Читать книгу Mag Fornton - Francyne M. Foster - Страница 9

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Kapitel 6

Ein paar Tage später rief die Dame vom Kaufhaus John Lewis an und erkundigte sich, ob mit den Geschenken für meine Mitarbeiter alles in Ordnung war. „Ja, danke sehr, es war ein voller Erfolg.“ Zudem erklärte sie mir, dass mit der Umbuchung der Kreditkarten alles geklappt hatte. „Was für eine Umbuchung?“ Sie sagte mir freudig, dass der Betrag von 6980 Pfund nicht von meinem Kreditkartenkonto abgezogen wurde, sondern von der neuen angegebenen Karte. „Was? Moment, worüber sprechen wir hier eigentlich? Ich habe das gar nicht veranlasst.“ Klar, die Gutscheine hatten mich je 200 Pfund und der Rest der kleinen Präsente ein kleines Vermögen gekostet, aber meine Eltern hatten mich gut versorgt, sodass der Betrag mich nicht wirklich schmerzte. Die Dame druckste verlegen am Telefon herum. „Ich hatte gleich am nächsten Tag einen Anruf, dass bei der Buchung ein Fehler vorlag bei der Kreditkarte. Mir wurde eine neue Kartennummer genannt und von dieser ist der Betrag auch bereits abgegangen.“ Das wird ja immer besser. „Aha, und wem gehört die neue Karte?“ Irgendwie beschlich mich das Gefühl, welchen Namen sie mir gleich sagen würde. „Mr. Alex…“ Ich unterbrach sie wütend. „Buchen Sie das sofort wieder zurück! Mir ist egal, wie Sie das machen, aber er bezahlt definitiv nicht meine Rechnung.“ Habe ich irgendwas nicht mitbekommen? Was fällt dem denn ein? „Miss Fornton, das geht leider nicht. Können Sie das nicht selbst klären bitte? Ich kann mir keinen Ärger erlauben.“ Argh! „Na gut, ich werde sehen, was ich machen kann. Danke für die Information.“ Ich rief im Anschluss sofort bei Knightley im Büro an, aber wie es ja immer so war, ging er natürlich nicht ran, sondern sein Assistent nahm nach einer gefühlten Ewigkeit meinen Anruf entgegen. „Miss Fornton, welche Ehre! Was kann ich für Sie tun?“ „Holen Sie mir Ihren Chef ans Telefon!“ Ich war wirklich sauer und da würde er nun seinen Kopf hinhalten müssen. „Das geht leider nicht, Mr. Knightley müsste bereits im Flieger nach New York sitzen.“ Wie bitte?? Der hatte doch eben erst hier angefangen, wie kann der da gleich Urlaub machen? Ich atmete tief ein. „Handynummer?“ Der Assistent lachte auf. „Glauben Sie mir, Schätzchen. Sie wollen ihn definitiv nicht auf seinem Telefon anrufen. Sie werden bis Montag warten müssen, wie alle anderen auch.“ Ich legte einfach auf. So ein verdammter Terrier!

