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Die Reife

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Aus Wallensteins beabsichtigtem Militärdienst in Flandern ist nichts geworden. Stattdessen reiste er, vermutlich Ende 1608, nach Olmütz (Olomouc), einer der wichtigsten Städte Mährens, weil er sich mit Heiratsabsichten trug. Wie in früheren als auch in späteren Jahrhunderten waren Adelsheiraten damals hauptsächlich geschäftliche Angelegenheiten, die von Eltern, Verwandten oder einflussreichen Freunden arrangiert wurden. Hier könnte das jesuitische Priesterseminar in Olmütz die Verbindung geknüpft haben. Dieses Seminar hatte viele reiche Adelspersonen in seiner geistlichen Fürsorge, darunter die vor kurzem verwitwete Lucretia, geborene von Landek, die Letzte ihres Geschlechts, die über großen Landbesitz verfügte, der das kleine Gut Wallensteins zu Hermanitz in den Schatten stellte.19 Die Jesuiten wollten sicherlich einen katholischen Mann für sie suchen, nicht zuletzt deshalb, weil sie keine Kinder hatte und protestantische Verwandte den nächsten Anspruch auf ihre Länder hatten. Wallenstein war 25 Jahre alt, als sie im Mai 1609 heirateten, Lucretia vielleicht ein oder zwei Jahre älter, was aber weniger überraschend war als die unterschiedliche finanzielle Lage des Ehepaars. Auch dies war jedoch keineswegs einmalig, denn im relativ überschaubaren böhmischen und mährischen Adel war es nicht immer möglich, das passende Gleichgewicht in den Fragen von Alter, Vermögen, Adel und Religion zu finden, insbesondere dann, wenn die Frau Witwe war. Gewiss schloss Wallenstein, wie auch seine Schwester zuvor, eine glückliche Ehe, wobei die Verbindung mit dem mährischen Adel über Zierotin seiner Sache geholfen haben mag. Dennoch spiegelte sein Erfolg sicherlich die „vielen guten und lobenswerten Eigenschaften“ und die „vortrefflichen Manieren“ wider, die Zierotin ihm zugeschrieben hatte. Arrangierte Heiraten waren keine erzwungenen Ehen, und Lucretia war nicht nur reich, sondern auch unabhängig. Sie hätte sich anders entscheiden können.

Bisher hatte Wallenstein an den Belangen der Welt nur am Rande teilgenommen. Als Soldat hatte er einen guten Anfang gemacht, ging dem aber nicht weiter nach. Auch hatte er einen Platz in den niedrigen Ebenen der Hierarchie der fürstlichen Höflinge gefunden, war jedoch nur flüchtig in politische Ereignisse verwickelt. Andererseits war er kraft seiner Frau bemerkenswert reich und zu einem bedeutenden Grundbesitzer geworden, was ihm zu dem Zeitpunkt zu genügen schien. Sein Geschick und seine Energie später im Leben, noch größeren Landbesitz zu verwalten, sind gut dokumentiert, und obwohl keine gleichwertigen Nachweise dafür vorliegen, könnte er zu dieser Zeit auch an die Verwaltung seiner mährischen Güter herangegangen sein. Eine frühe Darstellung seines Lebens behauptet, dass er, wie andere vermögende Landedelmänner, regelmäßig die Stadt besuchte: Für ihn war das Wien, wo er verschwenderisch lebte, bis er nach Hause zurückkehren musste, um vor seinem nächsten Besuch seine finanzielle Situation wieder in Ordnung zu bringen.20 Das wäre kein Wunder für einen jungen Mann, der gerade reich geworden war und darauf bedacht war, einen guten Eindruck auf die vornehme Gesellschaft der fürstlichen Kammerherren zu machen. In der frühen Neuzeit waren Prunk und Status eng verbunden, und es wurde von Königen, Fürsten, Edelmännern und anderen Wohlhabenden überall erwartet, dass sie so viel ausgaben und sich so zur Schau stellten, wie es ihrem Rang entsprach. In dieser Hinsicht war Wallenstein als unbedeutender, aber reicher junger Adliger wie später als einer der ersten Fürsten des Reiches nicht außergewöhnlich.

