Читать книгу Die Ansiedler in Kanada - Фредерик Марриет - Страница 11
IX.
ОглавлениеBald nach sieben Uhr fanden sich unsere Freunde auf dem Walle der Festung zusammen und schauten auf die Landschaft. Vor ihnen zur Linken breitete sich der See, er lag in völliger Ruhe, und die kleinen Inseln, die sich in der Nähe des Ufers befanden, schienen in ihrem grünen Blätterschmuck über dem Wasser zu schweben. Im Westen erstreckten sich die zum Fort gehörigen Lichtungen, deren Hintergrund die fernen Wälder bildeten. Auf dem urbar gemachten Lande graste eine Herde Rinder durch einen Schlangenzaun abgegrenzt. Hier und dort erhob sich ein Blockhäuschen zum Schutze für die Tiere, und etwa eine halbe Meile entfernt befand sich ein kleines Fort, von hohen Palisaden umgeben, das als Zufluchtsort für die Viehhirten zur Zeit eines Überfalles dienen sollte. In der Nähe dieses Forts ergoß ein reißender Strom, der über die Ufer getreten war, seine Wasser in den See, nachdem er sich seinen Lauf durch das Gesträuch, Buchenwald und Ulmen gebahnt hatte, von denen er umsäumt war. Hell schien die Sonne — die Spechte flogen von Baum zu Baum; der geringelte Eisvogel schoß über dem fließenden Strome auf und nieder, und die zirpenden und kreischenden Stimmen verschiedener Vögel ließen sich von allen Seiten vernehmen.
„Ach, ist es hier nicht wundervoll“, rief Mrs. Campbell, „es kann gewiß kein so großes Ungemach sein, in einer Gegend zu leben, wie diese hier ist.“
„Wenn es immer so wäre, vielleicht nicht, Madam“, entgegnete Oberst Forster, der sich der Gesellschaft genähert hatte. „Aber Kanada im Monat Juni ist sehr verschieden von dem Kanada im Monat Januar. Ich muß einräumen, daß mir das Leben hier in diesem Fort, wo wir abgeschnitten von der Welt sind, eintönig erscheint, die Winter sind lang und streng, um unsere Geduld zu erschöpfen; aber der Soldat muß seine Pflicht tun, gleichviel ob unter der Tropensonne, oder in den hiesigen eisigen Wildnissen. Es kann kein sehr angenehmes Leben sein, wenn selbst die Mitteilung einer nahenden Gefahr für uns ein angenehmes Gefühl wird, der Erregung wegen, die sie verursacht.“
„Ich sprach Ihretwegen bereits mit Hauptmann Sinclair, Mr. Campbell. Ich glaube, daß Sie während des kurzen Sommers viel zu tun haben, um für den kommenden Winter gewappnet zu sein; mehr als Sie mit Ihren beschränkten Kräften leisten könnten. Es freut mich daher, daß meine Befehle vom Gouverneur mir gestatten, Ihnen Beistand zu leisten. Ich schlage vor, daß die Damen hier bleiben, während Sie mit der Hilfe, die ich Ihnen mitgeben kann, nach Ihrem Landbesitze weiterreisen und ihren Empfang vorbereiten.“
„Tausend Dank für Ihr gütiges Anerbieten, Oberst — aber nein, nein, wir gehen alle zusammen“, unterbrach ihn Mrs. Campbell; „wir können von Nutzen sein und bleiben in den Zelten, bis das Haus gebaut ist. Kein Wort weiter darüber, Oberst Forster, dies ist entschieden, obwohl ich Ihnen nochmals vielen Dank für die gütige Einladung sage.“
„Wenn es so steht, dann habe ich nur zu bemerken, daß ich Ihnen ein Arbeitskommando von zwölf Mann, die wir einige Wochen hindurch gut entbehren können, zur Hilfe schicken werde. Der Lohn der Leute wird Ihnen keine großen Ausgaben verursachen. Hauptmann Sinclair will den Befehl über sie übernehmen.“
„Vielen Dank“, erwiderte Mr. Campbell, „und da Sie meinten, daß wir keine Zeit zu verlieren haben, wollen wir mit Ihrer Erlaubnis morgen früh aufbrechen.“
„Ich will es Ihnen nicht abreden“, entgegnete der Oberst, „obwohl ich hoffte, ein wenig länger das Vergnügen Ihrer Gesellschaft genießen zu dürfen. Sie wissen, daß ich den Befehl habe, Sie zu billigem Preise mit Rindern aus unserem Viehstande zu versorgen. Ich brauche daher wohl kaum zu sagen, daß die Auswahl in Ihrem Belieben steht.“
„Und ich“, sagte Hauptmann Sinclair, der sich inzwischen mit Mary Percival unterhalten hatte, „habe für Sie unter meinen Kameraden eine Sammlung veranstaltet, die Sie nützlich, ja ich darf sagen, durchaus notwendig finden werden.“
„Was kann das sein, Hauptmann Sinclair?“ fragte Mrs. Campbell.
