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Mehr wert als all sein Volk

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(Othello, Shakespeare)

Als Wallenstein im Mai 1619 in Wien mit dem Inhalt der Olmützer Schatzkammer eintraf, war er selbst, wenn nicht ganz mittellos, so doch bestimmt ohne Landbesitz. Anscheinend besaß er nicht viel mehr als das, was er in sein neues Regiment gesteckt hatte. Weniger als fünf Jahre danach war er einer der ganz Reichen, größter Grundbesitzer in Böhmen und einer der wohlhabendsten Männer im Reich. Das Vermögen, das er in dieser Zeit erwarb, war die Grundlage seines künftigen Erfolgs, weil es ihm die Mittel an die Hand gab, Heere auf die Beine zu stellen, zu finanzieren und zu versorgen sowie noch mehr Geld zu borgen und seinem über alle Maßen verschuldeten Kaiser Kredite im großen Umfang einzuräumen. Wie er dies zustande brachte, ist eine Frage, für die viele sich interessiert haben, ohne jedoch endgültige Antworten zu finden. Dies wiederum löste Vermutungen aus, er müsse es auf fragwürdige Weise getan haben. Eine Untersuchung des Themas ist darum unbedingt notwendig, doch die Sache ist ohne Frage kompliziert; Leser, denen bei Finanzen schwindlig wird, sollten dieses Kapitel vielleicht lieber überspringen.

Wenn die Antworten unklar sind, ist Wallenstein selbst aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schuld daran. Seine Geschäftsmethoden waren ordentlich und systematisch. Klare Beweise dafür bieten die ausführlichen Unterlagen und die umfassende erhaltene Korrespondenz, sowohl über seine Karriere als General als auch über die Verwaltung seines Grundbesitzes. Andererseits bleiben große Lücken, zudem sind viele Urkunden zu Schlüsselfragen seines Lebens spurlos verschwunden. Im Juni 1631 zum Beispiel ließ Wallenstein etwa fünfhundert wichtige Dokumente in Prag katalogisieren und sie anschließend zur sicheren Verwahrung im Tresor in eins seiner Schlösser in Böhmen bringen. Die Unterlagen selbst sind verschwunden, aber das Verzeichnis ist noch vorhanden, und unter den Eintragungen befindet sich eine offizielle Quittung für ein sehr großes Darlehen in Höhe von dreieinhalb Millionen Gulden, das Wallenstein dem Kaiser im Januar 1623 gewährte.1 Mehrere der Akten sind wahrscheinlich in den Wechselfällen der Geschichte verlorengegangen, viele scheinen jedoch auch absichtlich vernichtet worden zu sein. Bestimmt hatten die Opportunisten und Abenteurer, die nach seinem Tod Teile von Wallensteins Grundbesitz erwarben, kein Interesse daran, solche Unterlagen aufzubewahren. Man hat auch behauptet, dass im Auftrag des kaiserlichen Hofes versucht wurde, die Archive durch das Entfernen von beunruhigenden Materialien zu säubern, die nicht nur Wallensteins vom Kaiser gebilligte Ermordung betrafen, sondern auch seine früheren finanziellen Beziehungen zur Hofkammer. Obwohl Forscher viele relevante Unterlagen entdeckt haben, entsteht dennoch der Eindruck eines Puzzles, von dem gerade genug Teile vorliegen, um einige spannende Umrisse entstehen zu lassen, bei dem aber zu viele fehlen, um die Einzelheiten zu enthüllen.

Man kann durchaus einige Vermutungen anstellen, die die ersten Phasen des finanziellen Aufschwungs Wallensteins betreffen. Als er sich auf Ferdinands Partei festlegte und sich mit einem kaiserlichen Patent versah, hielt er es erstens bestimmt für wahrscheinlich, dass sein mährischer Grundbesitz beschlagnahmt werden würde. Er lieh Ferdinand 40.000 Gulden, 20.000 aus eigenen Mitteln und weitere 20.000, die er aufgenommen hatte, obwohl er über weiteres flüssiges Kapital verfügte, und konnte auch jemand anderem noch 40.000 Gulden leihen. Zweifellos hatte er Vorsorge getroffen und so viel Geld und andere Wertsachen, wie er auftreiben konnte, nach Wien oder an einen anderen sicheren Ort geschafft.

Zweitens hatte er seine Regimenter, die 1619 eine Sollstärke von 1.000 Mann schwerer Kavallerie hatten, in den Jahren 1620/1621 auf 3.000 vermehrt. Für einen einzelnen Obersten war das eine sehr große Anzahl, und entsprechend groß waren die Chancen, rechtmäßigen Gewinn zu machen. Während des Dreißigjährigen Krieges konnte ein Oberst von einem einzigen Regiment reich werden, und die schwere Kavallerie war noch dazu die teuerste Waffengattung und darum die lohnendste. Bei seinem organisatorischen Geschick und Geschäftssinn darf man mit Recht annehmen, dass Wallenstein die Möglichkeiten bestens nutzte. Zweifellos vermehrte er seinen Gewinn durch die üblichen unsauberen Praktiken, unter denen mehrere derart üblich geworden waren, dass sie kaum mehr als unehrlich betrachtet wurden. Außerdem genoss er den Vorteil eines besonderen Zuschusses von 8.000 Gulden pro Jahr, der in seinem Patent von 1619 festgelegt war. Dies war eine Zulage von fast 50 Prozent zur normalen Zuwendung für Obersten: als Sold für seine Person, den Oberstleutnant und den Regimentsstab sowie für seinen Haushalt und Diener. Ein Grund dafür ist nicht verzeichnet, aber die Regelung wird eindeutig als außergewöhnlich bezeichnet und muss wohl widerspiegeln, wie hoch Wallenstein schon in der kaiserlichen Gunst stand.2

