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Ein begüterter Mann
ОглавлениеEs gibt drei Hauptfäden in der komplizierten Geschichte von Wallensteins Handel mit Grundbesitz Anfang der 1620er Jahre. Erstens lieh er dem Kaiser Geld, besichert durch verschiedene Güter, die wegen der Teilnahme ihrer Besitzer am böhmischen Aufstand beschlagnahmt werden konnten. Zweitens strebte er nach dem größeren Teil des riesigen Grundbesitzes der Familie Smiřický, den er schließlich, gestützt auf seine Ansprüche als einer der bestqualifiziertesten voraussichtlichen Erben – seine Mutter war eine geborene Smiřický –, erwarb. Als die konfiszierten Güter der früheren Rebellen auf den Markt gebracht wurden, zog er drittens ein gigantisches und rasches, aber logisches Programm von Käufen, Tauschen und Verkäufen durch. Alle drei Aspekte hingen mit der Politik der von Ferdinand gewählten Bestrafungen und auch mit der dringenden Notwendigkeit zusammen, so schnell wie möglich Geld aufzutreiben, um einige seiner Schulden zu begleichen und den Krieg weiterzuführen. Das Verfahren war rechtlich zweifelhaft, aber die Verantwortung dafür trug Ferdinand, nicht Wallenstein.
In dieser Hinsicht waren die ersten drei Monate nach der Schlacht am Weißen Berg täuschend ruhig, die Verhaftungen im Februar und die Massenhinrichtung im Juni 1621 machten die Politik Ferdinands jedoch ganz offensichtlich. Erst im Januar 1622 wurde ein Sondergerichtshof mit der Aufgabe eingesetzt, die Fälle aller Personen zu untersuchen, die der Mittäterschaft bei dem Aufstand angeklagt wurden, und den Grundbesitz derer zu konfiszieren, die für schuldig befunden wurden. Präsident war Adam von Waldstein, der oft als Wallensteins Onkel bezeichnet wird, obwohl er möglicherweise ein entfernter Verwandter war. Er hatte seit vielen Jahren böhmische Ämter inne und war kaiserlicher Hofrat, als Wallenstein noch zur Schule ging. Nicht nur die zum Tode Verurteilten verwirkten ihren Grundbesitz, sondern auch die während des Aufstands Getöteten und die aus dem Land Geflohenen. Andere, die nicht so ernsthaft verwickelt waren, büßten nur einen Teil ihres Grundbesitzes ein, die Glücklichsten unter ihnen nur ein Fünftel. Doch auch in diesen Fällen wurde alles konfisziert, wobei die Besitzer nur für den Rest Anspruch auf finanzielle Entschädigung hatten. Es ging um Werte beträchtlichen Ausmaßes, betroffen waren etwa eintausend Familien, zwei Drittel davon in Böhmen und ein Drittel in Mähren. Das hatte zur Folge, dass die Hälfte der gesamten Landfläche Böhmens den Besitzer wechselte, nach einigen Schätzungen noch mehr.10
Die Geldbedürfnisse des Kaisers konnten auf das Ergebnis der Arbeit des Gerichtshofs nicht warten. Als ein schnelleres zeitweiliges Mittel wurden Anleihen auf voraussichtlich verfallende Güter aufgenommen, deren Einkünfte die Zinsen der Geldgeber deckten, bis diese Vereinbarungen auf normale Verkäufe umgestellt werden konnten. Wallenstein war einer der Ersten, der sich dabei engagierte. Anfang 1621 wurden zwei Anleihen über 60.000 beziehungsweise 50.000 Gulden ausgehandelt, jeweils besichert durch Güter der Familie Smiřický (obwohl all diese Zahlen als Näherungswerte betrachtet werden müssen). Die Benennung gerade dieser Güter als Bürgschaft war kein Zufall, denn sie berücksichtigte Wallensteins eventuellen persönlichen Anspruch darauf, wodurch gewährleistet wurde, dass sie weder verpfändet noch an einen anderen verkauft werden konnten. Seine dritte Anleihe vom Juni 1621 über weitere 58.000 Gulden war durch Landbesitz von Friedland und Reichenberg (Liberec) besichert. Dieses waren keine Smiřický-Ländereien, befanden sich wie diese aber nordöstlich von Prag, in einer Gegend, in der Wallenstein seine Liegenschaften aufzubauen beabsichtigte.11 Somit hatte Wallenstein innerhalb weniger Monate und bei weitem vor dem Münzprägekonsortium dem Kaiser 168.000 Gulden vorgeschossen, entweder in bar oder durch Umwandlung einiger der Außenstände des Kaisers für Kosten und Dienste seiner Regimenter in besicherte Schulden.
