Читать книгу Mag Fornton - Francyne M. Foster - Страница 8
ОглавлениеKapitel 5
Mick blieb noch da, bis ich eingeschlafen war, was allerdings auch nicht lang dauerte. Der restliche Tag blieb ereignislos. Meine Therapeutin Dr. Jane Fields kam noch gegen Abend kurz vorbei, aber mir ging es so weit wieder gut, solange Lulu da war. Mittlerweile sagte sie ständig das Gleiche, dass ich mich endlich jemandem anvertrauen solle. Bla, bla, bla, ich kann es nicht mehr hören. Die Nacht hatte ich relativ gut geschlafen, so gut, wie man in so einem kleinen Krankenbett eben schlafen konnte. Morgens hatte mich, wie zuvor auch, Rachel geweckt. Ich fragte sie, wie die OP bei Pa verlaufen war. „Ganz gut, die Patientin liegt noch auf der Intensivstation, ist aber so weit stabil, aber die Operation hat länger gedauert als geplant. Dein Großvater schläft noch, du wirst also noch etwas warten müssen, bevor ihr loskönnt.“ Ich ließ mir heute gleich von ihr helfen, auch wenn das Duschen mit fremder Hilfe schon recht unangenehm war. Aber gut, ich konnte es nicht ändern und musste mich zwangsläufig mit den Gegebenheiten arrangieren. Ich war alt genug, zu verstehen und zu akzeptieren, dass ich manche Dinge ändern konnte und andere eben nicht. Punkt. „Mit Lulu rausgehen kann ich aber allein, Rachel. Ich glaube, sie muss langsam auch wirklich dringend.“ Sie half mir noch beim Anziehen und ich war froh, dass gerade Frühling war, sonst hätte ich jetzt bei eisigen Temperaturen kurzärmelig rausgehen müssen. Sie rief mir noch hinterher, dass sie mein Frühstück ins Zimmer stellen würde, als ich schon am Ende des Gangs angekommen war. Ich hetzte mit Lulu die zwei Etagen nach unten und ignorierte die Blicke der Fremden, die meinen Hund beäugten. Draußen atmete ich die noch frische Luft ein. Am liebsten wäre ich jetzt losgejoggt, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass das keine besonders gute Idee wäre. Ich lief mit Lulu planlos eine halbe Stunde durch die Gegend und ging dann zurück auf mein Zimmer. Brav hatte ich mein ganzes Frühstück aufgegessen, Rachel war begeistert. „Du bist aber leicht ruhigzustellen, Rachel.“ Sie lachte, als sie mein Tablett wieder mit rausnahm. Mein Handy klingelte, jemand rief mit meiner Büronummer an. „Hey Boss!“ Yvy. „Heute geht’s nach Haaaaause! Na ja, fast, aber zumindest schon mal raus aus dem Krankenhaus. Und nimm bitte meine Pflanze mit.“ Sie brachte mich so leicht zum Lachen. Ich erzählte ihr, was ich gestern noch von der Ärztin über Knightley herausgefunden hatte. „Der Kerl wird mir immer suspekter. Jetzt ist er auf jeden Fall erst mal wieder weg und er kommt erst am 1. Mai wieder. Du kannst sagen, was du willst, aber irgendwas stimmt mit dem nicht.“ „Wie meinst du das?“ Yvy überlegte laut. „Ich weiß nicht so recht, irgendwie wirkt er auf mich unecht. Als wäre das alles nur Fassade, weißt du? Gut, viele Worte gewechselt habe ich mit ihm jetzt noch nicht, aber“, sie seufzte schwer, „ich werde das schon noch rausbekommen. Hat Michael dir alles gebracht? Brauchst du noch was?“ „Ja, danke. Ich habe mein MacBook, Skype läuft und alles Weitere ergibt sich dann in den nächsten Tagen. Könntest du mir für Montag gleich die nächsten Einzelgespräche einstellen? Per Skype ist zwar unschön, aber es geht nun mal nicht anders. Himmel, ich will gar nicht wissen, wie viele Mails in meinem Posteingang sind.“ Meine Zimmertür ging auf und Dr. Cooper kam herein. „Du, ich habe Besuch, ich rufe dich in zehn Minuten gleich noch mal an, ja?“ Ich legte schnell auf. „Hallo Dr. Cooper. Ist mein Grandpa schon wach?“ Er nickte lachend. „Ja, das ist er. Sie können es ja kaum abwarten, hier rauszukommen. Aber ich kann Sie schon verstehen. Ich wollte mich nur nach Ihnen erkundigen, irgendwelche Wehwehchen?“ „Nein, so weit eigentlich nicht. Die Hand zwickt ab und an, aber mit ein paar Schmerztabletten geht das auch.