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015 OTTOKAR PŘEMYSLS
GLÜCK UND ENDE
ОглавлениеNein, ein »armer Graf, den der Bettelsack drückte«, oder ein »kleines Lichtlein aus Schwaben«, wie es später hieß, war Rudolf (1218–1291) mit Sicherheit nicht. Mit solchen Worten wollte man bloß seinen späteren Aufstieg als besonders bemerkenswert erscheinen lassen – und vor allem seinen Triumph über den mächtigsten Mann im Reich, den böhmischen König Ottokar II. Přemysl (s. Kap. 014). Rudolf war vielmehr einer der einflussreichsten Landesherren im Südwesten Deutschlands, mit großem, wenn auch verstreutem Besitz zwischen Elsass, Schwarzwald und der Schweiz.
Siegel des Böhmenkönigs Ottokar II. Přemysl, des Landesherrn von Österreich, der Steiermark und Kärnten
Nach dem Tod des letzten Stauferkaisers Friedrichs II. 1250 begann das über 20 Jahre dauernde Interregnum, wie Schiller sie nannte, »die schreckliche, die kaiserlose Zeit«. Das stimmt aber nur bedingt, denn an Kandidaten für das höchste Amt mangelte es keineswegs. Es war bloß keiner dabei, der sich als geeignet erwies und sowohl von den Fürsten des Reichs als auch vom Papst akzeptiert worden wäre. Erst 1273 einigten sich die Kurfürsten* auf die Wahl des bereits 55-jährigen Grafen Rudolf von Habsburg zum römisch-deutschen König.
Einer der Kurfürsten verweigerte ihm jedoch die Stimme und protestierte energisch: König Ottokar von Böhmen. Er hatte sich selbst Chancen auf die Krone ausgerechnet, und so war es abzusehen, dass das letzte Wort zwischen den beiden Konkurrenten noch nicht gesprochen war. Rudolf erkannte die große Gefahr, die von Ottokar ausging. Es gelang ihm, diesen politisch zu isolieren, und er klagte ihn an, seine Länder (zu denen mittlerweile auch Kärnten gehörte, s. Kap. 017) unrechtmäßig in Besitz genommen zu haben. Da sich der selbstbewusste Ottokar weigerte, sich zu rechtfertigen, und dem König weiterhin seine Anerkennung versagte, sprach dieser die Reichsacht über den Widersacher aus, was einer Kriegserklärung gleichkam. Ottokar ließ sich vom entschlossenen Vorgehen Rudolfs überrumpeln und war 1276 gezwungen, in einen raschen Frieden einzuwilligen. Zähneknirschend verzichtete er auf Österreich, Steiermark und Kärnten und musste auch noch vor dem siegreichen König Rudolf niederknien. Die Legende besagt, dieser habe in jenem Augenblick die Plane seines Zelts zurückschlagen lassen, damit alle davor Wartenden den stolzen Böhmen in dieser demütigenden Pose sehen konnten.
Ottokar war jedoch nicht bereit, die schmachvolle Niederlage zu akzeptieren und sich mit Böhmen und Mähren zufriedenzugeben. Im Hochsommer 1278 rückte er mit seiner Armee vor, um das verlorene Land zurückzuerobern. Es kam nun zu jener Schlacht, die die weitere Geschichte Österreichs entschied: Bei Dürnkrut im Marchfeld blieben Rudolfs Truppen siegreich. Sein Herausforderer fand dabei kein ehrenvolles Ende, man zerrte den verwundeten, bereits fliehenden Böhmenkönig vom Pferd und erschlug ihn.
Die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnten fielen nun zurück ans Reich, also in die Hände König Rudolfs. Das hieß aber keineswegs, dass er nach Lust und Laune darüber verfügen konnte. Die Fürsten des Reichs waren nämlich wie stets darum bemüht, dass keiner aus ihrer Mitte – und sei es der König – über eine zu große Hausmacht verfügte, also über zu großen erblichen Familienbesitz. Rudolf musste sein weiteres Vorgehen daher in langwierigen Verhandlungen abstimmen. Dennoch legte er mit seinem Sieg über Ottokar die Basis für eine Herrschaft, die sechs Jahrhunderte andauern sollte.
Rudolf von Habsburg, der Stammvater der österreichischen Dynastie. Kolorierter Stich seiner Grabplatte im Dom zu Speyer