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Im frühen Mannesalter
ОглавлениеWas Wallenstein von 1602 bis 1604 tat, ist unbekannt, obwohl seine frühesten Biographen behaupten, dass er am Hof des Markgrafen von Burgau in Innsbruck eine Stelle auf der niedrigsten Stufe der Hierarchie fand.8 Das ist nicht unwahrscheinlich, aber unbewiesen. Klar ist, dass er 1604 im Alter von zwanzig Jahren Soldat wurde, was vielleicht militärische Neigungen andeutete, die seine nachfolgende Karriere ankündigten. Er könnte aber auch schlicht versucht haben, einen Start ins Leben zu finden – zur Zeit, als die böhmischen Stände an der ungarischen Grenze ein Regiment für einen der periodisch auftretenden Kriege gegen die Türken rekrutierten. Zweifellos halfen sein Name und seine Beziehungen, denn er wurde sofort Fähnrich, der niedrigste Offiziersgrad, statt als gemeiner Soldat anfangen zu müssen, wie viele andere junge Herren.
Der Feldzug war kurz und nicht bemerkenswert ruhmreich, aber es scheint, dass Wallenstein seine Sache gut machte und dass er von der Erfahrung profitierte. Die kaiserliche Armee brach im Juli 1604 auf. Mitte September hatte sie sich in einer Festungsstadt an der Donau eingerichtet, in der sie von einer größeren türkischen Streitmacht belagert wurde. Nach drei Wochen zogen die Türken ab, nachdem sie von der Artillerie heftig bedrängt worden waren und beträchtliche Verluste in erfolglosen Angriffen erlitten hatten. Inzwischen wurde Wallenstein zum Hauptmann befördert, und es ist möglich, das er in dieser Zeit Johann Tscerclaes, den Grafen Tilly, kennenlernte, der damals 45 Jahre alt war. Mehr als zwanzig Jahre danach wurde dieser sein wichtigster Mitstreiter und Konkurrent in den katholischen Heeren. Ebenfalls weilten dort Heinrich Matthias, Graf von Thurn, ein Führer des böhmischen Aufstands und später Oberbefehlshaber seines Heeres, und der Spanier Don Balthasar, Graf von Marradas, der erst sein Vorgesetzter, danach sein Untergegebener war. Schließlich wurde er im kaiserlichen Heer der 1620er Jahre Wallensteins Gegner. Alle drei waren schon Oberste.9
Aber das war noch nicht das Ende, denn die Bedrohung durch die Türken wurde von einem ungarischen Aufstand abgelöst, um den sich die Streitkraft vor Ort kümmern musste. Der folgende Feldzug vom Herbst bis in den Winter war im Wesentlichen dem Dreißigjährigen Krieg ähnlich, insofern Überfälle, Scharmützel, Futterbeschaffung und Plünderungen statt regelrechter Schlachten an der Tagesordnung waren. Während dieser Kampagne erlitt Wallenstein eine Verletzung an der Hand, errang aber genug Wohlwollen seiner Vorgesetzten, um für einen wichtigen Auftrag ausgewählt zu werden. Obwohl dies kein militärischer Auftrag war, erwies er sich als ziemlich gefährlich. Die Armee hatte kein Geld mehr, und die Soldaten weigerten sich, im kommenden Frühling ohne Sold weiterzukämpfen. Darum mussten Abgeordnete von jedem Regiment zurück in die Heimat geschickt werden, um um Geld zu bitten. Wallenstein vertrat die böhmische Infanterie, ein weiterer Offizier war für die Kavallerie zuständig, und sie reisten mit einer kleinen Eskorte. Auf dieser gefährlichen Reise passierten viele Missgeschicke, außerdem mussten sie mitten im Winter einen langen Umweg über die Hohe Tatra und Schlesien machen, um vom Feind besetzte Gebiete zu umgehen. Als sie im Januar 1605 ankamen, litt Wallenstein an einer Infektion, die er nachher „die ungarische Krankheit“ nannte. Bis heute ist sie nicht einwandfrei zu diagnostizieren, sie mag aber Ursache mehrerer späterer Krankheiten gewesen sein, die immer wieder auftraten.10 Sein Mitstreiter musste allein um Geld nachsuchen und bekam keines, wie vorherzusehen war.
