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KAPITEL 2
ОглавлениеLUCIAN
Keine Stunde später erreichte ich die Küche des Schlosses. Die Bediensteten eilten wild umher, während sie untereinander tuschelten.
Zwei junge Frauen schienen sich dadurch jedoch nicht abschrecken zu lassen, sondern sahen gespannt zu mir und kicherten. Albern. Sie wussten genau, wer ich war. Dass ich der königliche Occisor war, der angeblich die Prinzessin vor drei Jahren getötet hatte. Jeder im Schloss wusste es. Am Anfang kam ich mir tatsächlich etwas beschämt vor, obwohl ich doch schon so viele Menschen umgebracht hatte. Doch nach kurzer Zeit hatte ich mich daran gewöhnt, dass jeder mich als den Mann ansah, der die Prinzessin ermordet hatte. Es war mir egal, was sie von mir dachten.
Ich sah mich in der Küche um und hoffte, Verona zu finden. Doch sie war nirgendwo zu sehen.
Als ich wieder in den Flur trat, standen die zwei jungen Damen immer noch da und ließen ihre Blicke von oben bis unten an mir hinabgleiten.
Etwas genervt atmete ich tief ein, bevor ich auf sie zuging. Sofort lächelten beide mich an und stellten sich etwas aufrechter hin, sodass ihre offenen Dekolletés beinahe zu viel ihrer Weiblichkeit zeigten.
Für jeden anderen Mann wäre dies Anreiz genug gewesen, die Mädchen auszuführen. Doch für mich waren sie nichts mehr als eine Hilfe, wenn sie mir Informationen über den Aufenthalt von Verona geben konnten.
„Meine Damen“, begrüßte ich sie, ohne ein Lächeln an sie zu verschwenden. Ich sah, wie sie ihre Lippen spitzten und die Brünette sich sogar zwei Schritte auf mich zu wagte. „Habt ihr Verona, die Köchin, gesehen?“
„Ich glaube, sie wollte etwas aus dem Garten holen“, informierte mich die Brünette und kam noch einen Schritt näher auf mich zu, so dass sie mir schon gefährlich nahekam. „Sie kommt bestimmt erst später. Wenn du magst, verbringe ich gern die Zeit mit dir, bis sie wieder da ist“, sagte sie mit verführerischer Stimme und strich mit ihren Fingern über mein Hemd.
In meinen Gedanken verdrehte ich die Augen, sah sie jedoch nur kurz an und packte ihr Handgelenk etwas grober, als es hätte sein müssen. Sie zuckte zusammen und erschrak. Damit hatte sie wohl nicht gerechnet.
Langsam schob ich ihre Hand von meinem Hemd weg und ließ ihr Handgelenk los.
„Danke für eure Hilfe“, sagte ich kalt und drehte ihnen den Rücken zu.
Es war nicht verwunderlich, dass sich junge Mädchen immer mal wieder an mich heranwagten. Irgendwie kam es mir beinahe schon so vor, als hätten sie untereinander eine Wette abgeschlossen, wer den Occisor für sich gewinnen könnte.
Aber niemand würde das schaffen. Bisher hatte nur ein Mädchen es geschafft, einen Platz in meinem Herzen und an meiner Seite zu bekommen, und das ganz ohne intime Beziehung: Emily.
Niemand würde das erreichen, was Emily bei mir erreicht hatte. Niemand würde ihr je das Wasser reichen können.
Die einzige Frau, die ich teilweise in mein Leben ließ, war Verona. Doch sie war mehr wie eine Großmutter für mich. Vielleicht doch eher wie eine Tante, denn so alt war sie nun doch nicht. Sie war eine liebe und nette Frau, die sich gern um alle sorgte und immer für jeden da war.
Wenn ich ab und an am Abend in der Küche des Schlosses saß, dann hatte sie mir oft stundenlang von ihrem Leben erzählt, ohne dass sie erwartete, dass auch ich etwas sagte.
Sie respektierte mich. Akzeptierte, dass ich mein Leben und meine Gedanken für mich behielt.
Als ich beim Garten ankam, hielt ich kurz Ausschau, entdeckte sie jedoch hinter einigen Bohnenranken.
„Verona!“ Ich stapfte auf sie zu und sie lächelte mich sofort an. In aller Ruhe erntete sie die Bohnen und legte sie in ihren feingeflochtenen Korb.
„Lucian, du wolltest doch heute auf die Jagd gehen. Hast du denn nichts erwischt? Ich habe noch Suppe in der Küche für dich. Jedoch ist sie jetzt kalt.“
Ich schüttelte unfassbar den Kopf. Sie war die Ruhe in Person. Ein Mitglied der Königsfamilie war verstorben und sie schien sich keineswegs darüber Gedanken zu machen.
„Verona, sag, wer ist verstorben? Ich habe die Glocken bis in den Wald gehört! Die Bediensteten sind alle aufgeregt. Ist es die Königin?“ Ich wusste, dass Verona bereits wissen würde, wer gestorben war. Sie wusste manchmal von Dingen, wobei ich keine Ahnung hatte, woher sie diese erfuhr.
