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KAPITEL 1

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LUCIAN


Nur langsam wagte ich einen Atemzug, bevor ich einen Schritt um den Baum machte. Ich umklammerte den Griff meines Bogens fester und spannte die Sehne, während der Pfeil zwischen meinen Fingern lag. Meine Augen schloss ich etwas, um meine Beute genauer ins Visier nehmen zu können. Ich hielt meinen Atem an, bevor ich noch einmal die Distanz der Beute zu mir abschätzte und die Sehne etwas mehr spannte.

Nur ein Versuch.

Der Pfeil zischte an meiner Wange vorbei und schoß durch den Wald, bis er das weiche Fleisch durchbohrte.

Getroffen.

Ich spannte den Bogen über meine linke Schulter und stapfte durch das nasse Moos, während sich einige Pfützen unter meinen Füssen bemerkbar machten. Es war schwierig, bei diesem nassen Boden sich an etwas anzuschleichen, aber wenigstens hatte ich Glück gehabt. Und wenn nicht, dann hätte mir Köchin Verona bestimmt eine ihrer tollen Suppen überlassen. Sie fand es ohnehin schon schlimm, dass ich es vorzog, alleine zu sein. Doch das war ich. Alleine.

König Friedrich von Grafenburg hatte mir eine Hütte gleich an der Schlossmauer überlassen, nachdem ich ihm und König Adelbrecht die Nachricht übermittelt hatte, dass ich angeblich Prinzessin Emilianda getötet hätte. Bis heute wusste niemand, dass ich ihr in Wahrheit bei ihrer Flucht geholfen hatte, und sie immer noch am Leben war.

Als ich die Beute erreichte und das weiße Fell mit rotem Blut verfärbt vor mir auf dem Boden liegen sah, aus deren Körper der Pfeil herausragte, dachte ich sofort an Emily. An damals, auf der Wiese, als sie einen weißen Hasen gefunden hatte. Auch dieser hatte rosafarbene Augen, doch anders als damals war der vor mir tot und würde mein Abendbrot werden.

Ich zog den Pfeil aus dem leblosen Kadaver und steckte ihn in meinen Köcher. Zusammen mit dem Hasen in der Hand machte ich mich auf den Rückweg zu meiner Hütte.

Mehr als drei Jahre war es her, seitdem ich Emily damals am Palast von König Elijah verlassen hatte. Doch es war kein Tag vergangen, an dem ich nicht an sie dachte. Wie es ihr wohl bisher ergangen war? Hatte sie vielleicht sogar einen Ehemann und Kinder? War sie glücklich? Dachte sie vielleicht auch an mich?

In Gedanken verloren, schüttelte ich den Kopf und hatte die Hoffnung, dass mein Verstand die Gedanken an Emily wieder verschwinden lassen würde. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen, sie zu verlassen. Eigentlich hatte ich auch gehofft, sie mittlerweile vergessen zu haben. Doch ihr Gesicht raubte mir meinen Schlaf und ich wusste, es würde bestimmt noch einige Jahre dauern, bis ich wirklich nicht mehr an sie dachte.

Einmal, nach dem Tod von König Harald von Petschora, hatten König Friedrich von Grafenburg Elijah und seine Frau zu sich eingeladen. Aber König Elijah war alleine erschienen und hatte erzählt, dass seine Frau hochschwanger sei und deshalb nicht mitkommen konnte. Doch ich wusste, wenn Gerda mitgekommen wäre, dass der König und die Königin sie erkannt hätten. Ich hätte zu gern König Elijah gefragt, wie es Emily geht. Doch das hätte zu viel Aufsehen erregt, wenn ich mich mit ihm unterhalten hätte. Nur einmal hatte er mich auf dem Hof des Schlosses gesehen und mir so leicht zugenickt, dass niemand sonst es hätte sehen können. Sein Auftreten war nicht mehr so entspannt gewesen wie damals, als ich ihn das erste Mal traf, sondern er kam mir stark und selbstbewusst vor. Eben ein wahrhaftiger König.

Ich erinnerte mich an die Worte, die er mir vor drei Jahren sagte: ‚Nur weil ich mächtig bin, muss ich nicht böse sein.‘ Hoffentlich würde das für immer so bleiben.

Glocken läuteten und unterbrachen meine Gedanken. Abrupt blieb ich stehen und sah zum Königsschloss, das in weniger Entfernung über den Wald hinausragte. Die Glocken kamen aus dem Schloss. Doch das konnte nur eines bedeuten.

„Verdammt!“, fluchte ich und war froh, dass ich alleine in diesem verlassenen Wald war. Seit Wochen hatte ich hier niemanden mehr angetroffen. Kein Wunder, denn seit das schwarze Fieber sich rasant im Land ausgebreitet hatte, blieben die Leute in ihren Dörfern und Häusern. Es hatte bereits hunderte Tote gegeben und vor drei Tagen erzählte mir Verona, das der König sich von seiner Frau und seinem Sohn fernhalten musste, da diese ebenfalls das schwarze Fieber hatten.

Das Läuten der Glocken konnte nur bedeuten, dass jemand aus der Königsfamilie verstorben war.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“

Mit großen Schritten eilte ich weiter zu meiner Hütte, um den Hasen dort abzulegen. Hunger hatte ich nun keinen mehr. Aber ich musste zu Verona. Ich musste wissen, wer tot war. War es die Königin? Oder der einzige Nachfolger des Königs?

Aber ich kannte König Friedrich von Grafenburg auch so gut, um zu wissen, dass er seine Frau und seinen Sohn nicht alleine gelassen hätte. Er hatte ihnen bestimmt ab und an einen Besuch abgestattet. Hatte er sich vielleicht selbst damit das schwarze Fieber geholt? War es vielleicht der König, dessen Tod in kürzester Zeit ein Bote ausrichten würde?

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