Diese Geschichte um den Smiřický-Besitz ist nicht leicht zusammenzufassen. Wichtig ist er aber erstens wegen seiner Größe und zweitens, weil Wallenstein ein legitimes persönliches Interesse an der Erbschaft hatte, wenn auch nur wegen der bemerkenswerten Umstände sowohl innerhalb der Familie als auch in Böhmen nach der Unterdrückung des Aufstands. Den Gesamtwert des Vermögens hat man auf ungefähr zwei Millionen Gulden geschätzt, aber weitaus bedeutsamer ist, dass die Summe angeblich vier- bis fünfmal den Wert von Wallensteins mährischen Gütern ausmachte, die allein schon ausreichten, ihn zu einem der reichsten Männer dieses Territoriums zu machen. Wenn er nur einen Teil des Grundbesitzes der Smiřickýs hinzugefügt hätte, hätte ihn das in eine höhere Klasse aufsteigen lassen. Ende 1622 jedoch kontrollierte er als Vormund und Alleinerbe des geistig behinderten Eigentümers mehr als die Hälfte davon.
Die Geschichte fing lange vorher an.12 Der Grundbesitz der Familie Smiřický, mit Hauptsitz in Gitschin, umfasste etwa siebzehn Güter nördlich und östlich von Prag. Sie waren meistens durch Verkauf oder Erbschaft frei übertragbar, einige unterlagen jedoch einem Fideikommiss, was dies verhinderte. In diesem Fall ging das Eigentum daran stattdessen automatisch auf das zurzeit älteste Familienmitglied über, wobei Männer Vorrang genossen. Die Familie war über alle Maßen reich, starb aber allmählich aus, und schon 1614 gab es in direkter Linie nur vier überlebende Kinder des verstorbenen Sigmund Smiřický und einige weiter entfernte Verwandte, von denen Wallenstein einer war. Sigmund hinterließ seinen Töchtern ausschließlich Geld, hatte aber die ältere nach einer peinlichen Liebschaft eingesperrt, wobei es die Familie nach seinem Tod beließ. Seine zwei Söhne hätten sich den frei übertragbaren Teil der Erbschaft teilen sollen, das Fideikommiss hätte außerdem der ältere, Heinrich Georg, bekommen sollen, aber er war geistig behindert. Der jüngere Sohn, Albrecht Jan, hatte sich darauf verlassen und die rechtlichen Formvorschriften dergestalt umgangen, dass er die gesamte Erbschaft in seinem eigenen Namen ins böhmische Grundbuch eintragen ließ. Dabei war nicht klar, ob er alles als sein eigenes Eigentum beanspruchte, oder ob er auch zum Teil als Vormund seines Bruders handelte.
Später wurde eben dieser Albrecht Jan Smiřický zu einem der führenden böhmischen Rebellen, er beteiligte sich am Prager Fenstersturz, rekrutierte ein Regiment, erkrankte im Feldzug und starb. Daraufhin ergab sich ein bitterer Streit zwischen den beiden Schwestern. Die ältere, die aus der Gefangenschaft entkommen war, nahm einige der Güter gewaltsam in Besitz, die jüngere beantragte jedoch während des Aufstands Verfügungen vom böhmischen Gerichtshof, der eine Rückgabe anordnete und sie zum Vormund Heinrich Georgs berief. Im Februar 1620 endete der Zwist in einer bizarren und umfassend publizierten Katastrophe, als sich während einer bewaffneten Konfrontation im Herrenhaus der Familie in Gitschin eine Explosion in einem Pulvermagazin ereignete. Dabei kamen die ältere Schwester und der Mann der jüngeren ums Leben, dazu mehrere Beamte, Soldaten und Diener, insgesamt etwa 50 Personen.13 Folglich sicherte sich die nunmehr verwitwete Margareta als Vormund ihres Bruders die Verwaltung des gesamten Familienbesitzes, aber ihr Erfolg war von kurzer Dauer. Nach der Schlacht am Weißen Berg floh sie zusammen mit Heinrich Georg und sämtlichem verfügbaren Geld erst nach Brandenburg und anschließend nach Hamburg. Ihr verstorbener Mann Heinrich von Slavata war ebenfalls ein führender Rebell, der dabei war, als sein Bruder aus dem Fenster des Prager Schlosses gestürzt wurde, daher hatte sie Angst vor den Vergeltungsmaßnahmen der Sieger.
