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den 2ten May. 176g.

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Ich gehe zuweilen in 8 Tagen nicht aus dem Hause und lebe sehr vergnügt, ein eben so langer Haus-Rest auf Befehl würde mich in eine Kranckheit werfen. Wo Freyheit zu dencken ist, da bewegt man sich mit einer Leichtigkeit in seinem Circkel, wo Gedancken Zwang ist, da kommen auch die erlaubten mit einer scheuen Mine hervor.

… in einem Kopf, wo die Wörter nicht recht liegen, da ist eine gantz andere Denckungs Art, ein anderes Jus naturae, andere Belleslettres, die gantze Haushaltung muß sich ändern, man wird Fremdling in seinem eigenen Vaterland und in der Welt. Also wolte ich allen jungen Leuten rathen, alle neue Wörter fein zu ordnen und so wie die Mineralien in ihre Classen zu bringen, damit man sie finden kan, wenn man darnach fragt oder sie selbst gebrauchen will. Dieses heißt Wörter Oekonomie, und ist dem Verstand eben so einträglich, als die Geld Oekonomie dem Beutel.

Es ist nicht zu läugnen, daß das, was man Beharren nennt, manchen Thaten das Ansehen von Würde und Gröse geben kan, so wie Stillschweigen in Gesellschafft einem dummen Haupt Weisheit und scheinbaren Verstand. Fortgefahren, das ist es eigentlich was Mäuler stopft und Credit machen kan, man kan es so weit bringen daß man demjenigen, der den Tadel wiederholt, zur Antwort giebt: das haben wir längst gewußt….

Ich weiß nicht woher es kommt, aber das Wort Jonisch drückt bey mir sehr viel mehr aus als im Lexicon steht.

Trincken, wenn es nicht vor dem fünf und dreysigsten Jahre geschieht, ist nicht so sehr zu tadlen, als sich viele von meinen Lesern vorstellen werden. Dieses ist ohngefehr die Zeit, da der Mensch aus den Irrgängen seines Lebens heraus auf die Ebene tritt in welcher er seine künfftige Bahn von nun an offen vor sich hinlaufen sieht. Es ist betrübt wenn er alsdann erst sieht daß es die rechte nicht ist, eine andre zu suchen, wenn er nicht sehr gut zu Fuß ist, ist gemeiniglich zu spät. Ist diese Entdeckung mit einer Unruhe verknüpft, so hat man durch die Erfahrung befunden, daß der Wein zuweilen Wunder thut, fünf bis sechs Gläser oder bis an die Spes dives des Horatz getruncken, giebt nun dem Menschen die Lage die er verfehlt hat, das Gesinnungen System findet alles äussere mit seinem angenehmsten Stande harmonisch, wo Prospeckte verbaut sind, da reißt die Seele ein, und überall schafft sie sich die schönsten Perspecktive, von dem reinsten Rosenfarbenen Licht erhellt, oder dem erquickendsten Grün das nur ein Auge zur Stärckung und eine Seele zur angenehmsten Füllung verlangen kan.

Er muste etwas zu spielen haben, hätte ich ihn keine Vögel halten lassen, so hätte er Maitressen gehalten.

… Die Seele, die allzeit ein unglaubliches Vergnügen in der Betrachtung ihrer selbst findet, genießt hier weil sie gantz auf der Oberfläche verwachsen ist, in der Anschauung ihrer selbst vor einem Spiegel, diejenige glückliche Stellung, die offt ein verfeinerter Schwärmer, bey einer glücklichen Liebe und der Gegenwart des sanfften Bacchus, in einer Sommernacht mitten unter den Zaubereyen der wollüstigsten Musick nicht erreichen kan.