“ „Gut, ich muss auch gleich wieder in den OP. Wir sehen uns in zehn Tagen wieder, dann machen wir den Gips ab, ziehen Fäden und ich schau mir auf den neuen Bildern an, wie alles verheilt. Gut, ich muss los. Wir sehen uns, Miss Fornton!“ Er winkte kurz zum Abschied. Ich rief Yvy zurück. „Hey, da bist du ja wieder. Warte mal kurz!“ Ich hörte, wie sie im Hintergrund an irgendwas herumwerkelte, als plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm losbrach und ich nur noch hörte, wie eine jubelnde Menschenmenge „Gute Besserung, Mag!“ in den Hörer brüllte. Das war mein Team! Ich vernahm einzelne Stimmen, die ich bereits wiedererkannte, und war zutiefst gerührt. „Fuck, seid ihr süß. Danke, das ist lieb von euch, wirklich. Ich heule gleich.“ Ich hörte einige lachen, allen voran Yvy, die das bestimmt eingefädelt hatte. Ich beantwortete einige Fragen, die ich raushören konnte, und ich hing bestimmt zwanzig Minuten und länger am Telefon. Als ich mich endlich losreißen konnte, kam auch passenderweise endlich Pa. Ich hatte noch einige kleine Tränen im Gesicht. „Nanu, so früh schon am Weinen?“ Ich lachte auf. „Ja, aber vor Rührung zur Abwechslung. Alles gut, Pa. Können wir jetzt nach Hause?“ Er nahm meine Tasche, ich nahm Lulu an die Leine und als wir bereits draußen waren, musste ich wieder zurück. „Sorry, hab den Topf von Yvy vergessen, der bleibt nicht hier.“ Beim Vorbeigehen blickte ich kurz auf den immer noch so schönen und außergewöhnlichen Strauß von Knightley. Komischer Kerl, aber der Strauß ist wirklich schön. Die Karte nehme ich wohl besser mit, wer weiß. Ich zückte die kleine Grußkarte aus dem Strauß und steckte sie in meine Hosentasche. „Rotlöckchen, schläfst du schon wieder?“ „Jaaa, ich komme doch!“ Ich flitzte mit Lulu hinterher und ich war wirklich froh, endlich hier rauszukommen.
Drei Wochen waren seit dem Unfall vergangen, Halbzeit also. Ich hatte mir mein „Büro“ sporadisch im Wohnzimmer eingerichtet. Da ich mit nur einer funktionsfähigen Hand schlecht mit Tastatur und Maus arbeiten konnte, versuchte ich das meiste per Skype zu erledigen. Mails zu beantworten, war immer noch ein Albtraum für mich, was möglich war, lagerte ich bei meinen Mitarbeitern um. Die freuten sich tatsächlich über etwas mehr Verantwortung. Um das Problem mit Tabellen, Schriften und Präsentationen zu lösen, übertrug ich meistens Tom in einer Videokonferenz meinen Bildschirm und er konnte so direkt von sich aus an meinem Dokument arbeiten. Ich erklärte dann nur, wie ich was wo haben wollte. Tolle Erfindung, oder? Genau das Richtige für Gehandicapte wie mich derzeit. Lyn hatte einige Mal versucht, mich zu erreichen, aber zufälligerweise war ich gerade dann in einer Besprechung oder irgendwo anders, nur nicht für sie erreichbar. Sooft es ging, machten wir ein großes Teammeeting. Mir fehlten meine Arbeit und auch die Menschen in meinem Team wirklich sehr. Ich hatte das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, und die Konferenzen nahmen mir das vollkommen überflüssige Denken in diese Richtung. Mittlerweile hatte ich alle Einzelgespräche erledigt und war mit allen per Du. Auch mit anderen Kollegen war ich durch den regen Mailsturm auf meine Posteingangsbastille besser und häufiger in Kontakt gekommen. Mit Michael telefonierte ich beinahe täglich, auch wenn ich ihn oft dazu missbrauchte, dass er mir einige der verqueren Mails übersetzen musste. Er war auch bereits zwei Mal auf Fosterham Manor gewesen und ich muss zugeben, dass ich mich sehr wohl in seiner Umgebung fühlte. Pa schlich dann immer leicht grinsend durch die Gegend und beobachtete uns, rein zufällig natürlich. Bisher hatte er auch Wort gehalten und war nicht einmal mehr am OP-Tisch gewesen, auch als er mich nach London zum Fädenziehen gebracht hatte, war er brav artig bei mir geblieben. Chester Bronson kam öfter zum Schachspielen vorbei. Sein Anwesen lag nur wenige Meilen von unserem entfernt, wobei ich