Nach diesen Ereignissen wurde die rechtliche Lage durch die Konfiskationsregeln des Kaisers bestimmt. Da Albrecht Jan Smiřický ein Rebell war und als Waffenträger starb, war sein Vermögen der Krone verfallen, und eine Übertragung auf seine Erben wurde nicht anerkannt. Margareta, die überlebende Schwester, hatte zu Lebzeiten von Heinrich Georg keinen Anspruch auf den Grundbesitz, denn die böhmischen Gerichtsverfügungen aus der Aufstandszeit waren danach ungültig und darum auch die Vormundschaft nichtig. Ferner war das Vermögen derer, die aus Böhmen geflohen waren, ebenfalls verfallen. Folglich verlor sie jede Aussicht auf ihren Anspruch, nach dem Tod Heinrich Georgs sein Erbe anzutreten. Ungelöst war die Frage, ob Albrecht Jan den Anteil seines Bruders rechtmäßig besaß, oder ob er ihn nur als sein Vormund hielt. Träfe Letzteres zu, würde dieser nicht verfallen, weil Heinrich Georg auf Grund der geistigen Behinderung weder als Rebell noch als Flüchtling betrachtet werden konnte und darum nach wie vor Besitzer des Fideikommisses sowie der Hälfte des übertragbaren Grundbesitzes wäre. Wallenstein war einer der engsten übrigen Verwandten, zu diesem Zeitpunkt außerdem der mit den besten Verbindungen. Folglich bewarb er sich um die Vormundschaft, die er ordnungsgemäß bekam, obwohl seine Versuche, Heinrich Georg zurück nach Böhmen zu bringen, erfolglos blieben. Dies geschah erst einige Jahre später, und danach lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1630 in einem der Smiřický-Schlösser.14
Sobald er als Vormund ernannt war, erhob Wallenstein im Namen seines Mündels Anspruch auf den gesamten Besitz der Familie Smiřický. Er behauptete – nicht ganz aufrichtig und zweifellos dem Rat der Rechtsanwälte folgend –, dass der Grundbesitz nie formell zwischen den Brüdern aufgeteilt worden war und somit kein Anteil davon wirklich Albrecht Jan gehörte. Deshalb verfiel auch kein Teil der Konfiskation. Liechtenstein ließ Wallensteins Anspruch untersuchen und teilte dem Kaiser mit, dass der Anspruch von Heinrich Georg auf den Fideikommiss unbestreitbar sei und dass die Forderung bezüglich der weiteren Anteile der Ländereien auch gerichtsfest sein könne. Ein Kompromiss sei ratsam, schlug er vor.15 Wallenstein war nur zu bereit, den vollen Anspruch aufzugeben, der offensichtlich eine Verhandlungsposition war, und gab sich mit der Hälfte zufrieden, zu der sein Mündel völlig berechtigt war. Als Gegenleistung dafür wurde es ihm gestattet, diejenigen Güter auszuwählen, die er behalten wollte. Noch dazu erhielt er vom Gericht einen Dispens, durch den er später unbegrenzte Verfügung über den Grundbesitz seines Mündels bekam.
Obwohl Wallenstein jetzt mehr als die Hälfte des Grundbesitzes der Familie Smiřický kontrollierte, war er nicht der Besitzer und nach Heinrich Georgs Tod auch nicht der einzige voraussichtliche Erbe. Die erfolgversprechendsten Aussichten hatte eine ältere Tante Wallensteins, die Schwester seiner Mutter. Außerdem hatte er zwei Vettern, Söhne der anderen Schwester seiner Mutter, deren Ansprüche etwa gleichen Rang wie die seinen hatten. Einer jedoch war als Erbe ausgeschlossen, da er am Aufstand teilgenommen hatte und später aus dem Land geflohen war. Wallenstein gelang eine Einigung mit seiner Tante und seinem Vetter, wonach sie auf ihren Anspruch verzichteten. Höchstwahrscheinlich erfolgte dies einvernehmlich und gegen eine Barzahlung. Er hatte diese Methode bereits früher eingesetzt, um mit den Klägern über Teile des mährischen Grundbesitzes seiner Frau zu verhandeln. Noch dazu hatte eine finanzielle Abmachung den Vorteil, dass sie offen und ehrlich sowie rechtsverbindlich war. Für seine Verwandten war Bargeld in der Hand ein unverhoffter Glücksfall, insbesondere unter den damaligen Umständen. Vermutlich erschien es ihnen besser als ein strittiger Anspruch zum Zeitpunkt des Todes von Heinrich Georg, weil niemand wusste, wie lange er noch leben würde oder was für weitere Verwirrungen inzwischen in der unsicheren politischen Welt eintreten mochten. Wallenstein bemühte sich sogar um eine Abmachung mit der geflohenen Margareta, doch daraus wurde nichts.16
Um diese Geschichte abzuschließen, kaufte Liechtenstein die Güter, die unter den Fideikommiss fielen und die Wallenstein jetzt, kraft des rechtlichen Dispenses, im Namen von Heinrich Georg verkaufen konnte. 1623 erwarb Wallenstein selbst den verbleibenden Teil des übertragbaren smiřickýschen Grundbesitzes seines Mündels und schoss dem Kaiser anscheinend den ganzen Kaufpreis von 502.000 Gulden als Anleihe vor.17 Dadurch war der Rechtsanspruch auf die Güter geklärt, was künftige Transaktionen rechtlich vereinfachte. Gleichzeitig wurde das Vermögen Heinrich Georgs zu Geld gemacht, wovon ein Großteil als Kredit an den Kaiser besichert war. Soweit es ein Risiko bei dieser Vereinbarung gab, fiel dies letzten Endes Wallenstein zu, denn er war der einzige rechtmäßige Erbe.
