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Kampfgeist

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Jemand sagte einmal: »In einem Messerkampf ist Kampfgeist wichtiger als Technik.« Das ist wahr, und zwar so sehr, dass man diese Aussage nicht allein auf den Messerkampf beschränken sollte. Vielmehr gilt sie für fast alle Auseinandersetzungen. Nur wenige Kämpfe sind wirklich aussichtslos. Schon recht häufig haben scheinbar Unterlegene, als typisches Opfer angesehene oder auch körperlich Schwächere ihren Angreifern deutlich zeigen können, dass bei annähernd gleichen Voraussetzungen ein unerschütterlicher Wille mehr vermag als Kraft, selbst wenn sie den Kampf nicht überlebten. Im Laufe der Geschichte hat es hierfür immer wieder Beispiele gegeben. So haben die Griechen in dem berühmten Kampf bei den Thermopylen im Jahre 480 v. u. Z. letzten Endes zwar gegen die Perser verloren, aber erst, nachdem sie sich lange gegen eine Übermacht behauptet hatten und auf diese Weise ihren Landsleuten zeigen konnten, dass die Perser nicht unbesiegbar waren.1

Es gibt Menschen, die in ihrem Leben keinen anderen Sinn sehen, als ständig zu kämpfen. Einige von ihnen sind einfach Meister auf ihrem Gebiet, die immer wieder die Herausforderung suchen, andere sind vielleicht einfach nur verrückt.

Der Herr auf Bothkamp, Josias Rantzau (1609 - 1650), war solch ein Geselle. Er kannte nichts anderes als den Krieg und brauchte ihn anscheinend wie die Luft zum Atmen. Sein Vater brachte ihm das Kriegshandwerk nahe, und Josias dankte es ihm, indem er in dessen Fußstapfen trat. Er wurde dänischer Heerführer und französischer Marschall.

Das einzig Stete im Leben des Herrn Rantzau war der Kampf. Es schien für ihn keine Rolle zu spielen, für wen er sich schlug. Er kämpfte für Dänemark, Schweden, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wieder für die Schweden, und 1635 trat er schließlich in den Dienst Frankreichs.

Obwohl es der »blonde Abenteurer«, wie er mitunter genannt wurde, bis zum Marschall von Frankreich brachte, schien er mehr Kampfgeist als Feldherrenkunst besessen zu haben. Zwar konnte Rantzau einige Erfolge vorweisen, doch zahlte er dafür eine Menge Blutzoll. »Von allen Organen, die bei einem Menschen doppelt sind, hatte er nur eines«, schrieb sein Zeitgenosse Guillaume Bautru (1588 - 1655). Und in der Tat wurde er 60 Mal verwundet. Er verlor ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein. Seine Grabinschrift lautet:

Du corps du grand Rantzau, tu n’es qu’une des parts,

l‘autre moitié reste dans les places de Mars.

Il dispersa partout ses membres et sa gloire,

tout abattu qu’il fut, il demeura vainqueur

son sang fut en cent lieux le prix de la victoire

et Mars ne lui laissa rien d’entier que le cœur.

Vom Leib des großen Rantzau bist du nur ein Teil.

Die andere Hälfte liegt auf den Feldern des Mars.

Er verstreute überall seine Glieder und seinen Ruhm.

So wie er auch niedergeschlagen wurde, blieb er doch Sieger.

Sein Blut war der Preis des Sieges an hundert Orten,

und Mars ließ heil ihm nichts als nur sein Herz.

Der zweite »Verrückte« war auf dem Höhepunkt seiner Macht ebenfalls Marschall von Frankreich, wenngleich einige Jahrzehnte früher: Blaise de Montesquiou de Lasseran de Massencome, Seigneur de Montluc, kurz Blaise de Montluc (1502 - 1577), entstammte einer Adelsfamilie aus der Gascogne. Er begann sich früh für alles Militärische zu interessieren und erhielt seine Feuertaufe im Dienst von Pierre du Terrail, Chevalier de Bayard (1476 - 1524).

