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3. Kapitel

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1918 September / Fritz Haarmann

Als ich am nächsten Tag wiederkam, hing schon ein lästiger Geruch über dem Laden neben der Kammer. Auf dem Flur war noch nichts davon zu bemerken, aber das würde sich ändern, es war nur eine Frage der Zeit.

Irgendwie rechnete ich – völlig wider den gesunden Menschenverstand – fest damit, von ihm angesprungen zu werden, als ich die Tür langsam ein wenig aufschob. Besorgt durch den Spalt blinzelte.

Alles ruhig.

Er lag, wie ich ihn verlassen hatte. Zugedeckt, so gut wie möglich unter dem Bett verborgen.

Und er war längst nicht mehr allein.

Fliegen!

Nun, das überraschte mich nicht. Ich dachte daran zu lüften, unterließ es dann zunächst. Musste aber später doch das Fenster öffnen, weil … na ja. Blut und Zersetzung. Keine gute Mischung. Und eine, die den anderen Mietern im Haus besser verborgen blieb.

Eine halbe Stunde saß ich wohl einfach da und sah ihn an.

Ich wollte nicht mit dem beginnen, was letztlich unausweichlich sein würde.

Tatsächlich war er noch immer schön. Und er sah friedlich aus.

Solange der Hals nicht zu sehen war, konnte man glauben er schlafe tief, sei vielleicht ein wenig blass.

Das galt schließlich für viele, deren Ernährungslage schlecht war, hatte in der Regel nicht mehr als das zu bedeuten.

Allerdings zeigten sich bei ihm schon an einigen Stellen violette Flecken.

Nach einer weiteren Stunde, in der ich ruhelos auf und ab gegangen war, begann ich die Dinge zu richten, die ich wohl benötigen würde.

Das kleine Küchenmesser, mit dem ich normalerweise Kartoffeln schälte, zog ich energisch über den Wetzstahl, damit es gut durchs Gewebe fahren würde. Das Gleiche tat ich mit der Schneide des etwas größeren Exemplars. Ich legte beide in einen Eimer, deckte ein Tuch darüber und gönnte mir eine Pause. Es strengt durchaus an, sich solche Handlungen vorzustellen und dabei noch den Überblick zu behalten. Jeder Fehler … ein Kopf ist schnell verloren, wenn man bei so etwas erwischt wird.

Mein kleines Beil würde ich auch brauchen, Papier, um die Päckchen zu packen, die Wachstuchtasche, um alles wegzubringen. Zur Leine. Der Fluss würde den Rest erledigen.

Ich müsste zuvor probieren, was von ihm schwimmen würde.

Fleischstücke auf dem Wasser könnten verraten, was hier entsorgt wurde, das ging also nicht.

Was, wenn ich beim Füttern der Fische beobachtet würde?

An der Brückmühle zu gefährlich.

Hinter jedem Fenster Augen, die neugierig Ausschau hielten.

Morgen.

Morgen würde ich wiederkommen und austesten, was schwamm und was nicht.

Für heute war es nun wirklich genug.

Als ich ging, die Tür sorgfältig hinter mir verschloss, war ich unendlich traurig.

Meine Schwester, Frau Burschel, fragte mich, warum ich so bleich sei. Etwa wieder krank? Und der seltsame Geruch meiner Kleidung? Woher ich käme? Ob ich mal wieder in Schwierigkeiten steckte? Was ausgefressen hätte? Sie hatte grundsätzlich viele Fragen, wenn ich bei ihr unterschlüpfen wollte.

Nein, beruhigte ich sie, alles in Ordnung. Ich war beim Schlachter, aber der hatte nicht viel im Angebot. Und blass sei ich ja öfter.

Die altbekannten Kopfschmerzen eben. Mit Übelkeit.

Sie nickte nur, drang nicht weiter in mich. Mir schien, sie war froh, dass ich nicht mit ihr sprechen wollte, wandte sich ab und ging summend ihrem Tagwerk nach.

Ich dagegen stellte mit vor, wie sie reagieren würde, wenn ich nun gesagt hätte, das mit dem blassen Aussehen liegt an dem toten Jungen in meinem Zimmer, der schon stinkt und den ich irgendwie loswerden muss, damit nicht der Henker mich holt. Liegt an dem bedauernswerten Kerl, den ich getötet habe – nicht mit Absicht – aber tot ist er dennoch.

Mutter hätte mich verstanden. Sie wusste, dass ich nie mit Absicht … und wenn etwas aus Versehen geschah, war man im Grunde nicht schuld, so hat sie mir das erklärt. Gott versteht das auch, dass es da einen Unterschied gibt.

Dem Jungen war das jetzt natürlich egal.

Tot ist tot.

Der Werwolf von Hannover - Fritz Haarmann

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