Читать книгу Mag Fornton - Francyne M. Foster - Страница 11
ОглавлениеKapitel 8
Ich hatte gestern ziemlich lange gebraucht, um einzuschlafen. Die Dunkelheit in Robins Augen ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Nachts war ich mal wieder schweißgebadet aufgewacht. Ich sollte wohl doch mal wieder mit Dr. Fields sprechen. Yvy hatte mir irgendwann in der Nacht geschrieben, dass Robin sie wohlbehalten zu Hause abgeliefert hatte. Nachdem ich morgens joggen war und meine neuen Klamotten gewaschen hatte, saß ich nun seit einer gefühlten Ewigkeit vor meinem Telefon, die Skype-App war offen und Knightleys zwei Nachrichten waren zu sehen. Ich haderte mit mir, ob ich ihm antworten sollte oder nicht. Und falls ja, was ich schreiben sollte, und danach ärgerte ich mich immer, dass ich mir darüber überhaupt Gedanken machte. Zwischendurch war ich immer wieder aufgestanden und unruhig durch mein Wohnzimmer gelaufen. Gott sei Dank riss mich Pa aus meiner miserablen Lage, als er mich anrief. Er teilte mir voller Stolz mit, dass sein neuester Artikel für irgend so ein Psychologie-Magazin fertig war und die Woche erscheinen würde. Wir verabredeten uns für das nächste Wochenende, an dem ich zurück nach Fosterham Manor fahren würde. Pa hatte mich allerdings nur kurz abgelenkt und ich hing danach wieder in meiner Endlosschleife „Nachricht ja oder nein?“. Irgendwann gab ich auf und ging genervt von mir selbst in meinen Garten. Nachmittags war ich mit Mick verabredet und wir liefen einige Stunden ziellos mit Lulu durch die Stadt. Wir redeten über alles Mögliche, bis auf die Arbeit, und ich fühlte mich zunehmend wohler in seiner Nähe; ich musste mich nicht verstellen, ihm keine Mag präsentieren, die er gern sehen wollte, und ich genoss diese Unbefangenheit. Gleichzeitig spürte ich die Angst, die mit jedem winzigen Schmetterling in meinem Bauch wuchs. Eine Angst, die ich nicht verdrängen konnte, die mich intuitiv warnte, jemandem zu vertrauen; weil sie ganz genau wusste, dass ich keinen zweiten Vertrauensbruch überleben würde. Aber etwas in mir klammerte sich an ihn und die damit verbundene Hoffnung, es doch wieder aus meinem Kellergewölbe zu schaffen, und diesmal endgültig. Aber was, wenn nicht? Ich blieb unvermittelt stehen, wir liefen gerade durch den Hyde Park und ich konnte mich gar nicht erinnern, seit wann wir bereits durch die Grünanlage liefen. Vielleicht sollte ich Sudokus oder Kreuzworträtsel lösen, soll doch gut für das Gedächtnis sein, oder? Mick blieb ebenfalls stehen und sah mich fragend an. „Mick, ich bin keine normale Frau, also zumindest nicht im Kopf, und ich kann dir nicht geben, wonach du suchst.“ Er kam einen Schritt auf mich zu. „Darüber zermarterst du dir jetzt dein hübsches Köpfchen?“ Ich nickte verlegen. „Also schön. Vielleicht bist du die Richtige für mich, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht bin ich der Richtige für dich oder auch nicht. Wir machen vielleicht etwas zwischen uns kaputt oder auch nicht. Vielleicht stellen wir in einem halben Jahr fest, dass es eine blöde Idee war oder dass wir etwas Schönes geschaffen haben. Aber was spielt das heute für eine Rolle, Löckchen?“ Er stellte sich dicht vor mich und im nächsten Moment hatte er seine Hand um meine Taille gelegt. Ich schluckte. Als er mich an sich zog, schluckte ich erneut. Als seine Hand auf meiner Wange lag und er mit seinem Daumen über meine Unterlippe strich, hatte ich bereits keinen Speichel mehr im Mund, den ich hätte runterschlucken können. „Weißt du eigentlich, wie schön du wirklich bist?