Auch wenn sein neuer Grundbesitz ausreichte, Wallensteins Ehrgeiz zu befriedigen, musste er verteidigen, was er gewonnen hatte. Zu dieser Zeit waren Ansprüche auf Grundbesitz oft bei weitem nicht eindeutig, vor allem bei Erbschaften, und die protestantischen Verwandten von Lucretia waren nicht bereit, kampflos auf ihre Ansprüche zu verzichten. Nur der kleinere Teil ihrer Ländereien, den sie von ihrem Vater geerbt hatte, war unbestritten Lucretias Eigentum, aber betreffs der Güter, die sie von ihrem ersten Mann geerbt hatte, war die Lage nicht so sicher. Insbesondere war es möglich, dass ihr einige Ländereien nur auf Lebenszeit gehörten und darum nach ihrem Tod an die Familie zurückfallen könnten. Zwischen 1610 und 1612 unternahmen Wallenstein und Lucretia Versuche, sich von den Klägern freizukaufen, und verfolgten mehrere Vorhaben, um die rechtliche Stellung eines größtmöglichen Teils ihres Besitzes zu sichern. Dennoch waren sie in zwei Verfahren verwickelt und wehrten einige der Gegenparteien nur ab, statt einen Sieg davonzutragen. Deshalb tauchte dieses Problem nach dem Tod Lucretias wieder auf und beunruhigte Wallenstein weiter.21

Andere geschäftliche Transaktionen deuten an, wie Wallenstein zu dieser Zeit seinen eigenen Platz in der Welt betrachtete. 1610 verkaufte er Hermanitz an einen Onkel, was ganz logisch war, denn das Gut war klein und von seinen neuen mährischen Interessen weit entfernt, doch durch diesen Verkauf blieb der Besitz in der Familie. Folglich verlor er seine Rechtsstellung als böhmischer Edelmann, und obwohl er stattdessen durch seinen neuen Grundbesitz ein mährischer Adliger wurde, hatte er keine persönliche Beziehung zu diesem Territorium. Die Familie war ihm wichtiger. Es wird berichtet, dass er bei der Heirat seiner Schwester Katharina ihre Mitgift vergrößert hatte, und zwar um einen höheren Betrag als die bescheidene Summe, die ihr der Vater dafür hinterlassen hatte. Weiter wird berichtet, dass er Hermanitz lediglich zu einem nominellen Preis verkaufte, um seinen Onkel zu unterstützen, und auch weil dieser für seine andere Schwester Maria gesorgt hatte.22

Die folgenden Jahre waren für Wallenstein ereignislos und sind nur spärlich dokumentiert. Es sieht so aus, dass er im Juni 1610, während der Konflikte, die sich aus dem Streit zwischen Rudolf und Matthias ergaben, von den mährischen Ständen berufen wurde, das Kommando über ein Regiment von Musketieren zu übernehmen. In diesem und dem folgenden Jahr bestand seine Tätigkeit nur in der Bewachung der mährischen Grenze, um zu sichern, dass die Unruhen in Böhmen sich nicht auf Mähren ausweiteten. Darum könnte seine Kommandogewalt eher eine Formsache als eine praktische Erfahrung gewesen sein. Nachdem Matthias gesiegt hatte, war Wallenstein – noch immer einer seinen Kammerherren – Mitglied seiner Ehreneskorte auf der Reise nach Prag, wo jener im Mai 1611 zum König von Böhmen gekrönt wurde.23 Danach reiste Wallenstein im Sommer 1612 nach Italien, vielleicht um eine Wallfahrt nach Loreto zu machen, wenn man einem frühen Bericht des Jesuiten und Historikers Balbinus in diesem Punkt Glauben schenkt. Unlängst entdeckte eine Forscherin eine Unterschrift in der Matrikel der deutschen Studenten in der Fakultät der Rechtwissenschaft an der Universität in Padua, die von Wallenstein stammen könnte, und es ist möglich, dass er dort einige Zeit zubrachte.24 Seine Liebe für alles Italienische ist gut belegt, nicht nur durch seine Vertrautheit mit der Sprache, sondern auch durch seine späteren Entscheidungen für Italiener als Architekten und Künstler seiner Bauwerke sowie als hohe Offiziere in seinen Heeren. Ein Jahr später, im August 1613, begleitete er Matthias, der zu dieser Zeit schon Kaiser war, zum Reichstag in Regensburg, aber wiederum nur als Höfling und nicht in irgendeiner politischen Rolle.25 Jenseits dieser Tätigkeiten schien er damit zufrieden zu sein, die wenigen Pflichten zu erfüllen, die von einem mährischen Adligen und einem Mitglied der Stände erwartet wurden, und ansonsten das Leben eines wohlhabenden Landedelmanns zu führen. Wenn er zu dieser Zeit größeren Ehrgeiz irgendwelcher Art hatte, sind keine Spuren davon in den Archiven zu finden.

