Читать книгу Die Ansiedler in Kanada - Фредерик Марриет - Страница 10
VIII.
ОглавлениеDa Hauptmann Sinclair erklärte, daß man am folgenden Tage eine weite Strecke zurückzulegen habe und es daher rätlich sei, früh abzufahren, erhob sich die Familie mit Tagesanbruch. Sie war nach einer halben Stunde mit dem Frühstück fertig und begab sich in ihr Boot. Bald nachdem sie sich wieder auf dem Strom befanden und man, da der Wind günstig war, die Segel gehißt hatte, erkundigte sich Mr. Campbell, wie weit sie heute fahren müßten.
„Etwa fünfzig Meilen, wenn es sich ermöglichen läßt“, versetzte Hauptmann Sinclair. „In den ersten beiden Tagen haben wir zweiundsiebzig Meilen gemacht. Von hier bis Montreal sind noch etwa neunzig und wir möchten den größeren Teil noch heute zurücklegen, damit wir an einer Stelle, an der wir uns ganz sicher fühlen, landen können. Ich muß Ihnen leider sagen, daß Sie sich für die kommende Nacht auf Ihre Zelte und die eigenen Betten verlassen müssen, denn es befindet sich kein größerer bewohnter Ort in jener Gegend.“
„Keine Sorge, Hauptmann Sinclair, wir werden sehr gut schlafen, das kann ich im voraus sagen“, entgegnete Mrs. Campbell. „Aber wo werden die übrigen ruhen? Es ist nur ein Zelt vorhanden.“
„O, um die übrigen beunruhigen Sie sich nicht; wir sind daran gewöhnt. Einige werden in den Booten schlafen, andere am Feuer, andere werden Wache halten und überhaupt nicht schlafen.“
Im weiteren Verlauf des Gespräches bemerkte Mary Percival zu Hauptmann Sinclair:
„Ich glaube, Hauptmann Sinclair, Sie hatten Ihre Erzählung von Pontiac noch nicht beendet, denn Sie brachen gestern bei dem Punkte ab, als er das Fort belagerte. Wollen Sie nicht die Güte haben und uns mitteilen, was weiter geschah?“
„Mit größtem Vergnügen, Miß Percival. Es hatte seine Schwierigkeiten, das Fort zu entsetzen. Der Gouverneur sandte seinen Adjutanten, Hauptmann Dalyell, dem es gelang, mit etwa zweihundertundfünfzig Mann in das Fort zu dringen. Kurz darauf machte er einen Ausfall. Pontiac aber legte ihm, sobald er seine Absicht gewahr wurde, einen Hinterhalt, und die Truppen wurden mit großem Verlust zurückgeschlagen. Der arme Dalyell fiel im Kampfe. Pontiac schlug Hauptmann Dalyell das Haupt ab und setzte es auf einen Pfahl.“
„Dies alles fiel Major Gladwins übergroßem Ehrgefühl zum Opfer“, rief Alfred. „Hätte er Pontiac gefangen genommen, wäre nichts von alldem geschehen.“
„Ich muß Ihnen beistimmen, Mr. Alfred“, versetzte Hauptmann Sinclair. „Doch Major Gladwin glaubte das Rechte zu tun. — Nach dieser Niederlage wurde die Belagerung noch härter, als zuvor, und die Garnison hatte entsetzlich zu leiden. Verschiedene Fahrzeuge, die ausgeschickt wurden, um die Besatzung mit Nahrung zu versehen, fielen in Pontiacs Hände, der die Gefangenen grausam behandelte. Durch den Verlust an Mannschaft, durch den Mangel an Lebensmitteln, war die Garnison geschwächt und in das äußerste Elend geraten. Endlich kam ein Schoner mit Proviant herauf, der durch Pontiac und seine Krieger von ihren Kanoes aus angegriffen wurde. Der Schoner sah sich zur Umkehr genötigt, doch die Indianer verfolgten ihn, und nachdem durch ihr Feuern beinahe jeder Mann an Bord getötet oder verwundet war, holten sie das Schiff ein und nahmen es in Besitz. Während sie die Schiffswände erklommen, gab der Kapitän des Fahrzeuges, der ein entschlossener Mann war, und den Indianern nicht in die Hände fallen wollte, dem Kanonier den Befehl, Feuer an das Pulvermagazin zu legen und alle miteinander in die Luft zu sprengen. — Diese Weisung hörte einer von Pontiacs Häuptlingen, der englisch verstand. Er rief sie einem der anderen Indianer zu und sprang vom Schiff herab; die übrigen Indianer folgten und eilten in ihre Kanoes zurück oder flüchteten schwimmend aus der Nähe des Fahrzeuges. Der Kapitän erreichte sicher die Festung. So wurde durch den Mut eines einzelnen die Besatzung gerettet, und das Fort vor Zerstörung bewahrt.“
„Pontiac ist tot, erzählte uns Martin Super. Wodurch starb er denn, Hauptmann Sinclair?“ fragte Mrs. Campbell.