unseres um einige Längen schöner und angenehmer fand. Fosterham Manor war zwar etwas kleiner und hatte nicht ganz so viele Zimmer, aber für mich strahlte es Wärme aus, das zweistöckige Herrenhaus hatte Charakter, Stil und einen außergewöhnlichen Charme. Die Bibliothek zum Beispiel war chaotisch, wollte man sich dort irgendwo zum Lesen hinsetzen, musste man sich erst einen Platz freibauen, da Pa ständig seine Bücher überall liegen ließ. Das Wohnzimmer war hellgelb, die offenen Terrassentüren gingen in den schönen Garten, in dem der Rasen zwar nicht akkurat mit der Schere gestutzt wurde oder die Büsche und Blühpflanzen nicht in exakt einem gewissen Winkel zueinanderstanden, aber es war eine natürliche chaotische Ordnung, und genau das liebte ich. Der Garten war früher das Heiligtum meiner Granny; es gab keine geraden Linien, alles war geschwungen, wellig oder rund. Der Gärtner fluchte immer, wenn er die runden Hecken stutzen musste. Damals hatte meine Grandma das noch selbst gemacht, in ihrem Garten durfte niemand herumwerkeln. Das harmonische Chaos setzte sich dann auch im Inneren des Hauses fort. Im Wohnzimmer dominierten Blumenmuster, helle und leuchtende Gelbtöne, ein paar kitschige Staubfänger, viele Landschaftsgemälde, Antiquitäten, Rüschen hier und dort und doch war es nicht überladen. Es war die perfekte Symbiose zwischen romantischem Landhausstil und kernigem Jagdhausflair. Am eigentlichen Herrenhaus schloss der Reitstall an, in dem die Pferde untergebracht waren. Dazu hatte mein Pa noch drei große Weimaraner Jagdhunde, die gerade faul mit Lulu auf den Wohnzimmerteppichen schliefen. Ich hing gerade meinen Gedanken nach und blickte vom Sofa aus in den Garten, als mein MacBook mir mitteilte, dass Yvy anrief. Ich nahm den Anruf entgegen und sah kurz darauf in ihre großen blauen Augen. Sie hatte einen leichten Zopf gebunden und einige ihrer dunkelblonden Strähnen hingen ihr vor den Augen. „Hey Mag!“ Sie kam näher an den Bildschirm und flüsterte: „Er ist da! Knightley ist da. Sein erster Tag! Ich bin aufgeregt, aber hey, Lyn ist dann weg. Kann also nur besser werden, oder?“ Ich konnte nur zu lachen anfangen. „Da hast du recht! Wie war ihre Verabschiedung gestern?“ Yvy strich sich gelangweilt eine Strähne aus dem Gesicht. „Pff, verhalten würde ich sagen. Gut, die meisten Weiber können es kaum abwarten, dass Knightley endlich hier herumschwänzelt. Morgen ist Kennenlerntag oder so was. Keine Ahnung, wo der so viele Mitarbeiter unterbringen will, vielleicht macht er ein großes Skype-Meeting? Aber ich bin gespannt, wen er als CFO mitbringt und auf seinen Assistenten bin ich neugierig. Das muss ja ein Mordstyp sein, wenn er ihn extra aus New York mitbringt.“ Ich grinste in die Kamera. „Wenn die Assistentinnen in New York sind wie Barbie und Co bei uns am Empfang, hätte ich auch einen Kerl eingestellt. Hast du für morgen alles erledigen können?“ Yvy zückte ihr Tablet. „Na klar, Catering kommt um zehn. Beamer habe ich besorgt, jetzt hoffe ich nur, dass nicht gerade dann unser CEO seine Ansprache halten will. Haben wir vielleicht etwas blöd getimt.“ Ich lehnte mich entspannt zurück in das weiche Sofa. „Nö, finde ich nicht. Kann ich ja nichts für, mein einmonatiger Einstand war länger geplant als seine Hello-Party. Vielleicht bekommt Mick was raus, ich checke das mal. Oh, warte, er ruft gerade an.“ Er rief auf meinem Smartphone an. „Hi Mick, was gibt’s?“ „Hi, der Adler ist gerade gelandet.“ Ich lachte. „Das weiß ich schon, deswegen rufst du hoffentlich nicht an, oder doch?“ Enttäuscht seufzte etwas in mir Oh Gott! Ich hörte ein feines Lachen. „Nein, ich habe vergessen, wer deine Assistentin ist, sorry.“ „Hey!“ „Das war nett gemeint, Mag. Du hast vermutlich die beste Assistentin von uns allen abbekommen.“ Ha, genau. „Zu Recht ja wohl auch.“ „Mann, Mag. Jetzt lass mich doch mal ausreden.