“ Meine Augen wanderten zwischen diesen hellen blauen Augen und seinen Lippen hin und her; mir donnerte das Herz und ich hatte kurzzeitig das Gefühl, dass es gleich stehen bleiben würde. Er hatte mich vollkommen überrumpelt, aber ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, ich war absolut gebannt von ihm. Als er sich herunterbeugte, platzte ich beinahe vor Spannung und meine Lippen öffneten sich verräterisch ein kleines bisschen. Er grinste mich an und küsste mich dann auf die Stirn. Er nahm seine Hand von meinem Gesicht und amüsierte sich offensichtlich, wie ich da total perplex stand. „Du hast jetzt wirklich gedacht, dass ich dich küsse, oder?“ Er hatte mich auf den Arm genommen, aber so was von. „Hast du es auch erwartet oder gehofft?“ Ich legte den Kopf schief. „Etwas in mir hat es definitiv erwartet.“ Er lachte auf. „Diese Erwartungshaltung haben wohl einige Frauen mir gegenüber.“ Wie bitte? „Sorry, den Spruch musste ich jetzt bringen, nur um deinen Gesichtsausdruck zu sehen. Aber ich will nicht nur diese Region in dir, sagen wir, anregen, sondern auch diese“, er deutete auf mein Herz, „und glaub mir, Löckchen, ich weiß, dass sich das Warten lohnt.“ Er zwinkerte mir zu. „Boah, kannst du das mal lassen, mich immer anzuzwinkern? Das macht mich noch ganz wahnsinnig.“ Er zog seine Hand von meiner Taille und sein Lächeln wollte nicht verschwinden. „Du meinst so wahnsinnig wie der Gedanke, dass ich dich küssen würde?“ Hatte ich bereits erwähnt, dass der Mann wie Dynamit ist? Ich korrigiere mich, der Kerl ist ein verdammter Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand, und ich dumme Nuss saß oben auf dem Kraterrand und sah munter zu, wie die heiße Lava immer schneller anstieg. So ein Mistkerl! „Kommst du, Löckchen?“ Er streckte mir seine Hand aus und ich nahm sie mürrisch. Bevor er mich zu Hause ablieferte, aßen wir noch zusammen bei meinem Lieblingsitaliener ein paar Straßen von meinem Zuhause entfernt. Beim Essen hatten wir entschieden, für kommende Filmabende mit den Herr der Ringe-Filmen anzufangen, nachdem ich bei Harry Potter immer eingeschlafen war. Als er mich zu Hause ablieferte, hatte ich nicht das Bedürfnis, allein zu sein, und wollte ihn ungern davonziehen lassen. Er hatte mit seinem Kuss etwas in mir berührt, er hatte meine Seele berührt und es hatte sich unfassbar gut angefühlt. Und für einen winzigen Moment hatte ich alles andere ausblenden können. „Wäre es frech, dich zu fragen, ob du noch bei mir bleiben willst?“ „Ist frech nicht dein zweiter Vorname?“ Ich streckte ihm kurz die Zunge raus. „Kommst du jetzt noch mit rein oder nicht? Wir könnten mit Herr der Ringe zumindest anfangen.“ Ich verstand seinen Blick als ein Ja und wir gingen zusammen in mein kleines Reich. Lulu verzog sich eilig in ihr Körbchen, sie hatte tapfer ausgehalten; das auch nur, weil es heute nicht so heiß war, sonst wären wir schließlich nicht so lange unterwegs gewesen. Mick sah sich neugierig um und stand nun auf meiner Terrasse. „Wow, Mag. Ich hätte gar nicht gedacht, dass du einen grünen Daumen hast. Ist das dort ein Olivenbaum?“ Ich nickte stolz, er stand dort bereits zehn Jahren und hatte mittlerweile eine stattliche Größe erreicht. Mick setzte sich wie selbstverständlich in meinen Strandkorb und ich kam nicht umhin zu lachen. „Was willst du trinken? Oh Mist, vielleicht sollte ich erst schauen, was ich überhaupt hier habe. Meine Haushälterin geht meistens erst montags einkaufen.“ Er hob eine Augenbraue. „Du hast ernsthaft eine Haushälterin?“ „Ja klar. Wieso denn nicht? Das macht Mrs. Simons von gegenüber, sie ist früh Witwe geworden und hat niemanden mehr, sie kann das Geld gut gebrauchen und vertreibt sich so gern die Zeit. Und ich zahle ihr verdammt viel Geld.