Dem Weisen ist nichts groß und nichts klein, zumal zu der Zeit wenn er philosophirt, wo ich allemal voraussetze, daß es ihn weder hungert noch durstet, noch daß er seine Dose vergessen hat, wenn er schnupft. Alsdann könte er glaube ich Abhandlungen über Schlüssellöcher schreiben, die so wichtig klängen, als ein Jus naturae und eben so lehrreich wären. In den kleinen alltäglichen Pfennigs Begebenheiten steckt das moralische Universale eben so gut als in den grosen wie die wenigen Adepten wohl wissen. In einem Regentropfen steckt so viel gutes und künstliches, daß man ihn auf einer Apothecke unter einem halben Gulden nicht lassen könnte. …

Der Fehler der neueren Schrifftsteller so wohl als Künstler besteht im übertreiben, ein gut eingerichtetes Gefühl findet in einer Mäßigkeit die nicht nach Geitz schmeckt nur wahres Vergnügen, sobald man es aus diesen Gräntzen führt, so läßt sich immer fragen, warum gehen wir nicht weiter heraus. Es giebt eine Art des übertriebenen in welcher alles recht ist, und deswegen ist es für alle seichte Köpfe so gemächlich. …

Wenn ich einen Augenblick einmal dencke, aber es könte dir in Zukunfft schaden so zu handeln; Possen, fällt mir meine Empfindung ins Wort, und ich bin gewöhnlich schon überführt ehe sie völlig ausgeredet hat.

Es war eine Uebereilung, ich that es mit der nemlichen Wärme ohne welche mein Leben weit weniger werth seyn würde, als es jetzo ist, und ich legte mich endlich unter bitteren Vorwürfen die ich mir machte zu Bette, meiner Empfindung nach um einen ziemlichen Ausschlag moralischen Gewichts leichter.

Seinen kleinen Stock brauchte er allerley zu messen, cörperliche sowohl als moralische Dinge, denn er sagte offt: ich bekümmere mich nicht so viel darum, und zeigte mit dem Nagel seines Daumens an dem Stock wie viel er sich darum bekümmerte.

Ihr Unterrock war roth und blau sehr breit gestreifft und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt.

Witz und Laune müssen, wie alle corrosive Sachen, mit Sorgfalt gebraucht werden.

Jederman kennt das Vergnügen und die angenehme Sicherheit mit welcher man in neuen Strümpfen ausgeht, wenn die vorhergehenden schon öffters geflickt worden, und dennoch zuweilen die Aufmercksamkeit der Leute durch ein Loch auf sich gezogen haben.

Das trincken hat wie die Mahlerey seinen mechanischen und dichterischen Theil, so wie auch die Liebe. …

Wenn uns ein Engel einmal aus seiner Philosophie erzählte, ich glaube es müsten wohl manche Sätze so klingen als wie 2 mal 2 ist 13.

Er konte nicht begreifen warum zuweilen unwiderstehliche Neigungen in ihm entstunden, wozu ihm doch alle Befriedigung abgeschnitten war. Er richtete diese Zweifel offt als eine Preißfrage an den Himmel und eine befriedigende Beantwortung versprach er mit einer völligen Verläugnung seiner selbst und einer gelassenen Unterwerfung zu erwiedern.

Wenn ich einen Grosen der ein Bösewicht ist in Gedancken gehn sehe, so dencke ich immer, nun ist er sein eigener Hencker villeicht und vollzieht eine Strafe an sich selbst, welches jener nicht thun darf und kan.

Nimm dich in acht, daß meine Gedult nicht über deiner Langsamkeit abläuft. Auf meine Ehre, ich ziehe sie deinetwegen nicht noch einmal auf.

Es ist zum Erstaunen wie sehr unsere Eitelkeit mit jedem Bettel schachert, was der Arme nicht mehr nützen kan wirfft er auf den ersten den besten Weg hin umsonst. Wir, die wir uns mehr düncken als Bettel-Leute, geben unsere abgenuzte Kleider zuweilen dem ersten dem besten Armen gegen Erlegung [von] etwas weit wichtigerm, als es uns zu stehen kam, gegen Danck und Verbindlichkeit.

Aphorismen – Sudeleien – Stichelreden

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