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Ein Skandal in Böhmen
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Als der Aufstand in Böhmen dann begann, stand er von Anfang an unter schlechter Führung. Schon zuvor hatten die Aufständischen ihre größte Chance vertan. Bis zum Frühling 1617 hatte sich der Gesundheitszustand von Kaiser Matthias so weit verschlechtert, dass er sich – wenn auch widerwillig und unter habsburgischem Druck – bereit erklärte, Vorbereitungen für die Thronfolge zu treffen und mit der Krone von Böhmen anzufangen. Folglich wurden die Stände einberufen, und Matthias stellte Erzherzog Ferdinand von der Steiermark als seinen nominierten Nachfolger vor. Die genaue Rechtslage für das böhmische Wahlkönigtum war unklar, es galt aber mindestens als gesichert, dass ein Kandidat von den Ständen gebilligt werden musste. Hätten sich also die zusammengerufenen Spitzen des böhmischen Adels geweigert, Ferdinand zu unterstützen, wäre er im Prinzip von der Thronfolge ausgeschlossen gewesen. Aber am entscheidenden Tag taten sie das gerade nicht. Im Juni 1617 wurden sie mit einem Kandidaten konfrontiert, der sicherlich für die Mehrheit absolut unerwünscht war, trotzdem aber stimmten sie nahezu einstimmig für ihn. Das Organisieren zählte nicht zu den Stärken des böhmischen Adels, außerdem war er auf die habsburgische Regelung der Wahl nicht vorbereitet. Vermutlich schreckten die Adligen aber in erster Linie vor der Tatsache eines noch nie dagewesenen Vetos zurück, da niemand wusste, was danach zu geschehen hätte. Sehr bald würden sie diese fehlende Entschlusskraft bedauern.
Nachdem er seinen familiären Pflichten nachgekommen war, verabschiedete sich Matthias von Prag, um die ihm verbleibenden eineinhalb Jahre in Wien zu verbringen, und ließ Böhmen von einem Rat von Statthaltern regieren, der von Katholiken dominiert wurde. In den vorhergehenden Jahren war es Matthias’ Ziel gewesen, in der Praxis so viel wie möglich von den Freiheiten zurückzunehmen, die den Böhmen, und vor allem dem hauptsächlich protestantischen Adel, durch den Majestätsbrief von 1609 theoretisch eingeräumt wurden. Folglich schwelten schon zahlreiche Schwierigkeiten, bevor er wegging, aber bald gossen die Statthalter durch eine Reihe provozierender Erlasse und Handlungen Öl ins Feuer. Ein Brennpunkt war die Stadt Braunau (Broumov), wo die Bürger eine protestantische Kirche gebaut hatten und behaupteten, der Majestätsbrief berechtige sie dazu. Die Katholiken und die Regierung widersprachen, der Streit zog sich hin, und endlich ließen die Statthalter einige der führenden Bürger verhaften und einkerkern.
Als die Konfrontation eskalierte, tagten im März 1618 in Prag die Defensoren, die berufenen Hüter der 1609 gewonnenen Freiheiten, um eine Bittschrift mit ihrem Protest an den Kaiser zu formulieren. Von der Matthias’schen Regierung bekamen sie eine kompromisslose Antwort, verbunden mit dem Befehl, sich aufzulösen, dem sie bei diesem ersten Mal Gehorsam leisteten. Die Probleme aber entwickelten sich weiter, und als der Ärger wuchs, tagten die Defensoren im Mai erneut. Im Namen des Kaisers befahlen ihnen die Statthalter, sich wiederum aufzulösen, aber stattdessen beriefen die führenden Männer eine private Beratung ein und vereinbarten eine entscheidende, wenn auch theatralische Antwort. Am folgenden Tag, dem 23. Mai 1618, marschierten sie und eine ihnen folgende Menschenmenge zum Hradschin, dem Kaiserpalast in Prag, und traten im Sitzungssaal vier Statthaltern gegenüber. Nach zornigen Wortwechseln inszenierten sie die Wiederholung eines Ereignisses, das beim Ausbruch der Hussitenunruhen vor zweihundert Jahren stattgefunden hatte: Sie stürzten zwei der prominentesten Statthalter, Jaroslaw von Martinitz und Wilhelm von Slavata, aus den hochgelegenen Fenstern auf das Pflaster vor dem Palast, um sie zu töten. Das war zumindest ihre Absicht, und es ist ein bemerkenswerter Kommentar zu den Spaltungen in Böhmen, dass einer der Täter Slavatas Bruder war. Doch statt als dramatisches Theater endete dieser Versuch als Farce. Martinitz und Slavata landeten weich, angeblich auf einem Misthaufen, und kamen mit einigen blauen Flecken davon.
Dennoch war die Bedeutung dieser Geste klar, auch wenn anfänglich Matthias und seine Berater vorsichtiges Nichtstun einer militärischen Erwiderung vorzogen, und das trotz kriegerischen Drängens der Anhänger Ferdinands am Hofe. Die Böhmen waren nicht so zurückhaltend. Sobald sie sich in der Sache festgelegt hatten, gingen sie daran, ein regierendes Direktorium zu ernennen, Truppen zu rekrutieren und Thurn, einen der führenden Männer des Aufstands, zum Befehlshaber zu berufen. Prag und Wien wechselten zahlreiche Briefe miteinander und mit den Herrschern angrenzender Länder oder weiter entfernten potenziellen Verbündeten. In ihren Schreiben versuchten die Böhmen, ihren Aufstand als im Wesentlichen religiös motiviert zu charakterisieren, wohingegen die Kaiserlichen die weltlichen, politischen und nationalen Ziele betonten, die ihrer Meinung nach dieser Rebellion gegen das Recht und die herrschende Autorität zugrunde lagen. Beide Ansichten enthielten auch Wahres, in der Hauptsache jedoch waren diese Schriftwechsel Propaganda in der Absicht, Zeit zu gewinnen, während beide Seiten Soldaten und Geld sammelten.