“ Ein sanftes Lächeln lag auf seinem Gesicht. „Du überraschst mich immer wieder, Mag. Zu Kaffee würde ich nicht Nein sagen, das Essen hat mich ziemlich schläfrig gemacht. Und wenn du unbedingt noch mit Herr der Ringe anfangen willst, möchte ich nicht derjenige sein, der dann zuerst einschläft.“ Ich rollte mit den Augen und machte mich ans Kaffeemachen, ich verzichtete jedoch und blieb bei Wasser. Wir lümmelten uns danach auf mein Sofa und ich suchte in meiner Mediathek nach dem ersten Teil. Ich kuschelte mich automatisch an ihn. Ja, ich weiß, widersprüchlicher geht’s nicht! „Was machen wir, wenn wir einschlafen? Morgen ist Montag und wir müssen ins Büro.“ „Ach, wir werden schon nicht einschlafen.“ Natürlich schliefen wir doch ein und ich wurde mitten in der Nacht von Mick geweckt. „Fuck, Mag, wir sind doch eingeschlafen. Es ist drei Uhr morgens.“ Ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, was er von mir wollte. „Dann gehen wir eben nach oben und schlafen da weiter.“ Ich stand schlaftrunken auf und ging Richtung Treppe. Ich hörte ihn noch seufzen, aber er kam mir nach. „Du fährst definitiv jetzt nicht nach Hause, Mick. Ich habe im Badezimmer eine Ersatzzahnbürste. Und bevor du dann morgen ins Büro fährst, hältst du eben bei dir an und ziehst dich um. Ganz einfach.“ Ich ging in mein Schlafzimmer und holte meine Schlafsachen. Mick lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ganz einfach?“ Ich ging an ihm vorbei und tapste Richtung Badezimmer. „Ja, ganz einfach. Wir verbringen schließlich nicht die erste Nacht zusammen, oder? Ich ziehe mich nur schnell um. Komm mit, ich gebe dir vorher die Zahnbürste.“ Mein Badezimmer war mein Heiligtum. Halb in dem Erkerfenster stand eine große Badewanne, zudem hatte ich einen großen Waschtisch und eine ebenerdige Dusche. Und ausreichend Schränke für Handtücher sowie Kosmetik- und Pflegekram. Die breiten rechteckigen Fliesen waren allesamt dunkelbraun, nur in der Duschkabine war alles mit grünfarbigen Mosaikkacheln ausgelegt. Ich kramte aus einem Schrank eine noch verpackte Zahnbürste heraus, die ich Mick in die Hand drückte. Ich ging in mein Ankleidezimmer, das zwischen Badezimmer und Schlafzimmer lag, und tauschte mein Kleid gegen ein weißes Unterhemd und eine kurze Schlafhose. Solange Mick im Bad beschäftigt war, sah ich kurz nach Lulu, die noch immer unten in ihrem Körbchen schlief. Als er endlich fertig und bereits in meinem Schlafzimmer war, erledigte ich schnell alles Notwendige im Bad und ging dann zurück zu ihm. Er zog sich gerade sein Shirt über den Kopf und ich beobachtete kurz, wie seine Rückenmuskeln dabei arbeiteten. Oh Mann, Mag, die Nacht wird vermutlich noch sehr lang werden. Oder kurz, je nachdem. Er drehte sich um und blickte an mir herab. Anscheinend dachte er gerade genau das Gleiche wie ich. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ist das die Retourkutsche für den Kuss auf die Stirn?“ Ich zuckte mit den Schultern „Wieso? Normalerweise lasse ich die Unterwäsche drunter weg.“ Ha! Das war die Rache. Ich krabbelte eilig in mein Bett und kam nicht umhin, ihn dabei zu beobachten, wie er sich im Sitzen auch noch die Hose auszog. „Löckchen.“ „Hm?“ Er legte sich unter meine Decke. „Das bekommst du irgendwann wieder.“ Lachend schaltete ich meine Nachttischlampe aus und er zog mich an sich. Ich brauchte nicht lange, bis ich wieder einschlief. Als ich in seinen Armen aufwachte, wusste ich, dass wir definitiv verschlafen hatten. Unsere Telefone lagen beide noch im Wohnzimmer und die eingeschalteten Wecker hatten vermutlich vor Stunden aufgehört zu klingeln. Ich sah auf meinen kleinen Wecker auf dem Nachttisch. Scheiße, fast neun Uhr! Ich ließ lustlos meinen Kopf zurück auf mein Kissen sinken, verschlafen hatten wir sowieso schon, da kam es auf die paar Minuten nun auch nicht mehr an. Mick schlang seine Arme von hinten um mich und ich genoss seinen warmen Körper an meiner Rückseite. „Wir haben verschlafen, oder?