistens lieber als Menschen. Ich bin Mag Fornton.“ Er sah müde aus. „Wie geht’s den Kindern? Zwei Mädchen, richtig?“ Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch seine dicken, blonden Haare. „Ja genau. Kamilla und Ruby. Zwillinge sind wirklich anstrengend, das kann ich Ihnen sagen. Aber sie kommen bald in die Schule, dann will meine Frau auch wieder Vollzeit arbeiten gehen. Die Hypothek bezahlt sich nicht von allein, nicht wahr?“ Zwillinge. „Stimmt wohl, Sie haben Ihren Kindern sehr schöne Namen gegeben, Tom. Ach, sorry, was machen Sie eigentlich hier unten? Gehören Sie nicht eigentlich eine Etage nach oben?“ Er verzog das Gesicht. „Um ehrlich zu sein, scheine ich hier irgendwie vergessen worden zu sein. Und ich übernehme sporadisch die Aufgaben, wenn jemand krank wird oder so.“ Was bitte??? „Okay, das verstehe ich jetzt nicht ganz, aber gut. Tom, wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnte ich Sie hier unten als Controller gebrauchen. Gerade die drei dort hinten wären bestimmt dankbar für Ihre Hilfe. Ich würde das mit dem HRM klären, wenn Sie wollen.“ Er stand auf und Lulu schreckte hoch. „Klar, gern! Ich geh gleich mal rüber.“ Na, so schwer war das doch bisher nicht. Hoch motiviert steuerte ich zurück zu Yvy. „Oh, Miss Fornton, Sie haben noch zehn Minuten, bevor das Meeting beginnt. Miss Bronson hat noch mal angerufen, aber Sie waren ja tatsächlich nicht da, also musste ich nicht einmal flunkern.“ Gutes Mädchen. „Danke, Yvy. Ach so, wie kommuniziere ich am besten mit jemandem vom HRM? Ich will Tom Willows offiziell in meinem Team haben.“ Yvy wollte bereits antworten, aber sie wurde von einer männlichen Stimme unterbrochen. „Wie wär’s, wenn du dein Hündchen mit einem Zettel am Halsband losschickst?“ Ich drehte mich zu der Stimme. Fuck, ich bin am Arsch. Drei Meter vor mir stand ein verdammter Wikinger im Businessanzug. Inklusive eines blonden Zopfes auf dem Kopf, abrasierten Seiten und eines ebenso blonden Barts um Kinn und Mund. Heilige Scheiße, hat der Kerl blaue Augen. Und er hatte auch einen Körper wie ein Wikinger. Cool bleiben, Mag. „Kennen wir uns?“ Er kam einige Schritte in meine Richtung, aber an diesen Kerl würde ich mich definitiv erinnern, da hätte ich auch doppelt so viele Tabletten nehmen können. Wer ist der Kerl und wie werde ich ihn wieder los? „Miss Fornton, das ist …“ Er unterbrach sie wieder. „Äh … äh, Yvy. Nicht verraten, da muss sie schon selbst draufkommen.“ Er deutete verneinend mit seinem Zeigefinger in ihre Richtung und zwinkerte mir zu. Dann drehte er sich um und ließ mich einfach stehen. Und was tat ich? Genau, absolut gar nichts! Ich stand wie angewurzelt da und starrte diesem Kerl hinterher. „Yvy, Kaffee, bitte.“ Yvy stand auf. „Vielleicht auch einen Schnaps dazu?“ Ich hielt in meiner Bewegung inne und sah sie entrüstet an. „Also bitte!“ Sie verschwand eilig in Richtung der Büroküche. Einen Whisky hätte ich aber definitiv gebrauchen können! Ich checkte kurz meinen Posteingang am PC. 74 Mails! Dabei hatte ich vorhin mindestens 20 eilig durchgeklickt. „Hier ist der Kaffee. Sorry, wegen eben.“ Ich winkte ab. „Alles gut. Ich hätte nur nicht gedacht, hier auf einen Wikinger zu stoßen.“ Yvy lächelte. „Ja, oder? Der sieht doch aus wie der eine von der Wikinger-Serie.“ Nicht daran denken, Mag. „Lassen wir das lieber. Okay, wir sieht’s draußen aus?“ Ich nahm mir meine Tasse und blieb im Türrahmen stehen. „Ach, Mist. Ich habe vergessen, für Lulu einen Trinknapf einzupacken. Irgendwo werde ich wohl eine Schüssel herbekommen, oder Yvy? Ich frage mal Barbie und Midge.“ Yvy lachte laut auf. „Sie meinen Shirley und Cindy.