Читать книгу Katathym Imaginative Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen - Franz Wienand - Страница 11
2.1 Wie geht die KIP?
ОглавлениеDie KIP nutzt den systematischen Einsatz von katathymen Imaginationen im therapeutischen Prozess. Imaginationen wechseln sich mit Gesprächssequenzen ab, die dem Bearbeiten und Verstehen der symbolischen Darstellungen dienen (Kottje-Birnbacher, 2010).
Zum Einstieg und zum ersten Kennenlernen der Methode schlägt der Therapeut dem Patienten eine Vorstellungsübung, einen Tagtraum oder auch ein Phantasiespiel vor, welches mit einer Entspannungsintervention eingeleitet wird. Bei Kindern und Jugendlichen richten sich der Sprachgebrauch und die seitens des Therapeuten eingeführten Bilder nach dem jeweiligen Entwicklungsstand und dem Verständnis, worauf in den nachfolgenden Kapiteln noch spezifisch eingegangen wird. In der Regel bittet man den Patienten, die Augen zu schließen, in sich hineinzuhorchen, sich auf den Atem zu konzentrieren und sich zu entspannen. Art und Umfang der Entspannungseinleitung können je nach persönlichem Stil des Therapeuten und in Abhängigkeit von der jeweils spezifischen Situation variieren. Der Therapeut bittet den Patienten dann sich z. B. (irgend)eine Blume (oder einen Baum) vorzustellen, diese zu betrachten und zu beschreiben. Zur Beruhigung und Entlastung folgt der Hinweis, dass auch jeder andere Inhalt recht ist.
Der Therapeut nimmt alles, was berichtet wird, empathisch mitschwingend auf, kommentiert dies wohlwollend und unterstützend, während er versucht, sich eine Vorstellung von der Imagination des Patienten zu machen. Mit Fragen und Anregungen unterstützt der Therapeut die weitere Ausdifferenzierung der vorgestellten Szene, wodurch die Wahrnehmung nochmals fokussiert wird und sich die anfangs leichte Entspannung weiter vertieft. Am Ende der Vorstellungsübung leitet der Therapeut ein aktives Zurücknehmen der Entspannung an. Oftmals wird der Patient die Imaginationsübung in entspanntem Zustand und mit einem Gefühl der Zufriedenheit, vielleicht auch der Verwunderung und des Berührtseins beenden. Wenn ein Patient nicht so gut »ins Bild hineinkommt« oder sich keine bildhafte Vorstellung entwickelt, der innere Bildschirm sozusagen schwarz bleibt, müssen die Voraussetzungen nochmal überprüft werden. In der Nachschwingphase geht es um das aktuelle Gefühl und das, was dem Patienten spontan zu dem Imaginierten einfällt. Der Therapeut wird seine eigenen Ideen zunächst zurückhalten.
Während man Kinder und teilweise auch Jugendliche im Anschluss an die Imagination bittet, zu der imaginierten Szene direkt ein Bild zu malen oder zu zeichnen, lässt man dies ältere Jugendliche oder erwachsene Patienten in der Regel zu Hause tun. Alternativ kann der Tagtrauminhalt aber auch in einem Text verarbeitet werden. Das gemalte Bild wird gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen betrachtet und in seinen Einzelheiten gewürdigt. Je jünger die Kinder sind, desto mehr bleibt die Bildbesprechung auf der symbolischen Ebene. Bei Jugendlichen ist es eher möglich, gemeinsam herauszuarbeiten und zu verstehen, welche Verbindungen zwischen dem in der Imagination Erlebten und dem Patienten bestehen, was es über ihn selbst, seine aktuelle Befindlichkeit, seine Konflikte, seine Wünsche, seine Ängste … aussagt. Die Bildbesprechung, der sog. Bilderdialog (Ullmann et al., 2017; Ullmann, 2017) kann von unterschiedlicher Dauer und Intensität sein und wird im Idealfall zu einer Motivvorgabe für einen späteren, weiteren Tagtraum führen. Die gemalten Bilder werden vom Therapeuten aufbewahrt, sodass jederzeit im Verlauf des therapeutischen Prozesses nochmals darauf zugegriffen werden kann.