“ Ich nickte amüsiert. „Fuck, Robin bringt mich um, ich habe um zehn einen Termin bei ihm. Gut, dass Knightley erst mittags kommt.“ Er drehte sich auf den Rücken und sah überlegend zur Decke. Ich hatte allerdings wenig Lust aufzustehen und legte meinen Kopf auf seine Brust, dann strich ich fasziniert mit meinen Fingern über seine Bauchmuskeln. „Mag, fang jetzt bitte nichts an, was wir definitiv nicht beenden werden.“ Ich drehte meinen Kopf fragend zu seinem Gesicht. „Löckchen, ich bin auch nur ein Mann.“ „Ist mir aufgefallen.“ „Gut, dann hast du vielleicht auch ungefähr eine Ahnung, was mir gerade durch den Kopf geht, oder?“ Das konnte ich mir sehr genau vorstellen. „Nein, was denn?“ Ich sah ihn mit einem gespielten unschuldigen Gesichtsausdruck an. „Du kleines freches Biest.“ Und ehe ich michs versah, lag ich unter ihm. Ich hatte absolut keine Ahnung, was mit mir los war; mein Plan, Mick eher von mir wegzuschieben, war vollkommen in die Hose gegangen. Stattdessen genoss ich das Gefühl, ihn über mir zu haben, und meine Vagina begab sich bereits gut gelaunt in Lauerstellung. Ihre Vorfreude überdeckte alle anderen Signale in meinem Körper und ich war wirklich geneigt, ihr nachzugeben. Mick stützte sich mit seinen Händen links und rechts neben meinem Kopf und seine Augen glühten beinahe verheißungsvoll. Ich biss mir auf die Unterlippen und er beugte sich lächelnd zu mir herunter. „Erwartet eine gewisse Region wieder etwas von mir?“ Ich nickte schnell. Sprechen konnte ich nicht mehr, sämtliches Blut schien aus meinem Kopf entwichen zu sein. Seine Barthaare kitzelten an meinem Hals und ich lachte kurz quirlig auf; als er mich allerdings dort küsste, verstummte ich sofort. Ich spürte einen Kuss, zwei, drei, vier, endlos viele und ich genoss jeden einzelnen. Ich sog tief die explosive Luft ein und er brachte mich bereits jetzt fast um den Verstand. Die Spur, die er mit seinen Küssen an meinem Hals hinterließ, brannte auf meiner Haut, die resultierende Hitze schoss durch mich hindurch und entlockte mir einen wohligen Seufzer. Allerdings hielt die Wärme nicht lange an, da er bereits aufgehört hatte und nun mit einem frechen Grinsen von mir runterging. „Hey, von Aufhören hatte ich nichts gesagt. Kann ich mich noch krankmelden?“ Er stand auf und zog sich seine Hose über. „Definitiv nicht, Mag!“ Ach verdammt! Ich hatte gerade so viel Lust, mich fürs Büro fertig zu machen, dass ich wahrscheinlich eher freiwillig meine Fenster geputzt hätte. Ich stand seufzend auf und ging in mein Ankleidezimmer, während Mick im Bad beschäftigt war. Ich entschied mich für eins meiner neuen Kleider, es war von meinem Lieblingsdesigner; ich liebte seine klassischen Schnitte und die typischen Blumenmuster. „Löckchen, ich bin erst mal weg. Wir sehen uns später im Büro, falls ich dann noch lebe.“ Er drückte mir eilig einen Kuss auf die Wange und war wenige Sekunden später aus der Haustür verschwunden. Verrückte Geschichte!
