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I. Bedeutung

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Die öffentliche Verwaltung wird in weiten Bereichen durch Gesetze und sonstiges Recht gesteuert. Die zu Beginn dieses Buches genannten Gesetzessammlungen vermitteln dies in anschaulicher Weise. Diese Gesetze, welche die Verwaltung nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu beachten hat (s.o. Rn 181 ff), verkörpern zunächst die objektive Rechtsordnung. Davon zu unterscheiden sind subjektive öffentliche Rechte. Diese vermitteln den Inhabern dieser Rechte einen Anspruch auf Einhaltung bestimmter, insbes. gesetzlicher Anforderungen gegenüber der Verwaltung. Dabei beinhalten (bei Weitem) nicht alle objektiven Rechtssätze ein subjektives öffentliches Recht. Der Bürger hat keinen allgemeinen Anspruch auf rechtmäßigen Gesetzesvollzug. So werden etwa die Kommunalaufsichtsbehörden auf dem Gebiet des Kommunalrechts ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig[1]. Ebenso wenig besteht im Ordnungswidrigkeitenrecht ein subjektives öffentliches Recht des Anzeigeerstatters auf Tätigwerden der Behörde[2]. Diese Unterscheidung zwischen der objektiven Rechtsordnung und subjektiven Rechten ist bereits aus dem Privatrecht bekannt. So kann grundsätzlich nur ein Vertragspartner Inhaber vertraglicher Ansprüche sein. Hinzu kommen vom Vertrag begünstigte Dritte (sog. Vertrag zugunsten Dritter; Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte). Sonstige Dritte können hingegen keine (primären oder sekundären) Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen.

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Eine wichtige verfassungsrechtliche Weichenstellung für die Einräumung subjektiver Rechte findet sich in der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG: Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Die Rechtsschutzgarantie beschränkt sich damit auf die Verletzung eigener Rechte unter gleichzeitiger Ausblendung sonstigen Rechts, also der Rechte anderer sowie der objektiven Rechtsordnung[3]. Zugleich kommt darin das Prinzip des Individualrechtsschutzes zum Ausdruck. Seine verwaltungsprozessuale Fortsetzung findet es in den Normen der §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 S. 1 VwGO: Im Regelfall hängt der Erfolg einer Klage vor den Verwaltungsgerichten von der Verletzung eigener Rechte ab[4]. Also auch hier reicht es grundsätzlich nicht aus, dass die subjektiven Rechte anderer oder die objektive Rechtsordnung verletzt werden. Allerdings kann der Gesetzgeber auch Abweichungen vom Prinzip des Individualrechtsschutzes vorsehen („Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist …“). Eine solche Rechtsschutzmöglichkeit ohne die mögliche Verletzung eigener Rechte hat der Gesetzgeber insbes. den anerkannten Umweltvereinigungen eingeräumt[5].

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Dieses der innerstaatlichen Rechtsordnung zugrundeliegende Prinzip der Verletztenklage steht auch in Einklang mit dem Recht der Europäischen Union. Allerdings liegt den Rechtsordnungen vieler anderer Staaten das Prinzip der Interessentenklage zugrunde. Danach reicht für die Zulässigkeit einer Klage die Geltendmachung eines – im Vergleich zum subjektiven Recht weiter gefassten – berechtigten Interesses aus. Anders als von vielen zuvor erwartet, hat der EuGH in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2015 aber das deutsche Prinzip der Verletztenklage im Grundsatz als unionsrechtskonform erachtet[6].

Teil II Grundbausteine des Verwaltungsrechts§ 9 Das subjektive öffentliche Recht › II. Begriff

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