Anders als der Herr auf Bothkamp besaß Blaise de Montluc neben seinem Draufgängertum auch eine Menge militärisches Verständnis, was er bei der Verteidigung von Siena bewies. Abgesehen davon ähneln sich die Biographien der beiden Marschälle in einigen Punkten. Auch Monsieur de Montluc bekam vom Militär nicht genug. Er blieb 55 Jahre aktiv, nahm an 5 Schlachten, 17 Sturmangriffen, 11 Belagerungen und rund 200 Einzelgefechten teil. Obwohl er 24 Mal verwundet wurde, blieb er weitgehend »vollständig«.

Auch das dritte historische Beispiel vermittelt einen guten Eindruck davon, wie weit Kampfgeist und natürlich etwas Glück einen Kämpfer bringen können. Die Rede ist von Christian Madsen Rormose (1851 - 1944).

Chris Madsen, wie er sich später nennen ließ, wurde in Dänemark geboren und konnte sich trotz seiner außerordentlichen militärischen Karriere eines langen Lebens erfreuen. Es heißt, dass Chris Madsen bereits als Knabe in dänische Dienste trat und dort im Preußisch-Dänischen Krieg von 1864 mitwirkte. Was er dabei getan hat, ist nicht bekannt, doch war es damals nicht ungewöhnlich, als Jugendlicher an Kämpfen teilzunehmen.2 Später ging der rastlose Madsen zur französischen Fremdenlegion nach Algerien, kehrte jedoch 1870 nach Europa zurück, um auf französischer Seite im Preußisch-Französischen Krieg (1870 - 1871) zu kämpfen. Nach der französischen Niederlage blieb er noch einige Jahre als Freischärler aktiv. 1875 wanderte er jedoch in die Vereinigten Staaten aus und verpflichtete sich sofort bei der 5. US-Kavallerie. Bis 1891 blieb er im aktiven Dienst und nahm an einigen Indianerfeldzügen teil. Doch auch nach seinem Abschied blieb Madsen nicht untätig, sondern wechselte sofort als Deputy zu den US Marshals. 1898 verpflichtete er sich bei Teddy Roosevelts Rough Riders3 und kämpfte mit ihnen im Spanisch-Amerikanischen Krieg. Danach wurde er abermals Deputy Marshal. 1911 schließlich wurde er zum US Marshal von Oklahoma ernannt. Chris Madsen bekam vom Kämpfen nicht genug. Während des Ersten Weltkriegs versuchte er sich für die kämpfende Truppe verpflichten zu lassen, wurde jedoch aus Altersgründen abgelehnt. Zwischen 1918 und 1922 diente er noch als Sonderermittler für den Gouverneur von Oklahoma. Erst dann setzte er sich zur Ruhe.

Diese kurzen Biographien – und es sind nur drei von vielen – zeigen, dass ein Mensch auch Hunderte Kämpfe und zahlreiche Verwundungen überleben kann, wenn er seinen Geist, seinen Willen nicht ermatten lässt. Der Kampfgeist, die innere Bereitschaft zum Kampf, kann einen selbst dann noch siegen lassen, wenn man den Kampf selber nicht überlebt. »Der Mut reicht nur soweit wie das Können«4, lautet ein griechisches Sprichwort, aber wenn man derartige Geschichten liest, könnte man auch das Gegenteil glauben.5

Zum Abschluss dieses Kapitels möchten wir eine kleine Erzählung Heinrich von Kleists6 wiedergeben, die unter dem Titel »Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege« bekannt geworden ist.

Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege

In einem bei Jena liegenden Dorf, erzählte mir, auf einer Reise nach Frankfurt, der Gastwirt, daß sich mehrere Stunden nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf schon ganz von der Armee des Prinzen von Hohenlohe verlassen und von Franzosen, die es für besetzt gehalten, umringt gewesen wäre, ein einzelner preußischer Reiter darin gezeigt hätte; und versicherte mir, daß wenn alle Soldaten, die an diesem Tage mitgefochten, so tapfer gewesen wären, wie dieser, die Franzosen hätten geschlagen werden müssen, wären sie auch noch dreimal stärker gewesen, als sie in der Tat waren. Dieser Kerl, sprach der Wirt, sprengte, ganz von Staub bedeckt, vor meinen Gasthof, und rief: »Herr Wirt!« und da ich frage: was gibts? »ein Glas Branntewein!« antwortet er, indem er sein Schwert in die Scheide wirft: »mich dürstet.« Gott im Himmel! sag ich: will er machen, Freund, daß er wegkömmt? Die Franzosen sind ja dicht vor dem Dorf! »Ei, was!« spricht er, indem er dem Pferde den Zügel über den Hals legt. »Ich habe den ganzen Tag nichts genossen!« Nun er ist, glaub ich, vom Satan besessen –! He! Liese! rief ich, und schaff ihm eine Flasche Danziger herbei, und sage: da! und will ihm die ganze Flasche in die Hand drücken, damit er nur reite. »Ach, was!« spricht er, indem er die Flasche wegstößt, und sich den Hut abnimmt: »wo soll ich mit dem Quark hin?« Und: »schenk er ein!« spricht er, indem er sich den Schweiß von der Stirn abtrocknet: »denn ich habe keine Zeit!« Nun er ist ein Kind des Todes, sag ich. Da! sag ich, und schenk ihm ein; da! trink er und reit er! Wohl mags ihm bekommen: »Noch eins!« spricht der Kerl; während die Schüsse schon von allen Seiten ins Dorf prasseln. Ich sage: noch eins? Plagt ihn –! »Noch eins!« spricht er, und streckt mir das Glas hin – »Und gut gemessen«, spricht er, indem er sich den Bart wischte und sich vom Pferde herab schneuzt: »denn es wird bar bezahlt!« Ei, mein Seel, so wollt ich doch, daß ihn –! Da! sag ich, und schenk ihm noch, wie er verlangt, ein zweites, und schenk ihm, da er getrunken, noch ein drittes ein, und frage: ist er nun zufrieden? »Ach!« – schüttelt sich der Kerl. »Der Schnaps ist gut! – Na!« spricht er, und setzt sich den Hut auf: »was bin ich schuldig?« Nichts! nichts! versetz ich. Pack er sich, ins Teufelsnamen; die Franzosen ziehen augenblicklich ins Dorf! »Na!« sagt er, indem er in seinen Stiefel greift: »so solls ihm Gott lohnen«, und holt, aus dem Stiefel, einen Pfeifenstummel hervor, und spricht, nachdem er den Kopf ausgeblasen: »schaff er mir Feuer!« Feuer? sag ich: plagt ihn –? »Feuer, ja!« spricht er: »denn ich will mir eine Pfeife Tabak anmachen.« Ei, den Kerl reiten Legionen –! He, Liese, ruf ich das Mädchen! und während der Kerl sich die Pfeife stopft, schafft das Mensch ihm Feuer. »Na!« sagt der Kerl, die Pfeife, die er sich angeschmaucht, im Maul: »nun sollen doch die Franzosen die Schwerenot kriegen!« Und damit, indem er sich den Hut in die Augen drückt, und zum Zügel greift, wendet er das Pferd und zieht von Leder. Ein Mordkerl! sag ich; ein verfluchter, verwetterter Galgenstrick! Will er sich ins Henkers Namen scheren, wo er hingehört? Drei Chasseurs – sieht er nicht? halten ja schon vor dem Tor? »Ei was!« spricht er, indem er ausspuckt; und faßt die drei Kerls blitzend ins Auge. »Wenn ihrer zehen wären, ich fürcht mich nicht.« Und in dem Augenblick reiten auch die drei Franzosen schon ins Dorf. »Bassa Manelka!« ruft der Kerl, und gibt seinem Pferde die Sporen und sprengt auf sie ein; sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein, und greift sie, als ob er das ganze Hohenlohische Korps hinter sich hätte, an; dergestalt, daß, da die Chasseurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutsche im Dorf sein mögen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, stutzen, er, mein Seel, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sattel haut, die Pferde, die auf dem Platz herumlaufen, aufgreift, damit bei mir vorbeisprengt, und: »Bassa Teremtetem!« ruft, und: »Sieht er wohl, Herr Wirt?« und »Adies!« und »auf Wiedersehn!« und: »hoho! hoho! hoho!« – So einen Kerl, sprach der Wirt, habe ich zeit meines Lebens nicht gesehen.

Gewalt

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