Читать книгу Die Raben Kastiliens - Gabriele Ketterl - Страница 52

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18.

»War ich das? Wie habe ich das denn geschafft? Ihr habt sicher die Schnallen nicht ordentlich zugemacht.« Milan starrte ungläubig auf die zerrissenen Lederriemen auf dem Bett.

»Nein, nein! Das hier, mein Lieber, das hast du ganz allein geschafft.« Attila Marican klatschte vor Begeisterung in die Hände. »Herrlich!«

»Das habe ich doch die ganze Zeit versucht zu erklären. Wenn man es vernünftig einsetzt, birgt dieses Serum keinerlei Gefahr für Leib und Leben.« Christo de Thyra sah keinen Deut weniger zufrieden aus. »Darf ich Ihnen eine weitere kleine Demonstration bieten? Eine, die möglicherweise noch ein wenig eindrucksvoller ist?«

»Aber natürlich, nur zu! Zuvor würde ich aber gern wissen, wie es dir geht, Milan.«

Der große, kräftige Leibwächter schien noch immer nicht zu verstehen, was mit ihm geschehen war. »Gut, sehr gut. Es fühlt sich an, als hätte ich einen kräftigen Kaffee getrunken und vorher ausgiebig geschlafen.«

Christo runzelte verärgert die Stirn. »Das ist nun ein klein wenig profan ausgedrückt, mag aber von seinem Standpunkt aus durchaus zutreffen. Wenden wir uns dem guten Michele zu.«

Christo de Thyra winkte den höchst verunsichert wirkenden Sekretär zu sich. Michele war bei weitem nicht so kräftig gebaut wie Milan und auch um fast einen Kopf kleiner als der massige Bodyguard. Wohl auch aus diesem Grund war sein Blick, als Christo ihm eine etwa fünf Zentimeter dicke und einen Meter lange Eisenstange mit den Worten »Los, verbieg sie« in die Hände drückte, nicht der intelligenteste.

»Was?«

»Nicht fragen, Michele. Du sollst einfach nur diese Stange verbiegen. Los, wir haben nicht ewig Zeit.«

Ungläubig starrte Michele auf die massive Eisenstange, tat jedoch gehorsam, wie ihm geheißen. Tatsächlich schaffte er es ohne Anstrengung, die beiden Enden zusammenzubringen.

»Na bitte! Ich denke, das hier sollte Sie noch mehr überzeugen. Michele ist jetzt nicht das, was man als Goliath bezeichnen könnte.«

»Das stimmt. Ich fasse zusammen, dass das von Ihnen zur Verfügung gestellte Serum in der hier vorhandenen Verdünnung perfekt ist. Ich bin zufrieden.« Neugierig betrachtete Marican eine der Ampullen. »Da es tatsächlich das leistet, was Sie mir angekündigt haben, es zudem keine Nebenwirkungen hat, ist Ihr Part damit erfüllt. Auch wenn ich zu gern wüsste, was Sie uns da liefern.«

»Glauben Sie mir, je weniger Sie wissen, desto besser für Sie. Ihre Ziele sollten damit kein Problem mehr für Sie darstellen. Wie sieht es denn nun mit der Gegenleistung aus?« Christo wirkte angespannt. Alles hing davon ab, dass Marican zu seinem Wort stand.

Der nahm mit zufriedenem Grinsen die verbogene Eisenstange zur Hand, versuchte sie – erfolglos – aufzubiegen. «Sie haben Ihr Wort gehalten, nun halte ich meines. Wie sieht Ihr Plan aus?«

Christo atmete erleichtert auf. »Wichtig ist, dass Sie vorrangig Ihre Leute mit dem Serum behandeln. Sobald wir das Gefühl haben, dass alle soweit sind, erläutere ich meinen Plan. Das wird ein Kinderspiel.«

Während Marican begann, in seinem Kopf alle möglichen Szenarien für die kommenden Wochen durchzuspielen, verließen Christo und Michele eilig das Labor.

