Читать книгу Darwin schlägt Kant - Frank Urbaniok - Страница 50
5.3Generalisieren
ОглавлениеDie Generalisierung wurde bislang unzureichend berücksichtigt, obwohl auch sie weitreichende Konsequenzen hat. Sie findet nicht immer statt. Viele alltägliche Eindrücke, Gedanken, Erkenntnisse und Bewertungen sind flüchtiger Natur, sodass sie deswegen im Hintergrund bleiben und sich nicht für eine Generalisierung eignen. Aber mit den vorangehend zusammengefassten Mechanismen ist eine generelle Tendenz verbunden, Erkenntnisse zu generalisieren. So steckt die Generalisierungstendenz bereits in vielen Mechanismen der Subjektivierung. Sie wird schon durch die Tendenz zur Polarisierung (schwarz/weiß, entweder/oder etc.) nahegelegt. Denn etwas, das schwarz oder weiß ist, ist zu hundert Prozent schwarz oder zu hundert Prozent weiß. Auch der Halo-Effekt ist nichts anderes als die unkritische Generalisierung der Bewertung einer einzelnen Information auf viele weitere Aspekte, die mit der ursprünglichen Information gar nichts zu tun haben. Zahlreiche andere Mechanismen (z. B. Selektion von Informationen, Vermeidung widersprüchlicher Informationen, Ausrichtung der Informationen an einem eigenen, inneren Skript, das nicht infrage gestellt wird) sind ebenfalls sehr gut geeignet, Ideen oder Theorien auszuweiten, aufzupumpen und letztlich zu generalisieren.
Es kommt hinzu, dass die Generalisierung dem Pol der menschlichen Natur entspricht, der als egoistische Selbstbehauptung bzw. Wille zur Macht bezeichnet wurde. Die egoistische Selbstbehauptung als Wille zur Macht hat, wie bereits erwähnt, etwas Fortschreitendes und Grenzenloses. Sie ist mit einer Überbewertung der eigenen Perspektive und des eigenen unbedingten Wertes verbunden. Sie lebt vom Prinzip, die Umwelt und insbesondere andere Menschen zu kontrollieren, zu unterwerfen und zu beherrschen. Die mit der Generalisierung verbundene Ausweitung und Allgemeingültigkeit eigener Sichtweisen kommt all diesen Aspekten entgegen.
Die Generalisierungstendenz begegnet uns deshalb überall im Alltag. Aus einem punktuell richtigen Gedanken wird eine umfassende Theorie, aus einer Regel eine ausufernde Bürokratie, aus einer bequemen Sichtweise eine Ideologie oder Religion.