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I. Über den Umgang mit Gewalt

Der Stellenwert der Gewalt in der Gesellschaft

Es ist interessant zu beobachten, wie sich in der Geschichte der Stellenwert der Gewalt geändert hat, ohne dass sich indes etwas an der allgemeinen Situation geändert hätte. Das fängt im Grunde schon vor den ersten Aufzeichnungen in der Menschheitsgeschichte an. Immer war Gewalt vorhanden und wurde als Mittel zur Problemlösung akzeptiert.

Im indischen Arthashastra, das vor etwa 2300 Jahren geschrieben wurde, geht man soweit, Empfehlungen und Methoden für das Töten der Mitbewerber um die Macht auszusprechen.1 Das betraf auch die eigenen Geschwister. Das hört sich für uns sehr grausam an, gewiss. König Ashoka (ca. 304 - 232 v. Chr.), der sich mittels dieser Methode den Thron des Reiches verschaffte, bereute später seine Taten und wurde einer der friedfertigsten Herrscher der Weltgeschichte. Jedoch versäumte er es nicht, überall mittels Grenzmarken ebenso klar wie drohend darauf hinzuweisen, wo sein Einflussbereich begann.

Das Arthashastra hat viel Ähnlichkeit mit dem chinesischen strategischen Denken einiger Philosophen und Feldherren wie Sūnzǐ (ca. 545 - 470 v. Chr.) oder Cao Cao (ca. 155 - 220), der formulierte: »Betrüge lieber die Welt und die Menschen, als dass die Menschen und die Welt dich betrügen

Auch die berühmten 36 Strategeme (siehe Fußnote 45 auf Seite 52) lassen mitunter Menschenfreundlichkeit vermissen. Sie sind pragmatisch für die Lösung spezieller Probleme ausgelegt. Wenn ein Mensch das Problem ist, wird zur Beseitigung desselben geraten. Jedes Mittel, wenn es denn hilfreich ist, wird empfohlen. Ein alter Spruch aus Europa belegt, wie sehr ein derartiges Denken in der Vergangenheit verbreitet war. Er lautet: »Ist der Mensch die Krankheit, ist der Tod die Medizin

Der Athener Kleon2 sagte treffend: »Es ist unmöglich – und wer es glaubt, ist sehr einfältig –, den Menschen von den Handlungen, zu denen er sich nun einmal von der Natur getrieben fühlt, durch den Druck der Gesetze oder durch andere Schreckmittel abzubringen

Die griechische Schwerathletik und die römische Gladiatur waren alles andere als zimperlich. Der Tod wurde in der Antike immer in Kauf genommen. Bei der Gladiatur war er Teil des Wesens dieser Spiele. Es wurde erwartet, dass ein schlechter Kämpfer mit seinem Blut bezahle. Unterliegen durfte er durchaus ungestraft, wenn er nur tapfer war. Aber wehe ihm, er verstand es nicht, sich zu wehren. Die Römer waren in diesem Punkt sehr entschieden.

Die ritterlichen Zweikämpfe des Mittelalters waren in der Anfangszeit nicht viel friedfertiger als die Gladiatur. Zwar war der Tod von einem der Kämpfer nicht unbedingt beabsichtigt, aber wenn er umkam, dann wurde das gleichmütig in Kauf genommen. Die Krieger des Mittelalters wurden von der Kirche gebremst, aber nur dann, wenn sie ihre Kampfkraft zum eigenen Vergnügen oder zum Schaden der Kurie verschwendeten. Ging es gegen äußere Feinde, besonders gegen Nichtchristen, dann gab es keine Schranken für die Gewalt. Bei der Eroberung Jerusalems 1099 töteten die Kreuzfahrer fast die gesamte Einwohnerschaft. 110 Jahre später, im Jahre 1209, ereignete sich etwas Ähnliches bei den Albigenserkriegen. Nur dass es hier gegen »ketzerische« Christen, die Katharer, ging. Kurz vor der Eroberung der Stadt Béziers wiesen einige Feldherren darauf hin, dass es schwierig werden könnte, zwischen Katholiken und Katharern zu unterscheiden. Daraufhin verkündete der katholische Legat Arnaud Amaury: »Tötet sie alle. Gott wird die Seinen schon erkennen

In der Renaissance blühte der Meuchelmord. Das war keine neue Idee, aber nun löste man häufiger damit Probleme, als durch richterliche Schiedssprüche. Spanier und Italiener perfektionierten den Meuchelmord. Er wurde geradezu zu einer Kunstform erhoben.

Jahrhunderte hindurch wurde das Duell als akzeptable Form der Konfliktlösung betrachtet. Auch wenn diese Duelle nach festen Regeln abliefen und die Duellanten sich höflich zueinander verhielten, so war es doch nur ein Weg, einen Gegner durch Gewalt umzubringen, ohne dabei mit dem Staat in Konflikt zu geraten, der ansonsten Gewalttätigkeit außerhalb von Kriegen verbot.

Heute wird oft heute suggeriert, dass Gewalt keine Lösung für Probleme sei. Der Staat versucht, die Gewalt in der Öffentlichkeit durch massive Überwachung einzudämmen. Ob dies sinnvoll ist, ist zumindest fraglich.3 Wenn es wirklich einmal hart auf hart kommt, dann ist höchstwahrscheinlich niemand da, der Ihnen beistehen wird. – Wehren Sie sich mit allen Mitteln! Es gibt keinen Grund, Schuldgefühle gegenüber einem Angreifer zu empfinden, wenn dieser durch Ihre Notwehrhandlung zu Schaden kommt. Der Angreifer ist derjenige, der für den Kampf verantwortlich ist, niemand sonst.

Wir möchten an dieser Stelle aber nochmals betonen, dass man sich im Klaren darüber sein muss, dass man mit aktivem Selbstschutz leicht in eine rechtliche Grauzone geraten kann. Zwar existiert ein Notwehrparagraph, und selbst die Überschreitung der Notwehr, wenn diese aus Angst oder Verwirrtheit geschieht, wird für gewöhnlich nicht geahndet. Aber niemand kann sich letzten Endes darauf verlassen, dass ein Richter seine Notwehrlage auch als solche anerkennt. Tatsache ist jedoch, dass es unmöglich ist, sich mit Zurückhaltung und Bedenken gegen einen skrupellosen Angreifer zu schützen.

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