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I REMEMBER CHET

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Es muss so 80 oder 81 gewesen sein, als ich Chet Baker das erste Mal sah. Ein Freund von mir organisierte in einer oberbayrischen Kleinstadt Jazzkonzerte, und ich berichtete darüber im Lokalblatt. Als er mir erzählte, dass es ihm gelungen sei, das Chet Baker Quartett zu verpflichten, sagte mir das nicht viel – sicher, in den 50er-Jahren hatte er mit Gerry Mulligan und »My Funny Valentine« seinen Hit gehabt.

Es war schon Abend, und im Vorraum des einzigen Kinos am Ort standen schon einige Leute herum. Der vereinbarte Zeitpunkt für Aufbau und Soundcheck war längst vorbei, aber keine Spur von Chet Baker, seinem Trio oder einem Techniker. Mein Freund stand kurz vor einem Herzinfarkt, und jetzt sprach er von Gerüchten über die Unzuverlässigkeit des Trompeters, und dass der sich sein Comeback zwar hart erarbeitete, aber von der Drogensucht wohl doch nicht losgekommen sei. In seiner Verzweiflung sah er sich sogar schon vor das Problem gestellt, Stoff für Chet Baker besorgen zu müssen, und er hätte ihn auch besorgt, für den Liebling seines verstorbenen Bruders, für den James Dean des Jazz, wie sie ihn nannten, hätte er das getan.

Ich stand in der Nähe der Kasse, als sie endlich kamen, aber ich erkannte ihn erst, als sein Trio wütend auf die Kassenfrau einredete, weil sie diesen dürren älteren Herrn mit Brille nicht ohne Eintrittskarte durchlassen wollte. Sie drückte ihm die Hand vor die Brust und er blieb einfach stehen, sagte keinen Ton, sah zu Boden und wartete ab.

In der Mitte der Bühne stand ein Stuhl, und da saß Chet Baker, die Beine übereinander geschlagen, den Rücken gekrümmt. Die Trompete zeigte, auch wenn er sie spielte, auf den Boden, kein Blick ins Publikum. Und so war auch die Art, wie er Trompete spielte. Es war der Klang von Traurigkeit, Depression und Krankheit. Manche seiner Melodien waren fast fröhlich, aber alles hatte diesen Klang. Bei einigen Stücken sang er dazu, dahingehauchte unverständliche Sätze. Das Flüstern von James Dean, das niemanden etwas angeht.

Aber ebenso wie Dean in seinen Filmen nicht nur den Einsamen und Gescheiterten verkörperte, sondern den zugleich Aggressiven und Leidenschaftlichen, hatte sich Chet Baker für sein Quartett drei Musiker ausgesucht, die zwar nicht ausgelassen, aber doch kräftig spielten. Junge frische Männer, ernsthaft und konzentriert, noch nicht in sich selbst versunken, aber doch schon ausgeprägt diese Distanziertheit. Sie passten sehr gut zusammen. Trotzdem kommt es mir in meiner Erinnerung fast so vor, als hätte Chet Baker an diesem Abend allein gespielt.

Tatsächlich allein sah ich ihn dann zwei oder drei Jahre später, diesmal nicht in einem gut riechenden alten Kino, sondern in der neugebauten Pausenhalle einer Hauptschule, und er war in eine dieser Allstar-Bands geraten, die das Geld zusammenbringt und sonst nichts. Armer Chet, dachte ich, noch ehe der erste Ton gespielt wurde. Er saß zwar wieder auf seinem Stuhl in der Mitte, umgeben jedoch von Musikern, denen die Selbstgefälligkeit nur so aus den Poren dampfte. Der strahlende Larry Coryell zupfte die Gitarre, Alphonze Mouzon im roten Trainingsanzug arbeitete am Schlagzeug, und zwei andere von dieser Marke waren dabei, allesamt gut gelaunt und wild entschlossen, Jazz mit Rock zu exekutieren und umgekehrt. Diesen Haufen konnte Chet Baker nicht aufhalten.

Bei diesem Konzert kam es zwischen ihm und Coryell zu einer Szene, die nur aus den ersten Reihen zu erkennen war. Der Bassist spielte ein längeres Solo, nur Mouzon begleitete ihn mit etwas Besengewische auf den Be­cken. Nach einer Weile schien sich Coryell zu langweilen, und er fing an, Akkorde zu spielen, die zwar nicht falsch und nicht laut, aber unpassend waren. Chet Baker drehte nur den Kopf und machte, ohne aufzusehen, eine Bemerkung, die unmissverständlich »Klappe halten!« bedeutete. Coryell registrierte es, reagierte aber nicht. Es war nicht zu übersehen, dass er Chet Baker auf die Nerven ging. Und plötzlich verwandelte sich der Gesichtsausdruck von Chet Baker in reine Wut – er richtete sich auf, sah seinem Gegner direkt in die Augen und forderte ihn wieder auf, damit aufzuhören. Aber Coryell drehte sich nur weg und trällerte weiter. Chet Baker sank wieder auf seinem Stuhl zusammen und starrte auf die Trompete, die in seinem Schoß lag.

Zur zweiten Zugabe kam Larry Coryell allein auf die Bühne, um seine Vorstellung von »Bolero« auf der Ovation-Gitarre zum Besten zu geben, und noch ehe er damit fertig war, saß Chet Baker schon in seinem Hotelzimmer und setzte sich einen Schuss.

Ziegelbrennen 1/1989

The Boy Named Sue

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