Zwei Entwicklungen verschärften die Konfrontation. Zunächst marschierte Thurn innerhalb eines Monats mit etlichen tausend Truppen nach Süden, um diejenigen böhmischen Städte, die den Aufstand nicht unmittelbar gebilligt hatten, dazu zu zwingen. In Wien aber musste ein Vorrücken nach Süden als Bedrohung des österreichischen Kernlands gesehen werden, was die Position derer stärkte, die einen militärischen Angriff auf die Rebellen befürworteten. Zweitens führte Ferdinand Mitte Juli 1618, unterstützt von Erzherzog Maximilian, dem Bruder des Kaisers, faktisch einen Staatsstreich durch. Sie ließen Kardinal Melchior Khlesl, den Ersten Minister von Matthias, entführen und einkerkern, und somit kontrollierte Ferdinand selbst die Regierung. Sofort wurden die militärischen Vorbereitungen beschleunigt. Mit Hilfe spanischen Geldes und der spanischen Generäle Graf Bucquoy und Graf Dampierre marschierte im August das erste kaiserliche Heer in Böhmen ein, und vor Ende des Monats brach das zweite aus Wien auf.
Inzwischen erhielten die Böhmen geheimen Beistand vom Herzog von Savoyen, einem eingefleischten Feind der Habsburger. Dieser überließ ihnen das kleine Söldnerheer, das er bis vor kurzem eingesetzt hatte, um den Venezianern bei ihrem Krieg gegen Ferdinand Hilfe zu leisten. Dieses Heer gehörte eigentlich dem Freibeuter und Söldnerführer Graf Peter Ernst von Mansfeld und kam in Böhmen gerade zur rechten Zeit an, um die Kaiserlichen daran zu hindern, ernsthaft auf Prag zu marschieren. Danach zogen beide Seiten vor, den Herbst mit Manövern, Scharmützeln und Plünderungen auf dem Land zu verbringen, statt eine große Schlacht zu riskieren. Thurn hatte dabei mehr Erfolg als die Kaiserlichen, und Mansfeld belagerte die wichtige Stadt Pilsen (Plzeň), die sich dem Aufstand nicht angeschlossen hatte. Sie fiel Ende November 1618, ganz zum Schluss der militärischen Konfrontationen dieses Jahres. Danach mussten die Truppen ihre Winterquartiere beziehen, während die Regierungen den Konflikt durch Diplomatie und Propaganda am Leben erhielten, bis der militärische Kampf im Frühling wiederaufgenommen werden konnte.
Der Aufstand war bislang ein ausschließlich böhmisches Ereignis, obwohl er auch in Mähren, in Schlesien und in der Lausitz mit Besorgnis verfolgt wurde, die ja ebenfalls der böhmischen Krone gehörten. Mähren versuchte zu vermitteln und entsandte eine hochrangige Delegation nach Wien und Prag. Diese bestand aus zwei prominenten Katholiken, Fürst Karl von Liechtenstein und Franz von Dietrichstein, Kardinal von Olmütz und dem führenden Protestanten Zierotin, Wallensteins Schwager. Wohlweislich bereiteten sich die mährischen Stände gleichzeitig darauf vor, sich notfalls zu verteidigen – im Sommer 1618 mobilisierten sie ein Kontingent von 2.000 Kavalleristen und 3.000 Infanteristen, Letzteres unter dem Kommando von Wallenstein auf Grund seines langjährigen Patents als mährischer Oberst.1 Wallensteins Standpunkt war kaum zu bezweifeln, denn er hatte jahrelang Matthias in dessen Gefolge gedient und war erst vor kurzem aus Gradisca zurückgekehrt, wo er im Einsatz gewesen war, um Ferdinand zu unterstützen. Bemerkenswerterweise aber – und das, obwohl der Adel überwiegend protestantisch war – waren die meisten wichtigen mährischen Ämter von Katholiken besetzt, darunter zwei der drei Obersten, die die Truppen kommandierten.
Warum wurde Wallenstein, Böhme von Geburt, zum entschlossenen Gegner des böhmischen Aufstands? Manchmal hat die Frage angedeutet, dass seine Einstellung unpatriotisch und unehrenhaft war. Diese Meinung beruht jedoch auf einem anachronistischen Verständnis von Nationalismus und Patriotismus, das sich später entwickelte und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts nicht galt, weil zu dieser Zeit Loyalitäten und Pflichten noch in einem fortbestehenden feudalen Sinn persönlich waren. Wallenstein hatte seit langem seine Stellung in Böhmen aufgegeben, um mährischer Adliger, Grundbesitzer und Oberst zu werden, und er war den böhmischen Ständen weder rechtlich noch moralisch verpflichtet. Auch in Mähren bildeten die Stände weder den Staat noch die Regierung, an der Spitze stand der Kaiser als Markgraf von Mähren, und verfassungsgemäß gebührte ihm die endgültige Treue. Während des Dreißigjährigen Krieges lebten viele Menschen mit widersprüchlichen Loyalitäten, vor allem zwischen ihrer Religion und ihrer verfassungsmäßigen Pflicht. Dieses Problem hatte Wallenstein nicht, denn sein Glauben und seine Pflicht wiesen ihn – so wie auch seine frühere Wahl des habsburgischen Dienstes – in die gleiche Richtung, und seine persönliche Einstellung war dazu konstitutionell orientiert. Feudale Grundbesitzer und hohe militärische Offiziere sind meistens Befürworter der herrschenden Autorität und Gegner von Rebellion, Wallenstein war da keine Ausnahme. Folglich musste er den böhmischen Aufstand ablehnen und sich zur Legitimität Habsburgs bekennen.