„Ach, Lucian.“ Sie legte die letzten Bohnen in den Korb und wischte ihre Hände an ihrer Schürze ab. „Das Leben ist so grausam und manchmal, manchmal bestraft es Menschen für die Dinge, die sie falsch gemacht haben.“
„Ich verstehe das nicht. Wovon sprichst du? Was ist geschehen?“
„Die Königin hat nur aus einem Grund gegen das schwarze Fieber gekämpft. Nämlich für die Liebe, die sie für ihren einzigen Sohn noch hatte. Am frühen Nachmittag hat sich das schwarze Fieber Prinz Benjamin in das Himmelreich geholt.“ Ich holte tief Luft. Doch nicht ihn! Er war doch noch ein Kind. Er sollte der nächste König werden! Die Königin war zu alt, um weitere Kinder zu gebären. Als ich Verona mit entsetztem Blick ansah, merkte ich, dass es nicht alles war, was sie mir erzählen würde. „Unsere Königin, sie ist ihm kurz danach gefolgt, nachdem sie erfahren hatte, dass er verstorben ist.“
„Bei den Göttern! Das darf doch nicht wahr sein! Was ist mit dem König? Ist er noch gesund?“ Meine Gedanken lagen momentan viel mehr bei Emily. Ihre Mutter und ihr kleiner Bruder waren gerade verstorben, und sie würde es vielleicht erst Jahre später erfahren. Sie würde sich nicht einmal verabschieden können.
„Dem König geht es gut. Er ist soweit nicht betroffen vom Fieber. Es gibt auch gute Neuigkeiten. Die Dörfer im Königreich haben schon seit einigen Wochen keine neuen Erkrankungen mehr gehabt. Es scheint, als würde das schwarze Fieber verschwinden. Vielleicht hat es nun das erreicht, was es erreichen wollte.“
Verona glaubte an das Schicksal und an Karma. Sie glaubte daran, dass jeder, der was Böses verrichtete, dieses auch eines Tages teuer bezahlen müsste. Sie dachte nun, da König Friedrich von Grafenburg seine eigene Tochter töten ließ, er nun seine Frau und seinen Sohn dafür geben musste.
Sie lächelte mich an, als ich mir Gedanken darüber machte, was wohl mein Schicksal sein würde bei all den Menschen, die durch mich ihr Leben verloren hatten.
„Ich glaube, bei dir ist es die Einsamkeit und deine Liebe, die das Karma dir entgegenhält. Sonst wärst du bei ihr.“
Überrascht sah ich sie an und mein Gesicht erstarrte. Was hatte sie gerade gesagt?
Sie schien meine unausgesprochene Frage zu erraten und machte einen Schritt auf mich zu.
„Glaubst du denn nicht, dass ich einen Mann erkenne, der an gebrochenem Herzen leidet? Es mag sein, dass du es vor all den anderen verheimlichen kannst. Aber nicht vor mir. Seit du zurückgekommen bist vor drei Jahren, da hat sich etwas bei dir verändert. Ich sehe es.“ Sie legte ihre linke Hand auf meinen Brustkorb, in Herzhöhe, und ich zuckte kurz zusammen, bevor sie leise weitersprach. „Dein Herz. Ich sehe, wie es gebrochen ist und sich nach der Liebe sehnt, die du auf der Reise verloren hast.“
Sie löste ihre Hand wieder von mir, wobei mein Gesicht immer mehr Kälte und Frust ausstrahlte.
„Was weißt du?“, fragte ich mit eiskalter Stimme, obwohl ich nicht so abweisend klingen wollte. Immerhin war es Verona, mit der ich hier sprach. Aber wenn sie wusste, dass es Prinzessin Emilianda war, an die ich meine Liebe verloren hatte, dann konnte es sowohl für mich wie auch für sie gefährlich werden. Aber was mir am meisten Sorgen bereitete, war, dass sie für Emily eine Gefahr darstellen könnte.
Das durfte ich keinesfalls zulassen. Auch wenn es Verona war.
Sie lachte kurz auf, schien sich jedoch nicht vor mir zu fürchten.
„Lucian, ich weiß nichts weiter, als das, was ich dir sagte, nämlich, dass ich einen Mann erkenne, der an gebrochenem Herzen leidet. Ich bin keine Hellseherin, weißt du?“
Ich atmete tief ein und mein Körper entspannte sich ein wenig.
„Nun, an manchen Tagen weiß ich nicht, ob es Hellsehen oder Hexerei ist, die dein Wissen so aufbaut.“
„Ach, du alter Charmeur“, lachte sie und hielt mir den Korb voller geernteter Bohnen hin. „Dann hilf gefälligst dieser alten Hexe einen Korb zu tragen und begleite mich in die Küche. Ich gebe dir deine Suppe.“
An manchen Tagen schaffte sie es tatsächlich, ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern.