Читать книгу Modernste Kriegswaffen - alte Erfindungen - Franz M. Feldhaus - Страница 23
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„Eine Feuerwaffe des Kaisers Barbarossa“.
ОглавлениеIm Schloß zu Sondershausen steht seit Jahrhunderten die hier abgebildete Bronzefigur. Ihrethalben wurde ein gewaltiger Strom Tinte vergossen. Man nannte diese ums Jahr 1550 ausgegrabene Figur: Pustericius, Beister, Büster, Beustard, neuerdings Püstrich. Weit vielartiger als der Name sind die angeblichen Verwendungszwecke dieser solange rätselhaft gebliebenen Figur. In Zeitschriftenartikeln, gelehrten Abhandlungen und sogar in besonderen Büchern hat man alle möglichen Erklärungen für diesen kleinen Bronzeknaben versucht. Er sollte sein: „Ein von christlichen Geistlichen gebrauchtes Schreckbild zur Erreichung von Gaben“ oder „Eine Gottheit der alten Deutschen“ oder „Ein Werkzeug zur kräftigen Beschützung Kaiser Friedrich I. oder auch einiger Raubschlösser“ oder „Ein Gott der Slaven“ oder „Ein Destillierapparat eines Brandweinbrenners“ oder „Eine Gießkanne“ oder „Die Sockelfigur eines Taufbeckens“.
Der Sondershausener Püstrich.
Uns interessiert hier besonders die Nachricht, wie man es sich vorstellte, daß diese kleine Figur für ein gefährliches Kriegswerkzeug gehalten werden konnte. Der Püsterich ist 57 cm hoch, wiegt etwas über 35 kg und stellt einen Knaben in knieender Stellung dar. Bauch, Brust und Kopf sind im Verhältnis zu den Armen und Beinen übermäßig stark. Die Haartracht und auch die übrigen Merkmale deuten auf das 13. Jahrhundert als Entstehungszeit hin. Die Figur ist hohl und mit zwei kleinen Löchern versehen. Das eine Loch sitzt im Mund, das andere neben dem Scheitel im Haar.
Weil Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, in der Nähe des Fundortes dieses Püstriches einmal Hoflager gehalten hat, soll die Figur ihm „als Schutzmann“ gedient haben. Sie habe hoch auf dem Berge gestanden, „rings um sich Feuer ausgeworfen, und mit glühendem Regen und Auswürfen die Feinde des Kaisers so abgehalten, daß keiner sich demselben habe nähern können“. Diesen Unsinn berichtet Praetorius im Jahre 1683. Tentzel weiß 1689 vom Püstrich zu sagen, daß dieser vor langen Zeiten auf der Rotenburg gestanden habe, wo nicht allein die heidnischen Pfaffen, sondern später selbst die christlichen Mönche mit ihm das leichtgläubige Volk erschreckt und gezwungen haben sollen, ihn mit mancherlei Gaben zu besänftigen. An diesen Unsinn glaube er — Tentzel — aber nicht, sondern er halte den Püstrich für ein Verteidigungswerkzeug des Raubschlosses Kyffhausen. Der Püstrich habe dem Besitzer mittelst seiner Feuerauswürfe und der dadurch erfolglos zu machenden feindlichen Anfälle sehr wohl als Verteidigungswerkzeug dienen können.
Die beiden alten Gelehrten bekämpfen hier einen Unsinn mit dem andern.