Im März 1614 starb seine Frau, möglicherweise an der Pest, sodass er weniger als fünf Jahre nach seiner Heirat zum kinderlosen Witwer wurde. Mehr als vierhundert Jahre später ist schwer zu beurteilen, inwieweit eine Heirat im siebzehnten Jahrhundert mehr war als eine zweckmäßige persönliche und finanzielle Vereinbarung, in Wallensteins Fall jedoch gibt es einige Einzelheiten, die mehr aussagen mögen. Erstens werden weder in den Urkunden aus den Archiven noch in den Angriffen seiner späteren Feinde Geliebte oder uneheliche Kinder erwähnt, obwohl es zweifellos viele Gelegenheiten in Wien gab. Zweitens, und das war damals höchst ungewöhnlich, wartete er neun Jahre, bevor er wieder heiratete, obgleich er noch jung und wohlhabend war. Drittens war die Beerdigung seiner Frau nicht nur ihrem Rang gemäß, sondern er stiftete auch ein Kartäuserkloster auf seinem mährischen Landbesitz als Andenken an sie und als ihre letzte Ruhestätte. Darüber hinaus stiftete er über ein Jahrzehnt später, als er sich seiner größten Machtfülle und dem Reichtum näherte, ein weiteres Kartäuserkloster in Gitschin (Jičin), der Hauptstadt seines Herzogtums Friedland (Frýdlant), nannte seine Frau erneut in der Stiftungsurkunde und ließ ihren Sarg dorthin umbetten.26

Nach dem Tod seiner Frau führte Wallenstein anfänglich sein Leben ähnlich wie früher fort. Damals stiegen die Spannungen zwischen der protestantischen Mehrheit in den Ständen der böhmischen Länder und der meistenteils katholischen Gruppe am Hofe, mit der spätere Historiker Wallenstein verknüpft sahen, obgleich er wie es scheint fast nichts mit Politik zu tun hatte. Gleichwohl blieb er hochgeschätzt, zumindest in Bezug auf militärische Fragen. Folglich wurde er zum Befehlshaber der 3.000 Fußsoldaten berufen, als sich die Stände im Sommer 1615 darauf einigten, Truppen als Reaktion auf die drohenden Bewegungen der Türken und ihres Verbündeten Bethlen Gabor, des Fürsten von Siebenbürgen, zu rekrutieren. Obwohl eine Partie Waffen beschafft worden war, erwies sich diese Truppe nur als Streitmacht auf dem Papier. Auch erkrankte Wallenstein im September schwer. Einem Bericht zufolge verbrachte er im Frühling des Jahres 1616 einige Zeit in einem Haus, das er in Prag gekauft hatte. Ebenfalls in diesem Jahr wurde er zum Kammerherrn Maximilians, des Erzherzogs von Österreich, berufen, einem weiteren Bruder des zu dieser Zeit schon dauerhaft erkrankten Kaisers Matthias.27

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