Die nächsten Wochen vergingen trotz Gips und dem daraus resultierenden Handicap wie im Flug. Ich hatte mich sogar langsam an diesen Trott gewöhnt und sah schon etwas wehleidig auf morgen. Denn morgen, am Sonntag, würde endlich mein Gips abkommen. Michael, der mittlerweile jedes Wochenende hier gewesen war, bis auf eine Ausnahme, würde mich zurück mit nach London nehmen. Und am Montag konnte ich endlich wieder ins Büro! Die letzte Woche hatte sich hingezogen wie Kaugummi und ich musste mich wirklich mehr bewegen. Beim Laufen würde ich wohl keinen Kilometer mehr ohne Pause schaffen und zugenommen hatte ich auch noch einmal. Aber das störte mich nicht besonders, in London würden die Kilos in Windeseile wieder verpuffen. Zumal ich dann nicht mehr in den Genuss von Francis’ Kochkünsten kommen würde. Ich hatte allerdings mit Pa ausgemacht, an den Wochenenden wieder regelmäßiger hier zu sein, und ich hatte mir deswegen vorgenommen, mich wieder hinters Steuer eines Autos zu setzen. Im Büro ging so weit alles seinen Gang, aber so langsam hatte mein Team auch keine Lust mehr, nur mit mir zu skypen, das hatte ich in den letzten Tagen deutlich gespürt. Was Knightley anging, herrschte absolute Funkstille, als wäre er oder ich überhaupt nicht Teil des gleichen Unternehmens. Alle meine eingereichten Anträge genehmigte er, falls er dazu Fragen hatte, gab er diese an Ron, seinen Assistenten, weiter. Es war mir ein vollkommenes Rätsel, wieso er mir aus dem Weg ging. Er arbeitete bereits seit sechs Wochen dort und ich war wohl die Einzige, die ihn noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Zumal er ja darauf bestanden hatte, dass ich mich aus allen Meetings raushalten sollte. Keine Ahnung wieso, aber mich störte das sehr. Ich fühlte mich wie ein alter Kaugummi, der lästig und hartnäckig an seinen Schuhen klebte. Bescheuert, ich weiß. Aber ich war die Einzige eben, die absolut nicht mitreden konnte, wenn es um ihn ging. Und gerade das steigerte meine Neugier umso mehr, wofür ich mir jedes Mal selbst auf die Finger hätte schlagen können, wenn ich zwei gesunde Hände im Angebot gehabt hätte. Als Michael einige Zeit später eintraf, besserte sich meine Laune nur minimal. Er war schließlich gleich das nächste Problem. Ich hatte ihn bereits eindeutig zu nah an mich herangelassen, dass es mir schwerfiel, ihn wieder loszuwerden. „Hi Löckchen, morgen ist der große Tag! Bist du aufgeregt?“ Jaaaa, jedes Mal, wenn du in meiner Nähe bist, Mistkerl! „Nein, nur froh, dass ich endlich aus dem Homeoffice rauskomme. Ich muss mich dringend mehr bewegen und ich will in meinen Alltag zurück, auch wenn ich dann auf drei regelmäßige Mahlzeiten von Francis verzichten muss.“ Er grinste mich an, während wir im Wohnzimmer auf die Couch fielen. „Deiner Figur hat der Aufenthalt hier nicht geschadet.“ Er hatte den Dreh schnell rausbekommen, wie er am besten mit mir umzugehen hatte. Er drängte mich nie zu irgendwas, noch fragte er mich, was die letzten Jahre bei mir passiert war. Es knisterte gewaltig zwischen uns, aber ich war noch Lichtjahre davon entfernt, mich auf ihn einzulassen. Das bekam mein Kopf nicht hin, mein Herz sowieso nicht; das kehrte immer noch die letzten Scherben zusammen. Was meine Vagina davon hielt, wusste ich nicht. Ich ignorierte sie einfach, wenn er da war, was beileibe kein einfaches Unterfangen war. Vor allem nicht, wenn Mick eins von diesen verdammten engen Shirts trug, das seinen definierten Oberkörper in all seiner Pracht nur zu deutlich durchscheinen ließ. Natürlich hatte er heute auch so eins an. Ab und an