“ Ich grinste sie im Gehen an und eilte zu den beiden Diven hinter dem Empfangstresen. „Hi, könnte mir vielleicht jemand eine Schüssel mit Wasser für meinen Hund besorgen?“ Beide sahen mich mit schrägen Köpfen an. „Aber selbstverständlich, Miss Fornton. Alles gar kein Problem.“ Ich strahlte beiden widerlich lächelnd entgegen. Was für Barbiepuppen! Als ich mich umdrehte und wieder zurück in Richtung Büro gehen wollte, lief der Wikinger wieder an mir vorbei. Er zwinkerte mir erneut zu und er schien sich blendend über meine Ahnungslosigkeit zu amüsieren. Ich reagierte nicht auf sein Lächeln, sondern ging tapfer in mein erstes Meeting. Die meisten Mitarbeiter hatten sich bereits vor meinem Büro versammelt. Sie hatten sich ihre Stühle mitgenommen, saßen auf den Tischen oder waren stehen geblieben. Ich nahm einen Bogen um die Menschentraube und warf einen kurzen Blick in Lulus Körbchen, aber sie schlief seelenruhig. Hund müsste man sein! Ich nahm von Yvy noch meine Tasse dankend entgegen und sah in die vielen unbekannten Gesichter, die mich mal neugierig, prüfend oder abschätzig ansahen. In mir und um mich herum herrschen Harmonie und Seelenfrieden. „So, guten Tag alle miteinander.“ Kurze gemurmelte Antworten. „Ich möchte Sie nicht lange von Ihrer Mittagspause oder sonstigen Verpflichtungen abhalten, allerdings wollte ich es mir nicht nehmen lassen, mich Ihnen kurz vorzustellen und wenigstens Hallo sagen, ohne viel Tamtam oder Konferenzraum. Gut, kurz zu meiner Person. Keine Angst, ich habe hier keine Kennenlernrunde geplant, in dem jetzt jeder artig seinen Namen, Hobbys, Alter oder sonst was preisgibt. Also, ich bin Mag Fornton, 32, alleinstehend, keine Kinder, einen Hund. Ich arbeite seit über zehn Jahren bei Bronson und war bereits immer hier im Marketing eingesetzt, das ist auch mein absolutes Gebiet. Unter Mrs. Needles Herrschaft …“, einige kleine Lacher ertönten, „war die Arbeit nicht immer so unabhängig, wie ich es gern gehabt hätte, aber gut. Die Zeiten ändern sich, nach über zwei Jahren Pause bin ich wieder hier und mein Marketing-Herz schlägt wieder voller Tatendrang.“ Ich machte eine kurze Pause und besah mir einige Gesichter, bevor ich fortfuhr. „Ich möchte gleich am Anfang etwas klarstellen, ich bin weder Mrs. Needle noch bin ich Maggie Fornton, die vor zwei Jahren hier war. Das heißt, ich werde nicht ab morgen das Gebäude einreißen und wir bauen einfach noch mal neu. Zudem liegt es mir fern, Ihnen Befehle aufzuzwingen, die Sie einfach blind ausführen sollen. Ich möchte Sie in erster Linie kennenlernen, dafür plane ich, mit jedem ein Einzelgespräch zu führen.“ Kurzes neugieriges, aber noch skeptisches Raunen in der Menge. „Einzelgespräch heißt jetzt nicht, dass ich Sie oder Ihre Arbeit bewerten möchte. Nein, ich möchte etwas über Sie wissen. Was, ist mir eigentlich egal. Warum arbeiten Sie hier, arbeiten Sie überhaupt gern hier? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Was würden Sie verbessern, was verändern? Wie heißen Ihre Goldfische, was machen Sie nach der Arbeit? Was würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?“ Lauteres Lachen. „Wenn wir uns dann langsam ausgiebig beschnuppert haben, werden wir gemeinsam versuchen, Lösungen, Verbesserungsvorschläge oder was auch immer zu finden. Da ich nicht gerne Sachen aufschiebe, würde ich bereits heute Nachmittag mit dem ersten Termin beginnen. Ich glaube, Yvy, die fleißige Biene, hat bereits einen Terminplan erstellt. Wir beginnen mit Peter, glaube ich, oder? Ah, da vorne sind Sie ja.