Geldsummen aus dieser Zeit sind besonders schwierig zu bewerten, nicht nur auf Grund des üblichen geschichtlichen Problems, Gleichwertigkeit mit moderner Kaufkraft festzustellen, sondern auch, weil es oft zweifelhaft ist, um genau welches Münzwesen es sich handelte und was für einen Wert die Münzen zu dem Zeitpunkt hatten. „Gulden“ können verhältnismäßig solide sein, entweder vor der Inflation oder nach der Währungsreform, es können aber auch zweifelhafte böhmische Gulden auf verschiedenen Stufen der Entwertung in der Zwischenzeit sein. Auch andere Gulden können gemeint sein, solidere und aus weiterer Entfernung, zum Beispiel rheinische Gulden. Mit diesem Vorbehalt darf man anmerken, dass Wallenstein neben seinen böhmischen Geschäften 1622–1623 seinen mährischen Grundbesitz für 348.000 Gulden verkaufte und dass sein Anspruch wegen des erlittenen Schadens durch den Aufstand amtlich auf 182.000 Gulden geschätzt wurde, sodass der Gesamtwert 530.000 Gulden betrug. Wenn berechtigt geäußert wurde, dass der smiřickýsche Grundbesitz vier- bis fünfmal so viel wert war, wäre der Schätzwert von zwei Millionen oder mehr bestätigt. Folglich war der Anteil Wallensteins über sein Mündel etwa eine Million wert, was im Großen und Ganzen durch seinen Kauf des übertragbaren Teils für 502.000 Gulden und einen Bericht, dass Liechtenstein 433.000 Gulden für das Fideikommiss bezahlte, bestätigt wird.18 Deshalb besaß oder kontrollierte Wallenstein mit dem Erlös seines mährischen Grundbesitzes und dem Wert seines Anteils am smiřickýschen Besitz Vermögen im Wert von eineinhalb Millionen. Unter Hinzurechnung seines Gewinns aus seinen militärischen Unternehmungen und der Geldprägung verweist dies auf einen Gesamtbetrag in einer Größenordnung von zwei Millionen Gulden. Dies bildet den Hintergrund für weitere Untersuchungen seiner damaligen Geschäfte mit Grundbesitz.
Seine ersten Käufe waren die Güter von Friedland und Reichenberg, auf deren Bürgschaften Wallenstein dem Kaiser im Juni 1621 58.000 Gulden geliehen hatte. Als ein Jahr später die Beschlagnahmung vollstreckt wurde, standen sie zum Verkauf, und nach Verhandlungen wurde sein Angebot von 150.000 Gulden angenommen.19 Während der folgenden achtzehn Monate, von Juli 1622 bis Ende 1623, führte Wallenstein parallel zu den Verfahren und Konfiskationen des Gerichthofes eine beträchtliche Reihe von Geschäften im Zusammenhang mit Grundbesitz durch. Im Unterschied zu den vielen anderen Käufern hatte er einen Plan geschmiedet und versuchte, eine auf Friedland und die smiřickýschen Hauptgüter rund um Gitschin konzentrierte große zusammengeschlossene Einheit zu schaffen. Folglich kaufte er nicht nur, sondern verkaufte und tauschte auch Güter und behielt solche, die in seinen Plan passten, während er andere im Tauschhandel für weitere Käufe benutzte. Laut einer Kalkulation handelte es sich um etwa zweihundert verschiedene Güter, demnach hatte Wallenstein schon Anfang 1624 fünftausend Quadratkilometer Land von guter Qualität in seinen Besitz gebracht, das sich etwas nördlich von Prag bis zur böhmischen Grenze und im Osten bis zum Riesengebirge erstreckte.20 Um dies zu verdeutlichen: das entspricht einem Drittel von Schleswig-Holstein oder ungefähr einem Viertel von Rheinland-Pfalz oder Hessen.