Ich selbst habe den Püstrich niemals für etwas anderes gehalten, als für einen Dampfbläser, für eine im Mittelalter beliebte Spielerei, die man auf Schlössern im Kaminfeuer benutzte. Als ich meine Meinung vor einigen Jahren öffentlich äußerte, wurde ich gerade von Sondershausen aus maßlos spöttisch angegriffen. Nun wiegt aber bei wissenschaftlichen Erklärungen nicht die Menge des Spottes, sondern allein das Gewicht des Beweismaterials. In Sondershausen hat man sich nämlich neuerdings wieder in einer Stadtgeschichte dafür festgelegt, daß der Püstrich ehemals eine der Tragfiguren eines Taufbeckens gewesen sei. Den Schein eines Beweises hat man nie erbracht. Jeder Kunstverständige, der die zierlichen, fromm gebeugten Figuren großer Taufbecken kennt, muß mitleidig lächeln, wenn jemand vier solcher Mißgeburten unter ein Taufbecken setzen will.
Der Püstrich ist weder ein Taufbeckenträger, noch ein Kriegswerkzeug, noch eine Gießkanne, sondern, wie ich schon sagte, ein Dampfbläser. Albertus Magnus, der berühmte Gelehrte des 13. Jahrhunderts sagt uns nämlich: „Man nehme ein starkes Gefäß aus Erz, das innen möglichst gewölbt sei und oben eine kleine Öffnung, und eine andere wenig größere im Bauch hat. Und das Gefäß habe seine Füße so, daß sein Bauch die Erde nicht berühre. Es werde mit Wasser gefüllt und nachher durch Holz kräftig verschlossen an jeder der beiden Öffnungen. Man setzt es auf ein starkes Feuer, dann entsteht Dampf im Gefäß, dessen Kraft durch eine der beiden verschlossenen Öffnungen wieder hervorbricht. Bricht sie oben hervor, so wirft sie das Wasser weit zerstreut über die umliegenden Stellen des Feuers. Bricht sie unten hervor, dann spritzt die das Wasser in das Feuer und schleudert durch den Ungestüm des Dampfes Brände und Kohlen und heiße Asche weit vom Feuer über die Umgebung. Man nennt deshalb auch ein solches Gefäß gewöhnlich sufflator und pflegt es nach der Gestalt eines blasenden Mannes zu formen“.
Diese von mir aufgefundene Stelle beschreibt also ganz deutlich die Figur eines Püstrichs. Die Weltbedeutung der Schriften des Albertus Magnus gab mir die Gewähr, daß ich solche Püstriche auch in späteren Jahrhunderten wieder erwähnt finden würde. Und so kam es denn auch. Ich fand die Püstriche nicht nur bei Leonardo da Vinci und in den Handschriften mittelalterlicher Kriegsingenieure beschrieben, sondern sogar mehrfach abgebildet. Und ich fand außer dem bronzenen Püstrich in Sondershausen noch weitere Püstrichfiguren aus Bronze in den Museen zu Wien, Hamburg und Venedig.
Der deutsche Kriegsingenieur Konrad Kyeser, von dem wir noch eingehend hören werden, bildete im Jahre 1405 einen Püstrich ab, von dem er folgendes sagt: „Dieser Kopf, der, wie du ihn hier abgebildet siehst, in seinem Mund Schwefelstaub hat, zündet eine Kerze, so oft sie ausgelöscht wird, immer wieder an, wenn sie seinem Mund genähert wird, schießt der Feuerstrahl heraus.“ Und an anderer Stelle läßt Kyeser den Püster sprechen: „Ich bin Philoneus, aus Kupfer, Silber, Erz, Ton, oder Gold gefertigt. Ich brenne nicht, wenn ich leer bin. Doch halte mich mit Terpentin oder feurigem Weingeist gefüllt an das Feuer, so sprühe ich, erwärmt, feurige Funken mit denen du jede Kerze anzünden kannst.“
Statt der Wasserfüllung des Albertus Magnus kennt Kyeser hier also eine Weingeistfüllung. Im Prinzip genau den gleichen Apparat verwenden wir heute als Lötlampe.
Nun wird es uns auch erklärlich, wie man den Püstrich von Sondershausen als ein Kriegsgerät des Kaisers Barbarossa bezeichnen konnte. Es war im Volk noch das Wissen der alten Kriegsingenieure lebendig geblieben.