Читать книгу Tod im Salz - G. T. Selzer - Страница 12
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ОглавлениеWeit, ganz weit entfernt dröhnte ein plärrendes, gellendes Geräusch in sein Ohr. Merkwürdigerweise war es schrillend laut und unendlich fern zugleich. Und es hörte nicht auf.
Stöhnend drehte sich Paul Langer herum und zog das Kissen über die Ohren.
Jetzt kam etwas anderes hinzu: eine laute Stimme, die er kannte. Sie schrie.
Langer kroch unter die Decke. Im nächsten Moment saß er senkrecht im Bett und hielt sich augenblicklich mit einem Schmerzenslaut den Kopf. Herrgott, das tat weh. Sein Gehirn war zu einer amorphen Masse mutiert, die ziellos zwischen der Schädeldecke hin- und herschwappte. Doch er hatte die Stimme erkannt. Erschrocken riss er die Augen auf.
Gerda?
„Warum verdammt noch mal gehst du denn nicht ans Telefon!? Es steht doch direkt neben dir!“
Sie stand dicht vor ihm am Bett und griff nach dem Telefonhörer auf dem Nachttisch. Nachlässig hatte sie ein Badetuch um sich geschlungen und war gerade im Begriff, einen ordentlichen See auf dem Bettvorleger zu hinterlassen.
„Ja?“ grollte sie ungehalten in den Hörer. Wortlos drückte sie ihn Langer an die Brust und stapfte wieder ins Bad.
Langer starrte auf den Apparat und versuchte krampfhaft, wenigstens einiger seiner Sinne Herr zu werden. Ein Blick auf den Radiowecker sagte ihm, dass es zehn Uhr war. Es musste Sonntag sein. Und gestern Abend …
„Hallo? Hallo?“ Eine quäkende Stimme schallte ihm entgegen. Vorsichtig hob er den Hörer ans Ohr und sofort wieder einen halben Meter weiter weg.
„Paul? Paul, bist du da?“
„Ja?“ Ein Krächzen. Er räusperte sich. „Ja? Wer …? Susanne?“
„Paul …!“
„Susanne, bitte, sei so gut und schrei nicht so!“, flüsterte er. Herrschaftszeiten – wann hatte er jemals einen solchen Kater gehabt? Was hatten diese Dörfler ihm in den Schnaps getan?
Ein Schniefen kam durch den Apparat. „Paul, sie haben ihn gefunden.“
„Das ist gut. Äh – wen haben sie gefunden?“
„Jürgen!“
„Haben sie ihn denn gesucht?“
„Jürgen ist tot!“
Jetzt war er wach.
„Paul, bist du noch da? Hier ist alles voller Polizei. Was soll ich denn machen? Bitte kannst du kommen?“
„Warte mal.“
Er stand vorsichtig auf, tapste langsam und mühsam zum offenen Fenster, bewegte behutsam den Kopf hin und her und atmete tief die morgendliche Bergluft ein. Dann griff er wieder zum Telefonhörer und setzte sich aufs Bett.
„Also, jemand hat deinen Mann tot aufgefunden. Das tut mir leid, aber ich verstehe nicht ...“
„Sie sagen, er wurde umgebracht. Bitte, Paul“, das Schniefen war zum Schluchzen übergegangen. „Bitte komm hierher, du weißt doch, wie man mit denen umgehen muss.“
Keine Ahnung. Wie ging man mit ‚denen‘ um? Darüber hatte er sich noch nie Gedanken gemacht.
Gerda war – jetzt im trockenen und angezogenen Zustand – aus dem Bad getreten und sah ihn neugierig an. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel.
„Sie haben Jürgen Meister ermordet aufgefunden“, erklärte er ihr.
„Was?“ Erschrocken sank sie auf das Bett. „Die arme Susanne. Ach Gott!“
„Ich soll kommen.“ Unschlüssig zuckte er die Schultern. „Was soll ich denn jetzt machen?“
Resolut nahm sie ihm das Telefon aus der Hand. „Hallo Susanne. – Das tut mir so leid. – Wie furchtbar!“ Sie nickte etliche Male in den Hörer hinein. „Hör zu, Paul muss noch duschen und frühstücken, dann kommen wir, okay?“
„Danke, Gerda, danke. Ihr seid echte Freunde.“ Dann war die Leitung tot.
Langer starrte seine Frau an. „Was soll das! Ich bin im Urlaub!“
„Du sollst nicht ermitteln, du sollst den Tröster spielen. Und ich komme mit. Einmal wegen deines Restalkohols und vor allen Dingen, damit du nicht zu sehr in deiner Rolle aufgehst!“ Sie stand entschlossen auf.
„Wie meinst du das jetzt genau?“ Blinzelnd sah er zu ihr hoch.
„Nun komm schon, geh ins Bad.“