„Er wurde von einem Indianer getötet. Seit vielen Jahren hatte er mit uns Frieden gehalten und bezog von der Regierung eine gute Pension. Aber aufs neue schien sein Haß gegen die Engländer loszubrechen, und in einer Ratsversammlung der Indianer machte er den Vorschlag, uns wieder anzugreifen. Nachdem er gesprochen, stieß ihm ein Indianer das Messer in die Brust. Ob dies nun geschah, um einer Privatrache zu genügen, oder um weiteres Ungemach durch den zu verhüten, der ihren Stämmen schon so viele Opfer gekostet hatte, läßt sich schwer bestimmen. Soviel steht fest, daß mit ihm ein großer Teil aller Feindseligkeiten der Indianer gegen die Engländer zu Grabe getragen worden ist.“
„Vielen Dank, Hauptmann Sinclair, für Ihre freundliche Berichterstattung“, rief Mary Percival. „Mir war Pontiacs Geschichte höchst interessant.“
„Pontiac war ein Charakter, an dem man viel bewundern und viel beklagen muß, doch wir dürfen diesen Indianer nicht zu hart beurteilen. Zum Befehlen war er geboren, er besaß großen Mut und viel Geschick für seine Unternehmungen, abgesehen davon, daß er der keineswegs leichten Aufgabe gewachsen war, alle Stämme der Indianer vereinigt zu halten. Daß er es versuchte, uns aus dem Lande zu vertreiben, als dessen Herrscher er sich (und zwar mit Recht) betrachtete, ist nicht zu verwundern, besonders da unsere Eingriffe sich täglich mehrten. Sein größter Charakterfehler bleibt das Verräterische, doch müssen wir in Betracht ziehen, daß die ganze Kriegsführung der Indianer auf List beruht.“
„Aber daß er das Fort angriff, nachdem er so großmütig freigelassen worden war, obwohl man seine Absichten kannte, bleibt doch eine Niedrigkeit von ihm“, bemerkte Mrs. Campbell.
„Was wir als Großmut ansehen, erschien ihm vermutlich als Schwäche und Torheit. Wäre Pontiac erschossen worden, so wäre er tapfer gestorben; da Major Gladwin es nicht für geboten hielt, ihm das Leben zu nehmen, hielt er sich deswegen nicht verpflichtet, uns im Besitze seiner Ländereien zu lassen. — Die Falschheit, welche die Indianer bei ihrer Kriegsführung für erlaubt und geboten halten, liegt sonst nicht in ihrem Charakter. Zu jeder anderen Zeit ist an der Gastfreundschaft und Treue der Indianer nicht zu zweifeln, sobald er sich für Ihre Sicherheit verbürgt.“
Zwei Stunden vor Sonnenuntergang erreichten sie die Stelle, wo sie die Nacht zubringen wollten. Nachdem sie gelandet, mußten einige Soldaten das Zelt auf einem dürren Hügel aufstellen, während andere Holz zum Feuer sammelten. Martin Super trug die Betten an das Land und schlug sie mit Alfreds und Henrys Hilfe auf. Hauptmann Sinclairs Feldsack enthielt alles, was zur Teebereitung erforderlich war, und nach kaum einer halben Stunde stand der Kessel auf dem Feuer. Sobald die Damen an dieser Erfrischung teilgenommen, zogen sie sich für die Nacht zurück. Hauptmann Sinclair stellte Schildwachen auf, und hierauf legten sich die übrigen Soldaten nieder, die Füße gegen ein großes Feuer gewandt, das von mehreren Baumstämmen unterhalten, viele Yards hoch emporflackerte. — Nach kurzer Zeit war alles in Schlaf versenkt.
