Читать книгу Katathym Imaginative Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen - Franz Wienand - Страница 24
3.6 Neurobiologische Grundlagen der KIP
ОглавлениеDas zentrale Element der KIP ist die spezifische dialogische Arbeit mit Imaginationen als Medium der Episodenaktivierung. Die auftauchenden dynamischen Bilder entwickeln sich als eine kreative Komposition aus früheren Beziehungserfahrungen, deren autobiografisch gefärbter Interpretation, der aktuellen Befindlichkeit und der Übertragungsbeziehung. In diesem Prozess werden Inhalte des impliziten Gedächtnisses aktiviert, symbolisch dargestellt und verbalisierbar. Vergangenheit und Gegenwart werden miteinander verbunden und ermöglichen einen neuen Blick auf die Zukunft.
Im therapeutischen Dialog nimmt der Patient den Therapeuten mit auf seine Reise und gibt ihm so die Möglichkeit, behutsam auf seine inneren Bilder, sein emotionales Erleben und seine Interpretation des Erlebten Einfluss zu nehmen. Die bei jedem Erinnerungsabruf aktivierten und oft repetitiven mentalen Modelle, Interpretations- und Beziehungsmuster können so in therapeutisch erwünschter Richtung bearbeitet und verändert werden. Eine wichtige Rolle für die Stärkung von Selbstkohärenz und Selbstgefühl spielen dabei auch das zunehmende Verständnis des Patienten für seine eigene Symbolik und die Freude an der Entdeckung seines kreativen Potenzials.
Die im Erlebnisraum der KIP gemachten neuen Erfahrungen werden im Verarbeitungsraum, also im Nachgespräch, im Gestalten der Imaginationen als Text, gemaltes Bild oder Skulptur, weiter ausgearbeitet, assoziativ erweitert und vertieft. Implizite Erfahrungen werden so zu explizitem Wissen. Dem emotionalen Erleben folgt die kognitive Verarbeitung. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden wiederum verinnerlicht und gespeichert und beeinflussen ihrerseits die künftigen Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozesse.
Die KIP-spezifische Abfolge von therapeutischem Gespräch, Imagination, Nachgespräch, medialer Gestaltung und deren Besprechung entspricht dem »Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten« (Freud, 1914) der klassischen Psychoanalyse. Im Prozessverlauf der KIP werden so über die neu geschaffenen Engramme strukturelle Veränderungen ermöglicht.
Ullmann (2012b, S. 116) konstatiert zusammenfassend: »Gegenüber anderen, mit Imaginationen befassten Therapieformen hebt sich die KIP dadurch ab, dass sie mit Imaginationen in einer speziell elaborierten Weise umgeht, die auf den sinnlichen, emotionalen und symbolischen Qualitäten des mnestischen Materials gründet. Deren neurobiologische Basis reicht von impliziten bis zu expliziten Prozessen und von der Episodenaktivierung bis zu deren Einbindung in die Narrative eines autobiographischen Gedächtnisses, das zwischen Vergangenheit und Zukunft vermittelt.«