Erst gegen Mittag betrat ich den Bronson Tower, ich hatte mich kein bisschen beeilt, weil ich immer noch so müde war. Ich hatte seit Ewigkeiten nicht mehr so gut geschlafen und ganz ohne Albträume. Zu Hause hatte ich noch entspannt Kaffee getrunken und gefrühstückt, war mit Lulu noch eine Runde spazieren und hatte Yvy beruhigt, dass ich nur verschlafen hatte. Ich stand unten vor dem Fahrstuhl und wartete, dass er aus der Tiefgarage nach oben fuhr. Die Türen öffneten sich, ich sah kurz in ein paar merkwürdige Augen, als mich eine Stimme davon abhielt, den Fahrstuhl zu betreten. „Miss Fornton, ich habe ein Paket für Sie!“ Brittany, die Empfangsdame, rief mich zu sich. Ich drehte genervt um und ging zu ihr rüber. „Wow, Miss Fornton, Sie sehen fantastisch in diesem Kleid aus.“ Ich weiß, Herzchen. Das Kleid war geschnitten wie aus den 50ern, obenrum eng mit schulterkurzen Ärmeln und ab der Taille war der Rock weit ausgestellt; er reichte bis knapp über meine Knie, was wohl eine angemessene Länge war. Es bestand aus weißer Seide und ab dem Rock verlief das Weiß zu einem grünen Blumenmeer. Dazu hatte ich meine Haare heute zu einem hohen Pferdeschwanz mit einem farblich passenden grünen Haarband gebunden. Die dunkelgrünen Peeptoes waren schlicht, aber sahen verboten gut aus. „Ähm, ja danke, Brittany. Was haben Sie für mich?“ Brittany reichte mir ein schmales Paket, keine Ahnung, was da drin sein sollte; bestellt hatte ich zumindest nichts. Ich ging verwirrt zurück zum Fahrstuhl und wartete mit Lulu an der Leine auf den nächsten. Vor meinem Büro lächelte mich bereits Yvy von Weitem an. „Wow, Mag, gut, dass du das Kleid doch genommen hast, es steht dir ausgezeichnet. Du siehst richtig süß aus. Kaffee?“ Ich nickte und ging in mein Büro. Sie kam wieder mit der Kaffeetasse und grinste mich verstohlen an. „Mick hat gerade angerufen und gefragt, ob du zufällig sein Smartphone von zu Hause mitgenommen hast.“ Oh Shit, das hatte ich noch in meiner Tasche. „Äh, ja, könntest du das eben …?“ Ich kramte sein Telefon aus meiner Tasche und reichte es ihr. „Klar, Mag“, sie grinste bis über beide Ohren, „habe ich es doch gewusst“, und damit verschwand sie. Ich erinnerte mich an das Paket und legte es vor mir auf den Tisch. Merkwürdig. Ich öffnete es eilig und fand darin ein Buch, aber was für eins! Es war eine Erstausgabe von Lewis Carrolls Alice im Wunderland. Ich zog eine Augenbraue hoch, klar, ich kannte das Buch und liebte die Geschichte von Alice und dem verrückten Kaninchen. Aber wer zum Henker schickte mir denn so was? Und dann auch noch eine Erstausgabe, die musste ein kleines Vermögen gekostet haben. Vielleicht Pa? Ich öffnete das Buch und sah, dass an einer Seite ein kleiner Markierzettel klebte. Ich blätterte zu der Seite und fand dort eine mit Bleistift markierte Stelle. Ich kannte die Zeilen, es ging um die verrückte Teegesellschaft mit dem Hutmacher und dem Faselhasen. Neben der Markierung hatte jemand geschrieben: „Kommt Dir Alice bekannt vor?“ Sehr mysteriös alles. Die Schrift kannte ich zumindest nicht. Ich las in dem Buch einige Seiten; als ich Yvy angelaufen kommen sah, schob ich das Buch schnell in meine Tasche. „Wow, da oben ist ja eine Stimmung. Es würde mich nicht wundern, wenn du später noch einen bösen Anruf von Knightley bekommst.“ Ich sah von meinem Bildschirm auf und sie verwundert an. „Wieso? Der soll sich mal nicht so anstellen, weil ich einmal verschlafen habe.“ Yvy schloss meine Tür und setzte sich mir gegenüber. „Na ja, nein, sicherlich nicht. Aber oben ist das nicht unbemerkt geblieben, dass ihr heute beide zufällig verschlafen habt. Und ungünstigerweise hat der Lord mitbekommen, dass ich Mick sein Telefon von dir geben sollte“, sie verzog verlegen das Gesicht, „und du weißt, dass er absolut gegen irgendwelche Verbindungen innerhalb des Unternehmens ist.“ Was bitte? „Das ist nicht dein Ernst, oder? Seit wann geht es meinen CEO etwas an, mit wem ich hier was privat mache? Und gegen dich und Robin hat er nichts, oder wie?