ließen wir uns beide zum Flirten hinreißen; solche Momente waren Fluch und Segen zugleich. Und ich bereute es hinterher immer sofort und das würde sich heute vermutlich auch nicht ändern. Aber selbst dann hielt er sich zurück und das hatte er wirklich nicht verdient. Ich konnte ihm nicht versprechen, dass ich mir irgendwann wieder zutrauen würde, eine Beziehung zu führen. Nur Sex wäre wohl als Kollege auch keine besonders gute Idee. Wie sollte ich ihm das verkaufen? Nein, das brachte alles nichts. „Mag? Geht’s dir gut? Wo bist du mit deinen Gedanken?“ „Hm?“ Ich lehnte mich seitlich gegen die weiche Sofalehne und zog meine Knie an. Er sah mir lange prüfend in die Augen und ich konnte nichts anderes tun, als seinen Blick zu erwidern, um mich in seinen blauen Augen zu verlieren. „Was geht nur in deinem hübschen Kopf vor sich?“ Wenn ich das mal wüsste. Mein Kopf befand sich wieder im Flackermodus, wie eine halb defekte Leuchtröhre, die ständig an- und ausging, irgendwo in einem dunklen und unheimlichen Kellergang. Genau in dieser Horrorfilmszene stand ich nun, vor mir der Ausgang, hinter mir ging es tiefer in das Kellergewölbe, das ich in- und auswendig kannte, hasste, aber dennoch fühlte ich mich dort sicher. Ich hatte dort die Gefahren, Ängste und beklemmende Atmosphäre kennengelernt, ich wusste, was ich zu erwarten hatte. Wenn ich Richtung Ausgang blickte, lag unbekanntes Terrain vor mir, das trügerisch durch einige Sonnenstrahlen in den Gang strahlte. Es lockte mich, es wollte mich wieder zurück, aber es konnte mir nicht die Garantie geben, dass ich niemals zurück in diese Dunkelheit kehren musste. Ich musste eine Entscheidung treffen: hell oder dunkel, schwarz oder weiß, Leben oder Tod? Aber ich konnte es nicht. Und ich wollte es auch nicht. Nicht jetzt. Irgendwas hielt mich davon ab; was, konnte ich nicht sagen. „Das willst du nicht wissen, glaub mir.“ „Du bist mir ein vollkommenes Rätsel, immer wenn ich denke, einen Schritt in deine Richtung gemacht zu haben, gehst du drei zurück. Ich werde dich niemals fragen, was dir alles widerfahren ist; aber solltest du dich irgendwann bereit fühlen, dich jemandem anvertrauen zu können, dann werde ich da sein, okay?“ Ich nickte stumm und konnte ihn dabei nicht ansehen, der Kloß in meinem Hals war bereits so angeschwollen, dass ich bei jedem weiteren Wort nur noch in Tränen ausbrechen würde, und ich wollte diesen bemitleidenswerten Ausdruck nicht in seinem Gesicht sehen, den die Leute immer aufsetzten, wenn sie erfuhren, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. „Ich glaube, wir haben noch einen Harry Potter-Teil übrig, oder?“ Er lächelte mich an und nickte. „Na, dann los, Hermine. Aber schlaf nicht wieder nach fünf Minuten ein.“ Tatsächlich schaffte ich wohl etwa die Hälfte des Films, bevor mir dann doch wieder die Augen zufielen. „Mag. Mag! Jetzt wach doch endlich auf!“ Ich riss entsetzt die Augen auf und blickte zuerst in Micks sorgenvolle Augen, seine Hand lag ruhig auf meiner Wange. Meine Atmung ging viel zu schnell und meine Haare klebten mir im Nacken. „Mann, Mag, du hast mir echt Angst gemacht!“ Erst langsam fand ich den Weg zurück aus meinem Albtraum in die Realität. Ich lag in meinem Bett, neben mir musterte Lulu mich mit ihrem Blick. Ich sah an Mick herunter, er trug nur eine Jogginghose. Verdammt, wieso ist der Kerl halb nackt? Und wie war ich überhaupt in mein Bett gekommen? Ich rieb mir erschöpft die Stirn. „Was ist denn passiert? Wie bin ich in mein Bett gekommen?