“ Ich seufzte ungeduldig. „Mick, wenn du am Wochenende wieder herkommen willst, dann kannst du das gern tun. Auch wenn ich momentan vielleicht nicht die spannendste Gesellschaft bin.“ „Wie kommst du darauf?“ Shit, war ich vorschnell? „Worauf?“ Ich hörte sein Grinsen durch den Hörer. „Darauf, dass du nicht spannend sein könntest.“ Puuuh, gerettet. „Na, weil der Gips, Moment, was hast du gesagt? Kommst du jetzt am Wochenende oder nicht?“ „Ja, ich komme sehr gern, Mag.“ Erst da ging mir das Licht auf. „Hey, habe ich dich jetzt eingeladen, obwohl du mich eigentlich fragen wolltest, ob du herkommen kannst? Du hast mich ausgetrickst!“ „Man kann dir auch nichts vormachen, Mag. Bis dann, ich muss weiter.“ Yvy hatte gespannt am Bildschirm geklebt. Sie grinste über beide Ohren. „Er ist so süß, oder?“ Ich legte den Kopf fragend schief. „Er ist ein Schuft, er hat mich ausgetrickst. Und ich habe es überhaupt nicht mitbekommen. So was gibt’s doch nicht.“ Yvy grinste immer noch. „Ihr seid wirklich süß zusammen und optisch seid ihr eine absolute Augenweide.“ „Muss meine Assistentin nicht irgendwelche wichtigen Dinge erledigen?“ Yvy blickte fragend an die Decke und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen den Mund. „Ähm, gerade nicht, nein. Schon klar, Boss. Ich versuche was wegen morgen herauszubekommen. Bis später!“ Ich klickte das Fenster unseres Gesprächs weg und ging raus in den Garten. Die Hundemeute trabte müde hinter mir. Ich vermisste meine Granny immer besonders, wenn ich in ihrem Garten umherwanderte. „Rotlöckchen, was macht die Arbeit? Heute schon jemandem symbolisch die Rippen gebrochen?“ Pa griente mich bereits von Weitem an. Er kam gerade aus dem Reitstall. „Nein, nur eine gebrochene Nase und ein Mann, der jetzt um die Ecke pinkeln muss.“ Er nahm mich lachend in den Arm. „Das würde ich dir sogar zutrauen. Der Tierarzt war gerade da, Goldie ist trächtig. Großartig, oder?“ „Wow, das sind gute Neuigkeiten. Ich habe dir ja gesagt, dass Luzifer ein Prachtexemplar ist. Er ist noch etwas stur, aber den bändige ich schon noch.“ Er deutete mit seinem pädagogischen Zeigefinger auf mich. „Solange du den Gips hast, steigst du mir auf kein Pferd, und auf Luzifer erst recht nicht. Wenn er dich abwirft, dann …“ Ich winkte ab. „Ja, ich weiß. Komm, lass uns schauen, was Francis zum Lunch gezaubert hat.“ Ich zog ihn mit in Richtung der Küche. Das Esszimmer benutzten wir nur, wenn Gäste da waren, so versnobt waren wir nicht, dass jeden Tag für uns eingedeckt werden musste; auch wenn mein Grandpa Lord Fosterham war. Ich roch schon von Weitem den leckeren Duft nach Brathähnchen. Francis war eine absolute Koryphäe in der Küche, tatsächlich hatte ich mindestens ein Kilogramm zugenommen, wenn nicht sogar zwei. Aber ihrem Essen konnte ich nicht widerstehen. Wir schlichen schnüffelnd in die Küche und ich genoss das Essen zusammen mit Francis und Pa. Als ich danach wieder vor meinem MacBook saß, hatte ich bereits fünf verpasste Anrufe und bestimmt wieder zehn neue Mails. Michael, Yvy, noch mal Yvy, Calvin, einen Namen, den ich nicht kannte, und Paul von der Buchhaltung. Und tatsächlich neun neue Mails. Eine Mail war von einem Ronald Hiscox. Was ist das denn für ein Name? Ach herrje, wenn das mal nicht der Assistent des neuen Lords Knightley ist. Der Lord verlangte heute noch seine Führungsriege zu sehen, persönlich versteht sich. Ich antwortete ihm schnell, dass ich sicherlich nicht persönlich verfügbar wäre und eigentlich auch krankgeschrieben. Pff, der kann mich mal. Keine zehn Minuten später kam die nächste Mail, diesmal fragte er mich, warum ich dann überhaupt arbeiten würde. „Sehr geehrter Mr. Hiscox, wie Sie vermutlich bereits mitbekommen haben sollten, bin ich bereits seit drei Wochen, sagen wir, indisponiert und werde es noch drei weitere Wochen sein. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich mein Team so lange allein lassen werde, oder? Ich bin zwar nicht vor Ort, nichtsdestotrotz versuche ich von zu Hause (ganz weit weg von London) alles Notwendige zu erledigen und für mein Team erreichbar und präsent zu sein. Mit freundlichen Grüßen Margret Fornton. PS: Ich kann Ihnen meine Assistentin empfehlen, sollten Sie das Bedürfnis verspüren, Ihre Sprechkompetenz im Umgang mit weiblichen Führungskräften aufbessern zu wollen.“ So, noch abschicken, fertig. So ein Idiot, Knightley junior, oder was? Weitere 30 Minuten später rief Yvy erneut an, irgendwie sah sie ziemlich blass um die Nase herum aus. „Mag, was hast du angestellt?“ „Gute Frage, was habe ich denn angestellt?“ Yvy rieb sich angestrengt über die Stirn. „Eben war der Assistent von Knightley hier, der ist übrigens so stockschwul, dass er beinahe leuchtet. Er war hier, um mir freudig mitzuteilen, dass ich demnächst ein Seminar halten soll.“ So ein kleines Arschloch. „Lass mich raten, worum es geht. ‚Kompetenter Umgang mit weiblichen Führungskräften‘?“ Yvy riss die Augen auf. Shit. „Mann, Mag. So was kann ich absolut nicht, Knightley ist noch keinen ganzen Tag hier und du hast schon voll bei ihm verschissen. Was ist denn passiert?“ Ich erzählte ihr kurz den Mailverlauf. „Hm, ja gut. Recht hast du ja, aber wie kommen wir jetzt aus der Sache wieder raus? Und wie willst du dich vor dem Termin mit ihm heute drücken?“ Ein Pop-up meldete eine neue Mail an. „Oh, warte, der Kerl hat noch mal geantwortet. Na, nun bin ich gespannt.“ Ich öffnete die Mail und wurde nun genauso blass. „Shit, Yvy! Jetzt soll ich per Skype zugeschaltet werden und wenn ich nicht kann, muss ich Knightley persönlich anrufen und ihm meine Gründe nennen, warum ich verhindert bin.“ Argh, der Kerl nervte mich so dermaßen, jetzt schon! Yvy konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Kannst du ihm dann bitte auch gleich sagen, dass ich auf das Seminar keinen Bock habe?“ „Jaha! Mache ich natürlich auch noch, schreibst du dann derweil unsere Kündigungen, oder soll ich Mick Bescheid sagen?“ Ihr Grinsen verschwand und sie sah mich ernst an. „Ernsthaft? Das macht der doch nicht wirklich, oder? Darf der das?“ Yvys Naivität war manchmal herzallerliebst, nur nicht gerade jetzt. „Yvy, ich muss nachdenken und mir einen Plan zurechtlegen. Ich melde mich, wenn ich den Lord angerufen habe.“ Na, warte mal ab, Knightley, dich kriege ich schon weichgekocht. Ich grinste, weil mir eine Idee in den Sinn kam, die spaßig werden konnte. Eine Stunde später setzte ich mich zurück aufs Sofa. Ich hatte die CEO-Büronummer bereits im Telefon ausgewählt, aber ich war so dermaßen nervös, dass ich mich nicht traute, Knightley anzurufen. Ich atmete tief durch. In mir und um mich herum herrschen Harmonie und Seelenfrieden. Genau in der Sekunde begann mein Telefon zu klingeln, vor Schreck wäre es mir beinahe aus der Hand geflogen. Der CEO, verdammt! Wieso ruft der mich denn jetzt an? Mist, Mist, Mist! Ich nahm ab. Oh Mann, das wird so was von in die Hose gehen. „Ja?“ Zitterte meine Stimme? Verdammt, jetzt reiß dich doch mal zusammen, Mag! „Miss Fornton! Alexander Knightley hier, mein Assistent teilte mir mit, dass Sie das dringende Bedürfnis haben, mit mir sprechen zu wollen.“ Dringendes Bedürfnis??? Das habe ich auch, das hat aber nichts mit Sprechen zu tun. Gott, hat der Kerl eine Stimme. „Oh, hat er das, ja? Eigentlich hatte ich das absolut nicht, aber es wurde mir ja mehr oder minder aufgezwungen. Also regt sich bei mir mehr der Verdacht, dass das Bedürfnis ganz auf Ihrer Seite liegt.“ „So?“ „Genau so, Mr. Knightley. Also, was kann ich für Sie tun?“ Ha, siegessicher! „Was haben Sie in der letzten Stunde gemacht, Miss Fornton?“ Mir war noch nicht klar, was er damit bezwecken wollte. „Maggie, Pater Grey ist am Telefon.“ Francis kam gerade mit dem Telefon in der Hand angelaufen, sie hatte ihre Hand auf die Sprechmuschel gelegt. „Himmel, was will er denn heute wieder!“ Francis zuckte mit den Schultern. „Ja, warte.