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VII.

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Obgleich es bereits Mitte Mai war, zeigten sich erst wenige Tage vor ihrer Abreise die ersten Spuren von frischem Grün, und die Bäume hatten ihre Blätter noch nicht entfaltet; doch bevor sie Quebec verließen, hatte die Vegetation sich dermaßen schnell entwickelt, daß es schien, als sei der Sommer über Nacht gekommen. Die Hitze machte sich geltend, obwohl das Wetter bei ihrer Landung noch empfindlich kalt gewesen war.

Mr. Campbell fand, daß ihm noch dreihundert Pfund blieben. Dieses Geld ließ er auf der Bank in Quebec. Sein Kostenaufwand war beträchtlich gewesen. Zuerst der Umzug einer so großen Familie und deren Überfahrt; dann hatte er in Liverpool eine Menge eiserner Gerätschaften und Werkzeuge gekauft, da diese Gegenstände dort billiger waren, als in Quebec. An letzterem Orte hatte er auch noch viel anzuschaffen, wie die mit Glasscheiben versehenen Fenster, Öfen, Dielen für den Fußboden, Schränke und Regale; gepökelte Fleischvorräte, Kochgeschirr, zwei kleine Wagen, verschiedene Fässer mit Nägeln und eine Menge anderer Dinge.

Die Einschiffung fand am dreizehnten Mai statt; Mrs. Campbell und ihre Nichten wurden zu den Booten geführt, an deren Bord sich die Truppen schon befanden. Der Gouverneur und seine Adjutanten geleiteten sie, und sobald sie sich verabschiedet hatten, wurde der Abfahrtsbefehl gegeben.

Die am Ufer Zurückgebliebenen gaben durch Tücherschwenken und andere Zeichen ihre Teilnahme zu erkennen; aber bald hörte das auf, die Familie sah sich von ihren Bekannten getrennt und lauschte wortlos dem taktmäßigen Schlage der ins Wasser gleitenden Ruder. Alle waren mit ihren Gedanken beschäftigt. Sie riefen sich den schönen Park von Wexton Hall zurück, das sie verlassen mußten, nachdem sie lange Zeit so glücklich dort gewohnt hatten; das Schloß stieg in ihrer Erinnerung auf; jedes Zimmer mit seinen Möbeln, jedes Fenster mit seiner Aussicht erstand in ihrem Gedächtnis. Sie hatten den Atlantischen Ozean durchmessen und waren im Begriff, Zivilisation und Komfort hinter sich zu lassen und in die Einsamkeit der kanadischen Wälder zu gehen, wo sie auf ihre eigene Gesellschaft und ihre eigenen Bestrebungen angewiesen waren. Doch wenn ihre Gedanken sie auch ernst und schweigsam machten, so fiel es ihnen doch nicht ein zu verzweifeln, oder zu murren, denn sie vertrauten jener Macht, die allein schützen kann — die da gibt, und die da nimmt und so mit uns verfährt, wie sie es für das beste hält. Wurden sie auch nicht alle von Hoffnung belebt, so war doch Vertrauen, Entschlossenheit und Ergebung in ihnen. Allmählich wurden sie durch die Schönheit der Landschaft und das Neue, das sich ihren Blicken bot, aus ihren Träumereien geweckt.

Der die Truppenabteilung führende Offizier, welcher sich mit der Familie in demselben Boot befand, hatte ihr Schweigen seit der Abfahrt verstanden — vielleicht fühlte er wie sie. Sein Name war Sinclair und sein Rang der eines Hauptmannes. Er war ein hübscher, blühend aussehender junger Mann, groß und schön gewachsen und höchst liebenswürdig in seinem Benehmen.

„Wie wundervoll das Laub dort ist, Mutter“, sagte Alfred, der zuerst das Stillschweigen brach, „welchen Kontrast zwischen dem im Glanze der Sonne durchsichtig und goldig schimmernden Blätterwerk der Sykomoren und den jungen Trieben der Fichten.“

„Und wie sich die Zweige der Bäume gefiederartig bis zur Oberfläche des Wassers neigen!“ versetzte Mrs. Campbell.