Nach seiner Erholung kehrte Wallenstein nicht zur Armee in Ungarn zurück. Stattdessen erscheint sein Name als einer von zweien, die die böhmischen Stände im Februar 1605 zur Berufung als militärische Beauftragte vorschlugen, um Stärke, Bereitschaft und Bezahlung der Truppen in ihren Grenzgebieten zu prüfen. Ob er dann tatsächlich bestellt wurde und – falls ja – inwieweit er diese Aufgabe durchführte, ist unklar. Wegen einer nachfolgenden Verschlechterung der Lage in Ungarn entschieden sich die Böhmen aber, ihre militärischen Kräfte zu verstärken. Als Folge wurde Wallenstein zum Oberst eines noch zu rekrutierenden Infanterieregiments ernannt. Doch noch einmal entwickelte sich die Lage weiter, und bevor es möglich war, die Soldaten anzuwerben, wurde der Feldzug durch ein Abkommen mit den Türken und den ungarischen Rebellen abgeschlossen. Obwohl Wallenstein als Beauftragter und Oberst wenig erreichte, ist es doch bemerkenswert, dass er im Alter von 22 Jahren und nach nur kurzer Zeit im Einsatz auf diese Posten berufen wurde. Man kann einerseits annehmen, dass er hoch angesehen war, andererseits aber auch, dass es in diesem Bereich wenig Konkurrenz unter dem böhmischen Adel gab.11
Wegen des Friedens hatte der junge Soldat keinen echten Beruf mehr, und die Archive verzeichnen erst für 1607 den nächsten Schritt seiner Karriere. Irgendwann in dieser Zeit trat Wallenstein zum Katholizismus über, denn im Februar dieses Jahres wurde berichtet, dass er zur Messe ging.12 Es bedurfte keiner großen Förmlichkeiten, in die katholische Kirche einzutreten. Darum kennen wir weder das Datum, noch wissen wir etwas über die Motive Wallensteins. Trotzdem haben viele behauptet, dass seine Bekehrung auf Grund von Ehrgeiz und erwarteten persönlichen Vorteilen erfolgte. Diese Möglichkeit ist nicht auszuschließen, aber es stellen sich zwei Fragen: War Wallenstein zum damaligen Zeitpunkt in seinem Leben tatsächlich besonders ehrgeizig, und wenn, wäre es ihm als geeignet erschienen, Katholik zu werden, um seine Ziele zu befördern? Für unsere Zwecke kann Ehrgeiz im Sinne des Grundbesitzes oder der Karriere diskutiert werden, wobei Wallenstein in der ersten Hinsicht höchstwahrscheinlich ehrgeizig war. Sein Gut in Hermanitz konnte ihm nur einen sehr bescheidenen adligen Lebensstandard sichern, weshalb eine günstige Heirat für einen jungen Mann in seiner Lage die selbstverständliche und auch erwartete oberste Priorität hatte. Da jedoch zu dieser Zeit 90 Prozent der Adligen in den böhmischen Ländern Protestanten waren, hätte der Übergang zum Katholizismus es Wallenstein wahrscheinlich eher erschwert als erleichtert, eine heiratsfähige Erbin zu finden.13 Anders könnte es ausgesehen haben, wenn eine bestimmte Heiratschance absehbar gewesen wäre, doch das war nicht der Fall. Zudem war der Mann der katholischen Witwe, die später seine Frau wurde, zu dieser Zeit gesund und munter.
Aus der Sicht eines Adligen im siebzehnten Jahrhundert ist es etwas anachronistisch, über eine Karriere zu sprechen. Die Vermögenden tendierten vor allem dazu, von ihren Gütern zu leben. Vielleicht machten sie sich die Mühe, diese zu verwalten, zu verbessern und zu vermehren, oder aber sie gaben nur die Einnahmen aus. Diese Möglichkeit jedoch hatten andere nicht, entweder weil sie als jüngere Söhne infolge des Erstgeburtsrechts ohne Grundbesitz waren, oder weil sie nur unrentable kleine Güter besaßen, was oft der Fall war, wenn Erbschaften unter zu vielen Kindern aufgeteilt und unterteilt werden mussten. Wer kein Vermögen hatte, war gezwungen, andere Chancen zu suchen. Die Kirche bot Aufstiegsmöglichkeiten nur für die Höchstgeborenen, und Politik im wirklichen Sinne war auch nur den Wohlhabenden vorbehalten. Soldat zu werden, war zwar riskant, stellte aber Beförderung in Aussicht, sodass viele unvermögende Adlige im Dreißigjährigen Krieg den Oberstengrad erreichten. Schließlich gab es die Möglichkeit, sich um eine Stelle an einem fürstlichen Hof zu bewerben, sich gefällig und nützlich zu machen und dadurch in der Gunst des Gebieters zu steigen – alles in der Erwartung, dass sich daraus ein lohnendes Entgelt ergeben würde.