“ Seine Gesichtszüge entspannten sich. „Du bist mal wieder eingeschlafen und da ich dich nicht allein unten schlafen lassen wollte, habe ich dich in dein Zimmer getragen.“ Er hat was? „Dann musst du einen Albtraum gehabt haben, weil ich deine Schreie bis in mein Zimmer gehört habe. Ich habe mir nur schnell meine Hose übergezogen und seit mindestens zehn Minuten habe ich versucht, dich wach zu bekommen.“ Puh, der Traum war auch wirklich heftig gewesen. „War Lulu vorhin auch bei mir?“ „Ja, sie war ziemlich aufgeregt.“ Das war nicht gut, normalerweise hatte ich nie solche grauenvollen Albträume, wenn sie in der Nähe war. Irgendwas schien mein Unterbewusstsein zu beschäftigen, ich kam nur noch nicht dahinter. „Danke Mick.“ Ich lächelte ihn verlegen an. Er zog sich etwas zurück und legte fragend seinen Kopf schief. „Kommst du wieder allein zurecht?“ Erst jetzt riskierte ich einen Blick auf seinen nackten Oberkörper und schlagartig schien die Zimmertemperatur um drei Grad gestiegen zu sein. Wenn man mir vor drei Jahren gesagt hätte, dass Mick, der schlaksige Nerd mit seiner komischen Gothic-Freundin, mal aussehen würde, als wäre er direkt dem Cover der Men’s Health entstiegen, hätte sich meine Laune wohl irgendwo zwischen Lachen und Heulen eingependelt. Unfassbar, wie er seinen Körper in der kurzen Zeit transformiert hatte. Er war gut trainiert, nicht zu übertrieben; keiner von diesen Pumpern, die Oberarme hatten, die breiter waren als meine Oberschenkel. Ich spürte deutlich, wie etwas in mir vorfreudig durch meinen Unterleib hüpfte, was mein Kopf nur kopfschüttelnd belächelte. „Kannst du vielleicht hier schlafen?“ Was? War das gerade meine Stimme gewesen? Ach du Schreck. Er sah mich überrascht an, nickte dann aber zaghaft. Und kurz darauf lag ich zwischen meinem Therapiehund und mit meinem Kopf auf der nackten Brust meines Arbeitskollegen. Die Frage, warum ich nicht mehr alle beisammenhatte, stellte sich jetzt gar nicht mehr, oder?

Montagmorgen, gegen sechs Uhr, stand ich das erste Mal seit Wochen wieder in meinen Laufschuhen vor meiner Haustür und war bereit, wieder die erste Runde zu drehen. Der Gips war seit gestern Nachmittag ab und das Gefühl, meine linke Hand nach so langer Zeit zunächst erst mal zu sehen und dann auch noch ohne Schmerzen bewegen zu können, war berauschend. Ich hatte Dr. Cooper vor lauter Freude sogar einen Kuss auf die Wange gedrückt und sein Gesicht war feuerrot angelaufen. Gut, ich würde auf ewig ein Andenken von Alexander Knightley in Form einer Narbe behalten, aber die fiel unter den vielen anderen nicht besonders auf. Wir liefen nur vielleicht drei Kilometer, danach war ich so mit Japsen beschäftigt, dass ich mich zu Hause erst mal zehn Minuten auf die Couch legen musste. Natürlich hatte ich einen riesigen Bogen um den Hyde Park gemacht, auch wenn es um die Uhrzeit bereits hell draußen war. Sicher ist sicher! Auch wenn ich gierig darauf war, meinen neuen CEO nun endlich persönlich kennenzulernen, schließlich war ich nun wieder gesund und es gab für ihn keine Ausrede mehr, mir aus dem Weg zu gehen, oder? Aber wie immer lag ich falsch, was diesen Mann anging. Als ich mit Lulu gegen acht Uhr aus dem Fahrstuhl in der 15. Etage ausstieg und in Richtung meines Büros ging, wurde ich von meinem Team buchstäblich überfallen. Ich stand sprachlos zwischen den Schreibtischen. Über meiner Bürotür hing eine riesige „Willkommen zurück, Mag!“-Girlande; im ganzen Bürobereich hingen bunte Girlanden und Luftballons tummelten sich an der Decke und auf dem Boden. Yvy fiel mir wie aus dem Nichts um den Hals. „Yeah, endlich bist du wieder hier, Mag! Wie du siehst, hast du allen richtig gefehlt. In deinem Büro geht es aber noch weiter. Komm mit!