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002 DER MAGDALENSBERG UND
DER ZUNEHMENDE EINFLUSS ROMS
ОглавлениеDer geheimnisvolle »Jüngling vom Magdalensberg« (Abguss)
Bislang ist es nicht gelungen, am Kärntner Magdalensberg eindeutige Spuren einer keltischen Siedlung zu finden. Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn immerhin befindet sich dort seit 1948 eines der ergiebigsten und bestdokumentierten Ausgrabungsfelder des östlichen Alpenraums. Zwar fand man große Mengen an keltischen Münzen und keltischen Inschriften, doch die Gebäude wurden allesamt von Römern erbaut!
Bereits zur Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. – also wohlgemerkt Jahrzehnte, bevor das Regnum Noricum ins Römische Reich eingegliedert wurde – ließen sich nämlich italische* Geschäftsleute auf dem Magdalensberg nieder und erweiterten die (höchst wahrscheinlich) hier bereits bestehende keltische Siedlung zu einer regelrechten Wirtschaftsmetropole des Altertums. Man darf davon ausgehen, dass es sich dabei um jenes (Alt-) Virunum handelte, das in den antiken Schriften mehrfach erwähnt wird.
Die Römer, präziser gesagt: Unternehmer aus Aquileia, kamen damals noch keineswegs als Eroberer. Sie nutzten bloß die bereits bestehenden ökonomischen Strukturen, bauten sie aus und banden sie zu ihrem eigenen Vorteil in den nun aufblühenden Handel ein. Eine starke militärische Präsenz war gar nicht vonnöten, denn das Zusammenleben mit der ansässigen keltischen Bevölkerung schien vollkommen friedlich zu verlaufen. Diese profitierte immerhin davon, dass die römischen Kaufleute das Geschäft in ihre Hände nahmen, denn den keltischen Produkten wurden damit neue und höchst lukrative Märkte erschlossen. Im Gegenzug kam man in den Genuss von importiertem Wein und Olivenöl aus dem Süden – zumindest, wenn man es sich leisten konnte.
Am Magdalensberg wurde ab jetzt die Produktion von hochwertigem Eisen in ganz großem Stil betrieben, bald kam auch der Handel mit kostbaren Bergkristallen und Messing hinzu. Es ist wahrscheinlich, dass auch Gold, das die Kelten in den Alpen zutage förderten, hier zu Barren gegossen wurde, um dann nach Italien exportiert zu werden. Neben Schmelzöfen, geräumigen Warenlagern, Werkstätten, Kontoren und einer Händlerbörse schufen die Römer auch ein ausgeklügeltes Brunnen- und Kanalsystem, und die erhaltenen Reste der freskengeschmückten Wohnhäuser zeugen noch heute vom behaglichen Wohlstand ihrer Bewohner.
Ein Forum wurde angelegt, ein Badehaus und eine Tempelanlage, in der den römischen Göttern gehuldigt wurde. Mit diesem Tempel ist auch der berühmte »Jüngling vom Magdalensberg« in Verbindung zu bringen, jene Bronzeskulptur, die im ersten vorchristlichen Jahrhundert gegossen wurde und heute (wenn auch nur als Kopie aus der Renaissancezeit) zu den besonderen Schätzen des Kunsthistorischen Museums in Wien zählt. Die Figur gibt allerdings bis heute Rätsel auf und lädt zu Spekulationen ein: Stellt sie einen unbekannten keltischen Helden dar? Zeigt sie Merkur oder Mars oder doch nur einen idealtypischen Athleten?
Der wirtschaftliche Aufschwung und der Kontakt mit den Errungenschaften südlicher Zivilisation brachten wie gesagt große Vorteile mit sich, doch bildete der zunehmende Einfluss Roms auch einen ersten Vorgeschmack auf das, was bald folgen sollte: die politische und militärische Übernahme des Regnum Noricum. Die italischen Kaufleute, die sich am Magdalensberg niederließen, bildeten gewissermaßen die Vorhut. Die Romanisierung des Alpenraums stand bevor.