“ Ich deutete auf einen Mann links vor mir, der mich bereits die ganze Zeit argwöhnisch anschaute. „Gut, dann habe ich zunächst nur noch drei kleine Punkte. Erstens, anscheinend liegt es wohl im Trend, für jede Kleinigkeit eine Mail durch das Gebäude zu jagen. Ich bitte Sie, versuchen Sie das zunächst bei mir zu reduzieren. Meine Tür ist offen, wenn sie zu ist, sehen Sie glasklar, ob ich trotzdem da bin. Sprechen Sie mit mir, egal warum, ja? Zweitens, ich möchte nicht als Snob rüberkommen, weil ich Sie alle noch sieze, sehen Sie es mir bitte nach. Für uns ist das, und für mich noch mehr, vollkommen neues Terrain. Nach den Einzelgesprächen, oder vermutlich auch früher, wird es automatisch in das Du übergehen, außer natürlich jemand hat damit ein Problem. Drittens – und für mich persönlich ein wichtiger Punkt: Ich weiß, dass es bei den meisten bereits angekommen ist, wer ich einmal war oder wie ich früher einmal ausgesehen habe. Egal, was Sie gehört haben, versuchen Sie es bitte aus Ihren Köpfen zu streichen und bilden Sie sich von mir bitte selbst ein Urteil. So stehen wir alle auf dem gleichen Level, denn ich weiß nicht, wer Sie früher einmal waren, was sie getan haben, noch geht es mich irgendetwas an. Ich denke, Sie werden mir zustimmen, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat, mal ist es schwerer, mal leichter. Aber ich werde Sie nicht durch irgendwelche Erzählungen ver- oder beurteilen, also bitte tun Sie es bei mir auch nicht. – Gut, ich habe so weit erst mal keine Punkte mehr. Haben Sie noch Fragen, Ängste oder Sorgen?“ Die meisten schüttelten den Kopf. „Gut, dann sehe ich Peter später, ich hole Sie am Platz ab und dann können Sie entscheiden, wo wir hingehen. Nach draußen, drinnen oder von mir aus auch in den Konferenzraum.“ Peter lächelte dünn und die Menge verstreute sich zügig. Lyn kam aus dem Nichts auf mich zugestürmt. „Ich wusste, du schaffst das. Dein Selbstbewusstsein macht dich unglaublich sexy, weißt du das? 13.00 Uhr Mittagessen?“ Ich verdrehte die Augen bei dem Satz mit dem Selbstbewusstsein, war aber mit Essengehen einverstanden. Die Zeit bis dahin verging wie im Flug und eine gefühlte Viertelstunde später stand Lyn wieder vor mir. „Yvy, ich bin beim Essen, ja?“ Yvy rief uns ein „Okay“ nach. Lulu trabte hinterher und zusammen stiegen wir in den Fahrstuhl. „Sag mal, seit wann arbeitet ein Wikinger bei uns?“ Lyn sah mich überrascht an und lachte dann laut auf. „Musstest du auch an den einen aus der Netflix-Serie denken? Hammer, oder?“ Ich muss an ganz andere Sachen denken, wenn mich der Kerl anzwinkert. „Lyn, wer ist der Typ?“ Sie brach erneut in Gelächter aus. „Oh, da scheint wohl doch jemand dein Interesse geweckt zu haben. Sehr schön! Aber von mir wirst du nichts erfahren. Das kannst du mal schön selbst rausfinden, Herzchen.“ Ich streckte ihr die Zunge raus. „Blöde Kuh!“ Der Fahrstuhl hielt im Erdgeschoss und Lyn griente immer noch vor sich hin. Der Rest des Tages verlief so weit ruhig und ich saß nun mit Lulu in der Tube und war auf dem Weg nach Hause. Das erste Einzelgespräch mit Peter war anfangs schleppend verlaufen, was aber für mich vollkommen in Ordnung war. Schlussendlich glaubte ich, dass er mir eine Chance geben würde. Er besaß viel Fachwissen und den entsprechenden Biss, der für mich wichtig war, um in diesem Business voranzukommen. Lulu legte ihren Kopf auf mein Bein, sie war müde, der Tag war für sie aufregend gewesen, denn sie war es nicht mehr gewohnt, so viel Trubel um sich zu haben. Für meine bisherigen Verhältnisse ging ich damit ganz gut um und tatsächlich fühlte ich mich so weit wohl auf meinem neuen Posten. Morgen müsste ich mich noch den anderen Chiefs vorstellen, aber von der alten Riege waren die meisten Spießer nicht mehr da und ich war positiv gestimmt, dass ich das schon überleben würde. Und das war derzeit noch mein oberstes Ziel, überleben.