“ Ich lief ihr noch immer sprachlos hinterher. Mein Büro war voll mit Blumensträußen, schon wieder! Und ich hatte endlich ein Sofa mit passendem Beistelltisch, auf dem ebenfalls zwei Sträuße den Platz einnahmen. In Lulus Körbchen lag ein neues Spielzeug und auch hier waren unzählige Ballons. „Yvy, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Doch, ich hoffe, da ist kein Strauß von Knightley dabei!“ Sie fing an zu lachen. „Na, das kommt ja nicht häufig vor, keine Sorge, kein CEO-Strauß!“ Ich zog sie erneut in eine warme Umarmung. „Es ist schön, endlich wieder hier zu sein. Ich habe euch so vermisst und dich ganz besonders.“ Sie lächelte verlegen. „Zeig mal deine Hand.“ Ich zeigte ihr meine nun wieder voll funktionsfähige Hand. „Wow, ganz schön lange Narbe, dann kannst du jetzt immer an den Lord denken, wenn du sie ansiehst. Sorry, schlechter Scherz.“ Ich sah sie zerknirscht an. „Ja, genau, ganz super. Apropos, gibt es irgendwelche spannenden Meetings heute? Ich habe ihn immer noch nicht gesehen und so langsam werde ich wirklich sauer.“ Yvy hob ahnungslos die Schultern. „Eigentlich nicht, Knightley verbringt die Wochenenden angeblich immer in New York, montags hält dann sein Stellvertreter Robin Mitchell das Meeting ab, weil der Lord erst gegen Mittag kommt.“ Ich sah sie überrascht an. „Jedes Wochenende nach New York? Wow, der Kerl muss wie ein Zombie aussehen, allein der Jetlag dauernd. Wieso weiß der Buschfunk nichts? Und wer ist dieser Robin? Komm, wir holen uns fix Kaffee, du wirst mich auf den neuesten Stand bringen müssen.“ Wir verließen zusammen mein Büro und gingen Richtung Büroküche, unterwegs begrüßten mich alle freudig. „Tatsächlich weiß der Buschfunk rein gar nichts, sein Assistent Ron schweigt wie ein Grab, und das, obwohl er schwul ist! Und ich meine richtig schwul, aber er hat einen exzellenten Kleidungsstil. Robin Mitchell, puh, er ist so eine Art Brad-Pitt-Verschnitt. Ziemlich arrogant, strotzt vor Geld und sein charmantes Lächeln bringt die meisten Frauen hier noch mehr durcheinander als bei Knightley.“ Soso, also definitiv kein Kerl, den ich mögen werde. „Aber ich dachte, der Lord wäre das Nonplusultra schlechthin?“ Yvy kippte sich Milch in ihren Kaffee, während ich meinen immer schwarz zu trinken pflegte. „Ja, das dachten viele andere auch. Aber Knightley hat bisher noch keine Frau zu lange angeschaut oder mal angezwinkert oder irgendwas in der Art. Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn er was von mir will. Keine Ahnung, er strahlt irgendwas Dunkles aus. Robin wiederum lässt da nichts anbrennen, für einen kleinen Flirt hat er immer Zeit. Ich habe zwar noch nichts von irgendwelchen Bettgeschichten gehört, aber selbst mich baggert er an. Obwohl ich zugeben muss, dass er wirklich wahnsinnig gut aussieht und sehr charmant ist.“ „Was meinst du bitte mit ‚selbst mich baggert er an‘? Du bist doch eine wunderschöne junge Frau, er wäre ein Idiot, wenn er es nicht bei dir probieren würde. Obwohl, ich kenne solche Kerle, also pass bitte bei ihm auf, ja? Ich werde mich ja anscheinend selbst von ihm überzeugen können.