Darum war Wallensteins Loyalität als mährischer Oberst von der anhaltenden Loyalität Mährens zum Kaiser abhängig. Zu diesem Zeitpunkt aber zogen die Mähren die Neutralität vor, weil sie untereinander entzweit und vor allem bestrebt waren, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Solange es nicht zum offenen Bruch mit dem Kaiser kam, blieb Wallensteins Stellung haltbar, aber er zögerte nicht, sich auf den erwarteten Seitenwechsel der Mähren vorzubereiten. Im August 1618 begann er, Geld aufzutreiben, 20.000 Gulden aus seinen eigenen Mitteln und weitere 20.000 aus Darlehen.2 Im Oktober reiste er nach Wien mit dem Angebot, ein Regiment von 1.000 Kürassieren (schwere Kavallerie) in den Niederlanden auf die Beine zu stellen, das im Frühling unter seinem eigenen Kommando einsatzbereit sein sollte. Sein Vorschlag wurde willkommen geheißen, und folglich erhielt er ein provisorisches Patent als kaiserlicher Oberst, das im Februar 1619 bestätigt wurde, als das Regiment vollständig war. Trotzdem wartete er noch im Mai auf eine Quittung für sein Darlehen von 40.000 Gulden, mit denen er das Regiment finanziert hatte.3 Inzwischen hatte er ohne Rücksicht auf seine Stellung als mährischer Oberst angefangen, inoffiziell mit den kaiserlichen Streitkräften in Böhmen zu kooperieren. Als im November 1618 Bucquoy von Thurn bedrängt wurde, stellte ihm Wallenstein Proviant und Kriegsmaterial zur Verfügung.4 Über diesen eindeutigen Verstoß gegen mährische Neutralität beschwerten sich die böhmischen Stände heftig, aber anscheinend ohne Konsequenzen für Wallenstein.
Während des ganzen Winters machten die Mähren Ausflüchte, im April 1619 löste Thurn die Frage ihrer Neutralität jedoch, indem er mit einem großen Heer einmarschierte. Er stieß auf keinen Widerstand, und der protestantische Adel war mehr als bereit, sich mit den Böhmen zu vereinigen. Die Mehrheit der von Liechtenstein und Dietrichstein geführten Katholiken fügte sich ebenfalls, zum Teil von der Sorge um die Rettung ihres Grundbesitzes motiviert, zum Teil vom Defätismus, der aus dem militärischen Misserfolg der Kaiserlichen im vorangegangenen Herbst stammte.5 Wallenstein war aus härterem Holz geschnitzt und neigte nicht dazu, sich zu ergeben, auch wenn sein eigener Grundbesitz ebenfalls bedroht war. Am 30. April unternahmen er und der Kommandant einer der Kavallerieregimenter einen gemeinsamen Versuch, ihre Einheiten außer Reichweite des Aufstands zu bringen, wobei es ihre Absicht war, sie in des Kaisers Dienst zu überführen. Keiner von beiden hatte Erfolg, hauptsächlich weil die Männer nicht Söldner von nah und fern waren, sondern zum größten Teil aus Mähren stammten und dazu die gleichen Sympathien wie die protestantischen Adligen hatten. Der Oberst der Kavallerie versuchte, seine Truppen aus Brünn (Brno) hinauszuführen, aber seine Offiziere stellten den Anlass seines Befehls in Frage, und weil sie die Wahrheit vermuteten, setzten sie und ihre Soldaten ihn ab, erlaubten ihm aber, zu fliehen.
Anfänglich war Wallenstein erfolgreicher. Mittags am selbigen Tag marschierten, wie befohlen, neun von zehn seiner Kompanien von Musketieren unter dem Kommando eines Oberstwachtmeisters von ihrer Stellung in Olmütz in Richtung der ungarischen Grenze ab. Gegen Abend kehrten sie zurück, was eine Konfrontation zwischen dem Oberstwachtmeister mit etwa 2.700 Soldaten und Wallenstein verursachte, der ihnen mit den übrigen 300 entgegenkam. Vermutlich zweifelte der Offizier an seinem Befehl, und Wallenstein, dem klar war, dass es das Ende wäre, wenn er die Meuterei nicht beendete, zog sein Schwert und brachte ihn auf der Stelle um. Seine resolute Tat rettete die Situation, und nachdem er einen anderen Offizier eingesetzt hatte, um den Hauptteil des Regiments wegzuführen, kehrte Wallenstein selbst nach Olmütz zurück. Am selbigen Abend überfielen er und seine Kompanie Soldaten die Schatzkammer der Stadt, wo sie einen Beamten ergriffen, den sie zwangen, ihnen Zugang zum Geld zu verschaffen. Fast 100.000 Taler in bar wurden zusammen mit einer Menge Proviant und Kriegsmaterial auf Fuhrwerke geladen, bevor Wallenstein und seine Männer in die Nacht verschwanden.6
Schnell bekam Thurn die Nachricht und schickte sofort seine Kavallerie. Sie holten den Hauptteil ein, und die meisten davon waren gern bereit, zu ihrer mährischen Loyalität zurückzukehren, aber die Offiziere mit den Fuhrwerken und etlichen hundert Soldaten entzogen sich ihnen, sodass Wallenstein und das Geld nach Wien gelangten. Privat war seine dramatische Tat gut aufgenommen worden, zudem erhielt er eine Audienz bei Ferdinand selbst (Matthias war vor sechs Wochen gestorben), aber diplomatisch stellte sie ein Problem dar. Die Lage in Mähren war noch unentschieden, und obwohl jedermann sehen konnte, wie die Dinge sich entwickeln würden, gab es bis jetzt keinen formellen Bruch mit dem Kaiser. Folglich gab es auch keinen rechtlichen Grund, das Geld aus der Schatzkammer zu konfiszieren. In der mittellosen kaiserlichen Regierung gab es eine Meinungsverschiedenheit über diese Menge an Geld, aber schlussendlich wurde entschieden, es müsse zurückgegeben werden.7 Die Rebellen zögerten nicht, Wallenstein wurde sofort unter Bann gestellt und sein sämtliches Vermögen in Mähren beschlagnahmt. Dies kam nicht überraschend, und er hatte sich bereits mit einem frisch rekrutierten Regiment Kavallerie und einem kaiserlichen Patent als Oberst versehen sowie mit einem beträchtlichen Gehalt und den dazugehörigen Zuwendungen.