Wallensteins frühzeitiger Eintritt beim Militär weist darauf hin, dass er zu einer militärischen Karriere neigte, die Beschäftigung war jedoch unsicher. Die Kriege an der ungarischen Grenze traten nur sporadisch auf, und Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gab es in Mitteleuropa sonst kaum große Kriege. Zwar wurde noch zwischen den Spaniern und den rebellischen Vereinigten Provinzen in den Niederlanden gefochten, und es gibt Hinweise, dass Wallenstein 1607 in Betracht gezogen hatte, sich dorthin zu begeben. Nach fast vierzig Jahren hatte sich dieser Krieg jedoch festgefahren, zudem stand ein Waffenstillstand in Aussicht, der dann 1609 auch vereinbart wurde und zwölf Jahre dauerte.14 Bei Neigung und Gelegenheit aber wäre die Religion kein Hindernis gewesen, denn diese war für wenige Befehlshaber maßgebend, wenn sie ihre Offiziere bestellten. Viele fürstliche Höfe waren nicht so vorurteilsfrei, selbst wenn sowohl Kaiser Rudolf II. als auch sein Bruder, Erzherzog Matthias, bemerkenswert pragmatisch bezüglich der Religion derer waren, die ihnen dienen durften. Auf jeden Fall gab es genügend fürstliche Höfe aller Bekenntnisse in den böhmischen Ländern, in Österreich und überall im Reich. Wie für eine in Aussicht genommene Heirat war es in den Augen mancher auch zu rechtfertigen, die Religion auf Grund einer beruflichen Gelegenheit zu wechseln. Anders als bei einer Heirat galten solche Stellungen nicht lebenslang, weshalb eine von der Vernunft gesteuerte Bekehrung mitunter problematischer war. Schließlich nahm Wallenstein eine Stelle eher niedriger Stufe an einem Hof an, scheint jedoch keine Anstrengungen unternommen zu haben, voranzukommen. Sollte er tatsächlich ehrgeizig gewesen sein, war dies wohl nicht der Weg seiner Wahl. Wahrscheinlich schien ihm eine Eheschließung bessere Möglichkeiten zu bieten, was sich später als richtig herausstellte.
Folglich ist es keineswegs selbstverständlich, dass der Übertritt zum Katholizismus den Zweck hatte, eigennützigen Ehrgeiz zu erfüllen. Ferner bedeutete er für Wallenstein, zum Mitglied der religiösen Minderheit im heimischen Böhmen zu werden – gerade zu dem Zeitpunkt, als er einen guten Start im Militär gehabt hatte und bei den überwiegend protestantischen Ständen anscheinend hoch geschätzt war. Die Frage ist auch aus einer umfassenderen Sicht zu betrachten. Im vorigen Jahrhundert hatte der Protestantismus, besonders in Mitteleuropa, so große Einbrüche in der katholischen Welt bewirkt, dass es als höchst zweifelhaft angesehen werden musste, ob eine Bekehrung zum Katholizismus zuverlässige Aussichten auf persönliche Vorteile in der Karriere zu bieten hatte, auch wenn man bedenkt, dass die habsburgische Monarchie katholisch blieb. Die Gegenreformation änderte diese Situation, doch sie hatte zu dieser Zeit kaum eingesetzt, und es besteht kein vernünftiger Grund zur Annahme, dass ein Landadliger mit Anfang zwanzig diese Entwicklung voraussehen konnte.