„Eine Kollektion von Hunden aller Arten. Ich habe deren fünf; wenn sie auch nicht schön sind, so werden Sie sehen, daß sie mit dem Lande vertraut sind und ihre Pflicht erfüllen werden. Ich habe einen Wachtelhund, eine Bulldogge, zwei Dachshunde und einen großen Jagdhund — alle sind mutig und bereit, Catamounts, Wölfe, Luchse, ja selbst Bären anzugreifen.“
„Das ist ein höchst wertvolles Geschenk“, entgegnete Mr. Campbell, „und ich spreche Ihnen unseren aufrichtigsten Dank aus.“
Die Aufforderung, zum Frühstück zu kommen, machte dem Gespräch ein Ende.
Den Tag über waren Henry und Alfred mit Hauptmann Sinclair und Martin Super beschäftigt, zwei Kähne mit den Vorräten zu beladen. Mr. und Mrs. Campbell waren tätig, die Sachen auszuwählen, welche sie nach ihrer Ankunft auf ihrem Besitztum gebrauchten. Sehr ermüdet, begaben sie sich frühzeitig zu Bett, um am nächsten Tage frisch zu sein. Nach dem Frühstück verabschiedeten sie sich von dem Kommandanten und den Offizieren und gingen dann zum Ufer des Sees, wo sie mit Hauptmann Sinclair das Boot bestiegen. Martin Super, Alfred und Henry gingen mit den fünf Hunden an Bord der beiden Kähne, die mit dem Korporal und zwölf Soldaten bemannt waren. Das Wetter war wundervoll und in bester Stimmung fuhren sie ab. Die Entfernung zu Wasser betrug drei Meilen, obwohl es zu Lande beinahe fünf waren, und nach einer halben Stunde erreichten sie die Bucht, an welche ihr Eigentum grenzte.
„Hier ist Ihre künftige Wohnstätte“, sagte Hauptmann Sinclair. „Sie sehen doch den Punkt, wo jener Bach zum See hinabläuft? Das ist Ihre östliche Grenze; das jenseitige Land gehört dem alten Jäger. Sie können seine Blockhütte erkennen, die kaum größer als eine Indianerwohnung ist, und Sie sehen das von einem Zaun umgebene Fleckchen türkischen Weizens. Er scheint keinerlei Vieh zu halten, es sei denn, daß dasselbe in den Busch gegangen ist. Mir ist aber, als erzählten unsere Leute, er lebe ganz von der Jagd und habe eine Indianerin zur Frau.“
„Nun“, sagte Emma Percival lachend, „auf weibliche Gesellschaft haben wir gar nicht gerechnet. Wie heißt denn der Mann?“
„Malachi Bone“, entgegnete Hauptmann Sinclair, „vermutlich erwarten Sie von Missis Bone, daß sie Ihnen zuerst einen Besuch macht.“
„Das muß sie tun, wenn sie die feine Sitte der Gesellschaft kennt“, entgegnete Emma, „doch wenn sie es unterläßt, so werde ich das Zeremoniell beiseite lassen, und zu ihr gehen. Ich bin neugierig, die Bekanntschaft einer indianischen Squaw zu machen.“
„Ohne die Frau gesehen zu haben, kann ich Ihnen versichern, daß Sie sie völlig wohlerzogen finden werden. Alle Indianerfrauen sind es; ihre Charaktere sind eine Mischung von Unbefangenheit und Zurückhaltung. — Wendet die Spitze des Bootes mehr nach rechts, Selby, wir wollen dicht neben dem kleinen Hügel dort landen.“
Das Boot war den beiden Kähnen eine Strecke vorausgeeilt. Bald darauf standen alle auf dem Hügel, um ihr neues Eigentum zu überblicken. Etwa dreißig Morgen am Ufer des Sees waren eine Wiese mit kurzem, schönem Grase. Das daranstoßende Land war etwa dreihundert Yards weit mit Buschholz bestanden; dahinter erhob sich die dunkle, undurchdringliche Front des Hochwaldes, der die Landschaft begrenzte. Das Besitztum des alten Jägers auf der anderen Seite des Baches bestand aus einer gleichen Strecke Wiesenlandes.