“ Ich wandte mich wieder meinem Telefon zu. „Mr. Knightley, ich muss Sie gleich zurückrufen.“ „Oh nein, ich bleibe dran, kein Problem.“ Mmpf, hat der nichts Besseres zu tun? Ich legte mein Telefon widerwillig beiseite und nahm dann das schnurlose in die Hand. „Pater Grey, welches der Zehn Gebote habe ich heute gebrochen? Alle? Haha, Sie Scherzkeks. Darüber sollten Sie wohl am wenigsten Witze machen, oder? Ich war bereits in der Hölle und weiß, was mich erwartet, ich bin quasi vorbereitet, Sie nicht. Also, irgendwas Dringendes? Ich habe noch ein anderes Gespräch in der Leitung. Neuer Assistent? Aha, Sonntag Gottesdienst? Tut mir leid, da bin ich schon verplant. Ich wollte eine Runde auf Luzifer reiten, er hat gerade erst eine Stute geschwängert und er muss etwas Druck abbauen, verstehen Sie? Pater? Sind Sie noch dran?“ Francis Kinnlade war noch nach unten gekippt. „Kind, du bist unmöglich! Lebt der Pater noch?“ Ich reichte ihr den Hörer. „Keine Ahnung, ruf in zehn Minuten mal an und frag nach. Aber hey, unter zehn Minuten abgewürgt, neuer Rekord. Oh, das war jetzt ein Wortspiel, oder?“ Ich grinste frech zu Francis. „Du bist ein böses Mädchen, Maggie. Der arme Pater! Das darf ich Charles gar nicht erzählen.“ Ich nahm noch grinsend mein Telefon in die Hand. „So, da bin ich wieder. Sorry, der Gemeindepfarrer hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mich zu bekehren.“ Hörte ich da ein dünnes Lachen von Knightley? „Das ist bei Ihnen wohl zwecklos, oder?“ Also bitte. „Hm, das fasse ich sowohl als Kompliment als auch als Beleidigung auf.“ „Nun gut. Egal welche Ausrede Sie für später haben, offiziell sind Sie krankgeschrieben und somit nehmen Sie für die nächsten drei Wochen an keinerlei Meetings oder Ähnlichem teil. Was Sie intern in Ihrem Team treiben, ist mir an sich gleichgültig, solange Sie die Projekte zügig vorantreiben. Sonst noch was?“ Ich war vollkommen perplex und kurz sprachlos. „Ähm …“ Er unterbrach mich. „Sätze, die mit einem Ähm beginnen, beende ich meistens mit einem Nein, Miss Fornton.“ „Schon klar, das Seminar über den Umgang mit weiblichen Führungskräften ist doch hoffentlich ein Scherz, oder?“ Diesmal lachte er wirklich leise. „Nein, keineswegs, aber ich werde noch oft darüber lachen können. Bis dann, Miss Fornton.“ „Ja, bis dann, Mr. Knightley.“ Ich legte auf, was für ein merkwürdiger Kerl! Er hatte definitiv gewusst, dass ich ihm eine Ausrede präsentieren wollte, und im nächsten Moment lenkte er selbst ein. Hm, vielleicht war das Gespräch mit Pater Grey zu viel gewesen. Aber ich konnte mit diesem Geistlichen auch kein vernünftiges Wort wechseln. Ich konnte diese geheuchelten Worte von ihm nicht ertragen, seine Predigten waren auch stets bedrohlich und düster. Nein, tut mir leid, wenn Gott so ein Sklaventreiber war, wie er es ständig darstellte, war ich in der kuscheligen Hölle vollkommen zufrieden. Meine Gedanken drifteten zurück zu Knightley, seine Stimme war tief, glasklar und warm, dennoch war dort dieser bedrohliche und eiskalte Unterton gewesen. Ich versuchte mit einem Kopfschütteln diesen Mann aus meinen Gedanken zu bekommen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit einigen kleinen Meetings, internen Teammeetings natürlich. Abends saß ich mit Pa noch zusammen und er erzählte mir etwas über sein neues Lieblingsthema, Liebe und Psychologie. Definitiv nicht mein Themenbereich. Ich ging früh ins Bett, in dem ich allerdings nicht viel Platz hatte, da alle Hunde ebenfalls bei mir schlafen wollten. Aber es störte mich nicht, ich war so nachts nie allein und hatte seit Wochen keine Albträume mehr gehabt; so konnte ich mir auch das Geld sparen für meine Therapiestunden bei Dr. Fields, die mitunter ein kleines Vermögen kosteten. Am nächsten Morgen war ich aufgeregt und gespannt, wie die kleine Überraschung, die ich mit Yvy vorbereitet hatte, bei meinem Team ankommen würde. Auch wenn