Während der übrigen eineinhalb Jahre des böhmischen Aufstands verlief dessen politische Geschichte hauptsächlich auf der Suche nach Rechtmäßigkeit und Verbündeten. Diese Probleme waren miteinander verknüpft, denn die Könige und Fürsten Europas hatten immer Bedenken, ausländische Rebellen zu unterstützen, aus Furcht, einheimische Rebellen zu ermuntern. Die Böhmen hatten die Ernennung von Ferdinand als Thronfolger gebilligt, obwohl sie ihn rechtmäßig hätten ablehnen können, aber jetzt entschieden sie, dass er abgesetzt werden musste. Dieser Schritt war sowohl beispiellos als auch verfassungswidrig. Um den Anschein der Gesetzmäßigkeit zu wahren, mussten sie einen neuen König wählen. Aber Kandidaten waren knapp, nicht zuletzt wegen der sehr beschränkten Befugnisse, die die Stände diesen zu gewähren beabsichtigten. Einige der Fürsten, deren Namen vorgeschlagen wurden, könnten das Angebot einer Krone als schmeichelhaft empfunden haben, aber sie waren entweder ungeeignet oder unwillig. Der Herzog von Savoyen war nicht bereit, einen allumfassenden Krieg mit den Habsburgern zu riskieren, und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, obwohl lutherisch, war gegen den Aufstand, zudem kam es für ihn nicht in Frage, gegen seine eigenen Pflichten gegenüber dem Kaiser zu verstoßen. Der beste Mann, den sie finden konnten, war der junge, naive und schwache Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, und selbst der zögerte und war noch dazu Calvinist. Für Böhmen aber war die Zeit knapp, denn der Tod von Matthias hatte auch das Verfahren der Kaiserwahl in Gang gesetzt, und es würde viel schwieriger werden, Ferdinand nach erfolgter Wahl zum Kaiser abzusetzen. Folglich gab es im August 1619 eine ereignisreiche Woche. Am 22. wurde Ferdinand als König von Böhmen abgesetzt, am 26. wurde Friedrich von der Pfalz an seiner Stelle gewählt, und am 28. wurde Ferdinand in Frankfurt am Main zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt.
Verbündete blieben schwer zu finden. Einige protestantische deutsche Fürsten erkannten die Wahl von Friedrich in Böhmen an, aber dabei beließen sie es. Die Holländer sandten Nachrichten der Unterstützung, jedoch nur wenig Geld und noch weniger Soldaten. König Jakob I. von England, der Schwiegervater Friedrichs, machte seine Missbilligung der ganzen Angelegenheit öffentlich und wollte damit nichts zu tun haben. Die Franzosen, die katholisch, aber trotzdem anti-habsburgisch waren, dachten, wie auch die protestantischen skandinavischen Könige, nur an ihre eigenen Probleme im Lande. Savoyen und Venedig waren zu umsichtig, um sich weiter daran zu beteiligen, Brandenburg war zu arm und zu ängstlich, und im Lauf der Zeit ergriff Johann Georg von Sachsen Partei für den Kaiser. Praktische militärische Hilfe kam ausschließlich von Bethlen Gabor, dem calvinistischen Fürsten von Siebenbürgen. Dies ist heute der nordwestliche Teil von Rumänien, war damals aber ein unabhängiges Fürstentum und dennoch dem türkischen Sultan tributpflichtig. Bethlen hatte eigene Ambitionen und eigene Gründe, sich für den Aufstand zu interessieren, denn es gab eine lange Geschichte wieder und wieder ausbrechender Feindseligkeiten zwischen dem Kaiser und den türkischen Schutzgebieten an der österreichisch-ungarischen Grenze. Soweit seine Interessen mit ihrer übereinstimmten, versorgte Bethlen die protestantische Seite während des ersten Teils des Dreißigjährigen Krieges mit nützlicher Hilfe. Er erwies sich jedoch als unzuverlässiger Verbündeter, der immer, wenn er anderswo unter Druck geriet, oder wenn seine eigenen Ziele erreicht waren, mit den Habsburgern einen Waffenstillstand vereinbarte.
Im Frühling 1619 war Ferdinand gleicherweise fast ohne militärische Verbündete. Die Streitkräfte, die er im vergangenen Herbst mit spanischer Unterstützung ins Feld geführt hatte, waren wenig erfolgreich gewesen, und außerdem stand er nicht nur in den böhmischen Ländern, sondern auch in einem großen Teil seiner österreichischen Kernländer mit protestantischen Mehrheiten aktiver oder potentieller Rebellion gegenüber. Selbst Wien war bei weitem nicht sicher. Wie erwähnt, errang Thurn einen unblutigen Triumph in Mähren und nutzte danach die Möglichkeit, in Österreich einzumarschieren. Schon im Mai belagerte er die Hauptstadt selbst. Anfang Juni aber änderte sich das Auf und Ab des Krieges. Bucquoy fing Mansfeld und die Mehrheit seiner Armee ab und brachte ihm in der Nähe der Stadt Záblatí eine schwere Niederlage bei. Dies war der erste bedeutungsvolle kaiserliche Sieg, infolgedessen die böhmischen Stände Thurn eilends zurückriefen, sodass die Belagerung Wiens aufgehoben werden musste.
