Читать книгу Darwin schlägt Kant - Frank Urbaniok - Страница 47
5.2.1Die große Backstube
ОглавлениеAber wir richten bei der Betrachtung in diesem Buch das Augenmerk primär auf die Risiken und Schwachstellen der entsprechenden Prozesse. Das geschieht mit dem aufklärerischen Ziel, damit die ein oder andere nützliche Erkenntnis vermitteln zu können. In diesem Sinne lässt sich die Subjektivierung wie folgt charakterisieren: Es handelt sich um einen Verarbeitungsprozess von Informationen, die auf der ersten Stufe registriert wurden. Sie werden dann zu einer Gestalt (z. B. Gedanke, Eindruck, Theorie, Erklärung, Lösung) geformt und somit subjektiv angeeignet.
Flüchtlingen, die in einem anderen Land integriert werden sollen, gelingt es im günstigen Fall, sich an der neuen Kultur auszurichten. Mit ähnlicher Zielsetzung durchlaufen auch die registrierten Informationen von Anfang an einen Prozess der Angleichung, der Ausrichtung an subjektiven Maßstäben und Gewohnheiten und der Umformung. Die Subjektivierung ist wie ein Backofen, in dem ständig kleine und große Kuchen, Kekse oder manchmal auch nur Krümel gebacken werden. Dafür wird so lange geschnitten, gemischt und gerührt, bis etwas herauskommt, das schmeckt oder zumindest vertraut ist.
So gilt zum Beispiel:
−In der Phase der Subjektivierung werden gerne kausale Zusammenhänge gesucht, gefunden und nicht selten erfunden.
−Das Produkt soll vertraut sein. Es wird bevorzugt, wenn es sich leicht und bequem in bereits vorhandene Vorstellungen und/oder Stimmungen integrieren lässt.
−Die Ergebnisse des Verarbeitungsprozesses werden mit der eigenen Emotionalität (fühlt sich gut, fühlt sich richtig, fühlt sich passend, fühlt sich vertraut an) und Basalen Wahrnehmungsmustern abgestimmt (wer die Welt prinzipiell als einen feindlichen Ort wahrnimmt, wird häufig feindliche Umstände oder Motive erkennen).
−Es besteht eine starke Tendenz, Komplexität zu reduzieren, indem viele Informationen nicht zur Kenntnis genommen, weggelassen oder selektiv ausgesucht werden.
−Subjektiv Widersprüchliches, Unbequemes, Erkenntnisse, die das eigene Leben auf den ersten Blick erschweren, die Glaubensvorstellungen, Überzeugungen oder gar die eigene Identität infrage stellen, finden nur schwer Eingang in die Verarbeitungsprozesse der Subjektivierung.
−Es besteht eine starke Tendenz zur Polarisierung, zum Beispiel: schwarz/ weiß, entweder/oder, Freund/Feind, alles oder nichts, immer oder nie, eine Erklärung für alles oder zumindest für vieles, Superlative (das Schönste, das Größte, das Spannendste, das Witzigste, mega-mega-mega-giga …)
−Es besteht eine Tendenz, sich auf das zu fokussieren, was man kennt, was man subjektiv glaubt, erklären zu können, aber nicht unbedingt auf das, was von der Sache her eigentlich wichtig wäre.
−Kleine und große Geschichten werden abgerundet und harmonisiert. Kanten und Unverträglichkeiten werden abgeschliffen. Denn wir lieben eindeutige Geschichten und Botschaften.