„Nun“, sagte Martin Super, sobald er nach Ankunft der Kähne die Gesellschaft auf dem Hügel erreicht hatte, „ich denke, Sie können zufrieden sein, das Stück Wiese zu besitzen. Wir würden nicht wenige Axtschläge gebraucht haben, um aus einem Walde eine solche Strecke zu lichten. Das ist ein Vermögen wert für einen neuen Ansiedler.“
„Das meine ich auch, Martin“, sagte Mr. Campbell.
„Nun Sir, heißt’s ans Werk gehen, denn jeder Tag ist ein Tag, und keiner darf verloren werden. Ich werde mit fünf bis sechs Leuten, die eine Axt führen können, in den Wald gehen und mit dem Niederschlagen anfangen; Sie und der Hauptmann Sinclair bleiben hier und entschließen sich, wo das Haus stehen soll. Die anderen Soldaten sollen die Zelte fertig machen, denn vor dem nächsten Vollmond können Sie nicht erwarten, ein Haus über Ihren Köpfen zu haben.“
Schon nach einer Viertelstunde waren alle in Bewegung. Henry und Alfred folgten mit ihren Äxten Martin Super, während Hauptmann Sinclair und Mr. Campbell den Boden prüften, um eine geeignete Stelle zur Errichtung des Hauses auszuwählen. Mrs. Campbell blieb auf dem Hügel sitzen und beobachtete das Ausladen der Pakete; Percival brachte ihr nach ihrer Weisung die Sachen herbei, die sofort gebraucht wurden. Mary und Emma gingen, da man sie mit keiner Arbeit betraut hatte, in Johns Begleitung am Ufer des Flusses dem Walde zu.
„Hätte ich doch meinen Kasten hier!“ rief John.
„Wozu möchtest du deinen Kasten haben?“ fragte Mary.
„Wegen der Angelhaken, die darin sind“, entgegnete John.
„Weshalb? Siehst du denn Fische in dem Flüßchen?“ fragte Emma.
„Ja“, versetzte John.
Mary und Emma folgten ihm, indem sie hin und wieder Blumen pflückten, holten ihn jedoch ein, da er stehen blieb und auf eine Gestalt deutete, die am andern Ufer des Flusses stand. Die jungen Mädchen fuhren zurück, als sie einen großen, hageren, mit Tierhäuten bekleideten Mann erblickten, der sich auf eine lange Flinte stützte, während seine Augen auf sie gerichtet waren. Sein Antlitz war wettergebräunt und so dunkel, daß es sich schwer sagen ließ, ob er der Indianerrasse angehöre oder nicht.
„Es muß ein Jäger sein, Emma“, sagte Mary Percival, „er ist nicht wie die Indianer gekleidet, die wir in Quebec sahen.“
„Das muß er sein“, entgegnete Emma. „Ob er sprechen wird?“
„Wir wollen stehen bleiben und sehen“, meinte Mary.
Sie warteten, aber der Mann schwieg und verharrte in seiner Stellung. „Ich werde ihn anreden“, sagte Emma endlich.
