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9. Kapitel

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1924 im Juni

»Proviant!«, verkündete Frau Lamm und stellte ein gut geschnürtes Päckchen auf den Tisch.

Wuschelte im Vorbeigehen durch die Haare ihres Sohnes.

»Solltest du nicht noch zu Heidrun? Die Haare sind doch viel zu lang. Vielleicht schiebt sie dich dazwischen, dann ist es schnell erledigt. Ich könnte auch …«

»Aber nein!« Theo versuchte, die streichelnde Hand abzuschütteln. »Die bleiben so.« Er deutete auf die Verpflegung und bedankte sich artig.

»Ich habe euch einen Kuchen gebacken. Aus Rührteig. Der hält sich ein paar Tage und feuchtet nicht durch. Im schlimmsten Fall gibt’s Krümel zum Kaffee. Und Brot habe ich auch gebacken. Das reicht für die erste Zeit.«

»Und ich steuere Wurst und Käse bei!«, rief Ludwig fröhlich und trat in die Stube. Stellte ein zweites Paket auf den Tisch. »Einer meiner Onkel ist Metzger, der wollte uns gern etwas mitgeben und meine Großmutter hat den Käse rausgerückt. Den macht sie noch immer selbst. Der ist richtig gut.«

»Aber kein Harzer, oder? Sonst müsst ihr den gleich extra packen. Damit nicht alles andere auch nach Käse riecht und schmeckt.«

»Nein, keine Sorge, Frau Lamm. Der stinkt nicht. Ist nur unwahrscheinlich lecker.!«

»Habt ihr beide an warme Jacken und Pullover gedacht?«, wollte die besorgte Mutter wissen.

»Aber natürlich. Kerzen, Streichhölzer und Decken haben wir auch schon parat gelegt.«

»Seife habe ich. Und zwei Flaschen, die wir mit Wasser füllen können, falls die Leine mal nicht direkt am Weg liegt.«

Theo lachte: »Das passt niemals in unsere Tornister und die Tasche für den Träger.«

»Und wo wollt ihr schlafen?« Theos Vater saß in seinem Sessel, die Beine auf dem Schemel und musterte die beiden kritisch. »Hast du das Zelt wirklich bekommen? Ehrlich gesagt, ihr seht beide nicht aus, als wäret ihr an das Schlafen unter freiem Himmel mit Blick in Baumkronen gewohnt. Was, wenn wilde Tiere euch besuchen, wenn es tagelang regnen sollte?«

»Das Zelt habe ich, es ist ein großes Paket. Ich dachte, wir könnten den Radanhänger von Walter nehmen. Steht der noch hinten im Schuppen? Da kriegen wir eine Menge rein.« Theo war aufgesprungen.

»Nein. Da steht er nicht. Ich dachte mir schon, dass ihr den brauchen würdet. Jakob hat ihn für euch überarbeitet. Die Reifen haben Luft, die Bretter sind alle wieder fest. Rost ist auch ab. Er wartet vor der Tür auf euch.«

Tatsächlich. Jakob, der Lehrbub, stand dort, griente breit und hielt den Anhänger an der Deichsel.

»Na, nu kann sie losgehen, die große Reise. Alles fest. Die Schrauben nachgezogen, die Reifen dicht«, verkündete er nicht ohne Stolz.

»Vielen Dank, Jakob. Das ist großartig!« Die Freunde inspizierten den kleinen Holzkasten und kamen überein, dass sie ihn wechselseitig ziehen würden. Das Zelt war nicht ganz leicht – aber der Proviant würde sich selbstredend aufzehren. Alles kein Problem.

Theo schob ihn ein Stück. »Quietscht. Das macht uns verrückt, wenn wir dem stundenlang zuhören müssen.«

»Hab ich schon bemerkt«, erklärte Jakob und zog ein Fläschchen Öl aus der Tasche. »Das tröpfel ich noch drauf. Dann ist Ruhe. Aber die Flasche nehmt ihr besser mit.« Er kümmerte sich sofort darum, zog den Anhänger ein paarmal hin und her. Das Geräusch war verschwunden.

»Hier.« Damit drückte er Ludwig das Öl in die Hand. »Aber an einen sicheren Platz stellen. Wenn es ausläuft, ist eure ganze Kleidung auf ewig hin!« Dann kehrte der junge Mann in die Werkstatt zurück.

»Na, dann fangen wir gleich an mit dem Einpacken, und los geht’s!«, freute sich Ludwig und klatschte doch tatsächlich in die Hände, wie er es zu Schulzeiten schon immer getan hatte.

Theo lachte laut. »Und ich dachte, du bist schon so erwachsen!«

»Nur manchmal!«, gab der andere gutmütig zurück. »Um die Leute zu täuschen!«

Sie holten die großen Gepäckstücke, stapelten die Vorräte vorsichtig und banden das Öl in einer Ecke fest, damit es nicht umkippen konnte.

»Weißt du was?«, Ludwigs Wangen waren gerötet, seine Augen leuchteten voller Tatendrang. »Das wird der schönste Sommer unseres Lebens!«

Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann

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