Читать книгу Grüwig das Buch - Gabriela Beyeler - Страница 35

Dieter`s Wunsch nach Kanada zu reisen

Оглавление

Dieter wollte unbedingt noch vor der Geburt unseres Kindes nach Kanada. Ich hatte meine Bedenken, wegen des langen Fluges, schliesslich war ich im siebten Monat Schwanger. Dieter drohte, dass er allein ginge, mit oder ohne mich. Unter diesem Druck konnte ich mich durchringen und buchte mit. Ich telefonierte zuvor mit einem Heiler in Gossau und fragte ihn nach seiner Meinung wegen des Fluges. Er fragte mich, warum ich denn gehen wolle, wenn ich doch Angst hätte. Natürlich hatte er recht und trotzdem wollte ich diese Chance nicht vertun. Ich musste ihm ein Foto von mir schicken und so gab er seinen Segen. Als etwas später, Aepli`s Oma einen Schlaganfall erlitt und sie deswegen im Spital Flawil lag, kamen Helena und Silvia auf die Idee, diesem Heiler ein Foto von ihr zu bringen um sie zu retten. Ich beobachtete das Ganze mit Argwohn und gemischten Gefühlen, denn die Frau war schon sehr alt und ich dachte, dass man akzeptieren sollte, wenn sie gehen möchte. Der Heiler leistete gute Arbeit, wenn man so will und die Oma erholte sich einwenig. Sie war etwa im gleichen Zustand wie meine Oma damals, ausser das sie die verbleibenden Jahre im Rollstuhl verbrachte. Helena kochte für sie und fütterte sie auch. Wie mir auffiel, gab es mehr oder weniger immer das gleiche Essen für sie, Wienerli oder Fischstäbchen. Die liebenswürdige alte Frau wurde meiner Meinung nach vernachlässigt. Zur Unterhaltung stellte die Verwandtschaft einen Papagei in ihr Zimmer.