»Was Tagträumer und Therapeut da als Szenerie oder Drama vor Augen haben, hat vielschichtige Qualitäten: bildhafte, affektive, sinnliche, körperbezogene und nicht zuletzt symbolische« (Ullmann, 2017, S. 30). Das Tagtraumgeschehen ist immer eine gemeinsame Produktion, die davon abhängt, wie der Therapeut interveniert und wie diese Interventionen vom Patienten aufgenommen werden. Der Therapeut muss also präsent sein, spielerisch mitwirken, gleichzeitig in seiner professionellen Rolle bleiben. Im optimalen Fall fühlt der Patient sich gut begleitet und unterstützt, gefordert, aber nicht überfordert. Der Therapeut hat dann die Qualitäten eines guten Begleiters.
Die Motivvorgabe ist ein wichtiges methodisches Instrument des Therapeuten. Während es sich empfiehlt, zu Behandlungsbeginn zunächst mit den sog. Standardmotiven der Grundstufe (Wiese, Bach, Berg, Haus und Waldrand) zu arbeiten, ist im weiteren Verlauf die Motivvorgabe wesentlich von der klinischen Situation, den aktuell im Vordergrund stehenden Themen und der Übertragungs-Gegenübertragungs-Dynamik geprägt. Gleichzeitig orientieren sich die Motivvorgaben an den symbolischen Qualitäten, die sie beinhalten. Während einige Motive von ihrem Bedeutungsgehalt betrachtet eher eng angelegt sind, bieten andere eine sehr offene und weite Projektionsfläche. Geben wir z. B. als erstes Motiv nach dem sog. Initialen Tagtraum (Ullmann, 2012c) eine Wiese vor, dann können sich in der vorgestellten Szenerie die aktuelle Gestimmtheit, der Boden, auf dem jemand steht, sein generelles Lebensgefühl oder vielleicht sogar erste Konfliktbereiche abbilden. Jede imaginierte Wiese ist anders und gestattet einen ersten Einblick in die Innenwelt des Patienten. Während die eine grenzenlos zu sein scheint, ist eine andere vielleicht von Zäunen umgeben. Neben dem kurz und exakt gemähten Rasen gibt es üppige Blumenwiesen mit vielen Insekten und Kleintieren, einem Bach und vielleicht noch einem schattenspendenden Baum. Geben wir andererseits das Motiv Berg vor, werden sich in irgendeiner Form die Leistungsthematik, der Leistungsanspruch, das Über-Ich sowie oder ein mit dem Vater assoziiertes Thema zeigen. Unzählige überhohe, extrem spitze und kaum oder gar nicht zu bewältigende Bergimaginationen bei Menschen mit einem hohen Leistungsanspruch zeugen davon. Unserer Erfahrung nach finden sich diese Bilder gehäuft bei Spätadoleszenten und jungen Erwachsenen, denen die Anforderungen des Erwachsenenlebens zu hoch und nicht bewältigbar erscheinen.
Für die drei Störungsmuster innerhalb der psychodynamischen Psychotherapie – konfliktbedingte Störungen, ich-strukturelle Störungen und traumatisch bedingte Störungen – gibt es unterschiedliche Behandlungsstrategien mit der KIP:
• Bei konfliktbedingten Störungen arbeiten wir mit der auf Einsicht ausgerichteten expliziten Technik der KIP.
• Bei ich-strukturellen Störungen geht es über die implizite Technik der KIP darum, Nachreifung zu ermöglichen und wohltuende Erfahrungen zu sammeln.
• Bei traumatisch bedingten Störungen zielt eine gestuft aktive Technik darauf ab, zunächst mit Schutz und Sicherheit vermittelnden und gewährleistenden Techniken, über die Konfrontation mit den traumatischen Inhalten eine Integration anzustreben. (Ullmann, 2017, S. 40).