Um ein Programm dieses Umfangs zu einer Zeit durchzuführen, in der das Pferd das schnellste Transportmittel war und es keinen Postdienst oder irgendein modernes Kommunikationssystem gab, bedurfte es einer besonderen organisatorischen Großtat. Nicht nur muss Wallenstein beeindruckende persönliche Kraft und Engagement an den Tag gelegt haben, sondern er brauchte auch Vertreter, auf die er sich verlassen konnte, nicht zuletzt deshalb, weil er noch seine militärischen Aufgaben zu erfüllen hatte. Noch wichtiger war, dass er finanzielle Unterstützung bekam, es also Menschen gab, die ihm dabei halfen, das notwendige Geld zu beschaffen. Wer sie waren, ist noch unsicher, Forscher haben jedoch nicht nur de Witte, sondern auch führende Bankiers aus Hamburg und Augsburg erwähnt, damals die wichtigsten Finanzzentren Deutschlands.
Bargeld war der Schlüssel. Der Kaiser brauchte es dringend, und es zu beschaffen war der Hauptzweck der Konfiszierung und des Verkaufs von Grundbesitz. Für die Kaufwilligen stellte es eine bedeutsame Schwierigkeit dar, denn man konnte durch Grundbesitz wohlhabend sein, ohne viel bares Geld verfügbar zu haben. Wallenstein war bei weitem nicht der Einzige, der diesem Problem gegenüberstand, aber er war bei seiner Lösung einmalig erfolgreich. Die Einzelheiten sind nicht bekannt, einige Urkunden deuten jedoch Umrisse an. Ein Brief des Kaisers Ferdinand an Liechtenstein vom September 1622 erwähnt die Möglichkeit, dass Unbekannte bereit sein könnten, der Hofkammer eine Anleihe von mehreren Millionen, besichert durch konfiszierten Grundbesitz, einzuräumen. Ein Vertragsentwurf, der im Dezember selbigen Jahres aufgesetzt wurde, weist auf Wallenstein und eine Summe von zwei Millionen Gulden hin, ein weiterer Entwurf handelt von dreieinhalb Millionen, die Wallenstein und unbenannte andere zur Verfügung stellen sollten.21 Man darf mit Recht annehmen, dass diese Urkunden mit dem am Anfang dieses Kapitels erwähnten Verzeichnis von Wallensteins Unterlagen übereinstimmen – also Liechtensteins Quittung vom 13. Januar 1623 über eine Anleihe von dreieinhalb Millionen rheinischen Gulden, die Wallenstein gegen die Sicherheit beschlagnahmter Güter vorgeschossen hatte. Obwohl Wallenstein auf eigene Rechnung handelte, stammte die große Mehrheit dieser riesigen Summe sicherlich von Bankiers und anderen Verleihern, die als Entsprechung eines modernen Bankenkonsortiums gesehen werden können. Bestimmt gab es weitere Verträge, die ihnen hinsichtlich der Schulden des Kaisers und des sie besichernden Grundbesitzes Ansprüche übertrugen. Zweifelllos aber wurde auch Wallensteins eigener Grundbesitz als Nebenbürgschaft für ihr Darlehen angegeben.
Das war ein bemerkenswert scharfsinniger Schritt. Die Gunst, in der Wallenstein bereits bei Hofe stand, musste sich wegen seiner Beteiligung an dieser Vereinbarung, die so viel Geld in derart kritischen Zeiten beschaffte, vermehrt haben. Mit Sicherheit war dieser Ruf ihm bei seinen weiteren Geschäften über Grundbesitz behilflich. Kein Beamter hätte den Verkauf eines Gutes in der böhmischen Gegend gebilligt, für die Wallenstein sich interessierte, ohne es ihm zuvor anzubieten, und nur wenige hätten sich gegen sein Gebot gestellt, solange dieses nicht zu weit unter dem amtlich geschätzten Wert lag. Ein Verkauf an Wallenstein löste auch ein großes Problem für die Hofkammer, denn bei anderen Anbietern war es immer fraglich, ob das Geld wirklich zur Verfügung stand, und falls dies so war, wie lange sie brauchten, um es zu mobilisieren. Wahrscheinlich entwickelte sich zwischen den zuständigen Beamten und Wallensteins Vertretern eine bequeme Beziehung mit wechselseitigen Vorteilen, da ein Kauf auf den anderen folgte und die Transaktionen zur vertrauten Routine wurden.