ich nicht vor Ort sein konnte, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, mein einmonatiges Dasein bei Bronson zu feiern. Ich hatte bereits nichts bei meinem Einstand vorbereiten können, also hatte ich Yvy losgeschickt und sie hatte ein kleines Catering-Unternehmen in Camden gefunden, das sich auf die Bewirtung von Anlässen in Unternehmen spezialisiert hatte. Also hatte ich ihr meine Kreditkartennummer durchgegeben und sie hatte ein buntes Sammelsurium an Köstlichkeiten zusammengestellt, das keine Wünsche offenließ. Wenn alles aufgebaut und die Mannschaft versammelt war, sollte ich per Skype dazugeschaltet werden. Yvy hatte extra einen Beamer besorgt, damit mich auch ja alle richtig sehen konnten. Nun gut, davon war ich weniger begeistert, aber für die tollen und lieben Menschen unter mir würde ich eine Ausnahme machen können. Ich hatte allerdings noch etwas geplant, von dem selbst Yvy nichts wusste, dafür hatte ich Mick in die Oxford Street gescheucht. Jetzt saß ich auf einem Korbsofa auf der Terrasse im Garten und blickte auf meinen Bildschirm. „Guten Morgen, Mick!“ Ich war immer wieder fasziniert, wie gut dieser Mann aussah, der smarte Wikinger im Anzug, herrlich anzusehen! Und ich ertappte mich oft, dass ich ihn ab und an viel zu lang ansah und meinen Blick nicht von ihm lösen konnte. Aber er hatte so sanfte Gesichtszüge; obwohl sich bereits feine Lachfältchen um seine Augen gebildet hatten, war seine Haut makellos. Die kleinen Linien führten sogar dazu, dass er noch attraktiver aussah. Verdammt, ich starre ihn schon wieder an. „Hey Löckchen, wie war deine Nacht?“ „Platzsparend, Fiona, Charlie, Don und Lulu haben alle bei mir im Bett gepennt und ich habe irgendwo dazwischengelegen. Aber so war mir wenigstens nicht kalt.“ Ich zuckte mit den Achseln. Er lachte auf und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. „Wie lief das Meeting mit dem Lord gestern?“ „Unspektakulär, er hält sich erst mal zurück und beobachtet zunächst, wie die Uhren hier ticken. Ich habe dich vermisst, wo warst du?“ Sein Grinsen ließ wieder kurz etwas in mir vibrieren. „Tja, das war in der Tat witzig. Er hatte erst darauf bestanden, dass ich zugeschaltet werde, und dann plötzlich hat er eingelenkt und will mich quasi die nächsten drei Wochen nirgendwo sehen. Komischer Typ, aber ich hatte zwischendurch mit dem ehrwürdigen Pater Grey telefoniert, wahrscheinlich glaubt Knightley jetzt, dass ich nachts nackt den Mond anheule und Satan anbete.“ Sein Blick war durchdringend. „Das klingt interessant, Mag. Wann ist das nächste Mal Vollmond?“ „Wieso? Willst du dann mitkommen?“ Wow, hatte ich das gerade wirklich gefragt? Er wollte gerade antworten, als sein Blick von mir zu seiner Bürotür wanderte. Ich hörte leise die Stimme seiner Assistentin im Hintergrund. Mick nickte ihr kurz zu und wandte sich dann wieder mir zu. „Ich muss Schluss machen, Löckchen. Der dunkle Lord will mich sofort sehen. Über das Thema mit dem nackt durch den Wald tanzen müssen wir später weiterreden.“ Er stand währenddessen auf und zwinkerte mir verheißungsvoll zu. Puh, ich liebte und hasste es zugleich, wenn er das tat. Ich musste langsam wirklich aufpassen, ich hatte zu oft meinen Kopf in seiner Gegenwart aus. Aus der Ferne war das auch immer leicht gesagt, aber wenn er hier war, hatte ich wirklich Schwierigkeiten, meine Prinzipien und Ängste nicht vollkommen zu vergessen. Bevor es um zehn Uhr losgehen sollte, hatte ich mir noch schnell ein Kleid angezogen, Schlabberlook passte für den Anlass nicht besonders. Yvy hatte mir eine Nachricht geschickt, dass das Catering da war. Zehn Minuten später saß ich nun gespannt vor meinem MacBook und wartete auf Yvys Anruf. Als sie endlich anrief und mir ein Bild aus dem Büro angezeigt wurde, war ich absolut sprachlos. „Wow, habt ihr euch in den letzten Wochen vermehrt, oder wo habt ihr euch immer versteckt?