„Wie barmherzige Samariter“, warf Emma ein, „die ihre Arme ausbreiten, damit ein Unglücklicher, der vom Strome fortgetrieben wurde, sich durch ihren Beistand retten kann.“

„Ich habe niemals geahnt, daß Bäume soviel Barmherzigkeit besitzen, Emma“, mischte sich Alfred dazwischen.

„Für ihre Barmherzigkeit kann ich nicht gut sagen.“

„Ich setze voraus, daß du auch die Eitelkeit mit unter ihre Eigenschaften aufnimmst, denn sie scheinen sich über den Strom zu beugen, um in den durchsichtigen Spiegel hineinschauen und sich bewundern zu dürfen.“

„Sehr gut gesagt für einen Seemann. Es war mir ganz unbekannt, daß man im Cockpit eine so gewählte Sprache führt“, erwiderte die junge Dame.

„Dort vielleicht nicht“, antwortete Alfred, „aber wenn Seeleute sich in Damengesellschaft befinden, werden sie durch die Gemeinschaft verfeinert.“

„Nun, ich muß dir zugestehen, Alfred, daß du dich ein gutes Teil abgeschliffen hast, nachdem du dich einen Monat am Lande befindest.“

„Danke bestens, Base Emma, selbst für dies geringe Zugeständnis“, versetzte Alfred lachend.

Die Unterhaltung wurde allgemein, bis die Boote am Ufer des Flusses befestigt wurden, während die Leute ihr Mittagsessen einnahmen, das vor ihrer Abfahrt in Quebec bereitet worden war. Nach einer Ruhepause von zwei Stunden fuhren sie weiter und erreichten bei Anbruch der Nacht St. Anna, wo sie alles zu ihrer Aufnahme eingerichtet fanden. Obgleich ihre Betten aus den Blättern des Mais bestanden, waren alle so müde, daß sie sich ganz behaglich fühlten. Martin Super, der sich mit den beiden jüngsten Knaben in einem anderen Boote befunden hatte, war sehr besorgt für die Bequemlichkeit der Damen. Die Herzen der Knaben schien er völlig durch die Geschichten, mit denen er sie den Tag über unterhalten hatte, erobert zu haben. Bald nach ihrer Einschiffung wurde von Hauptmann Sinclair der Name Pontiac erwähnt, worauf Mrs. Campbell bemerkte: „Unser Diener Super nannte diesen Namen schon einmal. Ich muß gestehen, daß ich von Indianer-Angelegenheiten nichts weiß; mir ist nur bekannt, daß Pontiac ein Indianerhäuptling war. Können Sie, Hauptmann Sinclair, uns einige Auskunft über diese Persönlichkeit geben?“

„Es wird mir ein Vergnügen sein, Mrs. Campbell. Pontiac war Häuptling aller Indinanerstämme in der Nähe des Sees, sein besonderer Stamm war der der Ottawas. Er herrschte zu jener Zeit, als Kanada von Frankreich an uns abgetreten wurde. Anfangs benahm er sich, obwohl er sehr stolz und hochmütig war, und die Würde der Oberherrschaft für sich beanspruchte, gegen die Engländer sehr höflich.

Es ist Ihnen vielleicht bekannt, daß die Franzosen an den wichtigsten Plätzen und in der Nähe der Seen Forts erbaut haben, die von unseren Truppen besetzt wurden, um die Indianer unter Kontrolle zu halten.

Alle diese Forts sind alleinstehend, und zwischen ihnen ist selten eine Verbindung. Im Jahre 1763 zeigte sich Pontiac feindselig gegen uns und ließ erkennen, daß er uns von den Seen vertreiben wolle. Er war ebenso verschlagen wie tapfer und verriet für einen Indianer mehr Feldherrngeschick, als man hätte erwarten sollen. Sein Operationsplan war, alle unsere Forts gleichzeitig zu überfallen; seine Vorkehrungen waren so vortrefflich, daß es ihm in fünfzehn Tagen gelang, alle bis auf drei, in seinen Besitz zu bringen.“

„Wurde die Besatzung niedergemetzelt, Hauptmann Sinclair?“ fragte Alfred.