Aus einer Studie Ende des neunzehnten Jahrhunderts über die Grundbesitzgeschäfte Wallensteins kann man kalkulieren, dass er für Käufe von der Hofkammer und privaten Besitzern von 1622 bis zum Ende seines Lebens sieben Millionen Gulden ausgab. Dagegen tätigte er auch Verkäufe im Wert von vier Millionen, demnach betrug die Nettoinvestition drei Millionen Gulden. Zwei Drittel dieser Käufe und Verkäufe fanden in den ersten drei Jahren 1622 bis 1624 statt, den Jahren mit den großen Konfiskationen. Seine Nettoausgaben beliefen sich in diesen drei Jahren auf fast zwei Millionen Gulden.22 Obwohl diese Zahlen nur als Annäherung betrachtet werden dürfen, ist das Schema in groben Zügen relativ einfach zu verstehen. Bis Mitte 1622 benutzte Wallenstein vermutlich Geld aus eigenen Mitteln für Käufe und Darlehen, einschließlich des Erwerbs von Friedland und Reichenberg. Im Herbst dieses Jahres stellte er eine sehr große Kreditlinie zusammen und handelte mit Liechtenstein die Bedingungen einer Anleihe von dreieinhalb Millionen rheinischer Gulden an den Kaiser aus, die im Januar 1623 ausgezahlt wurde. Anfänglich, als konfiszierte Güter von Pfandwerten in Käufe Wallensteins umgewandelt wurden, mag der Großteil dieser Summe in Anspruch genommen worden sein, doch als später Verkäufe folgten, konnte er Rückzahlungen tätigen und Schulden abbauen.
Ein Überschlag deutet an, dass Wallenstein schon 1624 den Wert seiner Bruttovermögenswerte verdoppelt hatte. Er hatte, einschließlich der smiřickýschen Güter, mit etwa zwei Millionen Gulden angefangen, netto noch einmal zwei Millionen für Grundbesitzkäufe ausgegeben und einen Gesamtwert von vier Millionen erreicht, ungefähr die Hälfte davon durch Schulden finanziert. Wäre das schon alles gewesen, hätte es sich um ein sehr solides Geschäft gehandelt, tatsächlich aber war der enorme Landstrich, den er zusammengekauft hatte, weitaus mehr als das Doppelte seines ursprünglichen Einsatzes wert. Das Einkommen war verhältnismäßig groß, und Wallenstein vermehrte es, indem er den größtmöglichen Anteil seiner militärischen Einkäufe bei seinen eigenen Gütern tätigte, sowohl vor als auch nach seiner Berufung zum kaiserlichen Generalissimo. Folglich hätte er kein Problem gehabt, Zinsen auf die Schulden zu zahlen. Er hätte sie sicherlich auch relativ schnell zurückgezahlt, wenn er gewollt hätte; er verwendete sie jedoch stattdessen, um in den folgenden Jahren Heere zu finanzieren.
Wie kaufte Wallenstein seinen Grundbesitz so billig? Für die Neider damals und für diejenigen, die zu geschichtlichen Verschwörungstheorien neigten, war die Antwort einfach zu finden: zwielichtige Geschäfte, Einfluss auf Menschen in hohen Positionen, unehrliche Schätzer, doppeltes Spiel mit der verschlechterten Währung und andere ähnliche Tricksereien. Doch es gibt auch einfachere Erklärungen. Die erste davon ist die enorme Menge Grundbesitz, die wegen der Konfiskationen in kurzer Zeit auf den Markt gebracht wurde – die Hälfte von ganz Böhmen und ein großer Teil Mährens. Damals aber waren vorhandene Käufer knapp, weil die Katholiken eine kleine Minderheit waren, nur wenige Protestanten zu kaufen in der Lage waren und sogar die Katholiken, die bereitwillig und im Prinzip für Käufe reich genug waren, Probleme haben konnten, das notwendige Bargeld aufzutreiben. Laut dem üblichen Gesetz von Angebot und Nachfrage muss der Preis von Grund und Boden unausweichlich steil gefallen sein. Dazu kam die Art und Weise des Verkaufsverfahrens. Weil der Kaiser Geld dringend benötigte, ging es nicht darum, den Höchstpreis zu erzielen, sondern rasch an Geld zu kommen. Hätten sich die Verkäufe über das folgende Jahrzehnt erstreckt, wären viel größere Summe erbracht worden, diesen Luxus aber hatte die Hofkammer nicht. Der Druck der Zeit verschlimmerte das Problem des Überangebots und trieb die Preise weiter nach unten.
Der Wertverfall der Münzen wird eine Rolle gespielt haben, jedoch nicht wegen finanzieller Manipulation durch Wallenstein oder andere. Preise steigen als eine Folge von Abwertung, und dadurch wird der Teufelskreis der Inflation weitergetrieben. Die Preise von Nahrung und lebensnotwendigen Gütern reagieren schnell, andere dagegen bewegen sich langsamer. Mieten und landwirtschaftliche Pachtzahlungen werden mit als Letzte angepasst, weil sie gewöhnlich für längere Fristen festgesetzt werden. Anfänglich hielt das Einkommen von Grundbesitz nicht Schritt mit der schnellen Inflation, der wahre Wert jedoch fiel. Damals wie heute war der Ertrag Ausgangspunkt für die Bewertung von Grundbesitz, und folglich blieben die amtlichen Schätzwerte hinter der Inflation zurück. Auf diese Weise sank auch ihr wahrer Wert, noch dazu trieben das Überangebot und die Notwendigkeit, schnell zu verkaufen, die realisierten Verkaufspreise weiter herab. Die Schätzer waren außerdem unter Druck, niedrige Bewertungen für die teils verfallenen Güter festzusetzen, um die zu zahlenden Entschädigungen zu verringern. Deshalb wurden wahrscheinlich auch Schätzungen und Erwartungen für zum Verkauf stehende konfiszierte Güter ähnlich beeinflusst. Wir dürfen annehmen, dass Wallenstein geschickt kaufte, und Forschungen deuten an, dass seine Angebote üblicherweise unterhalb der amtlichen Schätzungen lagen, wenn auch nur geringfügig.23 Vermutlich benutzten seine Vertreter ihre Kontakte, um herauszufinden, welche Preise annehmbar sein würden. Es wäre in Wallensteins Interesse gewesen, sein Angebot auf dieser Höhe vorzulegen, um diese Beziehungen für die große Anzahl seiner geplanten Käufe aufrechtzuerhalten. So werden gute Geschäfte gemacht.