Als Frage des persönlichen Glaubens betrachtet, sah es vielleicht anders aus. Neunzig Jahre nachdem Luther seine Thesen veröffentlicht hatte, war der Protestantismus nicht mehr modern, dynamisch und progressiv. Stattdessen hatte er sich in zwei große Konfessionen und viele kleinere Richtungen aufgeteilt, die sich untereinander häufig feindseliger gegenüberstanden als dem Katholizismus und durch heftige Auseinandersetzungen entzweit waren. Dabei ging es um Aspekte der kirchlichen Lehre, die Laien schwer verständlich, wenn nicht ganz und gar unbegreiflich scheinen mussten. Dagegen bot die katholische Kirche die spirituelle Sicherheit im uralten Glauben an, sowie eine monolithische Institution, an die man nur zu glauben brauchte, statt eine schwere Wahl treffen zu müssen. Aus der Sicht des Individuums war dies wohl die Grundlage der Gegenreformation, und wie viele andere könnte Wallenstein sie als anziehend empfunden haben. Er war mit Sicherheit nicht der einzige junge böhmische Edelmann, der zu dieser Zeit zum Katholizismus übertrat. Während seiner Kindheit und Jugend wurde er in zwei verschiedenen Richtungen des Protestantismus erzogen, auch Goldberg und Altdorf waren protestantisch, doch auf seiner Bildungsreise in Frankreich und Italien muss Wallenstein – vielleicht zum ersten Mal – mit starken katholischen Einflüssen in Berührung gekommen sein. Padua war ein Zentrum des katholischen Humanismus, und wenn er tatsächlich dem Markgrafen von Burgau diente, war er in einem Haus, das sowohl katholisch als auch habsburgisch war. Einige Berichte schreiben Wallensteins Bekehrung dem Einfluss eines bestimmten Jesuiten zu, doch egal, wie diese zustande kam – man kann mit Sicherheit sagen, dass er bis zum Ende seines Lebens praktizierender Katholik und großzügiger Wohltäter der Kirche blieb.
Als Wallenstein eine Stellung an einem Hof suchte, wandte er sich an Erzherzog Matthias. Wäre Ehrgeiz sein Beweggrund gewesen, dürfte dies wohl die beste Wahl gewesen sein, denn Matthias war des Kaisers nächststehender Thronfolger. Da er nur fünf Jahre jünger war als Rudolf, bot er als Person aber keine sichere oder langfristige Chance. Vielleicht war für Wallenstein ebenso von Interesse, dass Matthias in der weltoffenen Großstadt Wien Hof hielt und nicht in irgendeinem ländlichen Nest. Es könnte aber auch relevant gewesen sein, dass ein Förderer zur Verfügung stand, der an diesem Hof hoch genug geschätzt war, um seinem Empfehlungsschreiben das notwendige Gewicht zu verleihen. Zwar war Matthias Katholik, um aber die Religionsfrage aus der richtigen Perspektive zu betrachten, muss man dazu sagen, dass Wallensteins Förderer nicht katholisch war. Obwohl Letzterer erwähnte, dass Wallenstein zur Messe ginge, fuhr er fort, es sei wohlbekannt, dass dies auf Matthias’ Entscheidung keinen Einfluss haben würde. Wallenstein strebte jedoch nicht nach einer wichtigen, einflussreichen oder einträglichen Position am Hof. Ganz im Gegenteil strebte er lediglich danach, einer der vielen Kammerherren zu werden, deren Hauptaufgabe es war, dem Fürsten passende Begleitung auf der Reise, auf dem Feldzug oder bei Hoffeierlichkeiten zu bieten. Dies war ein anspruchsloses Amt, das niemanden voll ausfüllte, bei dem man aber nützliche Beziehungen knüpfen konnte. Wallenstein hatte Erfolg mit seiner Bewerbung und reiste folglich 1607 nach Wien.15
Sein Förderer war Karl Freiherr von Zierotin, der seine Schwester Katharina geheiratet hatte, als Wallenstein 1604 im Krieg war. Obwohl Katharina im folgenden Jahr an Tuberkulose gestorben war, blieben die zwei Männer in Verbindung. Zierotin war fast zwanzig Jahre älter als Wallenstein, und er war einer der prominentesten Adligen Mährens, das zu dieser Zeit ein verfassungsmäßig getrenntes Territorium war, wenn auch unter der Krone Böhmens. Er hatte gute Beziehungen und war sehr reich. Auch war er Gelehrter, führendes Mitglied der Mährischen Brüderschaft und ein erfahrener Staatsmann. Solch ein Mann gab Empfehlungsschreiben nicht leichtfertig aus, und auch wenn seine Briefe in Zeugnissen übliche Bemerkungen enthalten, ist seine Schilderung von Wallenstein im Alter von 23 Jahren wahrscheinlich ziemlich zutreffend. Er sei, schrieb er, ein junger Herr mit vielen guten und lobenswerten Eigenschaften, aus guter Familie und mit vortrefflichen Manieren, gut gebildet, und, in Anbetracht seiner Jugend, vernünftig und reif.16 Wallenstein wolle auch, schrieb er weiter, mehr militärische Erfahrungen sammeln, und darum würde er sicherlich irgendwann anstreben, in den Niederlanden unter Erzherzog Albrecht, einem anderen Bruder von Matthias und Rudolf, zu dienen.