“ Der Vormittag verging dann auch wie im Flug. Ich war hauptsächlich damit beschäftigt, mit meinen Mitarbeitern zu quatschen, meinen Posteingang abzuarbeiten und an der Anzahl der kommenden Meetings zu verzweifeln. Mittags ging ich eine Kleinigkeit mit Mick und Yvy essen. Mick das erste Mal seit Wochen wieder live im Anzug zu sehen, war ungewohnt, aber äußerst ansprechend. Er hatte mich nicht auf den Albtraum angesprochen, als wir gestern Morgen zusammen aufgewacht waren, noch hatte sich sonst etwas zwischen uns geändert. Ich war froh darüber, schließlich hatten wir eine Nacht zusammen geschlafen, und das ziemlich dicht beieinander. Ich war morgens hochgeschreckt, als ich seine Hand an meinem Bauch bemerkte und der Rest von ihm dicht an meiner Rückseite lag. Es war einerseits schön gewesen, aber es verunsicherte mich auch vollkommen. Aber seine Berührungen waren angenehm und schufen ein hauchdünnes Band der Vertrautheit zwischen uns. „Was ist los, Löckchen? Bist du aufgeregt?“ Ich stand mit Mick vor dem Konferenzraum und er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Wand mir gegenüber. Verdammt, wieso muss er mich immer so anzwinkern? Der macht mich wahnsinnig. Als ich ihm gerade antworten wollte, kam der Brad-Pitt-Verschnitt um die Ecke gebogen. Wow, Yvy hat nicht untertrieben, das muss ich zugeben. Er sah kurz in mein Gesicht und sein Blick wanderte an mir herunter. Danach verzogen sich seine Lippen zu einer dünnen Linie und sein Blick gefror förmlich. Arschloch. Er sagte aber nichts, sondern ging an uns vorbei in den Raum, der sich zügig mit den restlichen Abteilungsleitern füllte. Das Meeting an sich war ziemlich langweilig, außer dass Mr. Mitchell es sich nicht nehmen ließ, ab und an eine spitze Bemerkung in meine Richtung zu äußern, wenn ich mal kurz nicht aufgepasst hatte. Als das Meeting endlich rum war, ging ich kochend vor Wut aus dem Raum. „Wow, Mag, scheint ja ein spannendes Meeting gewesen zu sein. Willst du irgendwen umbringen?“ Yvy war sofort in mein Büro geeilt, als ich eilig hineingestürmt war und die Tür etwas lauter als beabsichtigt zugeworfen hatte. „Jaaa, deinen Brad-Pitt-Typen zum Beispiel. Was hat der gegen mich? Der spinnt doch wohl!“ „Wieso? Was ist denn passiert?“ Ich erzählte ihr von dem Meeting. „Der Knaller war ja noch, als er mich fragte, ob bei meinem Unfall nicht doch noch etwas anderes Schaden genommen hatte und die Ärzte es nur noch nicht rausgefunden hatten. Ich hatte mit dem Kerl noch nicht ein Wort gewechselt, was stimmt mit dem nicht?“ Und ich war derzeit die einzige Frau in der direkten Führungsriege, da kamen Mitchells Sätze natürlich richtig gut an, nur Mick sah die meiste Zeit aus, als würde er gleich über den Tisch direkt in Mitchells Gesicht springen wollen. „Ich habe keine Ahnung, eigentlich versteht der sich mit Frauen besser als mit Männern, Knightley natürlich ausgenommen. Vielleicht gibt sich das mit der Zeit.“ Aber das war nicht der Fall, die ganze Woche stichelte er mich, wenn wir an irgendwelchen Meetings zusammen teilnahmen. Das Interessante daran war, dass ich nur an Besprechungen teilnehmen durfte, in denen Mitchell der Moderator war, aus allen anderen wurde ich ausgesondert. Wobei keinem das irgendwie komisch vorzukommen schien, außer Mick vielleicht, der sich daraus aber auch keinen Reim machen konnte. Meine erste Woche wieder im Büro verlief sonst richtig gut, auch wenn jeden Tag meine Wut auf Mitchell und Knightley wuchs. Ich hatte sogar um einen Termin bei Knightley gebeten, aber ich wurde nur von Ron vertröstet, dass der ach so beschäftigte Knightley in den nächsten vier Wochen keine Zeit für mich erübrigen könnte. Am nächsten Montag riss mir aber endgültig der Geduldsfaden, weil ich sogar aus dem Montagsmeeting gestrichen wurde. Ich schnappte mir Lulu und ging mit ihr eine Etage nach oben. Es war bereits früher Nachmittag, als ich auf Knightleys Büro zusteuerte. Aber bevor ich auch nur einen weiteren Schritt machen konnte, stand mir plötzlich Mitchell im Weg. „Na, wenn das mal nicht die ehrwürdige Mag Fornton ist, haben Sie sich verlaufen?