Die Erleichterung war von kurzer Dauer, denn im August ging Bethlen zum Angriff über. Er rückte durch das österreichische Ungarn in Richtung Pressburg (Bratislava) vor, das er im Oktober einnahm, und danach stand er in unmittelbarer Nähe von Wien. Bucquoy wurde zur Verteidigung zurückgerufen, während Thurn ihm dicht auf den Fersen war, weshalb er den gefährlichen Abzug über die Donau bei Ulrichskirchen, nicht weit von Wien entfernt, wagen musste. Trotzdem konnte er Thurn und Bethlen nicht daran hindern, ihre Streitkräfte zu vereinigen und die Stadt zum zweiten Mal zu belagern. Wieder aber wurde die Belagerung aufgegeben. Gegen Ende November bekam Bethlen Nachricht von einem polnischen Ablenkungsüberfall auf Siebenbürgen, was zusammen mit dem Herannahen des Winters ausreichte, ihn zur Umkehr nach Hause zu bewegen. Bei Thurn waren Geld und Artillerie knapp, dazu waren seine Truppen schlecht bezahlt, undiszipliniert und litten an zahlreichen Krankheiten. So hatte er keine andere Wahl, als Bethlens Beispiel zu folgen, was das Jahr 1619 hinsichtlich militärischer Auseinandersetzungen zum Ende brachte.
Das war auch der Endpunkt des militärischen Erfolgs der Böhmen, denn Ferdinand hatte begonnen, Verbündete zu sammeln. Die Spanier erkannten, dass aktive Hilfe unentbehrlich war, um eine Niederlage des Reiches durch die Protestanten zu verhindern, und Herzog Maximilian I. von Bayern wurde durch das Versprechen von beträchtlicher Belohnung in den Konflikt gelockt. Maximilian, der sowohl der Vetter als auch der Schwager Ferdinands war, stand an der Spitze der katholischen Liga. Diese, wie auch die protestantische Union, war dauerhaftes Ergebnis der Konfrontationen in Deutschland von vor über einem Jahrzehnt, und Maximilian hatte ihr Heer und ihren furchterregenden und hoch erfahrenen General Tilly fest in der Hand. Im Frühling erklärte sich auch Johann Georg von Sachsen bereit, Ferdinand zu unterstützen, womit das Schicksal des Aufstands besiegelt war. Im Juli 1620 rückte Tilly in Oberösterreich vor, um dort die potentiellen Rebellen niederzuhalten und sich mit Bucquoy zu vereinigen. Im August marschierte ein Heer der spanischen Niederlande unter General Ambrosio Spinola in die Pfalz Friedrichs ein, die sich von Heidelberg bis Mainz und darüber hinaus beiderseits des Rheins erstreckte. Johann Georg besetzte die Lausitz. Sie stießen alle auf wenig Widerstand, und Tilly und Bucquoy rückten weiter nach Böhmen vor, wo sie sich schließlich den vereinigten böhmischen und pfälzischen Streitkräften unter Thurn und Fürst Christian von Anhalt-Bernburg kurz vor Prag gegenübersahen. Am 8. November 1620 errangen sie in der Schlacht am Weißen Berg einen schnellen, totalen und entscheidenden Sieg, woraufhin Friedrich am folgenden Tag eilig und würdelos floh. Seitdem wurde er wegen der Kürze seiner Regierungszeit stets als Winterkönig verspottet.
Wallenstein und sein Regiment waren 1619 und 1620 hindurch im Einsatz, ausgenommen die Zeiten, in denen er kränkelte, was ihn lebenslänglich belästigte. Während dieser zwei Jahre erlernte er als hoher Offizier und künftiger General das Kriegshandwerk wirklich und erweiterte sowohl seine Erfahrung im Kampf als auch das Verständnis für Organisation und Logistik, das die Basis für seinen späteren militärischen Erfolg war. Bei der Führung des Feldzugs spielte er keine Rolle, auch werden ihm weder persönlich noch mit seinem Regiment spektakuläre Heldentaten zugeschrieben. Stattdessen tat er, was von ihm erwartet wurde, und auch wenn wir keinen Beweis dafür haben, dass er die Dinge mutig, zuverlässig und geschickt anpackte, können wir dies mindestens daraus folgern, dass ihm Ende 1619 zusätzliche Verantwortung übertragen wurde und er dazu Ende 1620, kurz vor der Niederlage des Aufstands und danach, mit Sonderaufgaben betraut wurde.
