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Kapitel 10
Freitag, 6. Juni im deutschen Quartier

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In dem Quartier der deutschen Nationalmannschaft war für alles gesorgt. Es sollte der Fußballelite an nichts fehlen. Auf Wunsch der Nationalspieler waren sogar drei Tischtennisplatten eingetroffen, obwohl dieses Spiel in Brasilien so beliebt war wie warmes Bier in Deutschland. Am Nachmittag waren die Tischtennisplatten verwaist. Die Fußballer trafen nach ihrem Trainingslager in Mexiko erst am Dienstag auf der abgeschotteten Anlage ein. Einige Fußballfunktionäre spielten Tennis auf den drei Plätzen, die sich auf dem weitläufigen Areal der Ferienanlage befanden. Einer der besten Golfplätze Brasiliens lag nur wenige Kilometer von der luxoriösen Unterkunft entfernt, und eine Gruppe von Fußballfunktionären war dorthin aufgebrochen. Auch der katholische Kollege hatte es geschafft in den erlauchten Kreis aufgenommen zu werden. Forte war dieses Anbiedern zuwider. Nun stand er mit seinem roten Tischtennisschläger und einer Packung neuer Bälle hinter dem Swimmingpool und lauerte auf einen Mitspieler.

Vor fünf Minuten war Barbara Schuster vorbeigelaufen. Forte hatte sich schnell auf eine Liege gelegt und schlafend gestellt, um einem Spiel mit ihr auszuweichen. Die drahtige Frau spielte ziemlich schlecht Tischtennis. Forte hatte einfach keine Lust auf Ping Pong und blöde Gespräche.

„Haben Sie Lust auf ein Match? Oder wollen Sie sich ausruhen?“

Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor. Forte rieb sich die Augen und blickte in das Gesicht des Mannschaftsarztes.

„Ich habe schon einige Zeit nicht mehr gespielt“, sagte der Arzt lächelnd, „aber früher war ich ganz gut darin. Haben Sie noch einen Schläger?“

„Aber klar doch. Spielen wir uns ein?“

Die 72 Jahre sah man dem Mediziner nicht an. In der Realität wirkte er nicht ganz so jung wie im Fernsehen. Der Mannschaftsarzt war ein Angriffsspieler. Seine Schmetterbälle gingen zunächst deutlich an der Platte vorbei und Forte musste sich oft bücken. Mit zunehmender Spieldauer wurde sein Gegenüber ein gleichwertiger Partner. Schweiß lief Forte den Rücken herunter. Sein Körper hatte sich noch nicht an die subtropischen Verhältnisse in Porto Seguro gewöhnt

Nach dem umkämpften Match, das der Seelsorger in drei Sätzen gewann, tranken sie ein Glas Wasser und einen Espresso zusammen.

„Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen“, sagte der Arzt unvermittelt. „Damals habe ich lieber Tischtennis als Fußball gespielt.“

„Im Predigerseminar war die Tischtennisplatte manchmal wichtiger als langweilige Vorträge. Mit meinem Freund Richard habe ich in der Mittagspause immer gespielt.“ Forte verschwieg, dass sie später sogar einmal um Beerdigungen spielten. „Ich wundere mich, dass Sie nicht bei der Mannschaft in Mexiko sind.“

„Ich bin erst heute um die Mittagszeit eingetroffen. Dort in Mittelamerika war mit der Mannschaft alles in Ordnung. Nur bei Khedira gibt es noch ein Fragezeichen.“ Der Arzt schaute auf den Atlantik. „Haben Sie eigentlich davon gehört, dass der WM-Pokal verschwunden ist? Stellen Sie sich vor, wir Deutschen gewinnen endlich die Weltmeisterschaft und dann gibt es gar keinen Pokal.“ Der Arzt lachte.

„Woher haben Sie die Nachricht?“

„Es ist ein Gerücht unter Funktionären. Der Franz hat es mir heute beim Mittagessen erzählt.“

„Und der hat es von Platini“, scherzte Forte.

„Sogar vom Oberboss persönlich. Doch bei dem Schweizer weiß man manchmal nicht, ob er es ernst meint oder einen Jux macht. Sehen wir uns später beim Abendessen? Danke fürs Spiel.“ Er reichte Forte die Hand.

Nachdenklich ging der Seelsorger in sein Zimmer. Er stellte sich unter die Dusche. Dann fuhr er sein Laptop hoch und schaute im Postfach nach E-Mails. Samuel schickte ihm ein Foto vom letzten Training. Er schaute auf die Uhr. 17:10 Uhr, das hieß in Deutschland war es nun 22:10 Uhr. Er meldete sich bei Sabine über Skype. Doch sie war nicht online. Vielleicht war sie mit einer Freundin im Kino und hatte die Kinder zu seinen Eltern gebracht. In Shorts setzte er sich an den Schreibtisch.

Noch eineinhalb Stunden bis zum Abendessen um 19 Uhr. Er überlegte, was er nächste Woche bei der kleinen Andacht sagen konnte. Einmal die Woche gab es eine Andacht im deutschen Quartier. Das hatte sich der Fußballpräsident so gewünscht. Durch das offene Fenster hörte er den Atlantik rauschen. An dieses Geräusch musste er sich in der Ferienanlage gewöhnen. Er freute sich schon auf die Anreise der Nationalspieler. Dann sollte ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert werden. Er nahm seine Bibel und suchte nach der Stelle im 1. Korintherbrief, in der Paulus das Leben der Christen mit einem Wettkampf verglich. Auf einem Zettel notierte sich Forte ein paar Stichworte. Er war nicht bei der Sache.

Immer wieder musste er an den Umschlag denken. Der Mann hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Sollte er ihn aufbewahren oder der Polizei geben? War der Fremde ein Verbrecher oder ein unschuldiges Opfer? Mit wem konnte er darüber sprechen? Vielleicht sollte er sich mit dem Sicherheitschef Hans-Joachim Klein in Verbindung setzten. Er holte den weißen Umschlag aus der Schreibtischschublade heraus und wog ihn in der Hand. Seine Neugierde siegte. Forte holte aus seinem Koffer sein Schweizer Taschenmesser und öffnete den Umschlag. In ihm befand sich ein weiterer zusammengefalteter grauer Umschlag. Als er diesen öffnete fiel ein Schlüssel heraus und ein kleines weißes Blatt Papier, das aus einem Notizblock stammte. Der Schlüssel konnte zu einem Bankfach gehören oder einem Tresor. Auf dem Zettel befanden sich in vier Reihen Buchstaben und Zahlen. Die Schrift war schwer zu lesen. Forte nahm ein Blatt Papier und notierte sich, die vier Zeilen:

AP118

MA718

ZA117

EF623

Forte grübelte. Es war eine Botschaft. Aber für wen? Und was sollte es bedeuten? Und was war mit dem Schlüssel? So viel er auch überlegte, er fand keine Lösung. Sein Magen rumorte. In einer halben Stunde gab es Abendessen.

Gol

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