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FREIHEITSSTATUE DER MENSCHHEIT

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So ist Galileo Galilei nicht als Philosoph oder Mathematiker, nicht als Physiker oder Astronom die leuchtende Symbolfigur des forschenden menschlichen Geistes geworden. Da steht er nur in einer Reihe mit anderen Bedeutenden. Der Fortschritt der Wissenschaft, so bemerkt Albert Einstein 1952 lakonisch, wäre »mit oder ohne Galileo« gekommen. Denn nicht nach ihm wird die »Kopernikanische Wende« vom geo- zum heliozentrischen Weltbild benannt, sondern nach einem Domherrn aus dem nördlichen Fürstbistum Ermland in Preußen, Nikolaus Kopernikus, der 100 Jahre vor ihm (1473–1543) lebte und als gläubiger Christ, im Frieden mit der Kirche, starb. Galilei ist auch nicht als politisch Verfolgter, als heldenhafter Widerstandskämpfer gegen die Obrigkeit in die Geschichte eingegangen; dafür gibt es in alten wie in neuen Zeiten zu viele, und ihm fehlt das Märtyrertum. Er taugt nicht einmal recht als Mahnmal, zu dem man ihn im 20. Jahrhundert, im Zeitalter der Atombombe, hat stilisieren wollen: gegen die Entfesselung von Wissenschaft und Technik gegen den Menschen.

Nein, Galileo Galilei ist die Freiheitsstatue der Menschheit gegen Kirche und Religion, gegen deren falsche Ansprüche. Was der Italiener als experimentierender Physiker, als beobachtender Astronom jahrelang gegen die Römische Inquisition durchfocht und mit seinem Widerruf nur scheinbar beendete, gereicht ihm zur unsterblichen Ehre, den geistlichen Herren einer jeden Religion zu unvergesslicher Schande und fortdauernder Mahnung.

Aber zur Ikone der wissenschaftlichen Freiheit gegen die Macht der Religiösen und Ideologen wurde er, wenn wir richtig urteilen, erst spät, viel später, im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, besonders im deutschen Sprachraum und im geistespolitischen Betrieb Italiens. Just zu jener Zeit, als es besonders im Deutschen Kaiser- und im italienischen Königreich, aber auch in Frankreich zu heftigen Spannungen zwischen Kirche und Staat, zwischen den Autoritäten des römisch-katholischen Glaubens und denen der Wissenschaften kam. Just zu jener Zeit, als die Franzosen aus der Alten Welt in die Neue nach New York die – symbolhaft hochpolitische – Freiheitsstatue schickten und die Amerikaner sie dort im Oktober 1886 einweihten. Als man im Hochgefühl des neuen Fortschrittsglaubens den alten christlichen Glauben ins Endlager der Geschichte entsorgen wollte und 1889 in Rom, dem Papst zu Trotz und zur Herausforderung, ein Denkmal für Giordano Bruno errichtete, einen Zeitgenossen Galileis, den, wie man seinen Schriften entnimmt, bösesten Schmäher des Juden Jesus und des Christentums. Diese – was zu zeigen sein wird – neue Erkenntnis, diese neue Sicht auf den »Fall« und »Skandal Galilei« fordert geradezu eine eingehende Beschäftigung mit dem »Dialog« und dem Widerruf.

Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme

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