»Herr de Thyra, Sie sind sich aber schon bewusst, dass Sie sich, wenn ich das korrekt rekapituliere, mit einer Macht anlegen, die unsere bei weitem übersteigt?«

Christos Lächeln war gehässig. »Ja, Michele, das weiß ich. Aber nur, wenn man mit fairen Mitteln kämpft. Und das, glaub mir, habe ich durchaus nicht vor.«

B

»Das nervt! Sommer ist ja recht und schön, aber andauernd bis in die Puppen warten zu müssen, bis man raus kann, ist ziemlich ätzend.« Verärgert ließ Armando den dunkelorange schimmernden Samtvorhang wieder zurückgleiten.

»Es ist kurz nach acht. Noch eine knappe halbe Stunde und alles ist in Ordnung.« Angel schob eine neue CD in den Player und warf sich wieder auf die breite Couch. Juanes’ Mi Sangre erklang und Angel schloss genießerisch die Augen.

»Ich habe Hunger.« Armandos Laune blieb mies.

»Du hörst dich an wie ein kleines Kind. Such dir endlich eine Frau, dann bist du beschäftigt.« Angel zog es vor, die Augen geschlossen zu lassen. Er hatte heute keine Lust auf lange Gespräche.

»Gute Idee. Die Kleine von letzter Nacht ist verdammt süß. Die könnte mir gefallen.«

Nun war es eindeutig an der Zeit, die Augen aufzumachen. »Armando, dazu hattest du alle Gelegenheit, während ich weg war. Wenn du es in ein paar Monaten nicht schaffst, dir eine Gefährtin an Land zu ziehen, ist das nicht meine Schuld. Guter Rat: Lass die Pfoten von Vera.«

»Besitzansprüche?«

»Ab sofort, ja!« Angels Augen schlossen sich wieder. Er wusste, dass keiner der anderen es jetzt noch wagen würde, sich ernsthaft um die rassige Schönheit zu bemühen. Seltsam, er hatte in den vergangenen Jahren viele Frauen in seinen Armen gehalten, doch bei ihr war es anders. Er wollte sie. Nicht nur für ein paar Nächte, das wurde ihm schlagartig klar, während er darüber nachsann. Nein, Vera war etwas Besonderes. Er verspürte tatsächlich das tiefe Bedürfnis, diese Frau besser kennenzulernen, war bereit, sie in sein Leben zu lassen. Dios mío, was war das denn? Solche Gedanken hatten ihn seit langen Jahren nicht mehr umgetrieben. Fast waren sie ihm fremd geworden und doch, es war ihm wirklich ernst. In dem Augenblick, als er sich dessen bewusst wurde, fiel die Mauer, die er vor so vielen Jahren gegen zu tiefe Gefühle aufgebaut hatte, in sich zusammen. Allerdings fragte er sich, ob das gut war. Würde sie sein Leben teilen wollen? War er in der Lage, immer für ihre Sicherheit zu sorgen? Wie sollte er ihr erklären, was er war? Noch dazu, dass er nicht einfach nur einer der Raben Kastiliens, ein Kind der Dunkelheit, sondern einer der sechs Hüter war. Da kam einiges auf ihn zu. Allerdings gedachte er, nach den turbulenten vergangenen Wochen, die Erklärungen noch ein wenig aufzuschieben. Ein vorsichtiges, gegenseitiges Beschnuppern konnte wohl nicht schaden. Von allen Hütern hatte bislang nur Luca eine Frau in sein Leben gelassen. Die schöne Deutsche war ihm so wichtig, dass er seine Unnahbarkeit abgelegt und sich ihr geöffnet hatte.

Sollte es nun bei Angel auch soweit sein? Noch war er sich nicht ganz sicher, doch seine Gefühle zeugten davon, dass sich etwas Großes anbahnte. Zumindest war es dieses Mal etwas durchaus Positives. Juanes war offenbar seiner Meinung: »Por eso yo te quiero tanto«.

Die Raben Kastiliens

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