„Der größte Teil, nur einige wurden geschont und später gegen hohen Preis ausgeliefert. Ich hätte einen seltsamen Umstand erwähnen sollen, der beweist, wie sehr dieser Häuptling den übrigen Indianern voraus war. Er gab nämlich zu dieser Zeit Wechsel aus, die aus Baumrindenstreifen bestanden und mit seinem Totem, der Otter, unterzeichnet waren. Diese wurden später alle angenommen und bezahlt, was in der zivilisierten Welt nicht immer zu geschehen pflegt.“

„Aber wie gelang es nur diesem Pontiac, alle Forts zu überfallen?“ fragte Mrs. Campbell.

„Beinahe alle wurden durch eine List gewonnen. Die Indianer sind begeistert für ein Spiel, das sie ‚Baggatiway‘ nennen und bei dem sie außerordentliche Geschicklichkeit zeigen; dasselbe wird mit einem Ball und einer Art Rackel gespielt, an welchem sich ein langer Handgriff befindet. Die Spielenden teilen sich in zwei Parteien, von denen jede sich bemüht, den Ball innerhalb der von ihnen abgesteckten Grenzen zu bringen. Mehrere hundert Menschen sind bisweilen auf beiden Seiten beteiligt; die Europäer lieben es sehr, die Behendigkeit zu beobachten, welche die Indianer hierbei beweisen, so daß letztere häufig gebeten wurden, es zu beginnen, wenn sie sich in der Nähe der Forts befanden. Hierauf baute Pontiac seinen Plan, der darin bestand, daß die Indianer das Ballspiel unterhalb der Forts anfangen und den Ball in das Fort schlagen sollten. Natürlich mußten dann einige hineingehen, um ihn zu holen; und nachdem dies zwei- bis dreimal geschehen war — worauf das Spiel, um keinen Verdacht zu erregen, stets von neuem fortgesetzt wurde — sollte der Ball nochmals hineingeworfen werden, und ein plötzlicher Anlauf gegen die Tore folgen. Waren dann alle Indianer darin, so sollten sie ihre verborgen gehaltenen Waffen ziehen und die ahnungslose Besatzung überwältigen.“

„Das war eine sehr scharfsinnig erdachte List“, bemerkte Mrs. Campbell.

„Die auch von Erfolg war, außer bei drei Forts. Eins derselben, dessen Angriff Pontiac selbst leitete, war Detroit, bei welchem mein Onkel in Garnison stand; doch hier mißlang es infolge eines seltsamen Umstandes.“

„Bitte, erzählen Sie, Hauptmann Sinclair“, rief Emma.

„Das Fort Detroit war mit etwa dreihundert Mann besetzt, als Pontiac mit einer großen Indianerstreitmacht anlangte und unter den Wällen lagerte. Er hatte seine Krieger so mit Frauen und Kindern vermischt und so viele Gegenstände zum Verhandeln mitgebracht, daß kein Verdacht erregt wurde. Die Besatzung hatte von der Eroberung der andern Forts noch nichts erfahren. Major Gladwin, der das Fort befehligte, wurde zwar auf die ungewöhnlich große Menge der Indianer aufmerksam, doch schöpfte er keinen Argwohn. Pontiac schickte eine Botschaft an den Major, daß er eine Unterredung mit ihm wünsche, um die Freundschaft zwischen den Indianern und Engländern zu besiegeln; hierin willigte der Major ein und bestimmte den folgenden Tag dazu, Pontiac und seine Häuptlinge im Fort zu empfangen. Nun hatte Major Gladwin damals einer Indianerfrau aufgetragen, ihm ein Paar indianische Schuhe aus Elenfell zu machen. Als die Indianerin ihm die Mokassins brachte, war er so zufrieden, daß er ein zweites Paar bestellte und ihr zu behalten erlaubte, was von der Haut nicht mehr gebraucht würde. Als die Frau den Auftrag erhalten hatte, verließ sie den Major, doch anstatt sich aus dem Fort zu begeben, schlenderte sie herum, bis man sie nach dem Grunde ihres Verweilens fragte. Sie versetzte, daß sie das Fell zurückgeben wolle, da es einen so hohen Wert besitze. Ihr Benehmen mußte befremden, und man stellte sie zur Rede, worauf sie erklärte, daß, wenn sie das Fell mit sich nähme, sie niemals imstande sein werde, es zurückzugeben.