“ Jubel brach aus und es wurde geklatscht, zwischendurch hörte ich immer wieder meinen Namen rufen. Ich blickte in Richtung der Fahrstühle, keine Ahnung, wo man mein Bild hinprojiziert hatte. Ich winkte in die Kamera. „Hey, ihr Süßen! Anlässlich der Tatsache, dass ich bereits einen Monat wieder zurück bin, dachte ich mir, das wäre eine tolle Gelegenheit, mich bei euch zu bedanken!“ Gerührte Zwischenrufe, allen voran Yvy. „Ich kann zwar noch nicht wieder zurück ins Büro, ihr wisst ja, meine eiserne Hand und so.“ Ich wedelte kurz mit meiner kaputten Hand. „Aber ich wollte es mir dennoch nicht nehmen lassen, euch mit dem hoffentlich fantastischen Essen zu sagen, was für ein wahnsinnig tolles Team ich führen darf. Ihr seid alle und jeder für sich einzigartige und wundervolle Menschen. Was wir in den letzten Wochen erreicht haben, war der absolute Wahnsinn. Ich kann mit Stolz und zu Recht sagen, dass ich gern mit euch bunten und schrägen Paradiesvögeln zusammenarbeite und es nicht mehr abwarten kann, endlich wieder zu euch ins Büro kommen zu dürfen. Und ich danke euch, dass ihr trotz meiner derzeitigen Abwesenheit mich nicht den Anschluss verlieren lasst und ich immer noch mit Mails überflutet werde, von denen ihr mir die meisten abnehmt, dass Tom immer die Geduld mit mir hat, meine Tabelle mit irgendwelchem Kram zu befüllen, und dass ihr das alle super hinbekommt, mehr miteinander zu sprechen, ohne zig Mails zu schreiben. Ihr seid in kurzer Zeit so eng zusammengewachsen, dass es mich einfach nur umhaut. Ihr seid alle großartig, Leute!“ Tosender Jubel brach aus, dass sogar die Hunde im Gras aufsprangen und losbellten. „Ach, herrje! Die Meute ist wach geworden.“ Ich gab einen kurzen Befehl und Ruhe kehrte zurück in den Garten, ich wandte mich wieder dem Bildschirm zu. „Sorry, ab und an müssen sie mal einen Laut von sich geben für das Wohlbefinden. Wo war ich? Ach so, da es mir allerdings nicht reicht, euch einfach nur mit Essen zu bestechen, habe ich mir noch etwas anderes einfallen lassen, wovon selbst Yvy nichts weiß, haha. Von irgendwoher sollten jetzt ein paar Kartons angeflogen kommen. Ich hoffe, das hat geklappt. Ah ja, da sehe ich im Hintergrund was.“ Jemand, keine Ahnung wer, stellte zwei große Pappkartons in den Raum. „Prima, danke, wer immer Sie sind. Okay, da drin sind beschriftete kleine Geschenke für jeden von euch. Das sollte als Bestechung für das restliche Jahr reichen. Nein, Quatsch, seht es einfach als Dankeschön. Gern hätte ich für jeden persönlich noch eine Botschaft beigelegt, aber als Linkshänder hätte ich daran vermutlich bis Weihnachten gesessen. Anders kann ich euch derzeit nicht Danke sagen.“ Wieder tosender Beifall, danach wurden die Geschenke verteilt. Ich wusste, dass Yvy als Erste auspacken würde, daher überraschte mich ihr verblüfftes Quieken nicht. „Mag! Bist du irre? Das reicht als Bestechung bis nächstes Jahr. Du bist absolut wahnsinnig, aber auch so süß. Boah, Mann, ich muss gleich weinen.“ Ich musste lachen und mir selbst einige Tränen wegdrücken. „Nein, alles gut, Yvy. Wenn es danach geht, was ihr verdient hättet, würde da noch ein anderer Betrag stehen. So, jetzt werdet hier mal alle nicht sentimental, fangt an zu essen, unterhaltet euch, habt euch gern, was auch immer! Ich hänge hier noch zehn Minuten an der Wand, oder wo auch immer ihr mich hingehängt habt, dann muss ich selbst was essen gehen, ich bin neidisch auf das Büfett.“ Ich sah Francis, die mit dem Telefon in der Hand angelaufen kam. Ich ahnte Böses, nicht schon wieder der Pater bitte. „Ich bin mal kurz am Telefon, Leute.“ Aber das Glück war mir hold und es war nur Chester, der sich nach meinem Grandpa erkundigen wollte. Ich hatte ihn schnell wieder abgewürgt. Als ich mich zurück an den Bildschirm setzte, genoss ich noch für einige Minuten die angenehme und ausgelassene Stimmung im Büro. Dann klinkte ich mich heimlich aus und klappte zufrieden mein MacBook zu.