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SPASS UND DOSENBIER
ОглавлениеDie Landbevölkerung ist brutal und nicht informiert. Vor allem ist sie misstrauisch gegen Modernismen. Nach seinem schlagkräftigen Erlebnis mit einem Bayern kam K. Lauer1 zu dieser Meinung. Wieder einmal suchte er die Toleranz in der Stadt, aus der er schon mehrmals fliehen musste.
Schon am Eingang rannte ihn eine Dame im übervollen T-Shirt um. Die spielen ja besoffene Fußballmusik, sagte sie verärgert und bemalte mit ihrem Lippenstift versehentlich die anderen Lippen. Misstrauisch wurde er, als eine Gruppe aus Punks und Poppern sich unter wüsten Beschimpfungen neben dem Ausgang postierte. Eine Schlägerei bahnte sich an – aber in einer Sache waren sie sich einig: Sie waren gegen die Band ZK und ihr neues Album Leichen pflasterten ihren Weg.
»Nach §33 RVO Abs.2 verlange ich mein Eintrittsgeld zurück! Die sind nicht kritisch!«, schrie ein langhaariger Student. Er bekam einen Becher Bier über den Kopf und stand augenblicklich wieder hinter dem Grundgesetz. Für einen Augenblick sah Lauer den roten Faden auf dem syphilisierten Fußboden, als nach einem schleimig schönen Liebeslied harter Punk kam. »Wir wollen Spaß und Dosenbier!«, schrie der Sänger und Lauer mochte die Band immer mehr.
Doch die Menschen verstanden ihre Botschaft nicht. Sie weigerten sich, die Bretter vor ihren Köpfen zu verheizen. »Das ist ja ein Lied über die Irrenanstalt«, sagte der Psychiater verblüfft, dem er ZK2 schon einmal als einzige Kapelle vorgestellt hatte, die es schaffte, den berühmten Generationenkonflikt zu überwinden.
Der abschließenden Schlägerei entzog sich Lauer und bewies seine Männlichkeit lieber in einer lustvolleren Begegnung. Plötzlich brach die Nacht ein, selbstsicher wie immer, weil sie nicht verfolgt werden kann, und K. Lauer wurde melancholisch.
Am Fluss unten sah er einen Mann sitzen an einem Lagerfeuer, dem anzusehen war, dass er seine Auszeit im letzten Moment genommen hatte. Neben ihm lag eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf.
»Es ist wie mit Rock’n’Roll«, sagte Bruce Springsteen, »ein hartes Leben wird erst interessant, wenn du so gut bewaffnet bist, dass du dir ein paar ruhige Tage erlauben kannst. Nicht wie diese Arbeitslosen, die eine Tankstelle ausrauben und dann den Zündschlüssel zum Fluchtauto nicht mehr finden.« Dann griff er wieder zu seiner Gitarre und schrammelte weiter an seinem Album Nebraska herum.
Lauer ging den Weg zurück. Er traf auf einen großen Überlandbus. Er klopfte ans Fahrerhaus: »Was macht ihr denn da?« Der Fahrer deutete grinsend Richtung Bruce: »Wir warten, bis er die Scheißruhe nicht mehr aushält. Wir haben die Anlage schon überholt, lange wird’s nicht mehr dauern mit diesem ganzen Getue von wegen Showbusiness und Stress.« Der Fahrer bot ihm eine filterlose Zigarette an.
Plötzlich verstand K. Lauer diesen seltsamen Spruch über Gefühl und Härte. Er ging der Sonne pfeifend entgegen und fühlte sich unüberwindlich – als er mit einem Mal den Gedanken hatte, dass irgendwas an dieser Szene nicht stimmen konnte.
Münchner Buch-Magazin 10/1982