Von Offizieren, einschließlich Obersten, die im Felde dienten, wurde verlangt, ihre Soldaten persönlich in die Schlacht zu führen. Die Namensliste der Opfer unter den hochrangigen Offizieren – sowohl im böhmischen Feldzug als auch später im Dreißigjährigen Krieg – beweist, dass sie dies wirklich taten. Wallenstein hatte sich schon zu Gradisca persönliche Lorbeeren im Kampf verdient, und obwohl er wegen Krankheit und anderer Aufgaben nicht durchgehend bei seinem Regiment weilte, ist doch klar, dass er in diesen Jahren im Kampf gewesen sein muss. Im Juni 1619 war sein Regiment bei Bucquoy, als dieser Mansfeld bei Záblatí besiegte. Später im gleichen Jahr war er noch während des Rückzugs bei Bucquoy, um Wien zu verteidigen. Wallenstein nahm am Rückzug über die Donau bei Ulrichskirchen teil, wo Berichten zufolge sein Regiment beauftragt wurde, Deckung für die Überquerung zu leisten; es gehörte zu den Letzten, die die Ponton-Brücke überquerten. Im November war er auch während der Belagerung von Bethlen und Thurn in Wien. So viele Einsätze hatten hohe Verluste zur Folge, außerdem sind viele Soldaten Krankheiten zum Opfer gefallen. Darum musste Wallenstein im Winter erneut in den Niederlanden Rekruten anwerben. Anfang 1620 blieb die Kampagne auf Scharmützel beschränkt, und zu dieser Zeit – im April – litt Wallenstein an Podagra. Später im August erkrankte er an einem schweren Fieber, aber gegen Ende des Sommers nahm er am Vormarsch auf Böhmen teil. Seine Truppen kämpften in der Schlacht am Weißen Berg, obwohl Wallenstein selbst schon zu einem Sonderauftrag abkommandiert worden war.8
Trotzdem waren die geschäftlichen Aspekte der Verpflichtung eines Obersten in vieler Hinsicht wichtiger. Damals war von der Funktion her ein Regiment die größte militärische Einheit; es musste unabhängig sein und im Einsatz notfalls allein tätig werden können. Zumeist waren Regimenter geschäftliche Unternehmen, die in der Praxis dem Obersten gehörten. Er wurde von einem Fürsten, von einem Staat oder von einer Stadt als militärischer Unternehmer eingestellt und musste sein Regiment als vollständig einsatzfähige Einheit erhalten und zur Verfügung stellen. Dafür bekam er die vereinbarten Lohnsätze für die Anzahl Männer, Pferde und anderer Gegenstände, die er bereitstellte, dazu Zuwendungen für sich und für seinen Stab. Für einen kompetenten Geschäftsmann gab es die Möglichkeit, sowohl einen großen rechtmäßigen Gewinn zu erzielen, als auch Zulagen durch Betrügereien zu erlangen. Dem standen auch Risiken entgegen, denn vom Obersten wurde oft gefordert, große anfängliche Aufwendungen zu tragen oder auch seinem Dienstherren einen langfristigen Kredit zu geben, bevor dieser endlich erstattet wurde.
Wir dürfen annehmen, dass Wallenstein seine organisatorische Fähigkeit rasch unter Beweis stellen konnte, denn Ende 1619 erhielt er nicht nur eine Erlaubnis, wieder für sein Regiment zu rekrutieren, sondern kurz darauf empfing er ein Patent für ein zweites Regiment. Zweitpatente waren nicht unbekannt, aber bei weitem nicht gewöhnlich. Die üblichen Empfänger waren reiche Männer oft fürstlichen Geblüts, die eine Menge Geld auslegen konnten, oder ranghohe Stabsoffiziere mit umfassender Erfahrung als militärische Unternehmer und mit viel Geld aus den Gewinnen. Damals gehörte Wallenstein zu keiner der beiden Kategorien, trotzdem aber erhielt er nicht nur ein zweites Patent, sondern auch eines, das zweimal so groß war wie üblich – für 2.000 statt 1.000 Kavalleristen. Zweifellos half ihm am kaiserlichen Hof der Ruf seiner Loyalität wegen seiner Erfolge bei Gradisca und Olmütz, dennoch musste er wohl seine professionelle Geschicklichkeit unter Beweis stellen, bevor er ein solches Zeichen der Gunst erhielt. Wahrscheinlich nahm Wallenstein einen Teil des erforderlichen Geldes aus dem Gewinn seines ersten Regiments, aber er forderte auch die 40.000 Gulden zurück, die er Wien geliehen hatte, wobei er erklärte, dass er das Geld brauche, um die Rekrutierungen zu finanzieren.9 Vermutlich war es Geld, das er vorher aus Mähren abgeleitet hatte. Auch könnte er sich Geld von anderen reichen Gönnern geborgt haben, denn er verfügte schon über gute Verbindungen zur sogenannten spanischen Partei am Hof. Unter ihnen war Fürst Hans Ulrich von Eggenberg, Erster Minister Ferdinands, den er zur Zeit von Gradisca kennengelernt hatte, sowie Freiherr Karl von Harrach, der den zweiten Rang unter den einflussreichen Hofräten einnahm, und der spanische Botschafter Graf Oñate.10
1620 wurde Wallenstein zum Mitglied des Hofkriegsrats berufen, obwohl er sich von der Teilnahme an Sitzungen in Wien entschuldigte.11 Wie erwähnt, wurde er gegen Ende des Feldzugs zu einer Sonderaufgabe abkommandiert. In dieser Zeit führten, wie damals üblich, Oberstleutnants seine Regimenter. Als sich die militärischen Abläufe einem erfolgreichen Abschluss näherten, bemühten sich Ferdinand und seine Räte um eine politische Absicherung des zurückgewonnenen Territoriums. Gebiete, die von den katholischen Streitkräften besetzt waren, erschienen sicher genug, aber der Verbündete im Norden konnte ein Problem darstellen. Die sowohl an Sachsen als auch an Böhmen grenzende Lausitz war als Bürgschaft für die Kosten des Feldzugs an Johann Georg von Sachsen verpfändet worden. Folglich hatte er die Lausitz während des konzentrierten Vormarsches auf Böhmen besetzt, und langfristig wurde sein Besitz endgültig, denn der Kaiser verfügte nie über genug Mittel, das Pfand einzulösen. Viele Städte zwischen Prag und der nördlichen Grenze Böhmens aber wollten lieber einen lutherischen Kurfürsten als den erzkatholischen Kaiser zum Herren haben, daher wurde Wallenstein ausgesandt, um mögliche Überläufer abzuhalten. Für diese Aufgaben konnte nur eine Handvoll Truppen bereitgestellt werden, weshalb er sich auf seine Persönlichkeit und auf kühnes vorgreifendes Handeln verlassen musste. Allerdings stand dahinter die Androhung schwerer Strafen nach Ende des Aufstands für diejenigen, die sich seiner Autorität widersetzten. Also reiste er von Stadt zu Stadt und forderte von der Bevölkerung, dass sie in seiner Anwesenheit ihren Treueid auf Ferdinand erneuerte, was sie auch tat. Wallenstein wurde im Brief eines Bürgermeisters als „gar ein freundlicher Herr“ geschildert, der aber, so schrieb er weiter, fest entschlossen war, sein Ziel zu erreichen, und nicht bereit war, Ausflüchte hinzunehmen.12
Nach dem Sieg kam die Rache. Am 11. November 1620, drei Tage nach der Schlacht am Weißen Berg, unterwarfen sich die böhmischen Stände Maximilian von Bayern als Vertreter des Kaisers. Die höchstrangigen Vertreter waren schon auf der Flucht. Friedrich, der noch an seinem Titel des Königs von Böhmen festhielt, zog nach Westen in die Niederlande, Anhalt reiste nach Norden, um Zuflucht bei den skandinavischen Königen zu finden, und Thurn machte sich auf den Weg nach Süden, schließlich nach Konstantinopel, wo er versuchte, den türkischen Sultan zu überreden, den Emigranten bei der Fortführung des Krieges zu helfen. Viele unbedeutendere Teilnehmer flohen ebenfalls, zahlreiche andere blieben jedoch in der Hoffnung zurück, nach ihrer Unterwerfung milde bestraft zu werden. Diese unterschätzten Ferdinand genauso wie diejenigen, die seiner Ernennung als böhmischer Thronfolger zustimmten, oft waren es dieselben Personen. Ferdinand hatte bereits seine Handschrift gezeigt, als er das rechtliche Prozedere des Reiches gebrauchte oder missbrauchte, um den Weg frei zu machen, Friedrich unter Reichsacht zu setzen, ihn zu verbannen und die Konfiskation seiner Ländereien formell korrekt abzuwickeln. Wie er auch nachher im Dreißigjährigen Krieg bewies, sah Ferdinand in einem Sieg keine Möglichkeit für Frieden und Versöhnung, sondern eine Gelegenheit, seinen Vorteil bis zum Letzten zu nutzen.