„Guter Mann, Sie sind Malachi Bone, nicht wahr?“
„So ist mein Name“, antwortete der Jäger mit tiefer Stimme. „Wer aber sind Sie, und was haben Sie hier zu tun? Wird hier von der Festung aus ein Possen getrieben oder was sonst führt diese Störung herbei?“
„Störung! Wieso? Wir machen nicht viel Lärm, und es ist kein Spaß, daß wir hierhergekommen sind. Wir wollen uns hier ansiedeln und werden Ihre Nachbarn sein.“
„Hier ansiedeln? Was meinen Sie damit, junges Frauenzimmer? Sie doch sicherlich nicht.“
„Doch, freilich. Kennen Sie nicht Martin Super, den Pelzjäger? Der ist bei uns und schon im Walde, um alles zum Hausbau vorzubereiten.“
„Weißt du, Mary“, sagte Emma leise zu ihrer Schwester, „ich fürchte mich beinahe vor dem Manne, obgleich ich so dreist mit ihm spreche.“
„Martin Super, ja den kenne ich“, entgegnete der Jäger, nahm ohne Gruß seine Flinte unter die Achsel, wandte sich um und schritt in der Richtung seiner Hütte von dannen.
„Nun“, bemerkte Emma, während sie mit ihren Blicken die Gestalt des Jägers verfolgte, „der alte Herr ist nicht übermäßig höflich. Wollen wir nicht umkehren und unser erstes Abenteuer erzählen?“
„Laß uns dorthin gehen, wo Alfred und Martin Super arbeiten und es ihnen erzählen“, entgegnete Mary.
Bald erreichten sie die Stelle, wo die Männer die Bäume fällten, und teilten Alfred und Martin ihr Erlebnis mit.
„Er ist böse“, bemerkte Martin, „ich dachte es mir schon. Nun, wenn es ihm nicht paßt, mag er sich anderswo niederlassen.“
„Warum meinen Sie, daß er sich anderswo niederlassen sollte?“
„Ich meine, Miß, wenn er Gesellschaft in der Nähe nicht liebt, so muß er fortziehen und sein Wigwam weiter ab aufbauen.“
„Warum sollte er keine Gesellschaft lieben? Ich meine, es müsse doch angenehmer als die Einsamkeit sein.“
„Das mögen Sie denken, Miß, aber Malachi Bone denkt anders. Ein Mensch, der sein ganzes Leben in den Wäldern verbracht hat, immer allein war, mit wachendem Auge und lauschendem Ohr auf jeden Laut merkte, selbst wenn er nur durch einen brechenden Zweig, oder ein fallendes Blatt entstand, der selbst im Schlafe noch den Finger auf dem Büchsenlauf und das Auge halb geöffnet hielt, gewöhnt sich daran, keine Gesellschaft außer der eigenen zu haben. Denkt nur, Miß, wenn ein Mensch vielleicht monatelang kein Wort gesprochen hat, so ist ihm das Reden eine Last, und wenn er monatelang kein Wort vernommen hat, ist das Zuhören ebenso schlimm. Es ist alles Gewohnheit, Miß, und Malachi liebt keine Gesellschaft, darum läuft er fort und ist ärgerlich. Ich will heute abend nach der Arbeit zu ihm gehen.“
„Aber, er hat doch eine Frau, Martin, nicht wahr?“
„Sie ist eine Indianerin, Mister Alfred, und Indianerfrauen sprechen nicht, außer wenn sie angeredet werden.“
„Welch ein Vorzug“, rief Alfred lachend. „Ich glaube wirklich, daß ich mich nach einer indianischen Gattin umsehen werde, Emma.“
„Das halte ich auch für das beste“, versetzte Emma; „du bist dann sicher, ein ruhiges Haus zu haben — sobald du nicht darin bist. — Und wenn du heimkehrst, kannst du dich mit dir selbst unterhalten, das liebst du ja. Komm, Mary, wir wollen ihn verlassen, damit er von seiner Squaw träumen kann.“
Vor Einbruch der Nacht waren viele Bäume gefällt und lagen bereit, um auseindergesägt zu werden. Die Zelte waren aufgepflanzt. Diejenigen für die Familie Campbell auf dem Hügel, jene für Hauptmann Sinclair und die Soldaten etwa hundert Yards entfernt. Die Feuer wurden angezündet, und Martin und Mrs. Campbell bereiteten mit Hilfe der jungen Mädchen und der Knaben ein warmes Abendessen. Alle zogen sich frühzeitig zur Ruhe zurück. Hauptmann Sinclair hatte einen Mann als Schildwache postiert, und die Hunde waren an verschiedenen Plätzen angebunden worden, um Alarm zu schlagen, sobald Gefahr drohe; letzteres war jedoch nicht zu befürchten, da sich die Indianer in der Nachbarschaft des Forts seit geraumer Zeit ruhig verhalten hatten.