“ Wie bitte??? Ich war sofort auf Provokation aus, von so einem Hengst ließ ich mir bestimmt nicht die Butter vom Brot nehmen! „Kenne ich Sie? Ich wüsste nicht, dass wir einander bereits PERSÖNLICH vorgestellt wurden.“ Aber der Typ antworte nur mit einem Ich-weiß-dass-ich-der-heißeste-Typ-am-Strand-bin-Lächeln. Robin Mitchell war aber nicht der blonde, blauäugige, sportlich trainierte und braun gebrannte Surfer, sondern er war der arrogante und selbstverliebte Rettungsschwimmer, der oben von seinem verdammten Wachturm auf die Welt unter sich herabblickte. Klar, Mick war ebenfalls blond, hatte blaue Augen und das alles, aber er stand nicht dort oben, sondern er war der Kerl, mit dem ich eine utopische Sandburg bauen konnte, ohne dass er oder ich mir dabei dämlich vorkam. Und der dabei nicht darauf achtete, ob sein Pferdeschwanz noch vernünftig saß. Ich hasste diese Rettungsschwimmer-Typen, ich war selbst mit so einem zusammen gewesen. Und dieser Schmierlappen vor mir erinnerte mich genau daran. „Hm? Keinen bissigen Spruch parat heute, Mr. Mitchell?“ Er kam einen Schritt in meine Richtung, aber ich wich sofort zurück. „Sie nehmen sich ganz schön viel raus, dafür dass Sie hier nur die kleine Werbefee sind.“ Werbefee??? Bevor ich ihm aber eine deftige Antwort an den Kopf knallen konnte, rannte Lulu an uns vorbei und verschwand in eines der hinteren Büros. Ich sah ihr verwirrt hinterher, Ron kam aus dem Raum und kam in unsere Richtung. „Was ist denn hier los? Miss Fornton, Schätzchen, Sie sehen mal wieder hinreißend aus.“ Mal wieder? Ich war dem Kerl noch nie live begegnet. „Ähm, ja, danke. Wo ist mein Hund?“ Er sah verwirrt hinter sich. „Nun, ja. Ähm.“ Mitchell verschränkte derweil die Arme und seine Augen blitzten abfällig in meine Richtung. Und dann ging mir ein Licht auf, wieso war ich da nicht schon früher draufgekommen? Lulu war gerade im Einsatz und da sie anscheinend in dem Vorzimmer von Knightley gelandet war, war sie vermutlich jetzt bei ihm. Yvy hatte doch vor einigen Wochen erzählt, dass Lulu so an ihm geklebt hatte und sie ihm unbedingt hinterherlaufen wollte. Das ergab Sinn, Lulu war darauf trainiert, Ängste und Probleme an Menschen zu riechen. Aber wenn Lulu seine Probleme aus der Entfernung bereits riechen konnte, musste es etwas Ernstes sein. Ich ließ resigniert die Schultern sinken, das passte mir überhaupt nicht, aber Lulu war wirklich ein richtiger Wunderhund, was die menschliche Psyche angeht. „Bringen Sie Lulu wieder runter, wenn sie fertig ist. Yvy bringt Ihnen ihre Leine hoch.“ Ich drehte mich um und ging Richtung Treppenhaus. Als ich allein die Stufen runterging, schossen immer mehr Bilder durch meinen Kopf, die Mitchell in mir ausgelöst hatte. Er erinnerte mich so sehr an meinen Ex-Freund, den Ex, der erst dafür gesorgt hatte, dass ich mich so verändert hatte. Gefühle, Erinnerungen, Schmerzen, keine Hoffnung, alles prallte auf mich ein und riss mich aus der Realität. Ich sank auf den Stufen zusammen und Tränen liefen mir wie zwei Bäche die Wangen herunter. Ich wollte nicht daran erinnert werden, ich wollte diese Bilder nicht sehen. Diese verdammten Bilder! Er hatte mich komplett gebrochen und zerstört. Alles lag gut verpackt und versteckt in den Tiefen meines inneren Kellergewölbes, und dort sollte es auch bleiben, bis ich es irgendwann vielleicht vergessen oder verdrängen konnte.

Mag Fornton

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