“ Ihr Gesicht verriet mir allerdings, dass er davon vermutlich gar nichts wusste. „Himmel, Kinder! Was ist das denn für ein Kindergarten?“ Yvy biss sich auf die Unterlippe. „Mick und Knightley hatten sich ganz schön in den Haaren. Ich dachte schon, dass die sich gleich noch prügeln.“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Ach herrje, schade, dass ich nicht persönlich da war. Aber das hätte vermutlich alles nur noch schlimmer gemacht. Haha.“ Mein Bürotelefon klingelte und sieh mal einer an, mein CEO wollte mich sprechen. Pff, vergiss es. „Willst du nicht rangehen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nö, eigentlich nicht.“ „Oh Mag, du handelst dir aber auch immer Ärger ein. Bist du dir sicher, dass du dich wirklich mit Knightley anlegen willst?“ Ja, absolut sicher. Was sollte er schon machen, mir kündigen? Ha! Ich grinste sie breit an. „Aber so was von! Irgendwann wird er dann wohl schon hier auftauchen müssen und dann habe ich doch genau erreicht, was ich wollte, oder nicht?“ Yvy riss überrascht die Augen auf. „Du bist ja richtig hintertrieben, Mag. Na, mal sehen, ob deine Rechnung aufgeht. Ich geh dann mal an meinen Platz zurück. Das Telefon kannst du heute aber behalten. Ich gehe da bestimmt nicht ran, wenn er anruft.“ Ich lachte ihr hinterher und machte mich dann daran, mein Mailpostfach zu säubern. Den restlichen Tag über versuchte er es noch zwei Mal, aber beide Male war ich tatsächlich nicht im Büro gewesen. In dem Nachmittagsmeeting mit Robin als Moderator hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass er mich aus irgendeinem Grund ständig giftig ansah, aber er hielt seinen Mund und behandelte mich wie Luft. Damit kann ich leben. Allerdings merkte ich, dass Mick immer noch ziemlich wütend war, und er war der Erste, der den Konferenzraum nach dem Meeting verließ. Zufällig bemerkte ich, wie Robin sich ein dünnes Grinsen nicht verkneifen konnte. Meine Güte, wie im Sandkasten! Als ich zurück bei Yvy war, sah ich ihr sofort an, dass irgendwas nicht stimmte. „Yvy, was ist mit dir? Du bist ja ganz blass.“ Sie nickte stumm und blickte teilnahmslos ins Leere. „Der Lord hat mich angerufen.“ „Ja und weiter?“ Ich hockte mich neben ihren Stuhl. „Er hat gefragt, wann ich denn endlich Vorschläge für mein Seminar bei der Personalentwicklung einreichen würde. Inklusive Terminvorschläge und Ablaufplan.“ Ich nickte. „Er will, dass der Termin innerhalb der nächsten drei Wochen angesetzt wird.“ Oje. „Er hat gemeint, dass es wohl an der Zeit ist, dass sich einige Führungskräfte ihrer Vorbildfunktion gegenüber ihren Mitarbeitern bewusst werden. Er war wirklich sauer.“ Na, jetzt schlägt es ja wohl 13! „Telefon, Yvy!“ Sie gab mir mein Telefon und ich ging wütend in mein Büro. Ich hörte das Freizeichen, aber ich hatte zügig Ron am Telefon. „Miss Fornton, es ist mir immer eine …“ Ich unterbrach ihn. „Wo ist er?“ „Miss Fornton, ich soll Ihnen ausrichten, dass er den Spieß jetzt einfach umdreht.“ Argh! „Ron, wo ist er?“ Er schwieg kurz und seufzte. „Nicht im Haus.“ Ich schnaufte wütend. „Schätzchen, er ist wirklich nicht da. Und so wie er gelaunt ist, willst du ihn heute auch nicht mehr sehen.“ Ich rieb mir angestrengt die Stirn. „Ron, gibt es für diesen Kerl keine Bedienungsanleitung oder so etwas?“ Sein Lachen klang warm und angenehm. „Vielleicht sollten wir zwei Hübschen mal zusammen einen Kaffee trinken gehen.“ Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Sehr gern, Ron.“ „Ich schaue mal, was der Terminplan für die Woche hergibt, und dann melde ich mich später.“ Erst jetzt bemerkte ich, dass Lulu gar nicht da war, und mit wem sie gerade unterwegs war, konnte ich mir irgendwie denken. „Yvy, wo ist Lulu?