In Böhmen schlug er nicht unverzüglich zu. Stattdessen versprach Maximilian den Mitgliedern der Stände, dass er sich für ihr Leben verwenden würde, was er tatsächlich jedoch nicht tat. Als er nach Hause abreiste, wurde Liechtenstein zum zeitweiligen Statthalter ernannt. Drei Monate verstrichen, bis im Februar 1621 schließlich der Befehl aus Wien kam und Liechtenstein mit Hilfe von Tilly, Wallenstein und deren Soldaten sowohl alle noch in greifbarer Nähe gebliebenen Mitglieder des früheren Direktoriums des Aufstands als auch eine große Zahl weiterer Teilnehmer festnahm. Sie wurden vor Gericht des Hochverrats angeklagt, und von 40 Verurteilten wurden 27 an einem einzigen Morgen im Juni hingerichtet. Während dieser Exekutionen mussten Soldaten von einem der Wallenstein’schen Regimenter für Sicherheit und Ordnung sorgen.13 Auch kam es zu umfassenden Konfiskationen von Grundbesitz. Diese betrafen nicht nur die Verurteilten, sondern auch diejenigen, die in den Kämpfen gegen Ferdinand gefallen oder geflohen waren, sowie viele andere, die sich dem Aufstand mit unterschiedlichem Engagement angeschlossen hatten. Einige hatten Glück, nur ein Teil ihrer Ländereien wurde konfisziert. Andere hatten noch mehr Glück, denn sie konnten ihre Beteiligung verbergen oder oft mit Hilfe von einflussreichen Freunden, die die Sieger unterstützt hatten, herunterspielen. Dennoch wurde eine riesige Menge Landbesitz unter Kontrolle der Hofkammer, des kaiserlichen Finanzministeriums, gebracht. Dieses Vermögen wurde denen zum Kauf angeboten, die als regierungstreu betrachtet wurden. Dies war nicht nur eine schwerwiegende Strafe für die Rebellion, sondern eine konzentrierte Anstrengung, die wirtschaftliche und politische Macht des protestantischen Landadels zu brechen. Und nicht zuletzt brauchte der Kaiser dringend das Geld, um die Kosten des Krieges zu bezahlen.
Der Krieg war aber bei weitem nicht zu Ende, auch nicht vorübergehend. Im Westen gab es bedrohliche Andeutungen, dass die Fürsten, die Friedrichs böhmische Ansprüche nicht unterstützt hatten, dennoch nicht bereit waren, die Konfiskation der Pfalz zu billigen, nicht zuletzt wegen des Präzedenzfalls, der dadurch geschaffen würde. Nach der Niederlage des Aufstands hatte Mansfeld den Winter mit der Besetzung von Pilsen verbracht, während er erfolglos versuchte, sich bei neuen Dienstherren zu bewerben. Im Frühling 1621 hatten holländische Subventionen Friedrich in den Stand versetzt, ihn wieder anzustellen, und folglich war er wieder an der südwestlichen Grenze Böhmens im Einsatz. Im Osten trug Bethlen einen neuen Angriff vor, im Norden fand eine Erhebung statt, geführt von einem einheimischen Adligen, dem Markgrafen von Jägerndorf, sowohl in Böhmen als auch in Mähren gab es außerdem Unruhen, und ein neuer Aufstand war möglich. In dieser Krise mussten die Kaiserlichen das Heer der katholischen Liga Maximilians gegen Mansfeld aufmarschieren lassen, während Bucquoy in Richtung Ungarn eilte, um sich Bethlen in den Weg zu stellen, und Wallenstein beauftragt wurde, einen Verband nach Schlesien zu führen.14
Für ihn war dies eine erhebliche Beförderung; auch wenn er offiziell keinen höheren Dienstgrad bekam, war es doch sein erster unabhängiger Einsatz. Zudem war es eine Aufgabe, in der politische Umstände ebenso wichtig wie militärische waren. Jägerndorf sollte geschlagen und sein Landbesitz konfisziert werden, aber zugleich sollte Schlesien befriedigt werden, ohne es zu offenen Auseinandersetzungen kommen zu lassen. Die Ordnung sollte wiederhergestellt und die Stände wiederum auf die Seite des Kaisers gebracht werden. Die Ereignisse diktierten etwas anderes. Jägerndorf wartete nicht auf den Angriff, stattdessen marschierte er südöstlich in Richtung Mähren, weil er beabsichtigte, sich in Ungarn mit Bethlen zu vereinigen. Die Kaiserlichen waren infolge eines Gefechts zu Neuhäusel (Nové Zámky), östlich von Pressburg, wo Bucquoy fiel, bereits in Schwierigkeiten. Weil Mähren ungeschützt und unzuverlässig war, wurde Wallenstein dringend abkommandiert, es zu verteidigen. Er erreichte Olmütz gerade noch rechtzeitig, um es zu sichern, und bezog dort bis zum Ende der Feldzugsaison von 1621 Station. In dieser Zeit warb er weitere Soldaten an und führte einen Abwehrkrieg gegen die Siebenbürger. In diesen Scharmützeln war er erfolgreich genug, um zu verhindern, dass sie weitere Fortschritte machten, aber seine Streitkräfte waren nie stark genug, um in die Offensive zu gehen und sie zu verjagen. Als der Winter sich dann näherte, schloss Bethlen erneut Frieden mit dem Kaiser und kehrte mit seiner Beute nach Hause zurück.
