Читать книгу Erhoffte Hoffnungslosigkeit - Philipp Felsch, Frank Witzel - Страница 17

20.12.2018

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Ich meine zu verstehen, warum ich mich im ersten Tagebuch immer wieder geweigert habe, gewisse Ereignisse zu schildern. Es lag nicht allein an einer Scham, es war nicht nur der Versuch, eine Intimität zu bewahren, sondern war Ausdruck einer Weigerung, meine Erfahrung aufzugeben. Eine Erzählung, und genau das ist ihr grundsätzliches Problem und auch der Grund, warum sich viele Stoffe ihrer Bearbeitung zu verweigern scheinen, überschreibt die Erfahrung. Während die Erfahrung ambivalent bleibt, legt die Geschichte fest. Und ich kann nicht anders, als mit immer neuen Erzählungen auf diese Festlegung zu reagieren. Bestenfalls, nur geschieht das sehr selten, wird das komplette Leben zu einer Erzählung umgeformt wie bei Proust. Da mir das für mich nicht möglich scheint (Warum?), suche ich im Schreiben immer auch etwas, das über das Erzählte hinausgeht, mich von seiner Zwanghaftigkeit befreit und in das Leben zurückführt.

Vielleicht ist alles Schreiben ein Anschreiben gegen das Schreiben, der Versuch, sich aus dem Schreiben hinauszuschreiben.

Und weil ich dachte, Theorie sei keine Erzählung, hoffte ich, mit ihrer Hilfe der Erzählung zu entkommen, und bohrte meinen Kopf immer tiefer in sie hinein, während der Körper allerdings draußen blieb.

Ich muss mich entscheiden zwischen dem Narrativ, das mich trösten, aber auch einschläfern kann, und der Erfahrung, die mich wund, aber wach hält.

Erhoffte Hoffnungslosigkeit

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