“ Sie sah von ihrem Bildschirm auf und in meine Richtung. „Keine Ahnung, liegt sie nicht in ihrem Körbchen?“ „Verdammt nein, Yvy. Lulu liegt nicht in ihrem Korb, sonst würde ich wohl auch nicht fragen! Ich geh Lulu suchen.“ Ich rief erneut bei Ron an, aber er wusste nicht, wo Knightley war, noch ob er Lulu mitgenommen hatte. Was für ein verdammter Montag! Ich fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und trat aus dem Gebäude. Ich sah mich nach links und rechts um, unschlüssig, in welche Richtung ich gehen sollte. Brittany, die Empfangsdame, konnte sich ebenfalls nicht erinnern, Lulu gesehen zu haben; dass sie vermutlich mit Knightley unterwegs war, erwähnte ich nicht. Sie hatte nicht mal eine Leine bei, denn die lag noch oben. Der Lord war seit etwa einer Stunde weg, Himmel, in der Zeit konnten sie bereits sonst wo sein. Ich lief Richtung Themse-Ufer, Touristen liefen doch gern an der Themse rum. Ich zog unterwegs meine Schuhe aus, die für lange Wanderwege noch nicht besonders gut eingelaufen waren. Mein Telefon steckte ich in einen der Schuhe, auf Tasche oder Ähnliches hatte ich verzichtet. Mit jeder Minute wurde ich ungewollt nervöser; aber Lulu hätte wohl schlecht von allein den Fahrstuhl bis ins Erdgeschoss nehmen können, jemand musste also bei ihr sein. Knightley würde was von mir zu hören bekommen! Er hätte ja wenigstens Bescheid geben können, wenn er sich schon meinen Hund ausborgte. Ich lief bereits eine halbe Stunde planlos durch die Gegend, als Yvy endlich anrief und sagte, dass Knightley gerade Lulu zurückgebracht hatte. „Ist er noch da?“ „Ja.“ „Gib ihn mir!“ Mein Herz schlug kräftig in meiner Brust und meine Laune befand sich irgendwo zwischen rasend wütend und erleichtert. „Ja?“ Ach herrje, der ist ja wirklich sauer. Bereits das eine Wort sprach Bände über seinen Gemütszustand. „Mr. Knightley, haben Sie auch nur ansatzweise eine Ahnung, was mir dieser Hund bedeutet?“ Ich hörte ein Seufzen. „Zufälligerweise weiß ich das, Miss Fornton. Ich werde mich beim nächsten Mal bei Ihnen abmelden. Sonst noch was?“ Puuuh, was für eine Zicke der Kerl doch war. „Nein!“ Ich legte auf. Was für ein Arsch! Als ich zurück in meinem Büro war, schmuste ich ausgiebig mit Lulu. Ihr Fell roch nach einem Männerparfum, und es duftete verdammt gut nach Zedernholz, scharfen Gewürzen und irgendwas Fruchtigem. Ich sagte Lulu, dass sie öfter mit meinem CEO schmusen sollte, nur damit ich den Duft in meiner Nase haben konnte. „Mag, was machst du da?“ Ich lachte. „Lulu riecht nach unserem CEO. Mann, das riecht so verdammt gut. Ich kann den Kerl zwar nicht ab, aber er riecht göttlich.“ Yvy lachte leise. „Ehrlich gesagt, Mag, ich glaube, dass du dich sehr gut mit ihm verstehen würdest.“ Ich sah sie überrascht an. „Ach ja? Wieso?“ Sie hockte sich neben Lulus Körbchen. „Halte mich für verrückt, aber irgendwie strömt ihr die gleiche Energie aus, und wie ihr euch partout aus dem Weg zu gehen versucht, ist zu süß. Abgesehen davon, optisch wärt ihr das absolute Traumpaar.“ Hatte sie nicht das Gleiche auch über mich und Mick gesagt? Ich zog fragend die Brauen hoch. „Yvy, du driftest irgendwie ab. Ich mache jetzt Feierabend.“ Ich schnappte mir meine Sachen und nahm Lulu an die Leine. Als wir vor dem Fahrstuhl standen, zog Lulu fiepend Richtung Treppenhaus. „Lulu, ich möchte jetzt wirklich nach Hause. Bitte, du kannst morgen wieder hoch, okay?“ Ich hatte einige Mühe, sie in den Fahrstuhl zu zerren, aber ich würde sie heute nicht mehr zu Knightley lassen, so schlecht es ihm auch gehen mochte. Vielleicht sollte ich ihm meine Therapeutin empfehlen.