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22.12.2018

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Freud schreibt in Jenseits des Lustprinzips: »Ich gestatte mir an dieser Stelle ein Thema flüchtig zu berühren, welches die gründlichste Behandlung verdienen würde. Der Kantsche Satz, daß Raum und Zeit notwendige Formen unseres Denkens sind, kann heute infolge gewisser psychoanalytischer Erkenntnisse einer Diskussion unterzogen werden. Wir haben erfahren, daß die unbewußten Seelenvorgänge an sich ›zeitlos‹ sind. Das heißt zunächst, daß sie nicht zeitlich geordnet werden, daß die Zeit nichts an ihnen verändert, daß man die Zeitvorstellung nicht an sie heranbringen kann. Es sind dies negative Charaktere, die man sich nur durch Vergleichung mit den bewußten seelischen Phänomenen deutlich machen kann.«

Diese Aussage auf meine Erfahrung von vor einer Woche angewandt, könnte folglich bedeuten, dass mir das Unbewusste ins Bewusstsein getreten ist, und zwar in seiner unverfälschten Form, nicht vermittelt, nicht über Umwege erschlossen und zurechtgedeutet, sondern in Form einer Art Un-Bewusstwerdung.

Wenn ich mir das Bewusstsein als etwas vorstelle, das lediglich ordnet und die Welt beständig nach Stellen absucht, an denen etwas in Unordnung geraten, »verrückt« ist, das wieder geradegerückt werden muss, dann würde ich ihm, das ist ein ganz automatischer Impuls, nur sehr ungern mein Unbewusstes anvertrauen, weil es dessen Strukturen nur verzerren und verfälschen kann.

In dem immer wieder an verschiedenen Stellen stilistisch uneinheitlichen Text (was bei einem hervorragenden Stilisten wie Freud besonders auffällt), wie Texte oft stilistisch misslingen, wenn die Dringlichkeit der Mitteilung an erster Stelle steht, ist Freud, wie ich finde, insofern ein Fehler unterlaufen, als er die Psychoanalyse, die er doch gerade hier zu stabilisieren sucht, schwächt, da die Frage der Psychoanalyse gegenüber nicht allein »Wie?« lautet, wie nämlich soll das ordnende Bewusstsein das Unbewusste erfassen, sondern vor allem »Wozu?«, wozu soll das Bewusstsein das Unbewusste erfassen, wenn es dessen Inhalt am Ende doch nur aus einem fließenden Prozess herausnimmt und in eine statische Ordnung presst.

Natürlich ging es ursprünglich einmal um Heilung. Das Ordnen des Unbewussten sollte die Heilung ermöglichen. Nur was bedeutet, in diesem psychoanalytischen Kontext »geheilt zu sein«? Und bin ich denn, einmal analysiert, wirklich geheilt oder doch nur geordnet? Ja, die Ordnung ist nicht zu unterschätzen, sie fühlt sich verlässlich an, stabil, aber doch nur, wenn man anschließend von ihr aus in das faszinierende Farbenspiel des unbewussten Sumpfs schauen kann, nicht wenn dieser dann trockengelegt ist, nicht damit auch da noch Ich ist, wo Es sich kaum hat entfalten können.

Und wenn das Unbewusste jenseits der Kategorien von Raum und Zeit existiert, dann kann es nicht wie eine Sprache konstruiert sein, denn die Sprache bildet nicht nur die Zeiten, vielmehr erschafft sie die Zeit generell.

Ist es nur ein anti-ödipaler, anti-psychiatrischer Reflex, auf den ich an dieser Stelle in mir gestoßen bin und der mich dazu bringt – und das wäre auch leicht als eine Form der Rationalisierung und damit des Widerstands zu enttarnen –, das Unbewusste gegen das Bewusstsein zu verteidigen? Es nicht vereinnahmen lassen zu wollen? Ein naiver Gedanke wahrscheinlich, dessen schmerzliche Rechnung ich schon bald wieder zu begleichen habe, wenn ich mich mit ganzer Kraft nach der ordnenden Kraft des Bewusstseins zurücksehne und widerspruchslos bereit bin, die durch das Reglement verursachten Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.

Und liegt hier nicht gerade das Problem, dass ich mit einem Mal wieder die alten Dichotomien aufmache (Unbewusstes / Bewusstsein), wo gerade dieses Denken doch für einen kurzen Moment außer Kraft gesetzt zu sein schien? Aber schon wieder ist die »Neue Sachlichkeit«, die Unschärfe, das Einbeziehen der feinen Unterschiede in die Wahrnehmung vergessen, eingetauscht gegen eine vermeintliche Klarheit, auf der sich dann schon bald wieder die alten Emotionen ausbreiten können, die Erinnerungen, Befürchtungen und natürlich das Bedauern.

Sei doch froh, sage ich mir, und natürlich bin ich auch froh. Ich mache mir keine Illusionen über den bewusstseinserweiternden Wert des Wahnsinns, dennoch bin ich gleichermaßen desillusioniert über die Normalität des rationalen Denkens, in die ich unwillkürlich und wie aus einem antrainierten Reflex zurückkehre. Dieser Büroalltag, noch dazu selbstgewählt und nicht durch Umstände aufgezwungen. Ich sitze bei offenem Fenster in der beißend kalten Luft auf dem Bett, so als wollte ich mir wenigstens die Umgebung so unangenehm wie möglich gestalten. Gegen die Kälte andenken, wie die tibetanischen Mönche, die in nasse Tücher gewickelt in den Schnee gelegt werden und sich mithilfe der eigenen Wärme trocknen müssen. Dagegen sind das hier doch alles nur Spielereien. Noch etwas Kant lesen. Oder Berkeley. Dann einen Tee machen und aus dem Fenster schauen, während es dunkel wird. Gnade des Abends, der von der Arbeit befreit. Und dann noch mal als Nachtgebet zusammengefasst: Das Bewusstsein ist der Kapitalist, die Sprache ist der Faschist, und der, der die beiden in Schach zu halten versucht, das, was man vielleicht früher einmal die Seele nannte, das ist der Bürokrat, der sich nur Ordnungssysteme ausdenken kann, angeblich, um die permanenten Querelen dieser unter dem Begriff des Ich zusammengefassten Dreifaltigkeit zu schlichten, während er sie in Wirklichkeit immer wieder selbst entfacht.

Erhoffte Hoffnungslosigkeit

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