Die Nacht verlief ohne Störung und am nächsten Morgen schifften sie sich wieder ein. Vor Abend erreichten sie die Stadt Montreal, wo sie sich einen Tag über aufhalten sollten. Mr. Campbell machte hier noch einige Einkäufe. Er hatte auch die Absicht, zwei kanadische Pferde zu kaufen, doch ließ er auf Hauptmann Sinclairs Rat den Gedanken fahren. Derselbe bedeutete ihm, daß die Tiere während des ersten Jahres wenig Nutzen bringen, wohl aber große Kosten verursachen würden, da er noch kein Futter für sie habe. Ferner würden im nächsten Jahre, wenn man die Besatzung im Fort Frontignac ablöste, die Offiziere ihre Pferde gern zu geringeren Preisen abgeben, als er in Montreal dafür zahlen müßte.
Da die Auswanderer einen Empfehlungsbrief an den Gouverneur besaßen, wurde ihnen viel Aufmerksamkeit erwiesen. Die Gesellschaft in Montreal bestand größtenteils aus Franzosen, trotzdem besuchten sie viele Einwohner aus Höflichkeit, oder um ihre Neugierde zu befriedigen. Die französischen Damen zogen ihre Schultern in die Höhe und riefen: „Est-il possible?“ als sie hörten, daß die Familie Campbell in eine so entfernte Gegend gehen und sich dort ansiedeln wollte. Hauptmann Sinclair erbot sich, noch einen Tag in Montreal zu bleiben, falls Mr. Campbell es wünsche; doch trug dieser Verlangen, sein Ziel bald zu erreichen. Am folgenden Morgen schifften sie sich daher wieder ein und hatten nun eine Strecke von dreihundertundsechzig Meilen gegen den Strom zu steuern und Stromschnellen zu überwinden.
Sechzehn Tage waren sie mancher Gefahr und vieler Mühe ausgesetzt, während sie des Nachts durch Mosquitoschwärme geplagt wurden, bis sie glücklich bei der Festung Frontignac landeten. Dort wurden sie von dem Kommandanten empfangen, den der Gouverneur von Quebec schriftlich gebeten hatte, ihnen nach Möglichkeit zu dienen. Nachdem der Kommandant, Oberst Forster, Mr. Campbell und den Seinen die Zimmer angewiesen hatte, waren sie zum erstenmal seit längerer Zeit wieder allein beisammen. Nach kurzem Gespräch sagte Mr. Campbell:
„Liebe Frau und liebe Kinder! Es hat dem Allmächtigen gefallen, uns sicher über das stürmische Meer zu führen, unseren Mut zu stärken, indem er uns unerwartet Freunde zur Hilfe schickte, und jetzt sind wir nur noch wenige Meilen von unserem Bestimmungsort entfernt. Wir dürfen uns aber nicht der Hoffnung hingeben, daß Gefahren und Schwierigkeiten nun für uns beendet sind, im Gegenteil, ich muß gestehen, daß ich den Beginn derselben erst jetzt erwarte. Viel Entbehrung, Mühe und Gefahr ist noch zu erdulden, ehe wir in Behaglichkeit und Sicherheit sein werden. Vertrauen wir aber der gütigen Vorsehung, die uns bisher gnädig beschützte, und lassen wir unseren Mut nicht sinken. Es ist seit langer Zeit das erstemal, daß wir allein beisammen sind, darum wollen wir diese Gelegenheit ergreifen, um Gott für seine vielfach bewiesene Güte zu danken und ihn um seinen ferneren Schutz anzuflehen. Wir müssen inne werden, daß dieses irdische Leben nur eine Pilgerschaft ist, und wenn uns Schmerz und Betrübnis treffen, es von ihm so gewollt und zu unserm Besten bestimmt ist. Es ist unsere Pflicht, niemals den Mut zu verlieren oder im Leiden zu verzagen, sondern auf die Güte und Macht dessen zu vertrauen, der uns von allem Übel befreien kann.“ — Mr. Campbell kniete im Kreise seiner Familie nieder und ließ in einem Gebet seinen Dank für alle empfangene Gnade und seine demütige Bitte um ferneren Beistand ausströmen. Seine Worte waren so beredt, daß seiner Frau und seinen Nichten Tränen die Wangen netzten, und als er schwieg, waren die Herzen aller so bewegt, daß sie sich zur Ruhe begaben, ohne weitere Worte zu wechseln.