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When fine society sits down to dine

Remember that someone is pissing in the wine

Chumbawamba - »When Fine Society Sits Down to Dine«

8.

DIE BARRIERE

Acht Personen saßen um den großen Konferenztisch im 20. Stockwerk des Regierungspalastes. Acht Frauen und Männer, die zur Zeit die Regierung von Neu-Ing darstellten. Die sogenannten Regs.

Man konnte ihnen anmerken, dass die Tage, in denen sie sich keine Sorgen um die Aufrechterhaltung der Macht und ihrer Privilegien zu machen brauchten, endgültig vorbei waren. Es herrschte eine gedrückte Stimmung, ja sogar eine unterschwellige Feindseligkeit. Hätten sie nicht gleiche Ziele verbunden, wäre die Sitzung wahrscheinlich schon nach einigen Minuten geplatzt.

Bevor die Unzufriedenheit mit der Auseinandersetzung, wie die derzeitige Misere zu beheben war, ihren Höhepunkt erreichte, konnte der Vorsitzende glücklicherweise auf ein anderes Thema ausweichen.

»Da Appelle an unsere Gemeinsamkeiten anscheinend wenig Eindruck hinter lassen, möchte ich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf unseren aktuellen Anlass zur heutigen Sitzung lenken«, versuchte Sir Pronk sich durchzusetzen. Und er hatte – vorerst – Erfolg damit, denn die Streitgespräche verstummten fast augenblicklich. »Der Zeitpunkt, zu dem sich unser Experimentalschiff der Grenze nähert, ist fast gekommen. Ich schalte jetzt die Übertragung von Bord unserer Flotte kurz vor der Plutobahn ein.«

Ein rechteckiges Stück der Wand begann zu flimmern und alle rückten ihre Sessel zurecht, damit sie die Videoübertragung einsehen konnten.

Das Bild konsolidierte sich wegen der riesigen Entfernung nur langsam. Es zeigte undeutlich einen kleinen Flugkörper, der mit mäßiger Geschwindigkeit die Bahn des letzten Planeten des Sonnensystems hinter sich ließ. Ein anderer Monitor direkt daneben stellte eine Grafik dar, auf der hauptsächlich ein dicker roter Strich zu sehen war, der das Bild in zwei Hälften teilte. Der Flugkörper war hier als schwarzer Punkt zu erkennen, der sich dieser Grenze unaufhaltsam näherte.

»Jetzt!« stieß einer der Regs hervor, als der Punkt die Linie erreicht hatte.

Einen Augenblick, in dem alle den Atem anhielten, geschah nichts, dann tobte für ein paar Sekunden ein leuchtender Blitz über den Bildschirm, der allen in die Augen stach. Danach war nur noch die Schwärze des Weltalls zu sehen.

»Schalten Sie um Himmels willen ab!« stöhnte einer der Regs. »Dieses Schauspiel führt nur zur Resignation.«

Eine Frau ganz in Schwarz schlug mit der Faust auf den Tisch. »Verdammt, wieder nichts! Es ist genauso explodiert wie seine sechs Vorgänger. Und ich dachte, die Techniker hätten den Antrieb modifiziert!«

»Beruhigen Sie sich, Lady Antrana«, fuhr ein anderer dazwischen. »Wir wussten doch von Anfang an, dass die Erfolgschancen nicht mehr als 15% betrugen. Die Ingenieure waren sich nie sicher, ob der Fehler wirklich im Antriebssystem der Renen liegt.«

»Die letzte Woche hat nach meiner Meinung sogar bewiesen, dass die Ursache nicht das Triebwerk sein kann«, mischte sich der Vorsitzende ein. »Die fremden Besucher sind mit einem Renenschiff gekommen und hatten keine Mühe, ins Sonnensystem einzufliegen.«

»Ein typischer Fehlschluss von Ihnen, Sir Pronk«, giftete Lady Antrana. »Vielleicht reagiert ja diese geheimnisvolle Barriere nur auf Schiffe, die das System verlassen wollen. Was wissen wir schon über dieses verfluchte Hindernis? Außerdem war das Renenschiff nur an dem größeren befestigt und hatte die Triebwerke gar nicht aktiviert. Die interstellare Raumfahrt wird uns immer verschlossen bleiben, wenn wir hier nicht von der Stelle kommen. Aber wir erhalten weder brauchbare Messdaten, noch lässt sich optisch das Geringste erkennen. Und bis wir ein anderes Triebwerk entwickelt haben, können Jahrzehnte vergehen, auch wenn wir die Technik des Schiffes, mit dem diese Terroristen gekommen sind, enträtseln können. So lange können wir aber nicht warten! Sie wissen so gut wie ich, wie es auf der Erde und speziell in Neu-Ing aussieht.«

»Ganz recht«, unterstützte sie eine weitere Frau. »Und dabei waren wir der Sache schon auf der Spur. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass diese Terroristen und ihre außerirdischen Helfer mehr wissen, als sie zugeben wollten. Diese Panne in der Raumstation, die uns noch dazu den gefangenen Renen gekostet hat, hätte unter keinen Umständen passieren dürfen!«