Briefe aus dieser Zeit weisen die Haltung Wallensteins zur Finanzierung des Krieges aus, die eine der Grundlagen seines späteren Erfolges war. In Olmütz traf er auf eine gewohnte Lage. Die unbezahlten und unternährten Soldaten stahlen und erpressten so viel wie möglich von den Bürgern und den Bauern, die folglich in an Rebellion grenzender Unruhe lebten. Wallenstein glaubte an die Ordnung und bevorzugte die organisierte und disziplinierte Erhebung von Steuern, die später Kontributionen genannt wurden: Sie betrafen Stadt und Land einschließlich der Grundbesitzer und basierten auf einer mehr oder weniger gerechten Grundlage, abhängig von der Zahlungsfähigkeit. Kardinal Dietrichstein, amtierender Statthalter in Mähren, war damit nicht einverstanden, vermutlich weil er und seine Freunde die größten Summen zu zahlen gehabt hätten. Als Dietrichstein die Gelderhebungen beendigte, konnte Wallenstein nur mit einem zornigen Brief protestieren, denn damals war sein Rang noch nicht ausreichend, um die eigene Auffassung durchzusetzen. Gute Disziplin, betonte er, sei davon abhängig, dass die Truppen Unterkunft, Verpflegung und Sold hätten, sonst würden sie alles stehlen und die Gegend ausplündern. Für den gemeinen Mann sei es besser, ordentliche Kontributionen zu zahlen, als auf die jetzige Weise ruiniert zu werden, auch seien so zivile Unruhen weniger wahrscheinlich. Mit offensichtlicher Frustration bemerkte er zum Schluss, dass er alles ihm Mögliche getan habe und keine Verantwortung trüge, wenn Unruhen ausbrächen.15
Ende 1621, als die kriegerischen Auseinandersetzungen wegen des Winters ruhten, befand sich Wallenstein in Wien, wo er in vornehmen Kreisen verkehrte.16 Dort traf er auch auf Prinz Christian von Anhalt-Bernburg, der junge Anhalt genannt, der in der Schlacht am Weißen Berg verwundet und gefangen genommen worden und zu diesem Zeitpunkt ein geachteter, auf Ehrenwort freigelassener Gefangener des Kaisers war. Er hielt in seinem Tagebuch fest, dass er Wallenstein bei einem Besuch beim spanischen Botschafter Oñate kennengelernt und mit ihm gesprochen hatte. Mitte Januar 1622 waren sowohl Wallenstein als auch der junge Prinz zusammen mit dem Kaiser Gäste bei der Heirat von Maximilian Waldstein, einem Verwandten Wallensteins, den dieser später oft „mein Vetter Max“ nannte, den er mochte und dem er vertraute. Die Braut war Katharina von Harrach, die Tochter eines wohlhabenden und einflussreichen kaiserlichen Hofrats.
Ebenfalls im Januar 1622 bestätigte der Kaiser Liechtenstein als Statthalter von Böhmen, eine Position, die vorher nicht existiert hatte, und stattete ihn mit Befugnissen aus, die unter der alten Verfassung nicht rechtmäßig waren. Die jedoch hatte Ferdinand zusammen mit dem Wahlkönigtum aus dem Weg geräumt. Am folgenden Tag wurde Wallenstein zum Obersten von Prag berufen, was in der Praxis Kommandant von ganz Böhmen hieß und der militärische Gegenwert der politischen Stellung Liechtensteins war, obwohl Letzterer den höheren Rang innehatte.17 Wallenstein war der logische Kandidat, zum Teil wegen seiner böhmischen Herkunft, aber noch mehr wegen seiner Treue, Zuverlässigkeit und Kompetenz, die er in den vorhergehenden Kriegsjahren an den Tag gelegt hatte. Ferner wurde er damals immer mehr zu einem der herausragenden Offiziere Ferdinands, denn der hatte sich bisher bei der Auswahl seiner Generäle auf die Spanier verlassen, von denen zwei bereits in seinen Diensten gefallen waren. Für Wallenstein war dieser Dienstgrad vorerst nicht erreichbar. Militärisch hatte er 1622 wenig zu tun, denn obwohl der Krieg nicht nur fortdauerte, sondern sich auch verschärfte, fand der Kampf hauptsächlich weit entfernt in West- und Norddeutschland statt. In diesen Gebieten wurde die habsburgische Sache statt durch das kaiserliche Heer von den Streitkräften von Spanien und der katholischen Liga unterstützt. Folglich fand Wallenstein etwas Zeit, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Das Heilige Römische Reich um 1630 mit Territorien, die für die Biographie Wallensteins relevant sind.