Weiterverkäufe spielten eine wichtige Rolle in Wallensteins Strategie. Nur selten umfasste ein Landbesitz ein einziges einheitliches Grundstück, stattdessen bestanden Güter üblicherweise aus verschiedenen Parzellen Land, von denen einige ziemlich weit vom Kernbesitz entfernt sein konnten. Wie es auch im heutigen Grundbesitzhandel der Fall ist, gab es oft Leute, die sich für Teile interessierten, aber abgeneigt oder außerstande waren, für das Ganze zu bieten, obwohl sie für die Grundstücke, die sie haben wollten, höhere Preise zu zahlen bereit waren. Solche Weiterverkäufe hätten den durchschnittlichen Preis der Grundstücke in Wallensteins Besitz beträchtlich reduziert, denn der Gesamtwert seiner Verkäufe betrug mehr als die Hälfte seiner Käufe. Ferner, und anders als der Kaiser, hatte er Zeit, auf den gewünschten Preis zu warten und dadurch den Unterschied im Preisniveau zwischen seinen Käufen und Verkäufen weiter zu steigern. Zusätzlich kam auch die Möglichkeit hinzu, dass sich zwischen Kauf und Wiederverkauf die Preise durch die Inflation erhöht hatten.
Währungsmanipulation spielte höchstwahrscheinlich keine Rolle. Die Quittung für das Darlehen von dreieinhalb Millionen an den Kaiser weist spezifisch auf rheinische Gulden hin, eine relativ stabile Außenwährung. Bestimmt lautete Wallensteins eigene Kreditaufnahme auf dieselbe Währung, und die Bankiers, die hinter ihm standen, waren bei weitem zu klug, sich mit abgewerteten böhmischen Gulden als Rückzahlung abzufinden. Die Preise der Güter, die er kaufte, waren auf böhmische Gulden festgesetzt, verrechnet aber wurden sie sicherlich als rheinische Gulden zum zur Zeit gültigen Wechselkurs mit seinem Leihkonto beim Kaiser. Darum war dies keine Gewinnquelle, denn sowohl Wallenstein als auch der Kaiser hatten solide rheinische Gulden geborgt und mussten in derselben Währung zurückzahlen. Trotzdem leistete Wallenstein später dem Kaiser eine freiwillige zusätzliche Zahlung von 200.000 rheinischen Gulden als Anerkennung für die erfolgreichen Geschäftsbeziehungen im Grundbesitzhandel und bei Darlehen. Ferdinands Brief vom Februar 1625 als Quittung für diese Zahlung verwies kurz auf die abgewertete Währung, aber es gab keine Andeutung von Fehlverhalten. Ganz im Gegenteil bemerkte Ferdinand spezifisch, dass die Hofkammer tatsächlich keinen Schaden dabei erlitten habe. Außerdem lobte er Wallenstein für seine Geste und befreite ihn von jedweden künftigen Forderungen in Bezug auf diese Angelegenheiten.24
Sogar die hier skizzierte geraffte Darstellung der finanziellen Strategie Wallensteins war den Zeitgenossen nicht bekannt. Stattdessen werden sie einen fast unbekannten Neuankömmling gesehen haben, der schnell sowohl politisch wichtig wurde, als auch zum zweiten Mann nach Liechtenstein in der Macht über Böhmen aufstieg und noch dazu durch den Kauf einer unerhörten Menge Land unglaublich reich wurde. Sie werden das Ausmaß seiner Verschuldung nicht gekannt haben, und aller Wahrscheinlichkeit nach glaubten sie, dass er reicher war als in Wirklichkeit, besonders in den ersten Jahren. Nur wenige werden den Mechanismus verstanden haben, durch den er so viel und so schnell kaufen konnte, und darum nahmen sie an, dass die Antwort bei unsauberen finanziellen Handlungen und der Ausnutzung unehrenhaften Einflusses lag. Neid und Groll, die immer da sind, wenn ein Neuer in die höheren Stufen der Gesellschaft aufrückt, drückten sich in so vielen böswilligen Gerüchten und Beschwerden aus, dass sie endlich zu „wohlbekannten Fakten“ wurden, und das in einem Maße, dass nachfolgende Historiker es oft schwierig fanden, die Wahrheit herauszufinden.