Als dem Major diese Reden hinterbracht wurden, ließ er die Frau vor sich führen und merkte bald, daß sie ihm etwas mitteilen wolle, die Furcht ihr aber den Mund verschließe. Als er ernstlich in sie drang, und ihr seinen Schutz versprach, erzählte sie Major Gladwin, daß Pontiac und seine Häuptlinge die Unterredung als Vorwand benutzen wollten, um ins Fort zu gelangen; sie hätten den Lauf ihrer Büchsen verkürzt, um diese unter ihren Decken verbergen zu können, und es wäre ihre Absicht, auf ein von Pontiac gegebenes Zeichen Major Gladwin und alle bei der Verhandlung anwesenden Offiziere zu ermorden, während die anderen Krieger, die auch mit versteckten Waffen unter dem Scheine, etwas verkaufen zu wollen, in das Fort kommen würden, die Besatzung angreifen sollten.

Nachdem Major Gladwin dies erfahren, setzte er das Fort in Verteidigungszustand und traf alle Vorsichtsmaßregeln.

Gegen zehn Uhr erschien Pontiac mit seinen sechsunddreißig Häuptlingen und einem Gefolge von Kriegsleuten zu der Besprechung im Fort, wo man sie mit großer Höflichkeit empfing. Pontiac hielt seine Ansprache, und als er vortrat, zogen der Major und seine Offiziere ihre Degen aus der Scheide, während die Truppen mit geladenen Musketen und gezückten Bajonetten im Verhandlungszimmer erschienen — bereit zum Angriff. Pontiac erbleichte ungeachtet seiner Tapferkeit; er sah sich durchschaut und, um eine Entdeckung zu vermeiden, beendete er seine Rede, indem er wiederholt seine Hochachtung vor den Engländern beteuerte. Hierauf erhob sich Major Gladwin und sagte ihm, daß er seinen Anschlag und seine mörderischen Absichten kenne. Pontiac leugnete, doch Major Gladwin schritt auf den Häuptling zu, schlug seine Decke zurück und zog die kurzgeschnittene Büchse heraus. Major Gladwin befahl Pontiac, das Fort zu verlassen. Pontiac und seine Häuptlinge beeilten sich, aus den Toren zu gelangen.“

„War es denn klug von Major Gladwin, Pontiac und seinen Häuptlingen den Abzug zu gestatten, nachdem sie mit der Absicht, ihn und seine Leute zu ermorden, ins Fort gekommen waren?“ fragte Henry. „Hätte sie nicht der Major mit vollem Recht gefangen nehmen können?“

„Er hätte es können, und mein Onkel dachte ebenso, aber Major Gladwin sagte, er habe ihnen, ehe er die Verschwörung ahnte, Schutz und sicheres Geleit herein und hinaus zugesichert, und da er ein Versprechen geleistet habe, gestatte es seine Ehre nicht, dasselbe zu brechen.“

„Wenn der Major einen Fehler machte“, bemerkte Alfred, „so hat er ihn auf rechtliche Weise begangen. Ich glaube, er war zu gewissenhaft, ich an seiner Stelle hätte einige Häuptlinge, wenn auch nicht Pontiac selbst, als Bürgen in Gewahrsam behalten.“

„Die Erfahrung lehrte, daß Major Gladwin weise gehandelt hätte, wenn er so verfahren wäre; denn am nächsten Tag machte Pontiac einen Angriff auf das Fort, doch der Ansturm mißglückte. Hierauf umzingelte Pontiac das Fort, und schnitt alle Zufuhr ab, wodurch die Besatzung in große Not versetzt wurde. Doch ich muß hier abbrechen, denn wir sind jetzt in Trois Rivieres, wo wir über Nacht bleiben werden. Ich hoffe, Sie werden Ihr Unterkommen nicht allzu unbehaglich finden, Mrs. Campbell; wenn wir weiter gelangen, so fürchte ich, werden Sie noch mit Schlechterem vorlieb nehmen müssen.“

„O, wir sind gefaßt darauf, Hauptmannn Sinclair“, versetzte Mr. Campbell.

Die Boote wurden ans Ufer gezogen und die Gesellschaft begab sich an Land, um die Nacht in dem kleinen verschanzten Dorfe Trois Rivieres zuzubringen.

Die Ansiedler in Kanada

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