Im folgenden Jahr war Wallenstein zum ersten Mal und nur für kurze Zeit in die Politik verwickelt. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gab es mehrere wichtige Ausbrüche des Konflikts, der aus den zugrundeliegenden wachsenden Spannungen innerhalb des staatlichen Gemeinwesens Europas herrührte, vor allem im Heiligen Römischen Reich. Zwei bestimmte Konflikte sind hier relevant. Erstens gab es Verwirrung an der Spitze des Reiches, denn Rudolf und Matthias waren beide nicht nur alt, sondern auch kinderlos oder zumindest ohne legitime Erben, außerdem standen sie dauernd miteinander auf Kriegsfuß. Bestenfalls war Rudolf exzentrisch, schlimmstenfalls war er dem Wahnsinn nahe. Matthias war geistig gesund, aber kaum fähiger, obwohl er sich für weitaus besser für die Spitzenposition geeignet hielt. Ihre Persönlichkeiten und ihre Streitigkeiten spiegelten und verschlimmerten die Zwänge der katholischen habsburgischen Führerschaft des Reiches, unter denen der wachsende Einfluss des Protestantismus der wichtigste war, sowohl in der politischen als auch in der religiösen Sphäre. Folglich war das zweite schwerwiegende Problem die Unruhe unter dem protestantischen Adel in den Ländern der böhmischen Krone. Das Ziel dieser Bewegung war, religiöse Freiheit zu gewinnen – und zwar unter Bedingungen, die auch König Rudolf, der zugleich Kaiser war, politisch entmachten würden.
Kurz zusammengefasst, führte die Entwicklung dieser Konflikte im Frühling 1608 zu einem bewaffneten Einmarsch von Matthias in Böhmen. In Lieben (Libeň), kurz vor den Toren Prags, der Hauptstadt Rudolfs, zwangen er und seine Verbündeten aus dem Adel Rudolf, Matthias die Titel König von Ungarn und Markgraf von Mähren zu überlassen. Zunächst erpressten die böhmischen Stände von Rudolf einen von ihnen selbst verfassten „Majestätsbrief“, der ihnen die Freiheiten gewährte, die sie suchten. Zum Schluss unternahm Matthias im März 1611 nach vielen Störungen und Gewalttaten einen Staatsstreich, wobei er Rudolf als König von Böhmen absetzte. Als Rudolf Anfang 1612 starb, wurde Matthias zum Kaiser gewählt. Wallenstein spielte nur im ersten dieser Ereignisse eine, wenn auch kleine, unmittelbare Rolle – in der bewaffneten Konfrontation von 1608. Er war als Hauptmann in einem mährischen Regiment an der Seite von Matthias wieder zum Militärdienst einberufen worden, geriet aber nicht ins Gefecht. Stattdessen fungierte er als Verbindungsmann zwischen seinem Schwager Zierotin, der weitaus tiefer in den Konflikt verwickelt war, und Matthias, dem er noch als Kammerherr diente.17 Mutmaßlich auf Grund dieser Position wurde er einer der Vertreter Matthias’ in den Verhandlungen mit einer Abordnung Rudolfs. Es ging um einen Versuch, die Krise beizulegen. Zwar war dies eine kleine Rolle, doch trotzdem hielt man es für angeraten, Sicherheit gegen Vergeltungsmaßnahmen zu begehren, und darum war Wallenstein einer derer, die Rudolf unter den Bedingungen des Liebener Abkommens begnadigen musste.18