Zweifellos nutzte Wallenstein jeden möglichen Einfluss und alle Chancen, die sich ergaben. Er war bei weitem nicht allein, denn es gab viele andere Käufer konfiszierten Grundbesitzes, aber er war weitaus erfolgreicher. Zwar waren manche viel einflussreicher und anfänglich auch viel wohlhabender; so wird berichtet, dass Liechtenstein zehn und Eggenberg acht Güter kauften. Martinitz und Slavata, die Opfer des Prager Fenstersturzes, sowie mehrere hohe Offiziere des Heeres waren ebenfalls unter den Käufern, von denen einige, anders als Wallenstein, als Belohnung für ihre Dienste zusätzliche Güter oder Preisnachlässe für ihre Ankäufe bekamen.25 Im Gegensatz zu diesen anderen Käufern aber, die Stück für Stück handelten, war die Basis für Wallensteins Aufstieg in die Reihen der Superreichen eine Methode, die in der modernen Welt als ausführlicher und gut durchdachter Geschäftsplan gelten würde. Seine Kernbegabung war die Fähigkeit, in größeren Maßstäben als andere zu denken, und folglich erkannte er die einmalige Gelegenheit, die Konfiskation und Verkauf von so viel Land schufen. Als Reaktion darauf dachte er sich eine Strategie aus, so viel wie möglich zu kaufen – nicht willkürlich, aber auf eine Weise, die es ermöglichte, eine integrierte Einheit zusammenzustellen, die als Territorium statt nur als eine Gruppe von Gütern verwaltet werden konnte. Seine Kühnheit bestand darin, dass er seine Mittel vollständig dafür einsetzte, und er benutzte sie, um nicht nur einige Käufe zu finanzieren, sondern um durch sehr große Kreditaufnahmen einen Multiplikatoreffekt zu schaffen. Seine Begabung lag in der Fähigkeit, ein so großes Programm in so kurzer Zeit trotz seiner militärischen Dienste umzusetzen. Dieser Erfolg muss sich auch in hohem Maße auf sein Urteilsvermögen gestützt haben, begabte Vertreter zu finden, denen er vertrauen konnte, sowie auf seine Bereitschaft, ihnen die Vollmacht zu übertragen, in seinem Namen zu handeln.
Auch wenn seine Leistungen noch schwer zu verstehen sind, soll bemerkt werden, dass andere in jüngerer Zeit gleichartige Dinge getan haben, als sich einmalige Chancen ergaben. Vater und Sohn Getty erkannten die wichtigsten Punkte der Bedeutung von Erdöl, erstens als neue Handelsware und zweitens als Basis der größten Industrie der Welt. Beide Männer wurden schnell superreich, und der Sohn, John Paul Getty I., wurde später zum reichsten Mann der Welt. Der beste Vergleich bezieht sich aber auf die Lage in Osteuropa in den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime. Damals gab es einen enormen Räumungsverkauf von Staatseigentum, mit dem der Verfasser dieses Buches persönliche Erfahrung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hat. Seither ist eine Anzahl von superreichen Personen aufgetaucht, vor allem in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Die Sache hat aber eine faustische Wendung, denn als Entgelt für seinen neuen Reichtum war Wallenstein unwiderruflich an Ferdinand gebunden. Wenn der Kaiser der Verlierer im weitergehenden Krieg und auch nicht absolut erfolgreich sein würde, bekämen die enteigneten Böhmen als Hauptbedingung einer Abmachung unausweichlich ihren Grundbesitz zurück. Dann würden Wallenstein und die anderen Käufer gleichermaßen enteignet, und auch wenn sie einen Anspruch an die kaiserliche Hofkammer hätten, wäre die Möglichkeit gering, nach einem verlorenen Krieg Zahlungen aus diesem stets bankrotten Amt herauszuholen. Die Alternative für Wallenstein war einfach, aber unerbittlich: entweder Sieg für Ferdinand oder totaler Untergang für ihn selbst. Schlimmer noch: seine Rettung hing davon ab, dass der Kaiser nicht nur gewann, sondern danach einen dauerhaften Frieden einging. Das zu tun aber erwies sich Ferdinand als unfähig oder unwillig. Das sich daraus ergebende Dilemma ist der Schlüssel, um den Rest von Wallensteins Leben und auch seinen Tod zu verstehen.