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019 DAS PRIVILEGIUM MAIUS: DER ERFUNDENE ERZHERZOGSTITEL

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Als Kaiser Karl IV. 1356 die Goldene Bulle erließ, war der Unmut in Wien groß. In dem berühmten Reichsgesetz wurde nämlich die erlauchte Riege der Kurfürsten festgelegt, deren Rechte und Privilegien man fein säuberlich auflistete. Vom Herzog von Österreich war darin jedoch keine Rede.

Das entsprach damals tatsächlich nicht mehr der politischen Realität, denn die Habsburger hatten sich mittlerweile zu einer der wichtigsten Dynastien im Reich entwickelt und verfügten über eines der größten Territorien. War es nicht vor über hundert Jahren schon kurz vor der Erhebung zu einem Königreich gestanden? War das nicht Beweis, dass selbst der große Stauferkaiser Friedrich II. die besondere Stellung Österreichs erkannt hatte? Karl IV. erkannte sie offenbar nicht. Er war zwar sehr eifrig, wenn es darum ging, seine eigene Dynastie, jene der Luxemburger*, nach Kräften zu fördern, das hieß aber nicht, dass auch sein Schwiegersohn, der Habsburger Rudolf IV. (1339–1365), davon profitieren sollte.

Dieser ehrgeizige und impulsive junge Mann fühlte sich übergangen und trachtete danach, auf anderem Weg eine rechtliche Erhöhung seines Hauses zu erlangen. In den Wintermonaten 1358/59 entstanden sieben gefälschte Urkunden, von denen das Privilegium maius (»Großer Freiheitsbrief«) die berühmteste ist. Ihr Name war natürlich eine deutliche Anspielung auf das Privilegium minus (s. Kap. 011). Der Inhalt jenes echten Dokuments wurde in der Fälschung aber geradezu unverschämt erweitert. Man zögerte auch nicht, das kaiserliche Siegel von der Originalurkunde abzuschneiden und auf der falschen anzubringen. Darüber hinaus wurde das Privilegium minus damals vernichtet, es ist heute nur noch in Abschriften erhalten.

Es würde zu weit führen, auf sämtliche Vorrechte einzugehen, die im »Großen Freiheitsbrief« den Herzögen von Österreich vermeintlich verliehen worden waren. Kern der Aussage war jedenfalls, dass jene den Kurfürsten gleichgestellt seien und somit eine herausragende Stellung im Reich beanspruchen dürften. Damit war auch ein besonderer Titel verbunden, der den österreichischen Herzögen zustünde: Der »palatinus archidux« (»Pfalz-Erzherzog«) dürfe, so hieß es, bei Reichstagen »in der Versammlung sowie beim Einzuge an der rechten Seite des Kaisers den ersten Platz nach den Kurfürsten einnehmen«.

Die falschen Urkunden waren qualitativ gut gemacht, zweifellos von juristisch und historisch höchst versierten Personen. Dass man sich in einer davon aber gleich auf Julius Cäsar und Kaiser Nero berief, erweckte dennoch Skepsis. Karl IV., dem Rudolf 1360 das Privilegium maius zur Bestätigung vorlegte, ließ es jedenfalls durch den berühmten Dichter Petrarca, einen exzellenten Kenner antiker Texte, auf seine Echtheit überprüfen. Kurz: Kaiser Karl roch den Braten und verweigerte seinem Schwiegersohn die Anerkennung der Fälschung.


Das berühmte Porträt Rudolfs IV., auf dem er sich bereits als »archidux«, als »Erzherzog«, bezeichnen ließ

Das irritierte Rudolf offensichtlich wenig, denn er gebrauchte von nun an den Titel eines »Erzherzogs«. Er legte sich sogar eine edelsteinbesetzte Krone zu, obwohl der Kaiser ihm das Tragen solcher – nicht seinem herzoglichen Stand entsprechenden – Insignien verboten hatte. Dieser ernste Konflikt konnte erst, so heißt es, durch Vermittlung Katharinas, Rudolfs Gemahlin und Karls Tochter, beigelegt werden.

Es dauerte noch eine Weile, bis sich der erfundene Erzherzogstitel durchsetzte. Im 15. Jahrhundert wurde er rechtlich anerkannt und ab da offiziell geführt.

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