»Die Verantwortlichen für dieses Missgeschick sind bereits zur Rechenschaft gezogen worden«, versicherte Sir Pronk ihr. »Die Sicherheitskräfte in Neu-Ing und auf den Südlichen Inseln wurden in verstärkte Alarmbereitschaft versetzt und die Fahndungsfotos erscheinen ab heute Abend in allen Zeitungen und im Tri-Di. Die Identität der beiden Menschen ist übrigens geklärt: sie wurden zuletzt vor neun Jahren auf den Inseln registriert. Einer von ihnen hat längere Zeit in Bergotos verbracht und wurde damals auf spektakuläre Weise befreit.«

»Da kann doch etwas nicht stimmen«, beschwerte sich ein anderer Reg. »Nach meinen Unterlagen müssten die dann viel älter sein, als sie jetzt aussehen.«

Sir Pronk zuckte mit den Schultern. »Eine Erklärung für dieses Phänomen wurde bisher nicht gefunden. Natürlich weiß auch niemand, wie sie überhaupt von der Erde weg und an Bord dieses außerirdischen Schiffes gekommen sind oder wer die beiden Frauen und der andere Mann sind, die ebenfalls geflohen sind. Die Außerirdischen scheinen zudem über Kräfte zu verfügen, die uns hier unbekannt sind. Die Computerauswertung zu den Vorfällen auf der Raumstation lässt jedenfalls diesen Schluss zu.«

»Da fällt mir ein: wie kommen unsere Wissenschaftler mit ihren parapsychischen Experimenten voran?« fragte ein weiterer aus der Runde.

»Schlecht«, musste die Verantwortliche zugestehen. »Es sieht so aus, als ließen sich parapsychische Fähigkeiten nicht kontrolliert einsetzen. Oder das Versuchsmaterial ist zu unbegabt. Es wird jetzt versucht, den Psi-Faktor mit mechanischen und chemischen Mitteln zu vergrößern. Leider haben einige vielversprechende Testpersonen diese Prozedur nicht überstanden.«

»Wir kommen einfach nicht vorwärts!« Lady Antrana sprang erregt auf. »Auf dem Mars revoltieren die Minenarbeiter, auf den Inseln unternimmt der Pöbel schon regelrechte Plünderungszüge und hier sind die Nachrichten voll von Sabotage- und Anschlagsmeldungen terroristischer Gruppierungen!«

»Ach, wir wissen doch, worauf Sie hinauswollen,« blockte ein anderer ab. »Sie wollen doch damit nur wieder auf ihr obskures Androiden-Projekt hinweisen, das einzig und allein ihrer Machterweiterung dient.«

»Das müssen Sie gerade sagen«, gab Lady Antrana zurück. »Im Gegensatz zu ihren militärischen Projekten haben meine immerhin große Erfolgsaussichten. Soweit ich informiert bin, sind Ihre Urbarmachungs-Anstrengungen bisher keinen Schritt vorangekommen, während ich schon mit der ersten Versuchsreihe Erfolge nachweisen kann. Dank des Androiden-Projekts werden wir bald mehr wissen über Strukturen und Pläne der Terroristen-Gruppen. Die zweite Versuchsreihe ist bereits angelaufen mit noch wesentlichen Verbesserungen gegenüber der ersten. Ich wiederhole in diesem Zusammenhang meine Forderung nach dem Einsatz von Androiden in den Sicherheitskräften! Außerdem muss endlich über die Zuführung von Beruhigungsmitteln für einige Volksnahrungsmittel beschlossen werden!«

Im Nu war ein totales Durcheinander entstanden. Die Regs brüllten sich gegenseitig an, bis Sir Pronk sich noch einmal Gehör verschaffte.

»Sie gehen zu weit, Lady Antrana, entschieden zu weit! Schließlich regieren Sie nicht allein. Schon der Start ihrer ersten Versuchsreihe hätte zumindest in diesem Kreis rechtzeitig bekannt gegeben werden müssen. Solange ich und meine Freunde hier noch die Mehrheit haben, wird nichts über unsere Köpfe hinweg entschieden! Wir müssen uns deshalb überlegen, unter welchen Bedingungen wir Zusagen über die finanzielle Unterstützung ihres Projekts überhaupt einhalten können. Ihre anderen Vorschläge sind geradezu lächerlich. Sie wissen genau, dass diese Maßnahmen die Zustimmung des Parlaments voraussetzen.«

Lady Antrana setzte zu einer heftigen Erwiderung an, überlegte es sich dann aber anders. Mit festen Schritten ging sie zur Tür.

»Diese Schwachköpfe werden erst handeln, wenn es zu spät ist«, murmelte sie vor sich hin. »Für sie wird es auf jeden Fall zu spät sein.«

Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum. Vor der Tür wartete ein kräftig gebauter Mann auf sie.

»Wir gehen, Salomar«, winkte sie ihm.

»Wie Sie wünschen, Lady Antrana«, antwortete der Androide und folgte ihr.

Muster für morgen

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