Dazu kam die Kriegsbeute. Plünderung war die einfachste Gelegenheit, entweder in Form von offenem Diebstahl oder – sicherer und lohnender –bei Nutzung der rechtmäßigen Variante. Wenn eine Stadt sich zu kapitulieren weigerte und folglich im Sturm erobert wurde, übergab man sie üblicherweise für eine bestimmte Zeit den Truppen. Sie hatten Erlaubnis, alles an sich zu nehmen, dessen sie habhaft werden konnten. Das war nach den „Kriegsgesetzen“ erlaubt, und zwar sowohl als Strafe für die, die sinnlos ausgeharrt hatten, als auch als Belohnung für die Soldaten, die im Sturmangriff ihr Leben riskiert hatten. Damals waren hohe Offiziere mit Sicherheit nicht über persönliche Plünderung erhaben, und zusätzlich bekamen sie häufig einen Anteil von allem, was ihre Männer an sich genommen hatten. Gewöhnlich kauften sie für nur einen Bruchteil des wahren Werts auch Wertsachen von den neuen Besitzern, denn die Soldaten brauchten vor allem Bargeld. Nicht selten wechselte diese Beute als Ergebnis der Wechselfälle des Krieges den Besitzer. Egal ob in einem Scharmützel oder in einer regelrechten Schlacht, stets war der Versorgungstross der Verlierer das erste Ziel der Sieger, genauso wie die Wertsachen, die Gefangene oder Tote bei sich hatten.

Offizieren boten sich auch Gelegenheiten, halblegitime Zahlungen in bar oder in Gestalt von Wertsachen von Zivilisten zu erpressen. Ein Brief für sicheres Geleit war eine davon. Eine Salva guardia (ein Schutzbrief) war eine zweite; es handelte sich um eine Zahlung, um ein Haus nicht zu plündern oder vor Plünderung zu beschützen, die sich noch erhöhte, wenn eine Wache aufgestellt wurde, um die Vereinbarung durchzusetzen. Es kostete auch etwas, wenn man davon befreit wurde, Soldaten in seinem Haus einzuquartieren. Dazu kam die Brandschatzung, eine Zahlung für den Verzicht darauf, ein Haus in Brand zu stecken. Theoretisch galt sie nur für Umstände, unter denen die altertümlichen Kriegsgesetze dies gestattet hätten, wurde aber in der Praxis oft ziemlich allgemein erhoben. Diese und andere Zahlungen konnten von einem Einzelnen oder für ein einzelnes Haus, aber auch von ganzen Dörfern oder Städten gefordert werden, wobei es sich in solchen Fällen um eine Menge Geld handelte. Vorschriftsmäßig hätten die meisten solcher Einnahmen in die amtliche Militärkasse eingezahlt werden sollen, und während des Dreißigjährigen Krieges wurden Offiziere gelegentlich mit Disziplinarstrafen belegt oder sogar hingerichtet, weil sie das nicht taten. Dies waren jedoch nur die offenkundigsten Fälle, in denen es um außerordentlich große Beträge ging. Das meiste Geld verschwand aber in privaten Taschen. Gewöhnlich wurde dies nicht als strafbar, sondern als eine Vergünstigung des Berufs angesehen. Besonnene Offiziere schickten ihre Gewinne so oft wie möglich an sichere Orte, und obwohl es schwierig ist, sie zu quantifizieren, ist bekannt, dass es beträchtliche Summen sein konnten. In den 1630er Jahren hatte Sydnam Poyntz, englischer Offizier unteren Ranges der kaiserlichen Kavallerie, laut Tagebuch 3.000 Pfund Sterling im Feld bei sich, damals eine riesengroße Summe. Augustin Fritsch, zu der Zeit Oberstwachtmeister (Major) im bayerischen Heer, verlor 5.000 Reichstaler in bar und einen ganzen Sack Silberwaren, als er in einer Schlacht auf der Seite der Verlierer stand.3

Folglich hatte Wallenstein beträchtlichen Spielraum, während des böhmischen Feldzuges von 1619–1621 seine Vermögenslage aufzubessern. Das ist wichtig, denn um die Möglichkeiten auszunutzen, die sich ihm nachher boten, brauchte er eine namhafte Geldsumme als Einsatz und Ausgangspunkt. Der Zusammenbruch des Aufstands nach der Schlacht am Weißen Berg und die darauf folgende Restaurierung der Autorität der Habsburger in Böhmen und Mähren sicherten auch, dass er sein konfisziertes Vermögen zurückbekommen würde. Er war früher schon ein großer mährischer Grundbesitzer gewesen, zwar nicht so reich wie Liechtenstein, Dietrichstein oder Zierotin, aber dennoch in den oberen Rängen. 1621 war er wahrscheinlich wesentlich reicher als vor dem Aufstand, und wenn ihm auch sein Grundbesitz noch nicht vollständig zurückgegeben worden war und sein militärischer Gewinn hauptsächlich aus Schuldscheinen der Hofkammer bestand, konnte er diesen bei den richtigen Kontakten als zusätzliche Sicherung für künftige Geschäftsabschlüsse nutzen.

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