Wir flogen ohne Englischkenntnisse, abenteuerlustig und kühn nach Kanada. Zuvor beantragte Dieter wohl wissend eine VISA-Karte. Der Flug war ganz gut soweit, ausser das ich in der darauf folgenden Nacht, häufiger Drang zum Wasserlassen verspürte. Wir schliefen bei Irene zu Hause auf einer Luftmatratze, die wir jeden Abend erneut aufblasen mussten, weil sie undicht war. Am folgenden Morgen erwachte ich als erste, ging in das Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Plötzlich hörte ich eine Stimme direkt hinter mir: „Who are you?“ und ich erschrak, bemerkte dann doch schnell, dass das einer der Papageien war. Die ersten Tage verbrachten wir bei Irene und ihrer Familie. Simone war damals etwa 7 und Patrick ungefähr 5 Jahre alt. Willi war immer noch derselbe und auch Irene hatte wie erwähnt, immer noch ihre Papageien. Ein Graupapagei der Pedro hiess, machte schlechte Erfahrungen mit einer weiblichen Person. Irene erwarb ihn aus zweiter Hand. Als sein Herrchen starb, schaute dessen Schwester mit Widerwillen auf den Vogel und so entwickelte er einen Hass auf Frauen. Der Käfig wurde abends immer zugedeckt. Als ich etwas zu nah daneben sass, zwickte mich plötzlich etwas in den Oberarm. Es war Pedro, der mich durch die Decke hindurch in meinen Arm biss und so nutzte er jede Gelegenheit. Für uns ungewohnt war, dass man in Kanada keinen eigenen Rasenmäher hatte, sondern ins Auto sass, in das nicht ganz nahe gelegene Städtchen fuhr und einen mietete. Ähnlich verhielt es sich mit dem Brot. Irene fuhr eine gute Stunde mit dem Auto zum Schweizerbäcker und kaufte dort kiloweise Brot und fror es dann zu Hause, in der grossen Truhe ein. Dieter und ich konnten über Irene einen günstigen, orangefarbenen VW-Bus mieten und fuhren damit los, zu den Rocky Mountains. Am Tag unserer Abreise im Mai 1988, gaben die Kanadier im Radio die Info durch, dass es in den nächsten Tagen ein Erdbeben von so grossem Ausmass geben soll, dass die ganze Vancouver-Insel untergehen könnte. Irene hatte regelrecht Schiss und ich machte noch einen Witz darüber, von wegen, wenn wir von den Rockys zurückkommen und an der „Ferry“ dann das Schild „Vancouver Island“ durchgestrichen sehen, dann wissen wir, das es wahr geworden war. Sie fand diesen makabren Witz nicht so ulkig. Die erste Nacht im Bus verbrachten wir am Fusse der Rockys, auf einem Campingplatz. Während der Nacht mussten wir feststellen, dass unser Schlafplatz neben einer Zuglinie lag. Wir schliefen sehr schlecht. Ein Containerzug fuhr inmitten der Nacht vorbei und im Halbschlaf, hatte ich das Gefühl, als ob dieser niemals enden würde. Später filmten wir einen solchen Zug und ich kann sagen, die sind irre lang und fahren im Schneckentempo. Wir erlebten grandiose Tage auf dieser Fahrt. Natur pur, wenn man so will, einfach gigantisch. Dort kannst du tagelang fahren und du siehst keine Menschenseele. Wald, immer wieder Wald und nochmals Wald, die Berge, die Seen und nicht zu vergessen die wilden Tiere. Als wir in einen der Nationalparks einfahren wollten, standen wir vor einer geschlossenen Schranke. Ein Wächter in kanadischer Uniform kam aus seinem Häuschen und fragte uns auf englisch irgendetwas. Weil wir so gut wie nichts verstanden, verständigte er sich mit Händen und Füssen und so verstanden wir in etwa, was er wollte. Er hielt immer wieder unterschiedlich viele Finger hoch, mit fragendem Blick. Um ihn zu erlösen, nickten wir irgendwann und er notierte sich zufrieden etwas in seinem Buch. Er hob die Schranke hoch und wir konnten passieren und weiter fahren. Später realisierten wir, dass er uns bestimmt fragte, wie lange wir uns hier oben aufhalten wollten, wegen der Sicherheit und falls wir, aus was für Gründen auch immer, verschollen blieben. Wir fuhren aus einem Wald und plötzlich sah ich weiter vorne ein braunes Tier und als wir näher kamen, erkannte ich einen Elch. Ich ermahnte Dieter langsamer zu fahren, weil doch sonst das scheue Tier allzu schnell davon springen würde. Wir bestaunten einen in der Wildnis lebenden Elch! Bald bemerkten wir, dass da noch mehr waren, ja überall! Sie grasten friedlich wie bei uns die Kühe, einfach mit dem Unterschied, dass die Viecher es in freier Natur geniessen konnten. Tage danach sah ich einen Wolf, einige Meter vor uns am Waldrand. Mein Herz pochte aufgeregt! Wir fuhren parallel zu ihm, bis er dann allzu schnell zwischen den Bäumen, im Wald verschwand. Noch einige Tage später, sahen wir nun endlich den lang ersehnten Bären! Dieter fuhr an den Strassenrand, schnappte sich die Kamera und verliess den Bus und mich. Ich sah zu, wie er dem Bären folgte und im Wald verschwand! Ich blieb natürlich im Wagen und wunderte mich über so viel Mut, zugleich ärgerte ich mich. War er verrückt geworden? Solch ein unüberlegtes Risiko einzugehen! Ich sass da und nach einigen stillen Minuten überlegte ich mir, was ich wohl machen würde, wenn er nun nicht mehr zurückkommen würde? Ich wurde unruhig und dann kam er endlich aus dem Wald. Ich schimpfte mit ihm, denn man musste annehmen, dass dieser Bär ein Junges hatte und wenn dem so war, dann war nicht mehr gut „Kirschen essen“ mit ihm. Eines Morgens, während wir unser Frühstück vorbereiteten, sahen wir ein Murmeltier. Bestimmt zog ihn die Musik an, die aus dem Auto zu hören war. Und plötzlich waren es immer mehr, eine ganze Familie. Ich versuchte sie zu Füttern und sie kamen sehr, sehr nahe. Ich legte ein Stück Brot auf meinen Schuh und eines der Tiere schnappte sich das Stückchen, so süss. Es schien, als wären sie an Touristen gewohnt. Wir unternahmen auch Spaziergänge durch den Wald, um uns die angepriesenen Sehenswürdigkeiten anzusehen. Es gab immer wieder Hinweisschilder für uns Touristen. Auch wenn wir nicht entziffern konnten was auf den Schildern stand, um so grösser war die Überraschung. Einmal hielten wir, um uns die „Wapta Falls“ anzuschauen, wo einst eine Szene für einen „Schatz-Film“ gedreht wurde. An den Wasserfällen angekommen, liess mich Dieter für einige Minuten allein, weil er den Wasserfall von unten filmen wollte. Ganz einsam stand ich dort in dem tiefen Wald und hörte seltsame Geräusche. Furcht kroch mir in den Nacken. Um so mehr erfreute mich Dieter`s Rückkehr. Ich muss hierbei noch erwähnen, dass überall Warnschilder über Bären hingen und Anweisungen, wie man sich ihnen gegenüber zu verhalten habe. Und auf dem Weg zu diesem Wasserfall, hingen an einigen Sträuchern seltsame Haarbüschel, so, als ob dort ein Bär entlang hopste und seine Haare daran hängen geblieben wären.

Als wir nach 9 Tagen zurück in die Zivilisation fuhren, erlebten wir einen Sturm mit, von solchem Ausmass, dass wir abermals zur Kamera griffen und filmten. Wir konnten mit unserem Bus nur noch 30 km pro Stunde fahren, sonst hätte es uns von der Strasse geweht. Wir sahen kleine Sandstürme. An einem Shop hielten wir um Proviant zu kaufen. Als wir am Einkaufen waren, wurde es plötzlich dunkel und die Angestellten kamen mit brennenden Kerzen angelaufen. Wir kauften unter anderem einen neuen Eisblock für unseren Kühlschrank. An einem Strand, sitzend im Bus, beobachteten wir neugierig einen Surfer, der die Gunst der Stunde für einen speziellen Trip nutzen wollte. Doch es war ihm unmöglich, das Segel auch nur für zwei Sekunden aufrecht zu halten. Wie so oft, hielten wir Ausschau nach einer Tankstelle. Wieder vollgetankt, drehte Dieter den Zündschlüssel doch nichts tat sich. Der Motor sprang nicht mehr an, machte keinen Mucks mehr. Gott sei Dank passierte uns das bei einer Garage und nicht irgendwo in der Wildnis! Dieter ging in die nebenan liegende Werkstatt und versuchte mit Gebärden zu erklären, was für ein Problem wir hatten. Dann kam er mit einem Mechaniker im Schlepptau an, der sich um unseren Bus kümmerte. Das Auto lief nach etwa einer Stunde wieder. Beim Ausfüllen des Reparaturscheines gab es so einige Schwierigkeiten, weil wir weder englisch noch französisch sprachen. Wir zahlten so um die 400 Dollar und fuhren erleichtert weiter. Diesmal fuhren wir nicht von Vancouver aus mit der Fähre, sondern kamen vom Süden her auf die Insel, über Victoria. Wir schauten uns das Städtchen mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten an. Das Ulkigste, was wir dort unternahmen, war eine Kutschenfahrt mit reichhaltigem Kommentar und Erklärungen des Kutschers, den wir nicht verstanden. Später fuhren wir wieder zu Irene nach Courtenay, mehr oder weniger an der Küste entlang. Wir verbrachten noch einige Tage bei meiner Tante und bereiteten uns in Gedanken auf den Rückflug vor. Ich hatte das Gefühl, dass unser Kind speziell in Kanada enorm gewachsen sei. Wenige Tage vor der Heimreise, sahen wir eine Autoshow sondergleichen. Gepimpte Autos, die in einen präparierten Schlammgraben fuhren, wer am weitesten kam, der hatte schliesslich gewonnen. Autos, an eine Mauer gestellt, deren Motoren aufheulten, bis einem der Wagen der Pneu platzte und dieser somit als Sieger hervorging. Big Cars, die über normale Autos fuhren und diese zu Schrotthaufen verwandelten. Ich beobachtete interessiert die Zuschauer und fragte mich, ob sie wegen der Show kamen, oder wegen des Essens. Einige Male fuhren wir an die „Miracle Beach“ und nahmen einen der Hunde mit. Dieter zeigte grosse Freude am Schäferhund. Weil es in Courtenay und im näheren Umkreis nicht viel zu erleben gab, entschieden wir uns für einen Besuch im Hallenbad. Dafür brauchte ich zuerst ein Badekleid. Die Auswahl für werdende Mütter war sehr gering und so kaufte ich ein hässliches Kleid in Schweinchenrosa mit grünen, winzigen Viereckchen darauf. Dabei kommt mir in den Sinn, dass Dieter in den Restaurants bei der Bestellung immerzu schweizerdeutsch sprach. Die Serviertöchter waren immer sehr verwirrt und hilflos, doch Dieter blieb stur bei seiner Muttersprache. Willi übersetzte dann immerzu, stutzte Dieter zurecht, dass dies so nicht ginge. Während einer Autofahrt nach Courtenay, sahen wir um die Mittagszeit einen Autofahrer vor uns, der plötzlich auf die andere Strassenseite fuhr, einen Strommast touchierte und unbekümmert weiterfuhr, so, als ob nichts passiert wäre. Sein Wagen besass zuvor schon keine Fahrertür mehr, darum stufte der wohl betrunkene Fahrer dieses Missgeschick als nicht relevant ein. Wir beobachteten einige Kanadier dabei, wie sie ihre Autos verliessen ohne den Motor abzustellen und in den Shops einkaufen gingen. Auch wenn sie für geraume Zeit ein Solarium, den Coiffeur oder sonst was besuchten, liessen sie einfach den Wagen draussen brummen. Die Lastwagenfahrer an den Raststätten stellten den Motor ebenfalls nicht ab. Unbesorgt gingen sie pinkeln. In der Zeit des Waldsterbens war das für uns eine Ignoranz gegenüber der Natur und des Menschen.

Unseren Heimflug erlebten wir reibungslos und angenehm.

Wieder zu Hause, erschraken wir über den nicht kleinen Schuldenberg auf unserer Visakarte, an dem wir noch lange zu knabbern hatten. Eigen war auch der Drang nach diesen Ferien, immer wieder in Restaurants einkehren zu wollen.

Grüwig das Buch

Подняться наверх