Читать книгу Einführung in die Theorie der Sozialpädagogischen Dienste - Gaby Flößer - Страница 8
ОглавлениеA Aktuelle Herausforderungen für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste
1 Einführung in ein unübersichtliches Themengebiet
Das vorliegende Buch will einen Überblick über die relevanten Dimensionen für eine Theorie sozialpädagogischer Dienste geben. Wir begeben uns damit auf unsicheres Terrain, denn anders als etwa für „Einführungen in die Sozialpädagogik“ (vgl. MOLLENHAUER 1964; THOLE 2002a; HAMBURGER 2003) liegen Versuche einer Systematisierung des Erkenntnisstandes bezogen auf sozialpädagogische Dienste bislang nicht vor. Unbestritten ist jedoch, dass die disziplin- oder professionsorientierten „Einführungen in die Sozialpädagogik“ ebenso wie allgemein organisationstheoretisch inspirierte „Theorien sozialer Dienste“ (HEINZE/OLK/EVERS 2010) wertvolle Erkenntnisse bündeln, die eine „Einführung in eine Theorie sozialpädagogischer Dienste“ fundieren. Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste ist deshalb zwangsläufig interdisziplinär anzulegen. Sozialpädagogische Dienste stellen in unserem Verständnis einen Unterfall der sozialen Dienste dar. Für diese Einführung lenken wir unseren Blick also auf die sozialen Dienste, in denen die Handlungsorientierungen „Beratung“, „Erziehung“, „Förderung“, „Begleitung“ und „Fürsorge“ oder allgemeiner „Hilfe“ dominierend sind. Diese sozialen Dienstleistungen werden komplementär zu privaten, individuellen (informellen) Anstrengungen zur Daseinsvorsorge mit dem Ziel der individuellen und kollektiven Sicherung gewisser (Mindest-)Standards der Lebensqualität erbracht. Innerhalb des Gesamtspektrums gesellschaftlicher Wohlfahrt, das über die Sektoren der marktwirtschaftlich, staatlich sowie haushaltsbezogen organisierten Produktion und Konsumtion von Gütern und Dienstleistungen erfasst wird, gelangen so auch die intermediären Produzenten sozialer Unterstützungsleistungen, u.a. die sozialpädagogischen Dienste, in den Blick.
Kinder- und Jugendhilfe
Das Unterfangen, Elemente einer Theorie sozialpädagogischer Dienste zu formulieren, ist zudem vermessen, denn die sozialpädagogischen Dienste sind keine konstanten Gebilde, die sich einfach bilanzieren ließen, sondern ständigen Wandlungen, ja sogar Auflösungen und Neugründungen unterworfen. Sie variieren im Zuge zeitgeistspezifischer Interpretationen des Sozialen, die sich in den gesetzlichen Grundlagen für die sozialen Dienste, in sozialpolitischen Programmatiken, Menschenbildern und methodischem Repertoire u.v.m. niederschlagen. Eine Theorie sozialpädagogischer Dienste ist deshalb auf die Analyse ihrer Kontextbedingungen verwiesen. Da hierdurch der Blick auf Phänomene, die die gesellschaftliche Produktion des Sozialen beeinflussen, stark geweitet wird, haben wir gleichzeitig eine Eingrenzung des von uns beobachteten Gegenstandsbereichs vorgenommen: Genauer in den Blick genommen werden sozialpädagogische Dienste für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Sektoral oder handlungsfeldbezogen meint dies, dass soziale Dienste, die im Feld der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind, besondere Beachtung finden. Die Kinder- und Jugendhilfe erscheint uns dabei als ein gut geeignetes Arbeitsfeld, um aus der Beobachterperspektive die sozialpädagogischen Dienste zu analysieren, widmet sich doch ein Großteil der Anstrengungen in der sozialpädagogischen Forschung und Theoriebildung genau diesem Bereich (vgl. RAUSCHENBACH/THOLE 1998). Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass die Kinder- und Jugendhilfe durchaus prototypisch für andere Handlungsfelder Geltung beansprucht. In ihrer historischen Entwicklung, ihren Institutionalisierungsformen wie auch in den Herausforderungen für die zukünftige Gestaltung der sozialpädagogischen Dienste können danach typische, für die Sozialpädagogik konstitutive Strukturen, benannt werden, die generalisierbar auch für andere soziale Dienste sind. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass neben Übereinstimmungen auch eine Vielzahl von Unterschieden zu den sozialen Diensten, die in anderen Arbeitsfeldern aktiv sind, bestehen. Die funktionale Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Subsysteme produziert systemspezifische Binnenrationalitäten, die etwa die sozialen Dienste innerhalb des Gesundheitswesens von anderen unterscheidbar machen. Die nachfolgende Heuristik verdeutlicht in diesem Sinne die zentralen Strukturelemente, die für eine Theoriebildung, die die sozialpädagogischen Dienste in den Mittelpunkt stellt, zentral sind:
Strukturelemente Sozialer Arbeit
Abb.1: Strukturelemente einer Theorie sozialpädagogischer Dienste
Die Frage nach einer angemessenen Berücksichtigung dieser Strukturelemente bei der Produktion sozialer Dienstleistungen stellt eine der zentralen Herausforderungen für die sozialpädagogischen Dienste und ihre Theoriebildung dar. Auf der Grundlage dieses analytischen Rahmens sollen deshalb im Folgenden zentrale Diskussionen, die eine aktuelle Standortbestimmung der sozialpädagogischen Dienste begleiten, systematisch aufbereitet werden. Dabei geraten sowohl die einzelnen Eckpunkte als auch die Relationen zwischen den einzelnen Strukturelementen in das Zentrum der Theoriebildung.